Analyse

 

Diskussion

Es gibt wenige Spiele, die ich so verinnerlicht habe wie Die Siedler II: Veni, Vidi, Vici. Spontan fallen mir da jetzt noch Sam & Max: Hit the Road, Day of the Tentacle und Lands Of Lore: The Throne of Chaos. Gibt natürlich doch noch wesentlich mehr aber das interessiert ja wieder keinen. Diese Spiele haben alles eines gemeinsam: Ich kann sie mit geschlossenen Augen spielen, so gut kenne ich sie. Klar bei Adventuren ist das weniger ein Problem. Wenn man sie oft genug zockt, weiß selbst der dümmste noch nach einiger Zeit wie die Rätsel funktionierten aber dennoch ist es auch dort ein komisches Phänomen. Da fragt man sich zum einen natürlich, wie es die Spiele schaffen, einen so zu fesseln und quasi zu zwingen sie immer und immer wieder herauszuholen. Aber man kann sich auch fragen, was die logische Konsequenz davon ist - womit wir bei unserem heutigen Thema angelangt sind: die Fanbase. Allerdings nicht eine beliebige Art von Fanbase sondern wirklich die Hardcore-Jungs. Die Modder, die Analysten, ja selbst die Pro-Gamer. Eben all diejenigen die Wochen, Monate, Jahre für ein einziges Spiel opfern und damit den anderen Spielern nicht nur das Spielerlebnis verlängern sondern auch einen tieferen Einblick ins Innere bieten.

Wie so oft, ist auch hier ein Spiel von id Software, der wirkliche Beginn dieser Zeitrechnung: Doom. Sicherlich gab es auch vorher schon unzählige Spiele, die eine riesige Fangemeide hatten, die sich um ihren Liebling kümmerten aber Doom war sicher eines der ersten Spiel, schon kurz nach erscheinen so umfangreich Modbar waren. Und die Community, damals noch im kleinen Rahmen - das Internet wie wir es heute kennen, gab es ja dort noch nicht - stürzte sich sofort drauf. Als dann einige Jahre später endlich der Source Code von John Carmack freigegeben wurde, erlebte das Spiel einen zweiten Frühling, der auch heute noch etwas unscheinbarer anhält. Es gibt so viele Maps, Mods und Total Convertions für Doom, da hat jeder schon lange den Überblick verloren. Selbst id hat ja mit Final Doom der Modszene Respekt gezollt und die 2 neuen Episoden TNT und Plutonia in das Paket gesteckt, die beide von Leuten aus der Community stammen. Aber ich möchte jetzt nicht auf die Modder eingehen die uns Total Convertions oder Versionen mit besserer Grafik etc. ermöglichen, sondern auf die Leute viel weiter im Hintergrund. Den Analysten. Leuten wie Tony Fabris, Autor des legendären BFG FAQs. Dieses FAQ ist das perfekte Beispiel für die Hingabe von Fans zu einem Spiel. Dort wird detailgenau analysiert und erklärt wie die mächtigste Waffe in Doom funktioniert. Selbst mit verfügbarem Source Code ist das alles andere als ein einfaches Unterfangen. Und das FAQ wurde schon lange vorher begonnen. Man muss mal darüber nachdenken was das bedeutet. Da setzen sich mehrere Leute hin, starten einen Deathmatchserver und fangen an sich mit der BFG zu beschießen. Nicht zum Spaß, sondern um zu erfahren wie diese Waffe funktioniert. Sie fragen sich wie die Programmierer diese Waffe konzipiert haben. Zeichnen jeden noch so kleinen Aspekt auf und analysieren wieder und wieder das was sie gesehen haben. Und nachdem sie eine ungefähre Ahnung haben, schreiben sie, wie jeder guter Wissenschaftler, ihre Ergebnisse auf und veröffentlichen sie. Völlig kostenlos. Sie haben Monate und Jahre für dieses Stück Papier gearbeitet und bekommen nichts im Gegenzug dafür. Nichts? Nicht ganz.

Die Community dankt es ihnen auf ihre Art. Durch respektvolle Annerkennung und so mancher Schreiberling hat es durch solch ein Werk auch schon in höhere Gefilde geschafft. Letzteres ist in Zeiten des Massenkonsums aber leider nicht mehr so der Fall.

Von unserem Beispiel profitieren mehrere Schichten. Zum einen die normalen Spieler. Eine Waffe die man versteht, kann man umgehen und selbst treffsicher einsetzen. Dann die Modder und Programmierer. Auch als noch nicht die Auszüge des Source Code im FAQ enthalten waren, konnte man einigermaßen nachvollziehen wie diese Waffe auf dem Papier entstand. Welche Hintertürchen die Programmierer damals benutzt haben um die gewünschte Wirkung zu erhalten. Wie die Spieler ausgetrickst wurden um die Performance nicht zu drücken. All dies ist in diesem einem FAQ nachzulesen und nachzuvollziehen. Alles nur durch Tests mehrerer Leute die Tage und Nächte damit verbrachten, verschiedene Situationen Ingame immer und immer wieder nachzuspielen.

Das ist unglaublich. Das BFG-FAQ ist natürlich nur ein kleines Beispiel von unzähligen. Das fängt bei der Auflistung der Werte einzelner Einheiten in einem Strategiespiel an und hört bei einer wissenschaftlichen Diplomarbeit an einer Uni auf (habe leider grad keine Beispiele zur Hand aber es gibt sie!). Jeder noch so unbedeutender Aspekt wird irgendwo von irgendwem genaustens angeschaut. Und warum? Um das Spiel so perfekt wie möglich zu meistern. Um zu sehen wie der Programmierer dachte und sich dieses Wissen anzueignen und natürlich auch um Cheats und Exploits zu finden. Gibt sicherlich noch viele andere Begründungen aber das "Warum?" kann uns doch völlig egal sein oder? Ich bin froh das es dort draußen solche Leute gibt die, die anstrengende Vorarbeit machen und sie uns zur Verfügung zu stellen. Um es mal banal und für jeden Verständlich zu sagen: Ohne diese Leute müsste jeder Raid selbst ausprobieren wie man in World Of WarCraft am besten Ragnaros legt. Sie müssten selbst darauf kommen wie man die Loottables (falls sie überhaupt wussten, das sie existieren) steuert. Jeder Spieler müsste selbst die angeblich "perfekte" Skillung für seinen Charakter finden. Natürlich macht es teilweise mehr Spaß diese Sachen selbst herauszufinden aber seien wir doch ehrlich: Die meisten unter uns sind dafür doch viel zu faul oder? Na also. Deswegen bin ich froh, das es Spieler wie Herrn Fabris gibt, die Publikationen wie das BFG FAQ schreiben. Ihr solltet das auch sein!

P.S.: Den Walkthrough-Schreibern muss man natürlich auch sehr dankbar sein aber sie zählen logischerweise nicht zur Gruppe der Analysten.[CH]

(Veröffentlicht am 22.07.2006)