Sicarius

Moralisch verwerflich?

Lange hat es gedauert, auch wenn es immer noch lange dauern wird. Wie, der Satz macht keinen Sinn? Lasst mich doch erst einmal ausreden: Gestern hat Introversion die langerwartete Pre-Order-Phase für ihr neustes Werk Prison Architect gestartet. Allerdings ist das Spiel noch weit davon entfernt fertig zu sein. Aber wie es mittlerweile viele Indie-Entwickler machen, lässt euch auch Introversion an der Entwicklung teilhaben und gibt euch für euer Geld sofortigen Zugriff auf die erste gut spielbare Alpha-Version des Titels — und natürlich allen kommenden Fassungen.

Herstellerbild zu Prison ArchitectAls Introversion-Fanboy habe ich natürlich sofort zugeschlagen. Ihr werdet mich entsprechend im fertigen Spiel in eine Zelle sperren dürfen und mir dabei zu sehen können, wie ich in der Dusche die Seife fallen lasse. Aber da ich ja diesen Eintrag hier tippen muss, konnte ich es noch nicht spielen. Warum ich also das Thema überhaupt aufbringe? Nun, in und unter der Berichterstattung über das Spiel, äußern einige Redakteure wie User erneut ihre Bedenken über das Setting. Sie würden sich dabei unwohl, ja fast schon depressiv fühlen oder befürchten gar, dass das Spiel eine spezielle Anziehungskraft auf unerwünschte Mitglieder unserer Gesellschaft ausüben wird. Oder auf Deutsch: Es wird, wie schon bei DEFCON, die Frage nach der Moral gestellt.

Um was geht’s?

Aber fangen wir von vorne an: Wie es der Name vielleicht schon vermuten lässt, ist Prison Architect eine Wirtschaftssimulation in der es eure Aufgabe ist ein Gefängnis aufzubauen und zu managen. Denkt an Prison Tycoon nur in 1000. Mal besser. Neben einer durchdachten Simulation mit viel Mikromanagement, sind die Auszeichnungsmerkmale des Spiels zum einen der gewohnt ungewöhnlichen Grafikstils, vor allem aber die künstliche Intelligenz von allen Beteiligten (Häftlinge, Wachen und dergleichen).

Die Entwickler versprechen nicht nur, dass sich jede Situation nach einem Neustart anders abspielen wird. Es wurde auch bereits gezeigt beziehungsweise konnte von ein Redakteuren und auch Messebesuchern bereits getestet werden. Und die amüsanten Bugs, die Programmierer Chris Delay öfters Mal auf Twitter postet, verdeutlichen zusätzlich, was das zu Grunde liegende System anscheinend alles drauf hat.

Ich für meinen Teil bin sehr gespannt darauf zu sehen, was aus der Asche von Subversion entstanden ist. Aber zurück zum eigentlichen Thema.

Und weiter?

Es haben also diverse Leute ein Problem mit Prison Architect, weil es ein Gefängnis simuliert (inklusive der Möglichkeit Leute hinzurichten). Mich verwundert diese Einstellung. Gut, ich vermute in Deutschland sind die Gefängnisse noch relativ human, auch wenn ich nicht weiß wie es tatsächlich im Knast zugeht und wie vor allem in Amerika die Zustände sind. Man kriegt ja meist nur die Geschichten aus Guantanamo oder irgendwelchen Rattenhöhlen in der Türkei oder einem der vielen Ländern des Nahen Osten mit. Und auch die Sache mit der Todesstrafe wird sicherlich dem ein oder anderen nicht gefallen. Aber dennoch stellt sich mir die Frage: Warum liegt genau dieses Thema den, vor allem amerikanischen Spielern plötzlich so schwer im Magen?

Wir reden hier von Leuten, die in einer Gesellschaft leben, die der Darstellung von selbst extremer Gewalt absolut kein Problem hat. Einem Land, in dem in vielen Teilen noch die Todesstrafe gilt und aktiv ausgeführt wird. Einem Ort, an dem fast jeder eine geladene Waffe Zuhause hat. Dem größten Produzenten von gewalttätigen Inhalten auf der Welt. Und da kriegen sie ein mulmiges Gefühl, wenn sie in einem Spiel ein Gefängnis aufbauen und betreiben müssen? Das ist doch völlig paradox.

Noch einmal: In einem Call of Duty: Black Ops werden im Sekundentakt Menschen auf brutalste und möglichst realistische Art und Weise ermordet. Aber sie einsperren, sie ähnlich wie in Die Sims zufrieden zu stellen und halt ab und zu auch mal im Auftrag des Staats einen über den Jordan zu schaffen ist plötzlich moralisch fragwürdig? Bei aller Toleranz gegenüber fremden Kulturen: Das will mir einfach nicht in den Kopf. Zumal gerade Introversion anders als beispielsweise die Macher des Prison Tycoon durchaus mit Bedacht an das Thema heran zu gehen scheinen.

Da gibt es ganz andere Sachen, wo man tatsächlich über die Moral sprechen könnte.

Epilog

Aber gut: Es spricht definitiv nur für das Spiel, wenn es wie schon DEFCON bei einigen den Denkapparat anzuwerfen scheint. Selbst wenn ich persönlich, anders als bei DEFCON, es eben nicht so wirklich nachvollziehen kann. Da spielt wie so oft unter Garantie die eigene Herkunft eine große Rolle. Die Welt kann durch die Diskussion nur ein besserer Ort werden. Und damit meine ich, dass jedes bisschen Aufmerksamkeit für ein Spiel von Introversion immer gut ist :smile: .

Dennoch die Frage an euch: Wie seht ihr das? Ist die Simulation eines Gefängnisses moralisch verwerflich? Oder seht ihr das Ganze eher gelassen?

9 Kommentare

Hmm, du hast mich neugierig gemacht. Sagst allerdings garnicht viel zum Spiel selbst. Kannst du näher auf die Aufgaben, Handlugnsfreiheiten (Todesstrafe ja, nein) usw. eingehen? Kann man immer noch einsteigen in die Alpha? Wenn ja, wo? Usw. usf…. ein ausfürhliches Preview bitte ;)

Aso, zur Frage: ich möcht mich da noch nicht festlegen, ohne es selbst gespielt zu haben, aber ich denke, da gibts weitaus schlimmere Spiele und Szenarien. Also spontan gesagt, kann ich die Aufregung (noch?) nicht verstehen. Da müsste aber auch schon viel kommen um diese Meinung zu ändern: z.B. dass man als Gefängnischef die Möglichkeit hat seine Gefangenen gezielt zu quälen, foltern. Sie absichtlich in die verfeindete Gang-Bereiche zu stecken (weisse zu schwarze) usw. usf.

Deswegen auch die Frage nach den Handlungsfreiheiten: baut man stupide nur ein Gefängnis auf, wo man pro Level ein "Gebäude" mehr bekommt als im vorigen, oder hat man auch Entscheidungskraft darüber WIE man das Gefängnis moralisch/politisch führt?

Wie gesagt, ich hatte noch keine Zeit das Spiel wirklich zu testen und kann entsprechend auf die genauen Details noch nicht eingehen. Über "Gefängnis aufbauen, Aufträge für den Staat erfüllen und alle Bewohner zufrieden zu stellen" geht mein Wissen noch nicht hinaus. Am Montag oder kommenden Donnerstag gibt es dann vielleicht einen ausführlicheren Angespieltbericht. Interessiert mich wie gesagt ja auch sehr das Spiel.

Der allererste Auftrag in der Alpha ist allerdings eine Hinrichtungszelle zu bauen. Soweit habe ich schon reingeschnubbert :smile: .

Die Aufregung kann ich gar nicht verstehen. Es gab doch schon Prison Tycoons und die waren recht erfolgreich und wurden ohne großartig von sich reden zu machen passebel verkauft. Aber das ist wohl nur hier in D so. Ich glaube, dass es in diesem Falle ein wenig so sein wird, wie der Webmaster andeutet: Das unterschwellige Bewusstwerden des Themas stößt den Menschen auf. Hier stößt es den Amerikanern ein wenig zu Unrecht so stark auf. Man fühlt sich nun einmal ungern daran erinnert, was für ein Unmensch man ist, weil man die Todesstrafe einfach so hinnimmt, toleriert oder gar gut heißt.

Aber ja… wenn man bedenkt was für wirklich fehlgeleitete Spielkonzepte es gibt, kommt einem das nochmal eine Schippe schwachsinniger vor. Mich stören zum Beispiel unheimlich Zombies… Die Überlegung, dass Menschen sterben oder verseucht werden und dann wie auch immer "untot" durch die Gegend wandeln und normale Menschen beißen/essen/Gehirne aussaugen, hatte für mich schon immer etwas Abstoßendes und grenzt für mich bei der Verherrlichung dieser Sachen sehr stark an Nekrophilie. Es fehlt nur noch Sex, aber ich denke, dass Amerika nicht ewig in der Prüderie rumgammeln wird. Dafür sind die Tendenzen in letzter Zeit zu krass (siehe TED).

Und es häufen sich die Zombie-Spiele immer mehr. Absurd, dass mir Dead Island, Left 4 Dead und PvZ so Spaß machen. Bei ersteren Beiden ist es so, dass mich Zombies eigentlich sogar manchmal stören, da sie möglichst "dumm" dargestellt werden. Wenn ich jetzt Roboter oder irgendwelche menschen-unähnliche Monster verprügeln oder abschießen würde, hätte ich aber auch nicht mehr Spaß daran. Ich sehe die Zombies nicht als Zombies oder als untote Menschen, sofern sie nicht durch ihre Dummheit auffallen. Es sind einfach Gegner. Und bei PvZ ist es ja nur ein Gag und Comic. Daher nicht so ernst zunehmend.

Was mir beim Lesen als erstes eingefallen ist, war dieser KZ Tycoon oder so, der indiziert ist. Das wäre eine Stufe zu heftig, finde ich.

Kann die Aufregung ebenfalls absolut nicht nachvollziehen. Vielleicht spielt ja ein wenig der Hintergedanke mit, dass die Menschen sich nicht mehr als unbedingt sein muss mit diesem Thema auseinandersetzen wollen. Ob aus Angst vor einem schlechten Gewissen..? Kann ich nicht beurteilen. Allerdings kann man sich im Fernsehen (glaube u.a. auf so tollen Nachrichtensendern wie N24) ja vor lauter Knast-Dokus kaum retten. Aber da sitzt man ja nur auf der Couch und lässt sich berieseln, wahrt also trotzdem die gewünschte Distanz.

Bei Kriegen verhält es sich ja ähnlich. Die meisten wollen nur mit positiven Tatsachen konfrontiert werden und die Schattenseiten komplett ausblenden, sonst wird's am Ende schwer es sich einfach zu machen und es schönzureden.

Die erste Mission war richtig gut gemacht in Sachen Atmosphäre und Würde. Die Geschichte des zum Tode verurteilten wird erzählt, Meinungen dritter widergegeben und vom Chef drauf hingewiesen, dass es nicht unsere Entscheidung ist und wir einfach nur Befehle ausführen. Konnte ich nichts moralisch verwerfliches entdecken dabei.

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