Sicarius

Nachdenklich

Wisst ihr wie viele Tage ich diesen Monat tatsächlich gearbeitet habe? Keine 10 (von 23)! Den Rest habe auf Seminaren und in Besprechungen verbracht. Da fällt es schwer auf die Frage “Was machst du eigentlich den ganzen Tag?” eine schlagkräftige Antwort zu bringen. Und so nett es auch ist in einem halbwegs anständigen Hotel in einer anderen Stadt abzuhängen, neue Kollegen kennenzulernen und ausführlich über ein Thema informiert zu werden: Die eigentliche Arbeit auf meinem Schreibtisch wird dadurch nicht wirklich weniger und das nervt schon ein wenig. Von den blöden und neidvollen Sprüchen der Kollegen ganz zu schweigen. Zumindest kann ich ihnen dank der Seminare gezielt Wissen vorenthalten :smile: .

Sentimentale Gedanken

Während ich diese gewollt planlosen Zeilen schreibe, sitze ich also mal wieder im Zug Richtung Ismaning, um mich umfassend über eine kommende Version eines unserer IV-Systeme zu informieren. Eine Strecke, die ich in den letzten drei Jahren sehr, sehr oft abgelegt habe. Wenn ich aber recht überlege, habe ich dabei selten aus dem Fenster geschaut. Wie auch jetzt, war eigentlich immer der Laptop offen. Eine DVD schauen, einen Text tippen, auch mal ein Spiel spielen oder vor allem in letzter Zeit einfach nur dank iPhone im Internet surfen und Cracked lesen — inklusive häufiger Verbindungsabbrüche… Wir haben in Deutschland definitiv noch einen langen Weg vor uns im Bereich des mobilen Datenaustauschs!

Aber die an mir vorbeiziehende Landschaft betrachten und verinnerlichen? Fehlanzeige. Sie ist nicht mehr als ein verwaschenes Etwas, das in meinem Augenwinkel an mir vorbeizieht. Selbst wenn ich einmal den Kopf hebe und es nach außen hin so wirkt, als würde ich aus dem Fenster schauen, denke ich in Wirklichkeit einfach nur nach und registriere nichts von meiner Umgebung. Schade?

Gedankenparadies

Ein wenig sicherlich. Andererseits würde ich vermutlich selbst ohne mediale Unterstützung nicht viel mitbekommen. So komisch es auch klingen mag: für mich ist der Zug tatsächlich der beste Ort zum Denken — vor allem morgens, wenn der Ruhebereich den Namen auch noch verdient und die anderen Mitfahrer ausnahmslos den Mund halten.

Ich hätte immer die Möglichkeit mit dem Dienstfahrzeug nach Ismaning zu tuckern, aber so schön es auch ist mit 200 km/h die A9 entlangzudüsen und fast vollkommen unabhängig von Dritten zu sein, ist es gerade diese Eingeschränktheit auch ein Vorteil eines Zugs. Ich habe keinen Einfluss auf ihn. Ob er pünktlich ist, oder zu spät ankommt liegt nicht in meiner Hand (ich kann nur mit ausreichend Zeitpolster die Reise antreten). Ich setze mich stattdessen einfach auf meinen Platz, lege mit ruhigem Gewissen mein Schicksal in die Hand eines anderen und lausche dem einlullenden und monotonen Geräuschen der Fahrt. Die perfekte Situation, vor allem für Tagträumer wie mich, um sich gehen zu lassen.

Einfach mal gehen lassen

Auch jetzt, während ich diese Zeilen schreibe, wandern meine Gedanken frei von jeder Last. Und das ist in der heutigen, schnelllebigen Zeit durchaus ein Genuss. Natürlich hätte ich euch ein paar Angespieltberichte zu LEGO Star Wars III: The Clone Wars (definitiv besser als LEGO Indiana Jones 2: Die neuen Abenteuer) oder Wildlife Park 3 (im Kern eine gute WiSim der alten Garde, leider mit unnötigen Schwächen) bieten können. Beim Durchschauen des Archivs, was ich bekanntlich sehr oft mache, ist mir aber aufgefallen, dass ich mich schon lange nicht mehr habe so richtig Gehen lassen.

Nein, keine Angst — ich hole jetzt nicht die “Wochentag”-Serie wieder hervor, obwohl noch ein paar Tage fehlen :twink: . Ich wollte nur verdeutlichen, dass der heutige Eintrag vielleicht für euch keinen echten Mehrwert hat. Für mich ist es aber sehr erholend eine kleine Ausnahme zu machen und mal wieder ohne rechten Sinn und Verstand darauf loszuschreiben und zu schauen, wohin es mich führt. Das bringt den Denkapparat sogar noch stärker in Gang.

Veränderungen

Und je länger ich nachdenke, desto mehr stelle ich auch wieder fest, wie sehr ich mich doch in den letzten Jahren innerlich (die äußerlichen Anbaumaßnahmen ignorieren wir mal…) verändert habe. Ja, ihr könnt es mittlerweile vermutlich nicht mehr hören. Aber das ist immer noch meine Seite mit meinen Regeln und darf ich so oft sentimental werden wie ich will! Also Ruhe im Kuhstall! :smile:

Scherz beiseite. Irgendjemand hat irgendwann einmal festgelegt, dass man mit 18 Jahren in Deutschland als Erwachsen gilt. Keine Ahnung, ob da vielleicht eine biologische Begründung dahintersteckt, oder sich ein Politiker wie so oft die Zahl einfach nur aus dem Hintern gezogen hat. Doch die Wirklichkeit sieht, wie wir sicher alle wissen, einfach anders aus. Jeder hat seinen eigenen Entwicklungszyklus. Die Begriffe “zu spät” und “zu früh” sind rein gesellschaftliche Normen, denen wir uns unterbewusst sicherlich versuchen anzupassen, die wir meiner Meinung nach aber selbst nur wenig direkt beeinflussen können.

Stattdessen kommt einfach irgendwann der Tag — so wie heute –, wo man in einem Zug sitzt, den Gedanken freien Lauf lässt und die Zeit vor allem dazu nutzt, um über das eigene Leben zu reflektieren. Dabei stellt man fest, dass sich etwas verändert hat. Man wird sich plötzlich bewusst, dass man, ohne es gemerkt zu haben, erwachsen geworden ist.

8 Kommentare

Schuldig. Du und ich. Weil ich mir auch mehr mobiles Internet wünsche. Aber schuldig deswegen, – nein ich fange nicht wegen irgendeines asiatischen Störfalls mir über Strahlung Gedanken zu machen – weil ich weiß, dass das auf Kosten der Gesundheit geht. Gerade bei der ewigen Diskussion um die (un)gefährlichen Handy-Strahlen, nehme ich nun eindeutig aus persönlichen Gründen eine kritische Rolle hierzu ein. :(

Oki, aber zum Thema, auch wenn das ein No_brainer ist … für mich persönlich definiere ich Erwachsen sein weiterhin auch mit den richtigen Eckpunkten… neben der persönlichen Reife sollte außerdem ein Auskommen, ein Bestreben auf Familie & Nachwuchs da sein. Durch das verantwortungsvolle Handeln lässt sich innere Reife meiner Ansicht nach am Besten bemessen … und nein! Ich habe keinen Familien-Ratgeber gelesen oder dergleichen… Mir persönlich bedeutet das einfach sehr viel. Ich denke, dass man all das (Un)Glück, all das was auf einen einströmt, alles was geschieht, nicht so ganz begreifen kann, bis man nicht etwas wertvolles verloren oder bekommen hat. Ich denke, wenn man zuerst etwas (moralisch bzw. emotional) Wertvolles verloren & dann etwas anderes bekommen hat, weiß man gewisse Aspekte im Leben nicht nur schätzen, sondern doppelt schätzen. Wenn ich jedes Mal im Hinterkopf habe "Bedenkt, wir sind alles sterblich…" frage ich mich, wieviele Menschen da draußen tagtäglich ihr Leben verschlafen.

Leider bin ich selbst noch weg vom restlos glücklich und zufrieden sein, was vor allem erstmal von der beruflichen Schiene her kommt… und das ist eigentlich sehr schade. Manchmal so schade, so frustrierend, dass ich mich einfach nur allem verwehren möchte und dann aber aus unerfindlichen Gründen … die Welt doch nicht aussperre. Würde ich es tun, wäre ich wohl… genau das… kindisch… unreif… was ich jetzt bin ist dazwischen und wenn ich ehrlich bin… erwachsen ist man nach meinem Empfinden dann doch eigentlich nie…

"Leider bin ich selbst noch weg vom restlos glücklich und zufrieden sei"
Kennst du denn irgendjemanden, der das ist? Also ich kenne (denke ich) niemanden auf den das zutrifft.
Auch wenn das der Idealzustand ist, den jeder irgendwie anstrebt, halte ich es für fast unmöglich diesen zu erreichen.
Vielleicht ist das in anderen Kulturen anders, aber hier? Da glaub ich, dass es nur sehr sehr wenige Menschen gibt, die so mit sich (und damit ihrer Umwelt) im Reinen sind, das man sie als restlos glücklich und zufrieden bezeichnen kann…

"frage ich mich, wieviele Menschen da draußen tagtäglich ihr Leben verschlafen"
Setz den innerlichen Zähler um eins hoch, ich hab jeden Tag das Gefühl (egal was ich an diesem gemacht hab), dass ich ihn verschwendet und verschlafen hab (im übertragenen Sinne, viel schlafen tu ich nicht ;) )

PS: Ich bin ja für kostenlose WLAN-Hotspots in allen (Fernverkehrs-)Zügen…

Ich war lange genug erwachsen. Jetzt, als Vater von mittlerweile zwei Kindern, Selbständig und "Mitte 30", genieße ich es allerdings tief in mir nie so richtig erwachsen gewesen zu sein. Also Mr. Sicarius, wenn in einigen Jahrend das Erwachsen-sein nur noch nervt – Kinder machen innerlich wieder jung (wenn man es zulässt). Der Wunsch danach wird früh genug kommen.

@Ron:
Vielleicht bin ich da die Außnahme, auch wenn ich immer an allem was zu meckern habe, glaube ich wirklich, dass es so ganz konkret 3 Eckpfeiler gibt, die ich brauche um restlos glücklich zu sein. Dabei klammere ich natürlich den Alltag aus, wenn beispielsweise so ~Kleinigkeiten geschehen, wie "keinen Parkplatz gekriegt" bzw. schlimmere Dinge, wie "Was soll nur aus meinen Kindern werden …" ^^ Ich kenne den Status absoluter Zufriedenheit bzw… ich hatte ihn mal für ein halbes Jahr und weiß, dass ich zu der Zeit nichts anderes verlangt habe. Und ich kenne zwei Menschen, die unendlich zufrieden sind, aber das gerade mir gegenüber nicht zeigen, aber anderen gegenüber, was mich nicht stört. Daher glaube ich wirklich daran, dass das bei mir so sein wird.

Hier mag es vielleicht naiv sein, aber ich habe niemals viel für mich persönlich verlangt, gehofft & gewünscht.

Hm, das find ich jetzt echt interessant.
Ich bin mir nämlich sicher, dass, selbst wenn ich meine Ziele in den verschiedenen Bereichen des Lebens erreiche (und die sind teilweise echt hochgesteckt), ich dann trotzdem nicht vollkommen zufrieden sein werde. Ich bin da von vorneherein viel zu negativ eingestellt, als das sich da so ein Zustand einstellen könnte.

Ja, normalerweise bin ich auch sehr pessimistisch eingestellt. Der Unterschied ist nur der, dass ich da halt relativ geringe Ansprüche stelle. Die Größe der Ziele mag zwar jetzt nicht der eigentliche Grund sein, aber ich sehe das jetzt einmal im Bezug auf mich. Mir würde es langen, wenn ich eine nicht zu schwere, langweilige Arbeit hätte, solange ich mich damit arrangieren kann. Ironischer Weise ziehe ich aus allem etwas, selbst aus Dingen, die mich stören oder langweilen. Siehe: Meine Spieledepression. Mittlerweile habe ich auch Titel gespielt, die mich wenig begeistern, einfach nur weil der persönliche Nährwert im Kleinen war. Solange es die Möglichkeit gibt so etwas zu sehen und sich verbessern, kann ich mich niemals langweilen. Im Zusatz mit den sozialen Aspekten „Beruf&Familie“ sehe ich das momentan sehr einfach für mich: Gesund sein, mit mir selbst zufrieden sein, Einkommen haben, Angehörige haben.

Was mir noch einfällt: Ich will meine Definition nicht schon wieder über jene von Sic hängen … das Thema in der Form gab es hier auch schon einmal, nur sehe ich als Prädikat für den wirklichen Erwachsenen-Status auch einfach "Leben leben" an. Das zu tun, was einem Freude bereitet.. okay, ist mit drin. Das zu tun was vernünftig erscheint? Manchmal schließt sich das mit Ersterem aus. Aber was es wirklich braucht ist die Frage von meinem ersten Kommentar unter dieser News:

„Wenn ich jedes Mal im Hinterkopf habe "Bedenkt, wir sind alles sterblich…" frage ich mich, wie viele Menschen da draußen tagtäglich ihr Leben verschlafen.“ Ich weiß ganz ehrlich nicht, ob es mir genügt zu wissen 50 von maximal 50 Punkten in Guild Wars oder den HighScore, das Endziel oder sonst was in anderen Spielen erhalten zu haben. Ich weiß nicht, ob ich damit wirklich zu mir sagen kann: Ich habe etwas erschaffen, ich bestehe fort. Mein Weg bzw. das was ich mir als Weg ausgesucht habe, zielt einfach nur darauf ab, nicht vergessen zu werden. Der Prozess des Sterbens ist – vermutlich auch wenn wir 200 Jahre alt würden – einfach unabwendbar. Das ist nichts anderes als der alte Kampf. Für Viele heißt: „Sich damit abzufinden“ Erwachsen zu sein, Andere meinen sich-dagegen-stellen sei revolutionär, wieder andere empfinden GERADE DAS als kindisch. Die Wahrheit ist doch, vor allem mit wachsendem Alter, dass ein Mensch versucht das durch Familie oder Beruf (Firma aufbauen etc.), ein anderer durch Taten (Gedichte, Texte, Musik, Kunst, etc.) oder wirkliche Entscheidungen (politische Zeichen setzen etc.) oder anderen Dingen Zeit auszuhandeln. „Nur noch das.“ Eine gewisse Art von Erfüllung sich selbst. Bewusst, wie unbewusst.

Überträgt man das auf das „Erwachsen werden“ heißt das nichts anderes, als mit Fehlern entweder besser leben zu können oder die Fehler ausgemerzt zu haben. Also entweder unbewusster oder bewusster Umgang damit, um mit sich selbst ausgewogener zu sein.
„Dabei stellt man fest, dass sich etwas verändert hat. Man wird sich plötzlich bewusst, dass man, ohne es gemerkt zu haben, erwachsen geworden ist.“
Vermutlich hat Christoph – ohne es gemerkt zu haben – nicht gesehen, dass ich ihm eigentlich zustimme und zusätzlich gewisse Dinge als adult-o-meter quasi noch für mich persönlich hinzugefügt habe. Aber auch für ihn zufügen musste. Erwachsen ist man so gesehen nie. ~ Siehe Einwurf – „Missverständnisse“ Man entwächst nur seinem alten Standpunkt und/oder entwickelt sich.

ach herrje. en richtiges soziologen-thema hier !! toll :) nur hab ich grad ne soziologen-HA vor mir, an der ich arbeiten muss – deswegen leider erstma kein kommentar dazu von mir. außer:

a) nachdem ich jetzt 3 jahre lange mehrmals wöchentlich mitm zug nach marburg fahren musste, kann ich folgendes feststellen:

die landschaft da draußen ist an sonnigen tagen einfach wunderschön und sorgt auch für bessere grundstimmung bei einem selbst. an verregneten, nebligen tagen hingegen wird man de facto schwer depressiv, weil einfach alles nur noch traurig und hoffnungslos erscheint.

ganz im ernst: die landschaft "da draußen" kennt nur diese zwei extreme – gerade, wenn man im zug sitzt und sich gedanken "über den sinn des ganzen" macht.

Ausgeschlossen sind Bahnhöfe – die sind immer abrundtief hässlich und machen mich zornig. Einerseits über die DB, wie sie das alles so verrotten lässt, andererseits über die Menschheit, die meint alles vollsprühen zu müssen und ihren müll überliegen liegen zu lassen. Dieser Zorn wandelt sich dann schnell wieder zur Depressionen — gerade an regnerischen Tage. Der Kreis schließt sich.

b) Die Frage, ob man sein Leben verschwendet und vergeudet stellt sich vermutlich jedem. Mir mehrmals wöchtenlich. Und vor allem denke ich, dass diese Gedanken sich mehren, je näher man dem exitus kommt. Ganz normal schätze ich. Ich denke darüber hinaus, dass man auch mit 18 durchaus schon erwachsen genug ist, sich diese Gedanken zu machen, nur wollen das viele in diesem Alter einfach nicht, weil sie sich zu sehr ablenken lassen (Freunde, Medien, Konsum). Natürlich ist das in gewisser Weise auch Naivität und man könnte argumentieren, dass man erst dann erwachsen ist, wenn man diese Naivität abgelegt hat. Viele "Erwachsene" bessern sich aber da auch nicht. Sie machsen sich diese Gedanken vielleicht, setzen ihren (verschwendeten) Lebensalltag dann aber doch so fort, wie bisher. Bleibt eigentlich nur zu sagen, dass man stets dass tun sollte, was einem selbst glücklich macht – – Problem: zu wissen, was man selbst ist, und welche Teile von uns durch die Gesellschaft beeinflusst werden, ist sehr sehr schwer.

total in b) :wink:

zu a) mir fällt nur auf, dass ich bahnhöfe unheimlich mag, egal wie sie ausschauen. ich fühle mich wohl an bahnhöfen, schaue gerne menschen an und … ich weiß nicht … ich bin jetzt soviel zu gefahren, ich hab 2009 und 2010 meine bahn comfort card (fast) erreicht und nyu… sagt eigentlich schon alles, darüber aus, dass ich viel an bahnhöfen war ^^

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