Sicarius

Crack in Reinform

[…]Psst. Hey, du da. Ich hab’ da was für dich. Komm, nicht so schüchtern. Ich beiße doch nicht. Schau her: Schöne, saftige Pfirsiche. Da läuft einem doch das Wasser im Mund zusammen. Oder lieber rote, knackige Kirschen? Ich hätte auch noch Bananen im Angebot. Frisch von den Palmen am Strand gepflückt. Zibetfrüchte vielleicht? Wir sind zwar erst im Aufbau unserer Plantage, aber ein paar kann ich schon abgeben. Mangos sind auch im Kommen.

Was die Sachen kosten? Nichts! Du musst nur dein Tor aufmachen und mich für ein paar Minuten reinlassen, damit ich ein paar Früchte bei dir pflücken kann. Was hast du denn? Birnen? Äpfel? Orangen? Oder vielleicht sogar Kokosnüsse? Mir kannst du das ruhig sagen. Ich nehme auch nicht viele. Drei Stück würden mir absolut reichen. Das ist doch nur fair, findest du nicht? Andere verlangen gleich 20.000 Sterne Eintritt. Ich will nur drei Früchte haben als Ausgleich. Komm schon, trau dich. Mach’ dein Tor auf. Nein, nicht weglaufen. Bleib’ doch da! Ich will nur deine Früchte haben! GIB MIR DEINE SCHÖNEN FRÜCHTE! KOMM WIEDER HER, DU ARSCH! Oh, hey da. Ja, dich meine ich. Hab’ dich gar nicht gesehen. Ignorier den Typen von eben. Der hat meine Früchte gar nicht verdient. Aber du, du bist was Spezielles. Das sehe ich sofort. Für dich hab’ ich hier was.[…]

— Die Leiden eines jungen Animal Crossing: New Leaf-Spielers

Nutzloses Wissen

Cover von Animal Crossing: New LeafNintendo hatte vor kurzem (Ende April) mal wieder eine ihrer “Registriere die und die Spiele und erhalte diesen oder jenen Titel kostenlos”-Aktionen. Und eines der Spiele, die man sich aussuchen konnte, war Animal Crossing: New Leaf. Der vierte Teil der Serie, die in Japan auf dem Nintendo 64 ihren Ursprung hat, während wir 2002 einen Port von Teil 1 auf dem Nintendo GameCube “genießen” konnten.

Kleiner Einschub an dieser Stelle: Teil 1 hieß in Japan ursprünglich Animal Forest und wurde im April 2001 veröffentlicht. Im Dezember folgte dann ein Nintendo GameCube-Port mit dem Namen Animal Forest+. Dieser wiederrum stellte die Grundlage für den englischen Release namens Animal Crossing dar, der im September 2002 auf den Markt kam und im Vergleich noch einmal zusätzliche Inhalte bot. Im Juni 2003 erschien dann nur in Japan Animal Forest e+. Eine erneut erweiterte Fassung auf Grundlage von Animal Crossing. Verrückt.

Mir war die Serie bislang nur grob als “typisches Frauenspiel” bekannt. Gespielt hatte ich bislang keinen Teil. Wie immer mangels Hardware. Aber einem geschenkten Gaul schaut man bekanntlich nicht ins Maul, zumal ich als Alternative nur noch Pokémon Mystery Dungeon: Gates to Infinity gehabt hätte. Alle anderen 3DS-Titel besitze ich bereits. Und von diesem Pokémon-Spin-off habe ich bislang nur wenig Gutes gehört. Somit habe ich meiner Neugierde nachgegeben und bin seit dem 15. Juni fleißig am “Spielen”. Wenn ich damals gewusst hätte, auf was ich mich da einlasse, hätte ich vermutlich doch lieber zu Pokémon gegriffen…

FarmVille eXtreme Edition

Aber fangen wir vorne an: Was ist Animal Crossing? Nun, in New Leaf seid ihr der Bürgermeister eines kleinen Dorfs, das sich im Laufe der Zeit mit menschenähnlichen Tieren füllt. Eure Sekretärin Isabelle ist beispielsweise ein Pudel auf zwei Beinen. Ziel des Spiels ist es nun das Dorf nach euren Vorstellungen und Wünschen auszubauen inklusive eurem eigenen Haus, das von einem Zelt bis zu einer ausgewachsenen Villa verbessert werden kann. Wer jetzt allerdings an ein Spiel ähnlich wie SimCity denkt, der liegt absolut daneben. FarmVille ist der wesentlich bessere Vergleich, denn im Prinzip ist das Spiel nichts anderes als eine riesige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme.

Herstellerbild zu Animal Crossing: New LeafUm euer Dorf und euer Haus zu verbessern und Einrichtungsgegenstände und Klamotten kaufen zu können, braucht ihr die Währung des Spiels: Sterne (im englischen sind es Glocken). Und wie kriegt ihr diese? Nun im Wesentlichen angelt ihr Fische, erntet Früchte und fangt Insekten, um sie dann im Dorfladen zu verkaufen. Bei den Früchten ist es so, dass zu Beginn des Spiels euch eine Art zugewiesen wird. Bei mir sind es Pfirsiche. Insgesamt gibt es 12 Sorten. Ein gutes halbes Dutzend davon könnt ihr mit etwas Glück auf einer tropischen Urlaubsinsel finden und dann bei euch anpflanzen. Eine könnt ihr kaufen, sobald euer Gartengeschäft ausreichend oft ausgebaut wurde. Den Rest jedoch erhaltet ihr nur indem ihr mit anderen Nutzern interagiert (Tor zur Stadt aufmachen und Freundescode austauschen), deshalb oben diese Einleitung.

Fische und Insekten sind hingegen theoretisch immer alle bei euch vorhanden. Blöd nur, dass es nicht nur von den Jahreszeiten, sondern auch von der Tageszeit abhängig ist, welchen Fisch oder welches Insekt ihr theoretisch finden und fangen könnt. Außerdem gilt auch hier wieder, dass bestimmte Arten nur auf der Tropischen Insel zu finden sind. Und natürlich gilt: Je seltener, desto mehr Kohle gibt es. Und Kohle braucht ihr wirklich extrem viel. Allein um euer Haus voll auszubauen müsst ihr 7.595.800 Sterne investieren. Wenn ich Glück habe, erhalte ich nach 30 Minuten auf der Insel durch den Verkauf der maximal 40 Gegenstände die ich mit nach Hause nehmen darf 10.000-20.000 Sterne. Wir reden also von saumässig viel Kohle und das nur für euer Haus. Eine neue Brücke fürs Dorf? Sind auch gleich mal locker 300.000 Sterne weg.

WTF?!

Gleichzeitig gilt es das Museum zu füllen, sprich jede Fisch- und Insektenart einmal abgeben sowie jeden Tag die Fossilien ausgraben und jede Woche ein Gemälde kaufen (und hoffen, dass man nicht die Fälschung erstanden hat). Zusätzlich müssen auch noch die Bedingungen zum Aufrüsten der verschiedenen Läden im Dorf erfüllt werden (kaufe für so und so viele Sterne ein, habe so und so viele Dinge gefangen, es sind so und so viele Tage seit dem Spielstart vergangen). Und die Beziehungen zu euren Bewohnern müsst ihr auch regelmäßig pflegen. Nicht nur damit ihr Geschenke erhaltet, sondern auch, damit sie nicht plötzlich wegziehen. Kümmert ihr euch nicht um euer Dorf, verwildert und verwaist es. Ihr müsst also jeden Tag mindestens einmal, besser mehrmals zu verschiedenen Uhrzeiten reinschauen, um die Bäume zu schütteln, mit allen Bewohnern zu reden, Briefe zu verschicken, die Insel zu besuchen, Fische und Insekten sammeln und was sonst noch alles zu tun ist.

Erschwert wird das Ganze durch den an die Realität angepassten Tagesablauf. Wenn ich um 15 Uhr das Spiel anmache, ist es auch in meinem Dorf 15 Uhr. Und natürlich haben auch die Geschäfte Öffnungszeiten und eure Bewohner sind nur zu bestimmten Uhrzeiten anzutreffen. Schlimmer noch: Ab und zu wollen euch eure Freunde besuchen, oder sie wollen, dass ihr bei ihnen vorbeikommt. Dann müsst ihr dem Spiel eine bestimmte Uhrzeit nennen, zu der ihr vorbeischauen werdet. Haltet ihr diese nicht ein, ist die Quest gescheitert und der Auftraggeber nicht mehr so gut gelaunt. Persönlich noch extremer finde ich es allerdings, wenn ich eine Aufgabe wie “Fange mir einen Tigerschmetterling” von ihnen erhalte. Da habe ich es nicht einmal ansatzweise in der Hand, ob ich diesen Wunsch erfüllen kann.

Herstellerbild zu Animal Crossing: New LeafUnd so geht das von Tag zu Tag. Unterbrochen wird die Monotonie nur durch Spezielle von Nintendo festgelegte Events. Am Freitag war beispielsweise Sommersonnenwende und damit im Spiel 24 Stunden hell oder jeden Monat findet ein Insektenfangwettbewerb statt (siehe Fischevent in World of WarCraft. Abseits davon seid ihr wirklich nur damit beschäftigt alles zu tun, um euer Dorf auf die höchstmögliche Stufe auszubauen, derweil neue Sachen freizuschalten, gleichzeitig euer Haus hochzurüsten und mit allerlei Gegenständen aufzufüllen (es wird sogar nach Feng Shui bewertet!) sowie die dazugehörigen Schulden zu bezahlen. Was daran Spaß macht? Ich habe nicht die leiseste Ahnung, obwohl ich mich seit mittlerweile 10 Tagen diesem knuddelbunten “Spiel” unterwerfe.

Bagdadsoftware meint: Wer dachte, dass FarmVille & Co. schon schlimm sind, der hat Animal Crossing: New Leaf noch nicht gespielt. Ganz ohne Mikrotransaktionen hält euch diese reine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme über Jahre bei der Stange. Ihr wollt doch schließlich das theoretische Ende (alles ausgebaut, alle Bewohner im Dorf, alle möglichen Früchte und was man noch so alles sammeln kann gesammelt) erreichen, oder nicht?

Und selbst wenn man nicht so weit nach vorne denkt, ist es das extremste OCD-Spiel, das ich jemals erlebt habe. Die Bäume wollen täglich geschüttelt werden, die Steine mit der Schaufel bearbeitet (jeden Tag spuckt einer Geld aus und einer einen Edelstein), die Blumen gegossen. Wer weiß was ich heute finde. Ist es vielleicht endlich der coole SciFi-Stuhl, der meine Wohnung perfekt machen würde? Ach und wenn ich schon einmal da bin, kann ich ja auch mal schauen ob ich dieses extrem seltene Tier fürs Museum finden kann. Ach und Prince möchte, dass ich nach 10 Uhr bei ihm reinschaue. Mache ich doch gerne. Ach und ich könnte auch mal wieder bei den Abel-Geschwistern vorbeischauen und mir ein neues T-Shirt designen. Und so weiter und so fort.

Hätte ich das Spiel im Laden gekauft und müsste somit jedes Mal die Karte reinstecken statt einfach nur auf den Button zu drücken, hätte ich es vielleicht mittlerweile doch wieder zur Seite gelegt. Aber so gibt es im Prinzip keine Hindernisse nicht doch mal den 3DS aus der Tasche zu ziehen (ja, ich trage ihn mittlerweile mit mir rum *argh*). Entsprechend ist meine ernstgemeinte Warnung: Wenn ihr einen 3DS besitzt und wirklich darüber nachdenkt den Titel zu kaufen, dann widersteht unter allen Umständen der Versuchung! Wer für diese Art von Spiel auch nur ein bisschen empfänglich ist (so wie ich), wird noch mehr untergehen als bei den Facebook-Kollegen. Der schlimmste China-Grinder ist im Vergleich zu Animal Crossing: New Leaf weniger suchterregend. Nintendo hat ein Monster erschaffen! Solltet ihr meine Warnung hingegen außer Acht lassen: Ich habe da ein paar Pfirsiche zum Tauschen. Schickt mir einfach euren Friendscode und lasst das Tor offen! :smile:

7 Kommentare

Jup. Allerdings hat New Leaf einen großen Makel, der auch mich das Spiel demnächst in die Ecke feuern lassen wird. Grad wieder gut eine Stunde Spielzeit und rund 100.000 Sterne verloren (war auf der Insel unterwegs und habe explizit nur die dicken Insekten mit nach Hause genommen), weil ich aufhören wollte und vergessen habe explizit zu speichern. Allen anderen 3DS-Titeln ist es scheiß egal, wenn ich die Off-Taste drücke. Die speichern regelmässig ab. Nur New Leaf macht das nicht — zumindest nich solange man sein Dorf nicht bis zu einer bestimmten Stufe ausgebaut und damit das Reset Center freigeschaltet hat. Ich könnte grad kotzen.

Haha, man muss sich quasi das Autosave-Feature kaufen? Das erinnert mich irgendwie an DLC Quest (bzw. ein anderes Spiel mit ähnlicher Prämisse, aber als Space Shoot 'em Up, dass ich jetzt leider nicht mehr find)

Suchti^^
Mit Animal Crossing konnte ich kaum warm werden, verstehe aber warum es ein beliebtes Franchise ist. Auch wenn die Titel recht unterschiedlich sind. Für mich war Harvest Moon auf dem GC da eine zu starke Konkurrenz. Doch mittlerweile vermeide ich solche Zeitfresser. :/

" Suchterregend." schlimm, schlimm..(auch, dass es entweder wohl "Sucht erregend" oder "suchterregend" heissen sollte. kommt mir nicht ins Haus. …Ach, is schon im Haus… :wassat:

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