Angespielt
Version 2.10
Sacred 2: Fallen Angel ist, mehr noch als sein Vorgänger Sacred, ein Zwitter. Es ist kein simples Hack 'n' Slay wie Diablo, Titan Quest oder ähnliche bekannte Vertreter des Genres. Es ist aber gleichzeitig auch weit entfernt davon ein tiefgründiges Rollenspiel wie The Witcher oder Drakensang zu sein.
Auf der einen Seite erwarten einen in der riesigen, liebevoll ausgearbeiteten Welt von Ancaria an jeder Ecke dutzende von Charakteren und Quests mit zumindest einem Ansatz einer tieferen Hintergrundgeschichte, gleichzeitig laufen die meisten davon aber darauf hinaus irgendwo hinzugehen und irgendetwas zu töten und/oder aufzusammeln. Das ist jedoch nicht weiter schlimm, denn schließlich ist in Sacred 2: Fallen Angel das Hauptziel seinen Charakter hochzupushen und bessere Gegenstände zu erhalten.
Stuff to do
Und Gegner gibt es wahrlich genug dafür. Es ist schon fast ein Overkill, was einem zwischen Punkt A und B ins Schwert läuft und zu allem Überfluss werden die Gegner nach dem Betreten und Verlassen eines Dungeons überall in der Welt wieder zurückgesetzt (ausgenommen besondere Questgegner). So hat man zwar nie wirklich Leerlauf, aber irgendwann nervt es einfach schon allein weil das, wie immer, viel zu kleine Inventar so ratz fatz voll ist. Zusätzlich ist die Fülle an Quests in manchen Bereichen so groß, dass man immer noch an einem Ort rumquestet obwohl die Gegner mittlerweile weiß sind und somit keinerlei Herausforderung mehr darstellen (und auch keine nennenswerte Menge an Erfahrungspunkte mehr geben).
Die Questfülle hat auch noch den weiteren Nachteil, dass man sich schnell erschlagen fühlt und den roten Faden in Form der Hauptquest (die Rettung der Welt - wie immer) vollkommen außer Acht lässt. Egal in welche Richtung man geht, es scheinen immer irgendwo mehrere Questgeber herumzustehen, deren Aufgaben einen noch tiefer ins Land entführen und wenn man schon einmal da ist, warum dann umkehren und zum Hauptquest zurückkehren? So füllt sich das Questlog quasi von selbst schneller als man "T-Energy" sagen kann.
Es wird auch nicht mehr leerer, denn erledigte Quest werden dort weiterhin aufgelistet. Das ist jedoch nicht weiter schlimm, denn das ganze Aufgabensystem ist äußerst vorbildlich gelöst und nimmt einen teilweise vielleicht sogar zu sehr an der Hand. So zeigt ein kleiner Pfeil im Komposs nicht nur die Richtung in der das Questziel liegt, es wird sogar auf der Minimap und Weltkarte gegnergenau markiert. Und im Questlog gibt es zu allem Überfluss einen Screenshot vom Zielgebiet und eine übersichtliche Anordnung der Quests mit Hilfe der man gleich sieht woher der Quest ist, was man vorher für den Questgeber getan hat und so weiter und so fort. Wer sich also in Sacred 2: Fallen Angel verläuft, hat deshalb definitiv irgendetwas falsch gemacht.
Technikgeblubber
Aber durch diesen Komfort besteht auch die Gefahr, dass nur man als Spieler nur noch Ergebnisorientiert durch die Welt läuft und das ist äußerst schade, denn Ancaria hat den Sprung von 2D nach 3D wirklich beispielhaft vollzogen. Entsprechende Hardware vorausgesetzt, ist die Welt von Sacred 2: Fallen Angel das schönste, was man als Spieler seit Titan Quest gesehen hat.
Gräser bewegen sich realistisch im Wind und biegen sich, wenn der eigene Charakter durch die detaillierte, handgebaute und mit vielen kleinen Details versehene Umgebungen läuft. Satte Beleuchtung, fließender Tag und Nacht-Wechsel und geschmeidige Animationen lassen fast keinen Wunsch offen. Allerdings nur fast, denn gerade weil die Grafik so gut ist, muss man natürlich auch die kleinen Dinge bemängeln. So ist Nebel in der Ferne ein ständiger Begleiter, der einem viel zu oft klar macht, wie begrenzt doch die Weitsicht ist. Auch die Shadereffekte der Wasserflächen sieht etwas komisch aus. Nicht unbedingt im Sinne von "schlecht", sondern das Wasser wirkt irgendwie falsch. Und auch die Kamera ist oft mehr ein Hindernis als ein Helfer - besonders wenn ein Dungeon betreten wird. Dann sieht der Spieler erst einmal nur schwarzen Fels, während er schon von Gegnern angegriffen wird. Manuell justieren und rein- und rauszoomen gehören zu Aktionen, die besonders dort ständig ausgeführt werden müssen. Und so wunderschön auch die Grafik anzuschauen ist, der Sound geht einem auf der anderen Seite gehörig auf die Nerven.
Es ist zwar toll, dass so prominente Synchronsprecher wie Michael Pen (Data aus Star Trek TNG) oder Raimund Krone (Worf aus Star Trek TNG) angeheuert wurden, aber das macht die Einzeiler nicht einmal ansatzweise lustiger oder weniger nervig. Ständig, und in den meisten Fällen vollkommen unpassend, werden da vom eigenen Charakter und von den Gegnern Dinge wie "Ich glaube du bist mir Ebenbürtig" abgelassen, die beim ersten Mal schon maximal ein kurzes Schmunzeln hervorgebracht haben und beim dreihundertsten Mal nur noch Zorn erzeugen. Dazu kommt die schlimmste Kampfmusik aller Zeiten in Form einer Art Kirchenchorgesang. Richtig und vor allem sparsam eingesetzt (in Bosskämpfen zum Beispiel), wäre sie an sich nicht wirklich schlecht, aber durch die schiere Menge an Gegnern, die einem überall über den Weg laufen, bin sogar ich versucht sie einfach abzuschalten.
Nix neues
Ansonsten ist Sacred 2: Fallen Angel das gleiche Spiel wie Sacred. Das Kampf-, Combo- und Runensystem wurde eins zu eins aus dem Vorgänger übernommen (inkl. der gleichen, nur ein wenig aufgepeppten Menüs) und die sechs Charaktere sind (bis auf die Serpahim) zwar namentlich und äußerlich unterschiedlich, im Inneren versteckt sich jedoch das übliche Fantasygespann mit Magier, Bogenschütze, Paladin, Mönch und Barbar. Nur der Cyborg namens Tempelwächter fällt aus der Reihe, aber der passt generell irgendwie überhaupt nicht ins Spiel.
Ganz nett ist allerdings die Möglichkeit auf zwei verschiedenen Arten die Kampagne entweder auf Seiten des Lichts oder des Chaos zu spielen. Außerdem gibt es im Spiel nun für jede Charakterklasse ein paar Spezialaufgaben. Das hat zwar alles nicht die ganz großen Auswirkungen auf den Spielablauf, ist aber ein netter Touch der zumindest etwas Abwechslung bringt.
Abschließende Warnungen
Leider ist das Spiel, trotz bereits eines großen Patches und eines Hotfixes, immer noch sehr fehlerbehaftet. Zwar habe ich noch keine kaputten Quests oder ähnliches gefunden, aber der Multiplayermodus ist noch weit entfernt davon lagfrei und rund zu laufen. Und auch Grafikfehler machen sich nach einer längeren Spielzeit bemerkbar, die dazu führen, dass plötzlich nur noch der Kopf eines NPCs sichtbar ist oder sogar ganze Objekte aus der Spielwelt verschwinden. Schlimmstenfalls macht sich sogar die ganze Welt vom Acker und hinterlässt ein Meer aus schwarz. Und auch Abstürze sind leider immer noch ein großes Problem.
Einschränkend sei hier allerdings erwähnt, dass der Elite-GFX-Pack durchaus einer der Hauptgründe dafür sein könnte. Diese DVD, die nur der Collector's Edition beiliegt, beinhaltet höher aufgelöste Texturen für das Spiel. Diese belasten logischerweise den Arbeitsspeicher. Deswegen könnte es sein, dass ab einer gewissen Spielzeit das Leeren und neu Befüllen des Speichers nicht mehr optimal erledigt wird wodurch die Grafikfehler und Abstürze entstehen.
Fazit
Sacred 2: Fallen Angel ist ein deutsches Spiel. Es ist spielerisch Grundsolide, bietet eine fantastisch anzuschauende und umfangreiche Welt und hat Friedhöfe voller Gräber mit mehr oder minder lustigen Sprüchen - mehr aber auch nicht. Es als Sacred 1.5 zu bezeichnen wäre zwar zu hart, da besonders die Grafik ein riesiger Sprung ist im Vergleich zum Vorgänger, aber es ist im Kern wirklich nur Sacred mit mehr von allem. Größere Welt, mehr Quests, mehr Gegner, mehr Gegenstände und so weiter. Das ist selbstverständlich nichts Schlechtes und ich kann auch allen Liebhabern des Genres und von Sacred das Spiel nur ans Herz legen (schließlich ist das immer noch mehr als andere Hack 'n' Slay-Titel bieten), wer jedoch Innovationen erwartet hat (Stichwort eierlegende Wollmilch-"Diablo II-Killer"), wird vom Sequel definitiv enttäuscht.[CH]
(Veröffentlicht am 16.10.2008)