Über id Software und ihre Gründerväter wurde bereits sehr viel gesagt und noch mehr geschrieben – auch von mir. Vor allem Masters of DOOM* ist immer noch die absolute Pflichtlektüre in der Hinsicht. Doch trotz der vermeintlichen Informationsfülle, weiß man doch teilweise erstaunlich wenig darüber, was wirklich hinter den Kulissen passiert ist. Vieles basiert auf einzelnen Sichtweisen oder sind schlicht Vermutungen, die über die Jahre zu (falschen) Fakten mutiert sind. Unter anderem das Verhältnis zwischen John Romero und John Carmack wird gerne als bis heute absolut vergiftet dargestellt. Dabei waren und sind die beiden weiterhin gute Freunde und tauschen sich häufig aus.

Entsprechend hellhörig wurden Fans und Videospiele-Historiker als John Romero seine Autobiographie ankündigte. Und zwar nicht nur, weil er logischerweise von Anfang an mit dabei war und speziell zu den Geschehnissen bei seinem nächsten Stopp, Ion Storm, bis heute vieles im Dunkeln liegt. Sondern auch, weil Romero unter dem Phänomen Highly Superior Autobiographical Memory “leidet” (er selbst sieht es als Vorteil und nicht als Fluch) – früher Hyperthymesie genannt. Solche Menschen können sich an jeden einzelnen Tag ihres Lebens ab einem bestimmten Alter erinnern. Als jemand, der den Großteil seiner Kindheit faktisch vergessen (oder verdrängt) hat und sich oftmals nicht einmal daran erinnern kann, was er gestern zum Mittagessen hatte, absolut unvorstellbar. Aber für Historiker natürlich eine geniale Sache. Der ultimative Zeitzeuge quasi.

Seit Juli 2023 ist das Buch nun auf dem Markt und ich habe es endlich geschafft meine vom Autor höchstpersönlich signierte (*angeb*) Ausgabe zu lesen:

(Cover)

Doom Guy: Life in First Person* (2023, 370 Seiten) – Aufgeteilt in vier Episoden (=eine Hommage an DOOM) und 28 Kapitel, geht es von Romeros Kindheit bis kurz vor Entwicklungsbeginn von SIGIL II. Wobei – nachvollziehbar – eine ungeleiche Gewichtung herrscht. So nimmt id Software fast die Hälfte des Buches ein. Während die Zeit nach dem Zerfall von Ion Storm (2001-2022) auf nur 45 Seiten abgehandelt wird. Letzteres finde ich ein wenig schade, denn faktisch war John Romero aus Sicht der Öffentlichkeit in der Zeit wie vom Erdboden verschluckt. Dabei hat er sich definitiv nicht in die Ecke gestellt und sich für Daikatana geschämt, sondern hat daraus gelernt und ist ein weiteres Mal weitergezogen. So gehörte er mit seiner Firma Monkeystone Games zu einen der ersten, die Spiele für Smartphones gebastelt haben. Zusammen mit seiner dritten und derzeitigen Ehefrau, Brenda Romero, hat er anschließend Loot Drop gegründet und ist in den Markt der “Facebook”-Spiele eingestiegen, bevor Meta durch das Verbot der (echt nervigen) Posts à la “Pommesbude1987 hat 100 Erdbeeren in Farmville gepfückt” dem Markt faktisch den Geldhahn zudrehte. Immerhin erfahren Fans auf 10 Seiten ausführlich alles über seinen vor ein paar Jahren gescheiterten Versuch mit Blackroom wieder ins Land der Ego-Shooter zurückzukehren – inkl. einer textuellen Beschreibung der Pitchdemo, mit der sie damals hinter verschlossenen Türen auf der E3 waren. Aber z.B. über Empire of Sin* wird so gut wie kein Wort verloren.

Ich verstehe aber auch, dass ein Großteil der Leser das Buch nur aus einem einzigen Grund kauft: Um mehr Details über id Software und Ion Storm zu erfahren. Und Romero war sich dessen ebenfalls bewusst und erwähnt es (mehrfach). Für jemanden wie mich, der das Werk tatsächlich von vorne bis hinten gelesen hat, ergeben sich dadurch so einige – ja, ehrlich gesagt nervige Wiederholungen. Aus meiner Sicht hat er hier ein wenig zu sehr Rücksicht auf seine potenzielle Leserschaft genommen. Aber gut: Immerhin wird die Erwartungshaltung voll erfüllt. Man erfährt so zahlreiche Details, die dabei helfen viel diskutierte Themen wie z.B. die angespannte Situation bei der Entwicklung von QUAKE endlich ins rechte Licht zu rücken. Und mir ist verständlicher, was damals bei Ion Storm los war und wie Romeros wohl größter Fehltritt (die Werbeanzeige “John Romero’s about to make you his bitch.”) entstanden ist. Zugegeben: Es ist am Ende des Tages immer noch nur ein Blickpunkt auf die Ereignisse, obwohl sich Romero während des Schreibens mit vielen alten Wegbegleitern unterhalten hat. Aber er fügt sich nahtlos in die bekannten Augenzeugenberichte ein und schärft/korrigiert diese maßgeblich.

Gleichzeitig – und das ist mir sehr wichtig zu erwähnen -, erfährt man auch sehr viel über Romero selbst. Sohn eines Alkoholikers, der seine Familie von heute auf morgen für eine andere Frau verließ. Aufgewachsen in armen Verhältnissen, wo die Mutter täglich um das Essen auf dem Tisch kämpfen musste. Aber auch in einer Gemeinschaft, in der sich alle unterstützen und im Zweifel die Oma ihn durchfütterte. Anschließend gelitten unter einem buchstäblich militanten Stiefvater, der seinen Wissensdurst auf der einen Seite förderte, aber auf der anderen ihn auch einfach hochkant aus dem Haus auf die Straße warf, weil er mal Mädchenbesuch hatte. Von seiner frühen Begeisterung für Videospiele und das Programmieren und wie ihm die Hyperthymesie bis heute dabei hilft. Wie sehr Carmack und er vom ersten Tag an auf einer Wellenlänge waren (und immer noch sind). Was er aus seinen Rückschlägen und Erfolgen gelernt hat und was er heute anders machen würde. Und so weiter und so fort. Wie gesagt: Das Buch ist vollgepackt mit Infos und es ist von der ersten bis zur letzten Seite spannend und informativ.

Beim Christoph meint: Trotz der kleinen Mängel (Neuzeit kommt etwas zu kurz, leichte Wiederholungen von vorherigen Kapiteln) eine absolute Pflichtlektüre und damit volle 5 von 5 Sics. Wer sich auch nur ein bisschen für die Geschichte der Ego-Shooter im Allgemeinen, die ersten Jahre von id Software und John Romero im Speziellen interessiert, kommt um dieses Werk faktisch nicht herum. Es ist (fast) alles drin und dran, was man erwarten würde. Und es gewährt dem Leser viele neue und tiefe Einblicke in eine sehr interessante Zeit in der Spieleindustrie von einem der ganz großen, der sich zudem an jedes Detail genau erinnern kann.

Nach dem Lesen bleibe ich faktisch nur mit dem Bedürfnis zurück mal wieder in die Tasten zu hauen, um 1-2 Portraits zu schreiben (über John Romero und Ion Storm). Mal schauen, ob ich irgendwann mal die Zeit dazu finde.

PS: Wenn ihr mal fünf Stunden Zeit habt, solltet ihr euch unbedingt Lex Fridmans Interview mit John Carmack anhören. Extrem interessant und informativ (wie so viele von Fridmans Podcasts). Bitte? Das ist euch zu lang?! *kopfschüttel* Carmacks QuakeCon-Vorträge dauerten auch häufig mehr als drei Stunden. Stellt euch also nicht so an!

Mass Effect: The Complete Comics (Cover)

Elf Jahre ist es mittlerweile her, seit ich das letzte Mal einen Mass Effect-Titel gestartet habe (damals kam der Extended Cut zu Mass Effect 3 raus). Ja, Mass Effect Andromeda* sowie die Mass Effect Legendary Edition* stehen zwar im (digitalen) Regal aber angefasst habe ich beide bislang noch nicht. “Traue” mich vermutlich aktuell nicht sowas episches anzufangen :smile: . Was ich aber gemacht habe, ist endlich mal die Comic-Ableger von Dark Horse Comics zur Serie zu lesen. Die gibt es seit einiger Zeit gesammelt als Mass Effect: The Complete Comics* in Taschenbuchform.

Letzteres ist etwas… ungünstig, denn es sind insgesamt 800 Seiten. Und ein Taschenbuch im Format 260x170mm mit so viel Umfang ist absolut unhandlich. Da fallen einem die Arme ab, wenn man versucht das z.B. im Bett zu lesen. Aber gut: Irgendwie habe ich es ohne dauerhafte Schäden hinbekommen. Inhaltlich erwarten euch hauptsächlich Geschichten, die vor Mass Effect 2 angesiedelt sind. Ihr wisst schon: Die Suche nach Shephards Leiche und was so eure späteren, potentiellen Crewmitglieder in ihrem vergangenen Leben getrieben haben. Der Shadowbroker, Cerberus und Omega-Station sind die am häufigsten wiederkehrenden Akteure. Das letzte Heft beschäftigt sich hingegen mit der Vorgeschichte von Mass Effect Andromeda.

Der Inhalt

Der Stil der Comics ist typisch Amerikanisch. Wer also schon einmal einen moderneren Superheldencomic von Marvel oder DC gelesen hat, weiß was ihn erwartet. Ich persönlich bin nicht der ganz große Fan davon (mir ist der Stil zu hart und grimmig) aber objektiv betrachtet sind die Zeichnungen detailliert, sprich die Charaktere und ihre Emotionen kommen gut zur Geltung und auch die Action ist ansprechend in Szene gesetzt. Nur selten musste ich genauer hinschauen, um zu verstehen, was eigentlich gerade passiert ist.

Mein größtes Problem mit dem Mammutwerk ist deshalb ein anderes: Es erwartet faktisch, dass ihr im Minimum Mass Effect 2 gespielt habt. Das macht insofern Sinn, dass es sich ja technisch gesehen um Begleitmaterial für Fans handelt. Da mein Durchlauf aber mittlerweile 13 Jahre her ist, fehlen mir dann doch so einige Zusammenhänge. Natürlich ist mir bei den wichtigsten Charakteren wie Miranda, Cerberus oder Liara T’Soni noch ein bisschen was im Kopf. Aber eben nicht so ganz die tiefen Details. Und bei allem anderen wird es noch schwammiger von wegen “sollte ich den kennen”? Und auch dazugehörige Situationen, auf denen die Geschichten aufbauen, sind mir nicht mehr ganz so präsent. Sprich, die Erzählungen haben durchaus das Problem auf eigenen Beinen zu stehen. Zwar braucht es für Blasto: Eternity is Forever nur die Grundkenntnis darüber, was ein Hanar ist, um es lustig zu finden einen als Pseudo-James-Bond zu erleben. Aber, wenn es beispielsweise in Foundation um die Hintergrundgeschichten der Begleiter geht, fehlte mir nach all der Zeit durchaus einiges an Zusammenhang, um wirklich reinzukommen.

Insofern: Für Fans, deren Erinnerung an die Serie noch frisch ist, sicherlich eine geile Sache, um noch tiefer in das Universum einzutauchen. Ich hingegen muss wohl erstmal wieder die Spiele spielen, bevor ich ein abschließendes Urteil über die Comics fällen kann. Ein schlimmes Los, ich weiß…

Hattet ihr auch schon einmal das Gefühl, dass die Welt um euch herum nicht echt ist? Dass ihr nur Teil eines Spiels oder anderer Art von virtueller Umgebung seid? Teil der Matrix, wie es vor allem in Verschwörungskreisen so schön heißt – zumindest seit 1999 der gleichnamige Film die Welt eroberte? Euer Tun und Denken von einer fremden Macht gesteuert wird (wahlweise Gott oder Bill Gates)? Ja? Dann seid ihr damit definitiv nicht allein.

Schon seit der Antike gibt es Theorien zum sogenannten Makrokosmos. Fast alle Religionen fußen auf dem Gedanken, dass es “da oben” ein oder mehrere Wesen gibt, die unser Leben beeinflussen. Und entsprechend ist das Thema auch in der Unterhaltungsbranche schon immer präsent. In der Gutenberg-Datenbank findet ihr beispielsweise Stanley G. Weinbaums Pygmalions Brille von 1935. Die Kurzgeschichte ist eine der ersten, die sich mit dem Thema “Virtuelle Realität” beschäftigte.

Heute möchte ich euch dahingehend ein Werk von Daniel Francis Galouyes vorstellen. Obwohl die Wachowskis es übrigens nie explizit als Inspiration für ihren Mehrteiler genannt haben, gibt es doch verdächtig viele Parallelen. Damit meine ich nicht das offensichtliche (eine Welt in einer Welt und die dort lebenden Personen wissen von Nichts), sondern vor allem Kleinigkeiten wie z.B. Telefone in der virtuellen Realität, die für den Übergang einer Person aus der realen Welt dienen.

(Cover)

Simulacron-3/Welt am Draht* (1964, 233 Seiten) – In einer nicht näher datierten Zukunft wird die Welt gefühlt hauptsächlich von Marktforschern bevölkert. Sie können euch zu jeder Tages- und Nachtzeit und zu jedem Thema befragen und ihr seid gesetzlich gezwungen mitzumachen. Verweigert ihr die Teilnahme an der Umfrage, gibt es eine Geldstrafe. Keine schöne Vorstellung aber es scheint notwendig, damit die Welt funktioniert oder so und alle haben sich damit abgefunden. Okay, nein natürlich nicht. Bei der TEAG (“Test AG”) haben sie unter der Leitung des Forschers Hannon Fuller einen Simulator gebaut – der namensgebende Simulacron-3. In ihm wurde eine virtuelle Stadt erschaffen, bevölkert von mehreren tausend Charakteren, die der echten Welt zum verwechseln ähnlich sieht. Muss sie ja, schließlich möchte man Daten sammeln, um darauf basierend Entscheidungen in der Realität zu treffen. Eine Ablösung für die Marktforscher quasi, die das nicht so dufte finden. Entsprechend setzen sie alles daran die offizielle Inbetriebnahme zu stoppen.

Die Wissenschaftler können die Geschehnisse in der Welt dabei nicht nur an ihren Bildschirm und über Auswertungen verfolgen, sondern auch selbst darin eintauchen. Dies kann auf verschiedene Arten passieren. Die einfachste ist als Zuschauer in einen Körper zu schlüpfen (=man sieht aus den Augen der Person). Die nächste Stufe ist eine empathische Verbindung aufzunehmen (=ihr spürt Gedanken, Gefühle, etc.). Und die radikalste Variante ist es vollständig als Charakter in die Welt einzutauchen (=die Telefonsituation).

Während Fuller ganz der Forscher ist und den Simulator zur Besserung der Menschheit verwenden möchte, hat der Chef der TEAG eher wirtschaftliche Interessen und möchte das Gerät zum Geldscheffeln und Machtausbau ausbeuten. Entsprechend haben sich die beiden in den Haaren bis eines Tages Fuller plötzlich durch einen Unfall stirbt. Die Geschichte beginnt auf der Party anlässlich der Ernennung seines Nachfolgers, Douglas Hall. Dieser trauert um seinen Kollegen und amüsiert sich eher wenig bis plötzlich der Sicherheitschef von TEAG, Morton Lynch, reinstürmt und unbedingt mit ihm reden möchte. Er faselt etwas davon, dass Fuller ermordet wurde, weil er hinter ein großes Geheimnis gekommen ist. Bevor Lynch jedoch Douglas genaueres erzählen kann, verschwindet dieser einfach – und niemand außer Douglas kann sich plötzlich mehr an ihn erinnern. Es ist der Beginn von Halls Reise hinter den Spiegel. Immer mehr Dinge fallen ihm auf, die irgendwie nicht zusammenpassen. Er fängt an die Realität in Frage zu stellen und zu vermuten, dass er selbst Teil eines Simulators ist. Und – es ist nicht wirklich ein Spoiler – natürlich hat er recht. Außerdem bekommt er plötzlich häufiger Kopfschmerzen und Schwindelanfälle. Was sich dahinter verbirgt verrate ich aber nicht :smile: .

Beim Christoph meint: Von mir gibt es 3 von 5 Sics. Ich wollte ursprünglich vier Sics geben aber im letzten Drittel fällt die Qualität massiv ab. Gefühlt wollte der Autor unbedingt die Sache noch dramatischer werden lassen. Im Ergebnis leidet die Erzählung hingegen am plötzlichen Anstieg von abstrusen Szenarien statt einfach zügig zum Ende zu kommen. Unabhängig davon lässt sich die erste Hälfte des Buches unter dem Begriff “Was ist real?” zusammenfassen, während die zweite unter der Überschrift “Was macht das Wissen nicht real zu sein mit einem?” steht.

Als Leser erlebt man Halls stetigen Abstieg in die absolute Paranoia, die darauffolgende verzweifelte Erkenntnis , dass er Recht hatte und abschließend die Hoffnungslosigkeit, dass das Leben offensichtlich keinen Sinn hat. Bis zu besagtem letztem Drittel eine spannende Erzählung. Und zwar auch dann, wenn man den Twist bereits kennt. Das Interessantere ist zu erfahren wie er es herausfindet und damit umgeht. Und in der heutigen Zeit, in der selbst normale Leute mit Begriffen wie “Sheeple” und “Aufwachen” um sich werfen, ist der Roman vermutlich aktueller denn je – nur vermutlich aus den falschem Gründen.

Der Fernsehfilm

Simulacron-3 wurde seit seiner Veröffentlichung bereits zweimal verfilmt. Von Josef Rusnak kam 1999 (ein paar Monate nach The Matrix – schlechtes Timing) The Thirteenth Floor* in die Kinos. Er soll wohl nicht wirklich gut sein und zudem stark von der Vorlage abweichen. Habe ihn aber noch nicht selbst gesehen. Dafür aber die deutsche Verfilmung:

(Cover)

Welt am Draht* (1973, zweiteiliger Fernsehfilm, DV) – Das Multitalent Rainer Werner Fassbinder (Regisseur, Schauspieler, Drehbuchautor, Komponist, etc.) steckt hinter diesem Machwerk und es hat lange gedauert, bevor es wieder zugänglich wurde. Erst 2010 gab es eine Restaurierung und eine damit einhergehende Veröffentlichung auf DVD und Blu-ray. Davor kam er nur sehr, sehr selten mal im öffentlich-rechtlichen Fernsehen.

Grundsätzlich ist die Geschichte sehr nah an der Vorlage und folgt dieser weite Strecken sogar dialog-genau. Zwar wurden die Namen eingedeutscht – so heißt Douglas Hall z.B. im Film Fred Stiller und Hannon Fuller ist jetzt Henry Vollmer. Aber Leser finden sich sofort zu recht. Je weiter die Geschichte fortschreitet, desto größer werden allerdings die Abweichungen. Die ganze Sache mit den Meinungsforschern kommt zum Beispiel nur am Rande vor, entsprechend fehlen einige Nebenschauplätze aus dem Buch. Außerdem ist die Welt “normaler”. SciFi-Elemente wie Laserwaffen oder fliegende Auto gibt es nicht – dafür aber ein Tastentelefon, welches erst drei Jahre später auf den deutschen Markt kam. Die größte Änderung dürfte aber der Weg zum Finale sein, den wie oben erwähnt der Autor (aus meiner Sicht) unnötig in die Länge gezogen hat. Fassbinder hingegen hat den ganzen Kram einfach rausgelassen. Und das tut dem Film definitiv sehr gut, denn die Geschichte ist nicht sonderlich action-geladen und für heutige Aufmerksamkeitsspannen eher langatmig erzählt. Sich auf das Wesentliche zu konzentrieren war entsprechend die richtige Entscheidung.

Beim Christoph meint: Von mir gibt es 4 von 5 Sics. Ich habe tatsächlich zuerst den Zweiteiler gesehen und mir dann aus Interesse das Buch geholt. Nachdem ich nun beides erfahren habe, kann ich festhalten: Ich finde Fassbinders Interpretation besser als das Original. Zwar leidet der ein oder andere Erzählstrang darunter, dass die Detailtiefe fehlt (Stichwort Meinungsforscher und das dazugehörige Finale vor dem Sitz der Firma). Aber unterm Strich profitiert die Geschichte sehr davon, dass das ganze “Fett” weggeschnitten wurde (vor allem das erwähnte letzte Drittel des Buches) und stattdessen ganz und gar Halls bzw. Stillers Reise im Mittelpunkt steht.

Ich finde auch genial, wie Fassbinder und sein Team den Film in Szene gesetzt haben. Trotzdem, dass die offensichtlichen SciFi-Elemente der Vorlage fehlen, wirkt das Werk von Anfang an befremdlich und komisch. Passt logischerweise perfekt zum Thema und lässt auch den Zuschauer sich fragen ob das jetzt real ist oder nicht. Das liegt jedoch weniger am Setdesign, welches zwar hier und da etwas abgefahren ist aber insgesamt doch größtenteils zu den 60iger/70iger Jahre passt. Stattdessen ist es eher die schauspielerische Leistung (im positiven Sinn), die teils befremdlich wirkt sowie die Kameraeinstellungen. Lysanda und ich hatten sogar zuerst die Vermutung, dass Stiller in einer Welt voller Roboter lebt, so unwirklich und apathisch kommt die Beförderungsfeier daher. Sehr coole Sache und definitiv ein Film, den ich Cyberpunk-Fans ans Herz legen kann. Erwartet nur wie gesagt keine beeindruckende Kung-Fu-Schlacht. Es ist ein Charakterfilm, kein Actionstreifen.

KONSUMIERT! Die Inflation ist hoch. Die Preise dementsprechend auch. Dem Euro geht es schlecht. Die Gehälter steigen nicht. Und warum? Na, weil ihr nicht KONSUMIERT! Wir brauchen MEHR WACHSTUM. MEHR GELD in den Kassen der Unternehmen und Finanzämter. MEHR ARBEITSZEIT für weniger Bezahlung. Also kramt endlich euer Sparbuch raus und tut etwas für euer Land: KONSUMIERT VIEL UND OHNE VERSTAND! Bitte? Was ihr konsumieren sollt? Mir doch egal. Vermutlich habt ihr schon genug im (anlogen wie digitalen) Regal stehen. Nehmt also einfach irgendwas davon. Ich hingegen hab‘ mich mit den folgenden Unterhaltungsmedien beschäftigt:

(Cover)

Das Vermächtnis der Spione* (A Legacy of Spies; 2017; 316 Seiten) – Ursprünglich sollte es der letzte Roman aus der Feder von John le Carré werden. Aber der Brexit und seine Angst davor, hatte ihn dann doch noch dazu getrieben mit Federball* 2019 einen weiteren Spionageroman zu veröffentlichen, bevor er Ende 2020 gestorben ist. Mit George Smiley hat der jedoch nichts zu tun. Das Vermächtnis der Spione ist stattdessen der neunte und letzte Band der George Smiley-Reihe. Wirklich zu Wort kommt er allerdings nur auf den letzten paar Seiten. Im Vordergrund steht stattdessen sein langjähriger Begleiter Peter Guillam.

2017 wird der britische Geheimdienst von Christoph Leamas, Karen Gold und Gustav Quinz verklagt. Wem die Namen irgendwie bekannt vorkommen hat Der Spion, der aus der Kälte kam* gelesen. Das Werk von 1963 dreht sich ganz um den britischen Spion Alex Leamas (und ein Buch, das ich extrem gut fand). Der Vorwurf der Kinder, vertreten durch eine NGO: Ohne Rücksicht auf Verluste hätte der Circus ihre Eltern in ihren Dienst gezwungen und im Rahmen der Operation Windfall sinnlos geopfert. Die namentlich Angeklagten? George Smiley und Peter Guillam.

Da Smiley warum auch immer nicht greifbar ist, schnappt sich der Circus Peter und zieht ihm die Daumenschrauben an. Erst wird er verhört und als er schließlich ein Versteck mit altem Beweismaterial verrät, gezwungen die Akten zu wälzen und daraus zu berichten. Immer in der Hoffnung etwas zu finden, was den Circus (und natürlich nur die Firma) aus dem Schneider hilft. Eingebettet in diese Rahmenhandlung erzählt entsprechend entweder Peter was damals vorgeblich geschah (und dem Leser, was ggf. wirklich passierte) oder es werden die damaligen Einsatzberichte und Korrespondenzen 1:1 abgedruckt. Dazwischen gibt es immer mal wieder eine Pause in der Gegenwart in denen Peter rastlos durch London und die Umgebung streift, auf der Suche nach seinen ganz eigenen Antworten.

Es ist also sowohl die Vorgeschichte zu Der Spion, der aus der Kälte kam als auch eine Auseinandersetzung mit den Konsequenzen der Handlungen, die damals im Namen des Königreichs durchgeführt wurden. Und ja: Es empfiehlt sich dringend zumindest den dritten Band vorher gelesen zu haben. Eigentlich sogar im Minimum Band 3, Band 5 (Dame, König, As, Spion*) und Band 7 (Agent in eigener Sache*). Zum einen werden die Ereignisse aus Band 3 nur rudimentär wiederholt, zum anderen fehlt einem einiges an Bindung zu den Hauptpersonen sowohl aus Band 3 als auch Peter und George selbst. Auf sich alleine gestellt funktioniert Das Vermächtnis der Spione aus meiner Sicht überhaupt nicht.

Beim Christoph meint: 4 von 5 Sics. Nachdem ich mich durch Der heimliche Gefährte* ziemlich durchquälen musste, hatte ich bei Das Vermächtnis der Spione wieder mehr Spaß. Das lag weniger an der belanglosen Rahmenhandlung (deswegen keine fünf Sics), sondern mehr am Kern des Buchs: Spionagemissionen gegen die Sowjetunion in den 60igern. John le Carré quasi zurück in seinem Element und dann auch noch als sinnvolle Ergänzung zu einem seiner besten Bücher.

Obwohl ich den grundsätzlichen Ausgang der finalen Mission bereits kannte, trotzdem ein extrem spannendes Leseerlebnis mit einigen überraschenden Wendungen. Und natürlich ist es schön einen letzten, kleinen Einblick ins Leben der noch übrig gebliebenen Protagonisten der Karla-Jahre zu bekommen. Das Ende ist nicht so befriedigend wie ich es mir erhofft hätte (der Prozess ist plötzlich kein Thema mehr). Aber es ist ein würdiger und passender Abschied für zwei Personen, deren Leben ich über so viele Bücher hinweg begleitet habe. Für George Smiley-Fans eine Pflichtlektüre.

 

Spielen statt Lesen

Und wenn wir schon beim Stichwort „Alter Kram neu aufgewärmt” sind: 2007 hatte ich einen kleinen Test zur allerersten Version des Klomanagers (1995, Atari ST) veröffentlicht. Verdammt lange her. Das Remake dazu kam dann anno 2000 auf dem Markt (letztes Update 2006), zu dem ich aber tatsächlich nie was hier auf Beim Christoph geschrieben habe. Stattdessen hatte ich mich nur einer Handvoll von Fans angeschlossen, die auf Der Klomanager 2 gewartet haben. Dahingehend war ich sogar einige Zeit im offiziellen Forum (es existiert noch – inkl. den uralten Beiträgen) aktiv. Ja, die waren damals noch total hip.

Der zweite Teil des Klomanagers ist in der ursprünglich geplanten Version offensichtlich nie erschienen. Auch die deutsche Entwickler-Firma, Anvil-Soft, existiert nur noch auf dem Papier. Die Wege von Matthias Hofmann und Roland Wendt scheinen sich schon vor längerer Zeit getrennt zu haben. Roland hat stattdessen mit PHOBETOR ein neues (quasi Ein-Mann)Studio gegründet – und die Rechte am Klomanager mitgenommen. Nach zwei rundenbasierten Strategiespielen hat er sich anschließend tatsächlich wieder dem Klomanager gewidmet, wie ich vor kurzem überraschend festgestellt habe. Und da das Werk zu dem Zeitpunkt nur 0,99€ kostete (aktuell wieder 4,99€), habe ich natürlich sofort zugeschlagen und mich seit langem mal wieder in die Scheiße gestürzt.

(Cover)

Klomanager – Hochgewürgt (2021; PC, Mac) – Der Titel ist passender als es vermutlich beabsichtigt war, denn das Erste was einem auffällt ist die extrem schlechte Optik. Zugegeben: Die 2006er Version war jetzt auch nicht das hübscheste auf dem Markt, aber doch irgendwie zeitloser als diese hässlichen Mobiltelefon-Menüs und Gesichter, die scheinbar selbst zu tief ins Klo geschaut haben. Aber gut: Inhalt vor Schönheit. Also, worum geht’s? Nun für Veteranen nichts Neues: Bis zu vier Spieler (oder KI) bekämpfen sich rundenbasiert auf einer Handvoll unterschiedlicher Karten im Klogeschäft. Das Spielziel kann zu Beginn ausgewählt werden und enthält 08/15-Sachen wie „habe nach x Zügen das meiste Geld” oder „Erreiche im Forschungsbereich x die höchste Stufe”. Mit eurem mickrigen Startgehalt kauft ihr euch dann eure erste Parzelle, die je nach Lage ein paar Besonderheiten aufweist. Im Nobelviertel gibt es beispielsweise für verdreckte Toiletten besonders hohe Mali aber dafür sind sie für top-ausgestattete eher bereit mehr zu bezahlen. Im hippen Künstlerviertel finden sie hingegen Graffiti richtig geil und malen euch sogar die Wand kunstvoll an, wenn ihr es nicht wegmacht (=spart Reinigungskosten).

Jede Parzelle besteht aus bis zu sechs Ställen, die ihr abhängig von eurem Geldbeutel nach und nach freischaltet und dann entsprechend mit Toiletten ausstattet. Diese bestehen aus vier Bausteinen: Die Schüssel, der Sitz, die Spülung und das Klopapier. Fangt ihr mit einer billigen Keramikschüssel und einem unbequemen Plastiksitz an, könnt ihr im Laufe des Spiels durch Geldeinsatz bessere Bauteile erforschen bis ihr am Ende einen königlichen Diamantthron mit Ledersitz (inkl. Bierhalter) und Mink-Toilettenpapier dort stehen habt. Anschließend noch den Preis festlegen für jeden Stall und schon heißt es auf die Kundschaft warten, denn nur so kommt Geld in die Kassen. Problem: Kundschaft macht die Toiletten dreckig. Also heißt es zu Beginn der nächsten Runde erst einmal sauber machen – was ebenfalls Geld kostet.

Klomanager – Hochgewürgt (Herstellerbild)

Doch die Konkurrenz schläft logischerweise nicht und will ebenfalls ein Stück vom Scheißhaufen abhaben. Dabei geht es nicht immer gesittet zu. Zwar kann sie genauso wie ihr fleißig verschiedene Arten von Werbung schalten (ihr habt sogar eine Webseite!) und so die Leute anlocken. Aber manchmal reicht das nicht aus. Da ist es dann doch mal an der Zeit die Kollegen vom Gesundheitsamt zu bestechen, um einen unangekündigten Besuch zu veranlassen oder gleich Sabotageakte durchführen, die bestenfalls nur Dreck verursachen, schlimmstenfalls die Ausstattung zerstören (=muss neu gekauft werden). Das wird im späteren Spielverlauf ein ganz schönes Geldgrab. Nicht nur, weil die Bauteile und die Amtsstrafen teurer werden. Auch die KI scheint sich gefühlt komplett gegen euch zu verbünden, sobald ihr aus ihrer Sicht zu viel Erfolg habt. Dazu noch die Einflüsse der Jahreszeiten (gefrorene Toiletten im Winter, Überschwemmungen im Sommer)… ja, man kann sagen: Selbst auf dem einfachsten Schwierigkeitsgrad ist der Titel gegen die KI sauschwer und ich habe in meinen bisher zwei Stunden Spielzeit noch kein Match erfolgreich beenden können.

Und ja, das war’s: Parzellen säubern, forschen, Toiletten ersetzen/verbessern, werben, sich mit dem Gesundheitsamt gut stellen (zu viele Strafen führen zur Schließung der Parzelle) und Sabotageakte durchführen. Man hat schnell alles gesehen, wiederholt dann ständig nur noch die gleichen Schritte und hofft einfach darauf, dass das Geld für die nächste Forschung oder den nächsten Stall/Parzellenkauf reicht. Mehr ist es nicht – und dabei hat man nicht einmal was Schönes zum Anschauen, weil das Spiel schlicht und einfach potthässlich ist.

Beim Christoph meint: Es ist hart aber von mir gibt es für Klomanager – Hochgewürgt nur 1 von 5 Sics. Als ich diesen Absatz angefangen habe, waren es noch zwei Sics aber bei genauerer Überlegung wäre das nicht verdient. Ja, es ist im Kern immer noch der Klomanager mit nur wenigen (aber meist sinnvollen) Neuerungen und für ein paar Runden (vor allem mit menschlichen Spielern) macht es durchaus wieder Laune (hab‘ mir sogar alle Achievements geholt). Aber damals wie heute ist es nichts was langfristig Spaß bringt. Es geht über einen netten Gag nicht wirklich hinaus und hat mit einer richtigen Wirtschaftssimulation nur wenig zu tun.

Im Klomanager Deluxe könnt ihr sogar die Tür zumachen!

Leider hält die neue Version noch weniger bei der Stange. Weil sowohl die 3D-Objekte als auch die Menüs echt scheiße aussehen und sie zudem noch so einige Bugs hat, die teilweise sogar das Weiterspielen verhindern. Außerdem der Schwierigkeitsgrad gegen die KI, der gefühlt abartig hoch ist. In meinem letzten Spiel hatte ich mit meiner Parzelle zwar viel Erfolg (und fast alles erforscht), aber dann begann die KI mir jede Runde haufenweise Saboteure zu schicken und das Gesundheitsamt zu rufen. Die Folgen waren immens hohe Instandhaltungskosten, die ich schlicht nicht mehr reinholen konnte und mich in den Ruin trieben. Spätestens dann geht der letzte Rest von Spielspaß den Abfluss hinunter.

Da es auch nicht so aussieht als würden Roland und seine Kollegen noch weiter an dem Produkt arbeiten, kann ich vom Kauf also nur abraten. Selbst, wenn Klomanager – Hochgewürgt mal wieder auf 0,99€ runtergesetzt wird, solltet ihr stattdessen zum ebenfalls auf Steam verfügbaren Klomanager Deluxe (die 2006er Fassung) greifen. Inhaltlich erwartet euch das fast identische Spiel aber dafür ein schlicht und einfach runderes Spielerlebnis. Und euer Geld landet ebenfalls bei Roland – nur wahrscheinlich etwas weniger, weil sie für diese Fassung damals einen Deal mit einem externen Publisher gemacht hatten.

(Cover)

Ich “muss” noch ein letztes Mal das Buch Shareware Heroes* erwähnen. Grundsätzlich ein wirklich gelungenes Werk für jeden, der sich für das Thema interessiert. Müsste nur eindeutig länger sein. Die 300 Seiten reichen Autor Richard Moss definitiv nicht aus, was sich wie erwähnt beim Lesen leider sehr bemerkbar macht. Mir geht es heute jedoch um einen Gedanken von Moss, den er in der Koda aufwirft und der mir bislang noch nie so gekommen ist.

Die Shareware-Ären

Aus Sicht des Autors gab es bislang vier Shareware-Zeitalter. Das erste waren die Anfänge der “Anwender-unterstützten Software” in den unterschiedlichsten Ausprägungen aber im Kern vergleichbar mit Systemen wie dem heutigen Patreon. Das Ziel: Eine möglichst große Masse dazu bringen dem Autor Geld zu geben. Es war das dominante Modell bis Apogee Software 1987 die Bühne betrat und das nach ihnen benannte, zweite Zeitalter einläutete.

Die Idee von “The Apogee Model” war es die “Begware” (“Bitte unterstützt mich!”) und “Nagware” (“Bezahl‘ mich endlich!”) hinter sich zu lassen und stattdessen den Spielern mittels “Ich will mehr davon!” zum Kauf zu überreden. Bei Apogee hieß dies, dass sie ihre Spiele gerne in drei Teile teilten. Der erste wurde als Shareware verbreitet wie z.B. die erste Episode von Commander Keen oder Wolfenstein 3D. In sich vollständige Spiele aber wer danach Lust auf mehr hatte, musste in die Tasche greifen. Nicht nur für Apogee ein sehr erfolgreicher Schachzug, der noch bis Ende der 90iger Erfolg hatte (u.a. QUAKE und Duke Nukem 3D anno 1996) und viele Nachahmer fand.

Commander Keen (Herstellerbild)

So weit, so verständlich. Jetzt kommen wir aber so langsam zum interessanten Part. Viele Firmen fanden das Apogee Modell zwar spannend, sie hatten aber keine Lust darauf einen so großen Teil ihrer Spiele zu “verschenken” (Moss bezeichnet es als “Corporate Greed”). Gleichzeitig begann der Siegeszug der CD mit ihrem unfassbar großen Speicherplatz (im Vergleich zur Diskette) und das Internet wurde immer zugänglicher. Parallel fingen Spielemagazine häufiger an “Covermounts” (=inkludierte Disketten/CDs/DVDs) als Verkaufsargument zu benutzen und die mussten ja irgendwie gefüllt werden. Damit begann das dritte Zeitalter der Shareware: Die Demonstrations-Version, besser bekannt als Demo. Klingt im ersten Moment komisch aber es macht tatsächlich Sinn. Eine Demo ist ein kleiner/begrenzter Teil des Spiels, ist kostenlos und darf frei verbreitet werden. Und wer danach mehr will, muss bezahlen. Also ja, eigentlich nur Shareware mit einem anderen Namen und anderen Kaufmöglichkeiten am Ende.

Weg in die Moderne

Spätestens in den 2010ern hatte die Demo dann warum auch immer vor allem im AAA-Bereich plötzlich ausgedient. Ich gebe der siebten Konsolengeneration (Xbox 360, PlayStation 3) die Schuld ohne dafür irgendwelche Belege griffbereit zu haben, denn zumindest Microsoft bestand schon immer auf Demos auf ihrem Marktplatz. Aber trotzdem verschwand sie irgendwie. Und so richtig zurück ist sie bis heute nicht. Events wie Steam Next Fest mögen zwar einen anderen Eindruck vermitteln, aber das sind zu 90% Indie-Titel und in dem Bereich war die Demo nie wirklich weg. Kein Wunder, schließlich müssen die Jungs und Mädels ohne ein millionen-schweres Marketingbudget auskommen.

Gleichzeitig beginnt das bis heute andauernde, vierte Zeitalter der Shareware: “The Age of Free with an Asterix“, wie es Richard Moss bezeichnet. Ich würde es einfach “Free-2-Play” nennen. Sprich das Spiel ist kostenlos aber es will auf verschiedene Arten und Weisen deinen Geldbeutel leeren. Moss unterscheidet hier verschiedene Varianten von Werbeeinblendungen über Mikrotransaktionen bis hin zu DLC. Aber im Kern geht es weiterhin darum, dass ein Teil des Produkts kostenlos zur Verfügung gestellt wird und man für zusätzliche/weitere Inhalte bezahlen muss.

Die Überraschung

Fortnite (Herstellerbild)

Free-2-Play als “Shareware” zu kategorisieren finde ich einen spannenden Ansatz. Mein erster Gedanke war, das als völliger Blödsinn abzutun. Hauptsächlich wegen dem namensgebenden Grundgedanken “teile die Software mit jedem”. Free-2-Play-Titel kann man heutzutage schließlich nicht mehr wirklich teilen im Sinne von “hier ist die Software, viel Spaß damit”. Sie sind stattdessen meist fest verbunden mit einer Ladenfront wie Steam, Google PlayStore und so weiter. Ich kann also höchstens nur noch Links austauschen. Aber bei genauerer Betrachtung ist das kein wirkliches Gegenargument. Ich empfehle schließlich immer noch meinen Freunden etwas. Nur das Medium ist anders. Und zu sagen, dass so viele Schwergewichte wie Fortnite mit extremen Marketingkampagnen mitmischen und es deshalb nicht in die Shareware-Kategorie fällt passt nicht wirklich. Auch Firmen wie Apogee haben damals nicht nur auf “Mund-zu-Mund”-Propaganda gesetzt. Und ja, Epic Games haben ihre Anfänge auch im Shareware-Bereich gehabt (damals noch als Epic MegaGames).

Also ja, mir fällt tatsächlich kein richtiges Gegenargument ein, warum Free-2-Play nicht eine moderne Art der Shareware sein soll. Die Kernpunkte sind schließlich vorhanden: Ich bekomme ein mehr oder weniger komplett kostenloses Spiel, kann es meinen Freunden weiterempfehlen und darf zur Unterstützung der Entwickler weitere Inhalte egal in welcher Form kaufen. Und besagter Entwickler versucht mich mehr oder weniger stark davon zu überzeugen ihm Geld zu geben. Das war in den 80igern so und hat sich bis heute nicht geändert. Nur der Name ist ein anderer.

Habe ich so noch nie drüber nachgedacht. Diese Erkenntnis macht die Free-2-Play-Praktiken so mancher Firmen logischerweise nicht erträglicher. Aber trotzdem ein interessanter Aspekt der zum Grübeln anregt. Vor allem darüber, was dann vielleicht irgendwann das fünfte Zeitalter der Shareware sein könnte. Ist überhaupt noch ein Schritt nach “komplettes Spiel kostenlos abseits von ein paar Bezahlschranken” möglich? Keine Ahnung. Doch die Geschichte hat gezeigt, dass die Firmen sehr kreativ sein können, wenn es um das Erschließen von neuen Vertriebswegen und dem “Geld aus der Tasche ziehen” geht. Entsprechend steht die nächste Evolutionsstufe vermutlich eher unter dem Begriff “Cloud Gaming” und ich glaube, das kann selbst Richard Moss nicht mehr mit Shareware in Verbindung bringen :smile: .

PS: Shareware mit reduzierten Features wird übrigens “Crippleware” genannt im Unterschied z.B. zu einer 30-Tage-Testversion, bei der die Beschränkungen erst nach Ablauf der Zeit greifen.

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