Obwohl ich die Welt der Kriegskünste wieder hinter mir gelassen habe, starte ich aktuell trotzdem immer noch häufig die Battle.net Desktop App. Und zwar hatte ich mir tatsächlich relativ früh mal Diablo IV* sowie in der Zwischenzeit die 1. Erweiterung, Vessel of Hatred, gegönnt. Glaub‘ jeweils bei der ersten großen Rabattaktion, weil sie zu dem Zeitpunkt echt vergleichsweise billig zu haben waren. Die sündhafte teure Collector’s Edition mit der Kerze, die auch noch ohne Spiel geliefert wurde, landete zum Release hingegen nicht in meinem Warenkorb. Irgendwo habe selbst ich meine Limits. Und wenn ich mir die überraschend niedrigen Preise bei eBay dazu so anschaue, dann bin ich wohl nicht der Einzige, der darauf verzichtet hat.
Zurück nach Sanktuario
Diablo III habe ich vor fast genau 11 Jahre durchgespielt und seitdem nur mal kurz für das Kuhlevel und das Geburtstagsevent nochmal reingeschaut. Es hatte seine Momente und man kam gut in den üblichen Action-RPG-Flow, den die Serie erfunden hat. Die Geschichte war zwar nicht weltbewegend aber nett und die vorgerenderten Filmchen auf dem von Blizzard gewohnten, äußerst hohem Niveau (ja, ich bin gefühlt der einzige, der ihre Spiele hauptsächlich deshalb spielt…). Dennoch: Spielerisch hat mich das Spiel nicht wirklich weiter gefesselt nachdem Malthael im Dreck lag. Die ganzen Endgame-Inhalte, die nur dazu dienen, dass ein paar Zahlen ein bisschen nach oben gehen? Nicht mein Ding. War aber bei den Vorgängern auch nicht viel anders. Keine Ahnung, wem es wirklich Spaß machte zum 10.000 Mal einen Baal-Run durchzuführen für ein paar mickrige Erfahrungspunkte. Kein Wunder, dass ich bis heute nicht Diablo II: Resurrected gestartet habe.
Meine Erwartungen an Diablo IV waren entsprechend eigentlich ziemlich niedrig: Im Flow ein paar (zehn)tausend Monster töten, Gegenstände aufsammeln, fleißig im Level aufsteigen und dabei eine zumindest gut erzählte Geschichte mit geilen Filmchen erleben – in einer Welt, die ich grundsätzlich sehr interessant finde. Habe sogar damals die ersten Romane gelesen (2003-2008). Was habe ich hingegen gefunden, nachdem ich zum Verfassungszeitpunkt mit meiner Level-60-Zauberin (Paragon 84) das Ende des Hauptspiels erlebt habe? Immense Langeweile. Von Spielspaß schon lange keine Spur mehr.
Und vermutlich der Hauptgrund dafür? Die höheren Schwierigkeitsgrade sind erst erreichbar, wenn man die Kampagne einmal durchgespielt hat. Keine Ahnung, wer dachte, dass das auf irgendeine Art und Weise Sinn macht. Ist man in der Releaseversion langsamer im Level aufgestiegen? Die Konsequenz ist auf jeden Fall, dass spätestens seit Akt 2 alle meine Gegner (nur leicht übertrieben gesagt) schon beim Anschauen umfallen und selbst die Bosskämpfe keinerlei Herausforderung mehr darstellen. Die Gegenstände, die sie fallen lassen, haben ebenfalls nichts mehr für mich zu bieten. Ich bin schon seit Ewigkeiten voll mit der für mich perfekten, legendärer Ausrüstung ausgestattet – die nächste Stufe gibt es erst in den höheren Schwierigkeitsgraden. Ich hab‘ sogar ab Akt 3 komplett aufgehört irgendwelche Dungeons oder Nebenquests zu machen, weil es keinerlei Sinn hat. Stattdessen bin ich buchstäblich durch die Hauptgeschichte hindurchgerast und habe mir das alles für danach aufgehoben, wo ich es wieder zu einer Herausforderung machen kann. Diese Diskrepanz wird auch dadurch deutlich, dass ich im Anschluss problemlos (man muss dafür in einem Endgame-Dungeon ein bestimmtes Level erledigen) direkt zwei Stufen nach oben gegangen bin auf Torment 1 (Tormet 4 ist die derzeit höchste Stufe). Und selbst das ist immer noch gefühlt zu wenig.
Die Geschichte
Jetzt werdet ihr sicherlich fragen: Taugt dann wenigstens die Geschichte was? Nun, die Serie war noch nie für die wirklich tiefgründigsten Erzählungen bekannt. Aber Diablo IV schießt den Vogel definitiv mit einer großkalibrigen Schrotflinte ab. Angesiedelt 50 Jahre nach dem Finale von Diablo III: Reaper of Souls (immer noch ein dämlicher Name), kehrt die Dämonin Lilith nach Sanktuario zurück. Sie ist die Tochter von Mephisto. Ihr wisst schon: Der Bruder von Diablo, dem ihr in Diablo II die Fresse poliert habt. Außerdem hat sie zusammen mit dem Erzengel Inarius vor langer Zeit die Welt von Sanktuario erschaffen. Deswegen hat sie auch den Spitznamen “Mutter” bzw. genauer gesagt “Mutter des Hasses”.
Euer Charakter hat schon früh im Spiel eine direkte Begegnung mit Lilith, bei der ihr einen Teil ihrer Essenz aufnehmt und entsprechend einen gewissen Kontakt/eine Verbindung zu ihr habt. Lilith selbst zieht hingegen die ersten Akte einfach nur durch Sanktuario und sammelt ein paar Sachen ein. Ihre Anhänger glauben, dass sie das tut, weil sie die Welt erlösen will oder sowas. Aber wie es immer so ist mit Dämonen, steckt etwas anderes dahinter. Ihr seid ihr auf jeden Fall auf den Fersen, sammelt dabei die paar verbliebenden Horadrim ein (Deckard Cain ist ja nicht mehr) und versucht zuerst ihren Plan zu entschlüsseln und sie dann schlussendlich von der Umsetzung abzuhalten. Und ja, Lilith liegt zwar am Ende im Dreck, aber einen Cliffhanger gibt es wie gewohnt trotzdem. Dadurch, dass Lilith nur eine kleine Maus im großen Ganzen war und das eigentliche Böse immer noch eine Gefahr darstellt, ist der Cliffhanger gefühlt sogar noch schlimmer als in den alten Titel wo es mehr ein “Ist das Böse wirklich besiegt?”-Fragezeichen darstellte.
Total mau
Auf dem Papier klingt die Hauptgeschichte jetzt erstmal nicht so schlimm. Ja, nicht Pulitzer-verdächtig aber für Diablo-Verhältnisse völlig ausreichend. Die Hauptquests an sich sind auch okay und man merkt, dass Blizzard versucht trotz der vorhersehbaren Handlung ein paar Wendungen einzubauen. Aber die Art und Weise, wie die Geschichte erzählt wird, ist trotz zahlreicher Ingame-Sequenzen einfach nicht zu gebrauchen. Faktisch rennt ihr in jedem Akt nur gelangweilt von A nach B (mit den üblichen Umwegen dazwischen), findet eine “Erinnerung” an das was Lilith kurz vorher getan hat, kämpft gegen einen mehr oder weniger bekannten Bossgegner (der keine Herausforderung ist) und abgerundet wird das Aktende dann durch eine Erzählerstimme, die ein paar Worte über Stillleben (z.B. ein paar Grabsteine) abgibt. Erzählerisch gelungen ist eigentlich nur der 6. und letzte Akt, wo alles zusammenkommt, die Welt vor dem Untergang steht und entsprechend richtig was abgeht (optisch wie inhaltlich).
Als ich Akt 1 beendet hatte, war ich echt total perplex und fühlte mich im falschen Film. Kein geiles, vorgerendertes Filmchen als Belohnung, stattdessen nur eine kleine Ingame-Sequenz? Was soll das?! So super und wirklich detailreich das Spiel aussieht: Von einer gut gemachten Zwischensequenz ist das alles sehr weit entfernt, was ihr da gezeigt bekommt. Selbst die Erinnerungen an Liliths Taten sind dermaßen enttäuschend. Zum einen grafisch eben nicht vergleichbar mit richtigen Rendersequenzen und zum anderen inhaltlich einfach nur langweilig. Faktisch läuft sie nur halbnackt durch die Gegend und labert ein bisschen. Nene. Übrigens gibt es im gesamten Hauptspiel exakt zwei vorgerenderte Filmchen: Das Intro und eine (wirklich geniale) Sequenz im 6. Akt. Da die so dermaßen genial ist, schmerzt es umso mehr, dass es sonst nichts in der Hinsicht gibt.
Ach und noch als letztes Wort zur Geschichte: Akt 4 ist ein totaler Witz. Keine Ahnung, ob ich vorher irgendwas zu viel gemacht hatte, aber es dauerte keine halbe Stunde bis Andariel (ja, das “alte Bekannte”-Recycling ist hoch) im Dreck lag. Das hat mich extrem überrascht. Es passiert in diesem Akt quasi überhaupt nichts. *kopfschüttel*
Spielerisch mau
“Die Geschichte taugt also nichts. Blöd. Ist spielerisch dann wenigstens was zu holen?” Auch irgendwie nicht so recht. Auf dem Papier gibt es haufenweise Inhalt selbst bevor ihr das Endgame erreicht und dabei extrem viel Abwechslung. Ihr habt beispielsweise, anders als in Diablo III, sehr viele Möglichkeiten euren Charakter selbst innerhalb eurer gewählten Klasse zu entwickeln. Freilich gibt es wie immer optimale Zusammensetzungen. Aber es ist gefühlt nicht einmal annähernd so stringent wie in den Vorgängern. So stehen meiner Zauberin drei Elementrichtungen zur Verfügung (Feuer, Blitz, Eis – ich bin letzteres) und darin dann nochmal einige Spezialisierungsmöglichkeiten.
Die Auswahl der Gegenstände ist hingegen überraschend begrenzt. Also es fallen logischerweise hunderte von Gegnern, als Questbelohnungen oder aus Truhen. Aber es irgendwie alles ziemlich gleichförmig und unterscheidet sich nur minimal – wenn es nicht sogar häufig exakt der gleiche Gegenstand ist. Wie oft ich schon diesen bescheuerten Helm der Stufe “Heilig” gefunden habe, der einem die Fähigkeit Meteor um drei Stufen erhöht… total dämlich. Das soll wahrscheinlich die umfangreiche Crafting-Seite des Spiels fördern. Motivierend ist es aber irgendwie nicht. Zumal hier eben wieder das Thema Schwierigkeitsgrad mit reinspielt: Ich muss nichts davon für den Kampf gegen Lilith tatsächlich nutzen.
Leider stellt man auch in anderen Bereichen sehr schnell fest, dass das Wasser nur knöcheltief ist. So findet jeder Akt zwar in einer optisch völlig anderen Region der Welt statt – die Gegnervielfalt ist aber dennoch extrem überschaubar. Ständig schlagt ihr auf das gleiche Gesocks ein, das höchstens etwas anders eingefärbt ist. Das Gleiche gilt für das, was ihr so tut. Ja, die Nebenquests sind thematisch an die Regionen angepasst und haben tatsächlich inhaltlich was zu bieten. Aber beispielsweise die vielen Dungeons, die ihr besuchen könnt/im Rahmen der Missionen besucht, sind alle so dermaßen gleichförmig und optisch identisch. Das ist schon extrem traurig. Gefühlt gibt es nur 4-5 Grafiksets, aus denen das Spiel auswählt und dann wird das in einen fast völlig linearen Korridor zusammengesetzt. War das Suchen des Ausgangs in den teils riesigen Umgebungen von Diablo und Diablo II teilweise nervig? Möglicherweise. Aber es gehörte zum Spiel und machte mit dem Reiz aus. Vielleicht gab es ja doch in der einen Ecke noch was Interessantes. In Diablo IV hingegen? Lauf geradeaus/im Kreis, mach‘ dabei eine von gefühlt nur drei Sachen, dann klettere/laufe eine Treppe eine Ebene tiefer, mach‘ nochmal eine von gefühlt nur drei Sachen und finde dann am praktisch platzierten Heilbrunnen den Bossgegner. Die zufälligen Events auf der Karte sind ebenfalls nicht abwechslungsreicher gestaltet. Spätestens nach der Hälfte von Akt 1 habt ihr (ohne viel Übertreibung) alles gesehen und gemacht, was es zu tun gibt. Und, wenn dann nicht einmal eine Herausforderung dabei ist und/oder die Chance bessere Ausrüstung zu bekommen – warum dann überhaupt sich die Mühe machen? Eben.
Fazit
Alter Schwede, was ein Scheiß. Ich muss es leider so deutlich ausdrücken. Würde mich mein “ich hab’s gekauft, also spiel ich’s auch durch”-Hirn nicht antreiben, ich hätte Diablo IV spätestens Mitte Akt 2 zur Seite gelegt. Zwar ist theoretisch der grundlegende Action-RPG-Flow vorhanden und es sieht sehr gut aus und hört sich super an. Aber es ist halt echt absolut überhaupt nichts dahinter. Und das fällt umso mehr auf, wenn ich nur durch die Gegend laufe und Gegner “one-shotte”, weil es mir aus unerfindlichen Gründen verwehrt ist 1-2 Stufen höher zu gehen. Loot ist entsprechend irrelevant und wird nur der Pflicht halber aufgesammelt und beim Schmied für nutzloses Material recycelt. Ich hab‘ so schon fast 100 Millionen Goldstücke gesammelt und nichts, wofür ich sie ausgeben kann. Und warum soll ich an meiner Ausrüstung rumbasteln (Edelsteine einsetzen, Attribute neu würfeln, etc.), wenn ich es jetzt nicht brauche und irgendwann beim Wechsel des Schwierigkeitsgrades eh neue Sachen kriege.
Die Geschichte ist ebenfalls nicht zu gebrauchen. Die Charaktere und ihre Entwicklungen lassen mich ziemlich kalt. Wofür sicherlich die fehlende Herausforderung ebenfalls ein Grund ist. Wenn alle davon fasseln wie schlimm alles ist, der große Bosskampf aber nach 2 Sekunden vorbei ist (ja, auch der gegen Lilith) – wie soll ich das wirklich ernst nehmen? Da fällt dann noch mehr auf, dass die Hauptquests über “geh dahin, sammel’ was/besiege einen Boss” nicht wirklich hinaus gehen. Und, wenn ich am Ende von alledem als Belohnung nicht einmal eine geile Rendersequenz kriege? Ja, ne lass‘ ma. Was ich von Vessel of Hatred bislang gehört habe, stimmt mich ebenfalls nicht sonderlich optimistisch. Spielen werde ich es freilich trotzdem. Und immerhin besteht jetzt mal wieder die Chamce, dass ich einem Kampf Gefahr laufe zu sterben…
Von dem ganzen Live-Service-Scheißdreck habe ich eich jetzt gar nichts erzählt. Ist aber auch egal. Mein Ratschlag ist nämlich ganz klar: Kauft euch lieber endlich Grim Dawn. Das ist immer noch um Längen besser und soll dieses Jahr sogar noch eine dritte Erweiterung (es geht in den hohen Norden) erhalten.