Ein Stifthalter

Während ich also eine Woche in meinem Bildungsurlaub gechillt habe, hatte Lysanda das komplette Kontrastprogramm. Sie durfte beim angeblich bundesweit ersten Bildungsurlaub zum Thema “3D-Druck” von 9 bis 16 Uhr durchpauken. Es war nämlich gleichzeitig der erste Bildungsurlaub ihres Trainers (der Link führt zu seinem Account bei Printables). Wenig verwunderlich also, dass er sich ziemlich penibel an das ausgearbeitete und vom hessischen Bildungsministerium abgesegnete Programm gehalten hat – ohne Rücksicht auf Verluste quasi. Nur den Reichstag, geplant als Teil der politischen Bildung, haben sie am Ende dann doch nicht ausgedruckt. Dafür einen Stifthalter mit einem eingestanzten “Die Linke” und einen “Wahlplaketständer” (siehe 2. Absatz) :wink: . Entsprechend hoch war die Informationsdichte rund um 3D-Drucker im Allgemeinen und die Anwendung Autodesk Fusion im speziellen. Und wer schonmal ein CAD-Programm gesehen hat weiß, dass das jetzt nicht die einfachsten Anwendungen sind. Mal von den Grundvoraussetzungen wie räumliches Denkvermögen ganz abgesehen. Kein Wunder, dass Lysanda hauptsächlich mitgeschrieben hat, um sich das später nochmal in Ruhe anzuschauen statt verzweifelt zu versuchen den Klicks des Trainers zu folgen und dann die Hälfte wieder zu vergessen.

Aber immerhin: Er hatte neben vielen seiner Ausdrucke (darunter einen zwei Kilo schweren Eiffelturm, den er aufgrund fehlender Vorlagen selbst designt hat) auch einen 3D-Drucker (ein Prusa MK4S) von der VHS mit dabei. Und am Freitag konnte Lysanda sogar was darauf drucken. Sie entschied sich für einen kleinen Ständer für ihre Fliesen… äh ein “Wahlplakat” :wink: (ihr wisst schon: politische Bildung). Als Vorlage diente ihr ein Ständer aus meinem Figurenregal, den ich mit der (Kickstarter-exklusiven) Collector’s Edition von Beyond Shadowgate bekommen hatte und normalerweise eine Medaille an ihrem Platz hält. Den fotografierte sie, lud ihn ins Programm rein und malte ihn ab. Danach konnte sie ein 3D-Modell daraus machen und nach dem Einfügen der Maße drucken. Das Ergebnis ist wirklich gut geworden. Okay, sie hat an einer Stelle das falsche Maß eingetragen. Entsprechend passen die beiden Teile nicht ganz so zusammen, wie sie sollten. Aber seine Funktion als Ständer erfüllt er trotzdem.

Insofern war der Bildungsurlaub für Lysanda zwar anstrengend aber zum einen hat sie jetzt endlich mal selbst Erfahrung mit 3D-Druck gemacht und zum anderen hat sie sogar ein nützliches Souvenir davon mitgebracht.

Nicht in der Casa Lysanda

Ich selbst habe ehrlich gesagt gar nicht so viel Interesse an 3D-Druck. Also es ist definitiv eine richtig coole Sache, keine Frage. So ein 3D-Modell designen und es dann in der Realität in die Hand zu nehmen. Das lässt definitiv ein paar Endorphine frei und eröffnet so einige neue Möglichkeiten. Entsprechend genial ist es, wie massiv die Entwicklung in den letzten Jahren vorangeschritten ist. Kleinere Modelle sind mittlerweile schon für unter 500 Euro zu haben und damit nicht mehr nur für absolute Enthusiasten interessant. Stattdessen ist sein Einzug in die Privathaushalte schon im vollen Gange.

Mein Problem ist nur: Ich wüsste derzeit nicht was ich damit anfangen sollte. Ja, wir hätten damit sicherlich das kleine Plastikzahnrad rekonstruieren können, das bei Lysandas Epilierer kaputt gegangen war. Aber das sind Einzelfälle für das es sich einfach nicht lohnt sich so ein Gerät anzuschaffen, geschweige denn der mühsamen Aufgabe nachzugehen es zu erlenen. Auf der einen Seite die komplexe Software. Auf der anderen der Umgang mit der filigranen Hardware und ihren vielen Komponenten (vom Filament bis zur Druckplatte). Ne, das ist (noch) kein Hobby für mich :smile: .

Lysanda hat hingegen durchaus so einige Idee, was sie drucken wollen würde. Beispielsweise Dotting-Werkzeuge, um neue Motive für ihre Steine zu bekommen. Oder eben Sachen für einen Marktstand wie besagten Ständer. Allerdings sieht auch sie ein, dass es derzeit keinen Mehrwert bringt sich so ein Ding ins Haus zu stellen. Wir haben dafür einfach aktuell keine Zeit. Vielleicht irgendwann einmal. Zumindest erzählte der Trainer, dass sie auf einer 3D-Drucker-Messe davon ausgingen, dass in 5-10 Jahren jeder Haushalt einen 3D-Drucker haben wird. Hintergrund wäre, dass die Hersteller in Zukunft keine Ersatzteile mehr herstellen würden, sondern nur noch die Druckdatei zum Download bereitstellen würden. Und wer weiß, vielleicht haben sie ja recht. Vor allem als Hausbesitzer kann ich mir durchaus vorstellen, dass so ein 3D-Drucker sich dann langfristig lohnen könnte. Im Eigenheim gibt es ja immer irgendwas zu reparieren oder Neues zu basteln. Da kann ein 3D-Drucker sicherlich hilfreich sein seine Vorstellungen wirklich individuell passend umzusetzen.

Um zum Abschluss nochmal Lysanda selbst zu Wort kommen zu lassen: “Ja, kann man lernen. Aber man muss mehr bedenken, als man vielleicht erwartet hat. Es ist nicht einfach nur “steck ein bisschen Filament rein und der Rest macht der Drucker von alleine”. Schließlich gibt es schon bei der Lagerung der Filamentrollen es so einiges zu beachten…”

“Wad?! Schon wieder Bildungsurlaub? Arbeitet der Kerl auch mal was?! Kein Wunder, dass es mit Deutschland bergab geht, wenn hier keiner mehr was schafft!

Viele Unterlagen zum Bildungsurlaub

:roll: *seufz* Ja, ich war vorletzte Woche auf meinem Bildungsurlaub für 2025. Man “muss” es ja nicht immer bis zum Schluss hinauszögern. Außerdem hat das den Vorteil, dass ich noch Zeit gehabt hätte mir was Neues zu suchen, wenn er abgesagt worden wäre. Aber er fand nicht nur statt – er war auch komplett ausgebucht (10 Personen).

Ach und Lysanda war ebenfalls auf Bildungsurlaub. Während ich mich der Entspannungsmethode “Eutonie” hingegeben habe, hatte sie sich einen Crashkurs zum Thema “3D-Drucker” gegönnt. Wir haben zwar (noch) keinen, interessieren tut sie das jedoch schon länger. Und dafür sind Bildungsurlaube ja da. Nämlich, um auch mal was Neues kennen zu lernen. Eutonie kannte ich ebenfalls vorher nicht.

Wos des?!

Eutonie ist griechisch und heißt “Gutspannung” bzw. “Wohlspannung”. Erfunden hat sie Gerda Alexander, die im Gegensatz zu anderen Pädagogen ihren Namen nicht hergeben wollte. Deswegen hat sie sich was Neues für diese “pädagogisch-physiotherapeutische Entspannungsmethode”, wie es Wikipedia bezeichnet, ausgedacht. Unsere Dozentin, Birgit Léona Krengel, beschrieb uns hingegen am Anfang Eutonie scherzhaft als “Feldenkrais für Frauen”.

Wir alle kennen sicherlich die BLACKROLL und ihre unzähligen Nachahmer, die dank gutem Marketing vor mittlerweile so einigen Jahren Faszientraining nach Moshé Feldenkrais total “in” werden ließ. Ist schließlich an sich nichts Neues (in den 50igern hat er sie erfunden). Mittlerweile sind die total harten Faszienrollen aber wohl schon wieder out. Weil die nämlich gerne sehr starke Schmerzen verursachen und man sich entsprechend z.B. während man mit der Seite auf der Rolle liegt mit dem Arm abstützt. Dann wird zwar die Seitenfaszie bearbeitet, gleichzeitig holt man sich jedoch die Verspannung in den Arm/die Schulter. Ist also in dem Sinne eine Milchmädchenrechnung.

Und ja: Moshé Feldenkrais (1904 geboren) und Gerda Alexander (1908 geboren) lernten sich im späteren Leben kennen. Aber klingt nicht so, als hätte der eine dem andren was abgeschaut. Beide Methoden sind wohl ziemlich unabhängig voneinander entstanden.

Sicarius! WOS ISSES?!

Ganz ehrlich: Ich tu mir immer noch schwer Eutonie so richtig zu beschreiben. Im Bildungsurlaub selbst hat die Dozentin zwar hier und da einiges erzählt, aber es ging tatsächlich mehr um die praktische Umsetzung und das Erleben am eigenen Körper. Während ich das hier schreibe habe ich zwar die Notizzettel vor mir und haufenweise Google-Ergebnis, doch daraus werde ich nur bedingt schlau. Erwartet entsprechend keine detaillierte Beschreibung der Methode. Es ist nur ein Versuch es irgendwie aufs Papier zu bringen :smile: .

Der Hauptfokus der Eutonie liegt auf jeden Fall bei der Körperwahrnehmung, denn wenn wir uns wahrnehmen, stärkt das das Selbstbewusstsein. Und dieses Selbstbewusstsein hilft dabei wieder mehr in Kontakt mit sich selbst zu treten und gleichzeitig auch seine Umwelt besser zu erfassen bzw. kontrollierter auf sie zu reagieren. Stressreduktion und Aufmerksamkeitstraining (“Präsent sein”) steht quasi im Vordergrund. Dabei geht es jedoch nicht darum dem eigenen Körper etwas aufzwingen (z.B. aktiv den Schmerz in der Schulter zu bekämpfen), sondern zu lernen die eigene Körperspannung zu regulieren. Der Fachbegriff ist “Tonus-Regulierung” (Tonus = Spannung). Der Schmerz wird quasi nebenbei mit behandelt.

Balu will leider kein Material sein.

Ein weiterer Punkt dieser Körperwahrnehmung ist es zu realisieren, wie alles in uns zusammenhängt. Sehr vereinfacht ausgedrückt: Wenn ich mit dem kleinen, rechten Zeh wackele, wackelt dann wirklich nur der kleine Zeh, oder zuckt nicht auch mein linker Mundwinkel mit? Das Ziel ist es daraus mehr oder weniger unbewusst für jede Situation angemessene Bewegungsabläufe zu entwickeln, um mit minimalstem Ressourceneinsatz den optimalsten Effekt zu erzielen.

Die Prinzipien

Um diese Ziele zu erreichen, nutzt die Eutonie die folgenden Grundprinzipien:

  • Berührung: Unsere Haut ist unser Kontakt nach innen und hinaus in die weite Welt. Sie erlaubt es uns Grenzen zu erleben, vermittelt uns Tiefe, Struktur und Form und lässt uns eine Vielzahl von Empfindungen spüren. Sie ist quasi der Türöffner der Eutonie, der es uns überhaupt erst erlaubt in den Austausch mit unserem Körper und unserer Umwelt zu treten.
  • Kontakt: Haut alleine macht noch nichts. Erst der Kontakt von etwas mit der Haut löst eine Verbindung und/oder Begegnung aus. Entsprechend gilt es in der Eutonie in Kontakt zu treten – allerdings vordergründig nicht mit anderen. Es geht ja erst einmal um uns selbst. Stattdessen wird ein sogenanntes “Material” (z.B. ein Kirschkernkissen – aber kein Igelball! Der ist zu intensiv.) genutzt, mit dem man übt seine eigene Wahrnehmung zu schulen. Wie fühlt sich der Kontakt an? Was macht er mit mir? Was macht er mit meinem Körper?
  • Transport: In Bewegung kommen und dabei spüren, wie die Maschine Mensch funktioniert. Die Kraftübertragungen wahrnehmen, die in unserem Körper z.B. zur automatischen Stabilisierung stattfinden.
  • Knochenbewusstsein: Unsere Haut, unsere Organe, unsere Muskeln – derer sind wir uns sicherlich ganz gut bewusst. Aber, dass da drunter auch noch ein Skelett liegt? Ein Haufen Knochen, der unser Dasein überhaupt erst ermöglicht? Knochen, ohne die wir nur ein zusammengesackter Haufen Fleisch sind? Eben. Deswegen lehrt die Eutonie sich seinem Skelett und seinen Bestandteilen bewusst zu werden und so die eigenen Handlungsspielräume zu erweitern.

All das kombiniert ergibt, dass man seine eigene Kraft spürt und seine derzeitige physische wie psychische Verfassung wahrnimmt. Mit dem Ergebnis, dass man in den Einklang mit den Möglichkeiten kommt, die auf Basis dieser Statusaufnahme möglich sind. Wenn ich halt heute total müde und erschöpft bin, geht das mit dem Marathon quasi nicht und das kann ich akzeptieren. Und sobald ich es akzeptiert habe, also meine eigenen Grenzen kenne, dann kann ich daran arbeiten sie zu erweitern. Indem ich gleichzeitig pfleglich mit meinem Körper umgehe, lösen sich fast schon automatisch Verspannungen, Blockaden und andere Sachen, die meine Beweglichkeit einschränken. Mein Alltag wird also leichter und harmonischer.

Umsetzung in der Praxis

Wir haben im Laufe der Woche einen Ganzkörper-Eutonie-Crashkurs gemacht. Quasi von den Füßen bis zum Kopf hochgearbeitet. Los ging es immer mit einer ausgiebigen Runde Räkeln. War am Anfang schon sehr ungewohnt. Wer räkelt sich schließlich schon im Alltag so ausgiebig und frei – und dann noch vor anderen Leuten. Die Dozentin war jedoch von meiner Räkelei beeindruckt. Fragte sogar, ob ich eine Ballettausbildung hätte. Ich, das sesselpupsende Dorfkind… :laughing:

Und dann ging es an die Körperwahrnehmung. Zuerst logischerweise den Status quo. Es gibt nämlich bei der Eutonie in dem Sinne kein richtig oder falsch – einfach nur ein “vorher” und “nachher”. Das wurde gemacht, indem wir einfach nur in uns hinein gespürt haben. Aber auch kleine Bewegungen, um z.B. unsere Limits zu erkunden waren mit dabei.

Danach haben wir meist ein oder mehrere Materialen bekommen und damit erst einmal die jeweiligen Stellen gespürt (=Berührung & Kontakt). Beispielsweise mit einem Kirschkernkissen bewusst und mit verschiedenen Druckstärken drüber über/unter das Knie gerubbelt oder mit einem Stück Bambus ein wenig geklopft, um die Knochen am Becken zu erkunden. Wie gesagt: Es geht sowohl darum das Material zu erfahren (später sogar über es hinaus zu spüren), als auch den Teil des Körpers, das es berührt.

Mit dem Kirschkernkissen das Knie spüren.

Anschließend gab es ein wenig freie Bewegung – und zwar meist mit dem jeweiligen Knochen (=Knochenbewusstsein), der gerade bearbeitet worden war. Beispielsweise sollte der Fersenknochen entscheiden, ob der Fuß sich jetzt nach links oder rechts bewegt und nicht der Fuß an sich. Klingt niedergeschrieben irgendwie total dämlich. Aber in der Praxis ist das tatsächlich ein spürbarer Unterschied. Und euer restliche Körper folgt dieser Bewegung dann einfach (=Transport). Ihr erlebt also was mit allem so verbunden ist. Geht ihr mit dem Fersenknochen in die Luft, hebt sich das Bein. Geht ihr dann nach links, geht das Becken mit und führt ihr ihn noch weiter, dreht ihr euch auf die Seite. Diese Bewegungen sollen dabei absichtslos und frei von zwang sein.

Sah entsprechend sicherlich sehr komisch aus, wie wir da wahllos unsere Extremitäten und so überall hinbewegt haben. Aber so habe ich meinen Körper definitiv noch nicht erlebt und wahrgenommen. Beim Nachspüren am Ende, war dann tatsächlich ein fühlbarer Unterschied. Meist fühlte sich die noch nicht bearbeitete Körperseite für mich “klobiger” an, als die andere. Um jedoch keine falschen Vorstellungen zu erzeugen, von wegen “Feldenkrais für Frauen” – auch Eutonie kann, darf und soll bis zu einem gewissen Maße schmerzhaft sein. Nach dem großflächigen Spüren haben wir das Material nämlich an genau den Punkt gelegt, der ihn gerade braucht. Und das ist häufig der Punkt, an dem es am unangenehmsten ist :smile: .

Fazit

Ganz ehrlich: Ich war schon Mittwochnachmittag fix und alle. Und das lag nur zum Teil daran, dass ich bei meinem Arbeitgeber geparkt hatte (die VHS liegt in der Innenstadt, mein AG am Eingang) und entsprechend jeden Tag 2,5km im Schnellschritt hin und zurück gelaufen bin. Auch die Eutonie ist überraschend anstrengend – sowohl körperlich als auch mental. Leider habe ich dadurch speziell vom Donnerstag nicht allzu viel mitbekommen. Ich habe die Übungen selbstverständlich mitgemacht und so, wirklich geistig anwesend war ich jedoch nicht und ein bisschen geschlafen habe ich ebenfalls, wenn es in der Rückenlage ging.

Dafür kann die Dozentin aber logischerweise nichts. Gut fand ich, dass wir am Ende jedes Körperteils auch eine bürotaugliche Übung gezeigt bekommen haben. Also wie man am Schreibtisch sitzend eine Kleinigkeit machen kann. Das ist ja schließlich immer der springende Punkt: Wie setze ich so einen Kurs in die Praxis um? Beim Nachlesen in den Unterlagen für den Eintrag kommt mir das zwar irgendwie trotz der Grundaussage “es gibt eigentlich keine Regeln oder Vorgaben, sondern nur die eigene Wahrnehmung” ziemlich kompliziert vor. Aber das liegt definitiv nur an mir.

Insofern bleibt mir als Fazit für meinen Bildungsurlaub “In Balance bleiben durch Eutonie” erstmal nur festzuhalten, dass es ein interessantes Erlebnis war. Man könnte zwar sagen, dass man das ein oder andere auch von anderen Methoden her kennt (=Feldenkrais). In dieser doch irgendwie sehr angenehmen Form habe ich Achtsamkeits- und Stressreduktionstraining in Kombinationen mit Bewegung und Entspannung allerdings noch nicht gemacht.

Sicarius

Kleine Elfen

Im Rahmen des Bildungsurlaubs haben wir nicht nur längere Texte geschrieben. Es war auch die Aufgabe sogenannte Elfchen zu jedem Thema zu verfassen. Ein Elfchen ist, wie Wikipedia es vorzüglich beschreibt, „ein kurzes Gedicht mit einer vorgegebenen Form”. Besagte Form sind 11 Wörter (deswegen “Elfchen”) aufgeteilt auf fünf Zeilen. Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier und – quasi als abschließenden Höhepunkt – nochmal eins. Theoretisch hat jede Zeile auch noch eine eigene Bedeutung, aber darauf haben wir nicht wirklich geachtet. Finde ich sowieso immer ein wenig bescheuert wie viele Regeln es im kreativen Bereich mitunter gibt.

Hier also meine Elfchen in der Reihenfolge ihrer Entstehung:

Thema: Ein Sonntag in meiner Familie

Sonntag
Gelebte Tradition
Bibliothek und Großeltern
Ich freue mich darauf
Kindheit

Thema: Mein Leben

Reflexion
Eine Erinnerungslücke
Zurückdenken ist schwierig
Ich bin irgendwie enttäuscht
Traurigkeit

Thema: Meine 1. Liebe

Liebe
Totale Überraschung
Aus dem Nichts
Den ewigen Partner gefunden
Schicksalshaft

Thema: Meine größte Ressource

Lysanda
Augen geöffnet
Neue Perspektiven aufgezeigt
Auf meinem Weg begleiten
Liebe

Thema: Der Bildungsurlaub

Bildungsurlaub
Lehrreiche Woche
Neue Erfahrungen gemacht
Und das Leben wiederentdeckt
Zufrieden

Es klingt wie ein absolutes Klischee. Wie eine einfache, unkomplizierte und unverfängliche Antwort auf die Frage. Aber manchmal sind es nun mal die vermeintlich einfachen Dinge, die die größten Auswirkungen haben können. Es ist der berühmte Flügelschlag des japanischen Schmetterlings, der in Europa zu Überschwemmungen führt. Und für mich und mein Leben ist die Tatsache schlicht und einfach, dass Lysanda die größte Ressource für mich war und ist. Sie ist die Antwort auf die Frage, welche Menschen mich gestärkt haben. Sie ist diejenige, die mich am meisten geprägt hat und es jeden Tag weiter tut.

Das ist logischerweise eine große Last, die ich ihr da aufbürde. Doch ohne sie wäre ich nicht der Mann, der ich heute bin. Keine Phrase, keine Übertreibung – nur die harten Fakten. Sie ist da an meinen Tiefpunkten. Sie steht mir bei. Sie hört mir zu. Sie ist mit Rat und Tat an meiner Seite. Und sie hilft mir immer mich weiter zu entwickeln. Mich selbst zu finden. Sie reicht mir auf meinem Weg ins Ungewisse die Hand und begleitet mich.

Als ich aus dem Elternhaus nach 29 Jahren auszog, war ich auf der einen Seite hoffnungsvoll und gespannt, was jetzt mit mir passiert. Gleichzeitig war ich aber nun auch völlig allein und auf mich gestellt in einer fremden, neuen Umgebung. Das war entsprechend ein willkommener Nährboden für meine Selbstzweifel, meine Depressionen und meinen grundsätzlich negativen Ausblick auf den Rest meines Lebens zu dieser Zeit.

Dann trat Lysanda in mein Leben und plötzlich gab es einen Sinn für mein Dasein auf dieser Erde. Meine Selbstzweifel versuchen zwar bis heute dieses Glück unwirklich erscheinen zu lassen und es sicherheitshalber von mir wegzustoßen. Doch Lysanda, mein Fels in der Brandung, lässt das nicht zu. Sie findet es nicht gut, wie ich mit ihrem geliebten Ehemann umgehe und versucht stattdessen mich zu stärken.

Mir zu zeigen, dass ich nicht mehr alleine bin.
Mir verstehen zu geben, dass nichts in Stein gemeißelt und bis zum Ende des Lebens ertragen werden muss.

Wenn ich entsprechend zurückblicke. Zurückblicke auf den Sicarius im Jahr 2013, dann erkenne ich ihn kaum wieder. Ja, er ist und wird immer ein Teil von mir sein. Aber ich bin nicht mehr er und darüber bin ich sehr froh. Und ohne Lysanda hätte ich das nicht geschafft.

Deswegen ist sie der Mensch, der mich am meisten geprägt hat.
Der Mensch, der mir die meiste Kraft gibt.
Meine größte Ressource.

Und nicht nur aber auch deshalb liebe ich sie von ganzem Herzen.

(handschriftlich verfasst im Rahmen des Bildungsurlaubs Autobiografisches Gestalten und Schreiben)

Ich erinnere mich.

Ich erinnere mich, dass es wie aus dem Nichts kam.

Ich kannte sie zu dem Zeitpunkt schon ein paar Monate. Wir hatten uns “zwangsweise” auf der Arbeit kennen gelernt. Sie war im gleichen Team wie ich, saß im selben Büro und dort sogar an der Tür. Aber obwohl wir von Anfang an auf der Arbeit viel Zeit miteinander verbrachten, dachte ich mir nichts dabei. Wieso auch? Ich hatte mir zu diesem Zeitpunkt schließlich schon jahrelang – vermutlich zum Selbstschutz – eingeredet, dass sich sowieso niemand für mich interessiert. Schon gar nicht das andere Geschlecht. Dass ich nie wirklich das Haus verließ und zudem noch in einem vergleichsweise hohen Alter im Kinderzimmer des Elternhauses saß, war der Sache ebenfalls nicht wirklich dienlich. Insofern nahm ich sie einfach nur als nette, gleichaltrige Kollegin war – die zudem, wie ich, Katzen liebte. Entsprechend dachte ich mir nichts weiter dabei, als sie vorschlug doch mal ins Kino zu gehen. Also nicht alleine, sondern zusammen mit ihrer Freundin und deren Partner. Ich nahm das Angebot dankend an. Neu in einer fremden Stadt und mir durchaus bewusst, dass ich mehr raus musste, ignorierte ich meine inneren Widerstände entsprechend. Ich setzte sogar noch einen drauf und schlug vor, dass wir doch auch mal zu einem Konzert im Staatstheater gehen könnten. Sie willigte ein und wir machten einen entsprechenden Plan.

Aus dem Kinobesuch mit ihrer Freundin wurde am Ende nichts. Unser erstes, privates Treffen war stattdessen besagtes Konzert. Nur sie und ich. Als romantische Verabredung verstand ich den Abend nicht. In meinen Augen war es einfach nur ein netter Ausflug mit Kollegen oder maximal Freunden. Ja, meine Naivität kannte keine Grenzen. Und dann ging ich auch noch in der Vorhalle einfach an ihr vorbei! In ihrem hübschen, dunkelvioletten Kleid war sie mir gar nicht aufgefallen. Übrigens war das Kleid etwas, was ich ihr versprechen musste niemals ihrer Mutter zu erzählen. Gebt ihr also auf keinen Fall diesen Text zum Lesen! Nach dem Konzert brachte ich sie mit meinem Auto nach Hause und nichts weiter passierte. Wie gesagt: Für mich war es einfach nur ein netter Abend und mehr nicht.

Ein paar Wochen später, am darauffolgenden Ostersonntag, geschah jedoch etwas, was mich bis heute selbst überrascht. Gläubigere Menschen würden jetzt sicherlich irgendwas faseln von “Die Auferstehung Jesu brachte mir die Erleuchtung!” oder so einen Blödsinn. Fakt ist: Irgendwas in mir gab mir endlich den notwendigen Tritt in den Hintern und setzte eine Maschinerie in Gang, deren Räder sich bislang noch nie gedreht hatten. Entsprechend heftig traf es mich ohne, dass ich es wirklich realisierte.

Doch wir müssen einen Schritt zurückgehen: Es war also Ostersonntag. Ich war Zuhause bei meinen Eltern. Die buckelige und nicht so buckelige Verwandtschaft war wie jedes Jahr zu Besuch. Das Mittagessen war verspeist worden und ich hatte mich in mein altes Zimmer zurückgezogen, um meine sozialen Batterien wieder aufzuladen. Dann bekam ich plötzlich eine MMS. Das an sich war schon ungewöhnlich. Ich bekam zu dem Zeitpunkt nie Nachrichten. Meine wenigen Freunde kommunizierten anderweitig mit mir. Von wem kam sie also dann? Nun, von ihr. Wegen dem Konzert hatte ich ihr meine private Handynummer gegeben. Jetzt hatte sie mir darüber einen Ostergruß geschickt. Ein Foto mit einer Blume, einem selbstgezeichneten Osterhasen und – ganz wichtig – der kleinen Katzenfigur, die ich ihr warum auch immer geschenkt hatte. Vermutlich wusste mein Inneres schon länger Bescheid und tat heimlich Dinge, um mich zu leiten aber nicht gleich zu überfordern.

In diesem Moment änderte sich das jedoch schlagartig. Diese vermeintlich simple Geste von ihr triggerte mich massiv. Ich erinnere mich noch, dass ich anfing zu zittern und sehr nervös wurde, als ich die Nachricht las. Und in einer erneut für mich äußerst untypischen Reaktion fasste ich den Entschluss direkt eine Verabredung mit ihr auszumachen. Eine kurze Internetrecherche brachte eine kleine Kunstausstellung im Prinz-Emil-Garten in Darmstadt hervor. Also rief ich sie an – erneut eine für mich außergewöhnliche Entscheidung -, aber sie ging nicht dran. Heute weiß ich, dass sie Angst hatte abzuheben. Anfangs erzählte sie mir noch, dass sie unterwegs gewesen wäre und das Handy nicht dabeigehabt hätte. Ich schrieb ihr also eine kurze SMS zurück mit dem Vorschlag am nächsten Tag zu dieser Ausstellung zu gehen. Sie willigte ein und ein kurzer Anruf von mir später (dieses Mal ging sie dran), war der Termin ausgemacht. Ich war total ekstatisch, auch wenn ich zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich verstand warum. Ich beendete darauf zügig meinen Besuch bei meinen Eltern und fuhr zurück in meine Wohnung in Büttelborn. Am nächsten Tag trafen wir uns vor ihrer Wohnung und gingen zusammen zum Park.

Meine erste Liebe (Aquarellzeichnung)

Der Park, und das ist nicht ganz unwichtig zu wissen, besteht aus einer Wiese auf einem Hang. Und oben auf dem Hügel steht ein kleines Schlösschen, in dem die Kunstausstellung sein sollte. Spoiler: Die Ausstellung haben wir am Ende nicht gefunden. Aber wir haben ehrlich gesagt nicht großartig danach gesucht. Stattdessen kamen wir oben mitten über der Wiese auf dem Hügel zum Halt. Den Blick in Richtung Stadt gerichtet. Und sie fing im Prinzip an wie auf einer Seifenkiste stehend ihr Leben vor mir und vielleicht der ganzen Welt auszubreiten. Ich weiß noch, dass mir das stellenweise etwas unangenehm und peinlich war. Obwohl es nicht der schönste oder sonnigste Tag war, waren wir mitnichten allein im Park. Speziell im Kopf geblieben ist mir mein verstohlener Blick hinter uns zu einem älteren Mann auf einer Parkbank.

Irgendwann machte sie dann doch mal eine Pause in ihrer Erzählung und wir versuchten etwas halbherzig die Ausstellung zu finden. Als das nicht gelang, gingen wir zurück zu ihr – und ich dieses Mal mit hoch in ihre Wohnung. Zu diesem Zeitpunkt war es bereits vollumfänglich um mich geschehen und ich ziemlich mit meinen Gefühlen überfordert. Wir redeten noch bis spät in die Nacht, bevor ich mich auf den Weg zurück in meine Wohnung machte.

Was die nächsten Tage folgte, war definitiv ein gutes Beispiel für die Phrase “Hals über Kopf verliebt”. Ich überschwemmte sie mit SMS und hatte gleichzeitig massive Angst irgendetwas falsch zu machen. Das wir uns weiter jeden Tag auf der Arbeit sahen und dort professionell sein mussten, half nicht gerade die Situation zu stabilisieren. Dass ich verliebt war, war mir aber immer noch nicht so richtig bewusst.

Wir hatten uns für Freitagabend zum Essen verabredet und ich war guter Dinge. Inspiriert von ihr, schrieb ich sogar endlich eine alte Kurzgeschichte zu Ende. Doch Freitag morgens hatte ich plötzlich eine Mail von ihr im Postfach. Es wäre ihr alles zu viel und sie wäre überfordert, stand darin. Ich sage euch, es waren quälend lange Stunden an diesem Tag auf der Arbeit. Wir saßen keine drei Meter von einander entfernt und doch fühlte es sich an als ob ein Ozean zwischen uns lag, weil ich nicht mit ihr darüber reden konnte. Und dann machten die beiden anderen Arbeitskollegen im Zimmer auch noch an diesem Tag länger! Ich war echt ein emotionales Wrack am Ende. Doch am späten Nachmittag (~17 Uhr) war es endlich soweit: Wir waren allein und ich konnte die Mail ansprechen.

Ich weiß nicht mehr, was ich gesagt habe. Aber es waren scheinbar die richtigen Worte und die korrekte Geste. Die Verabredung am Abend (18 Uhr…) blieb bestehen, wir redeten anschließend noch bis 3 Uhr in ihrer Wohnung und, weil ich meine eigene Fahrtüchtigkeit aufgrund meiner Müdigkeit in Frage stellte, übernachtete ich auch zum 1. Mal bei ihr.

Und der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte.

Die Geschichte meiner ersten und bislang einzigen Liebe.

Eine Erinnerung, an die ich mich gerne zurückerinnere.

(handschriftlich verfasst im Rahmen des Bildungsurlaubs Autobiografisches Gestalten und Schreiben)

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