“Wad?! Schon wieder Bildungsurlaub? Arbeitet der Kerl auch mal was?! Kein Wunder, dass es mit Deutschland bergab geht, wenn hier keiner mehr was schafft!
*seufz* Ja, ich war vorletzte Woche auf meinem Bildungsurlaub für 2025. Man “muss” es ja nicht immer bis zum Schluss hinauszögern. Außerdem hat das den Vorteil, dass ich noch Zeit gehabt hätte mir was Neues zu suchen, wenn er abgesagt worden wäre. Aber er fand nicht nur statt – er war auch komplett ausgebucht (10 Personen).
Ach und Lysanda war ebenfalls auf Bildungsurlaub. Während ich mich der Entspannungsmethode “Eutonie” hingegeben habe, hatte sie sich einen Crashkurs zum Thema “3D-Drucker” gegönnt. Wir haben zwar (noch) keinen, interessieren tut sie das jedoch schon länger. Und dafür sind Bildungsurlaube ja da. Nämlich, um auch mal was Neues kennen zu lernen. Eutonie kannte ich ebenfalls vorher nicht.
Wos des?!
Eutonie ist griechisch und heißt “Gutspannung” bzw. “Wohlspannung”. Erfunden hat sie Gerda Alexander, die im Gegensatz zu anderen Pädagogen ihren Namen nicht hergeben wollte. Deswegen hat sie sich was Neues für diese “pädagogisch-physiotherapeutische Entspannungsmethode”, wie es Wikipedia bezeichnet, ausgedacht. Unsere Dozentin, Birgit Léona Krengel, beschrieb uns hingegen am Anfang Eutonie scherzhaft als “Feldenkrais für Frauen”.
Wir alle kennen sicherlich die BLACKROLL und ihre unzähligen Nachahmer, die dank gutem Marketing vor mittlerweile so einigen Jahren Faszientraining nach Moshé Feldenkrais total “in” werden ließ. Ist schließlich an sich nichts Neues (in den 50igern hat er sie erfunden). Mittlerweile sind die total harten Faszienrollen aber wohl schon wieder out. Weil die nämlich gerne sehr starke Schmerzen verursachen und man sich entsprechend z.B. während man mit der Seite auf der Rolle liegt mit dem Arm abstützt. Dann wird zwar die Seitenfaszie bearbeitet, gleichzeitig holt man sich jedoch die Verspannung in den Arm/die Schulter. Ist also in dem Sinne eine Milchmädchenrechnung.
Und ja: Moshé Feldenkrais (1904 geboren) und Gerda Alexander (1908 geboren) lernten sich im späteren Leben kennen. Aber klingt nicht so, als hätte der eine dem andren was abgeschaut. Beide Methoden sind wohl ziemlich unabhängig voneinander entstanden.
Sicarius! WOS ISSES?!
Ganz ehrlich: Ich tu mir immer noch schwer Eutonie so richtig zu beschreiben. Im Bildungsurlaub selbst hat die Dozentin zwar hier und da einiges erzählt, aber es ging tatsächlich mehr um die praktische Umsetzung und das Erleben am eigenen Körper. Während ich das hier schreibe habe ich zwar die Notizzettel vor mir und haufenweise Google-Ergebnis, doch daraus werde ich nur bedingt schlau. Erwartet entsprechend keine detaillierte Beschreibung der Methode. Es ist nur ein Versuch es irgendwie aufs Papier zu bringen .
Der Hauptfokus der Eutonie liegt auf jeden Fall bei der Körperwahrnehmung, denn wenn wir uns wahrnehmen, stärkt das das Selbstbewusstsein. Und dieses Selbstbewusstsein hilft dabei wieder mehr in Kontakt mit sich selbst zu treten und gleichzeitig auch seine Umwelt besser zu erfassen bzw. kontrollierter auf sie zu reagieren. Stressreduktion und Aufmerksamkeitstraining (“Präsent sein”) steht quasi im Vordergrund. Dabei geht es jedoch nicht darum dem eigenen Körper etwas aufzwingen (z.B. aktiv den Schmerz in der Schulter zu bekämpfen), sondern zu lernen die eigene Körperspannung zu regulieren. Der Fachbegriff ist “Tonus-Regulierung” (Tonus = Spannung). Der Schmerz wird quasi nebenbei mit behandelt.
Ein weiterer Punkt dieser Körperwahrnehmung ist es zu realisieren, wie alles in uns zusammenhängt. Sehr vereinfacht ausgedrückt: Wenn ich mit dem kleinen, rechten Zeh wackele, wackelt dann wirklich nur der kleine Zeh, oder zuckt nicht auch mein linker Mundwinkel mit? Das Ziel ist es daraus mehr oder weniger unbewusst für jede Situation angemessene Bewegungsabläufe zu entwickeln, um mit minimalstem Ressourceneinsatz den optimalsten Effekt zu erzielen.
Die Prinzipien
Um diese Ziele zu erreichen, nutzt die Eutonie die folgenden Grundprinzipien:
- Berührung: Unsere Haut ist unser Kontakt nach innen und hinaus in die weite Welt. Sie erlaubt es uns Grenzen zu erleben, vermittelt uns Tiefe, Struktur und Form und lässt uns eine Vielzahl von Empfindungen spüren. Sie ist quasi der Türöffner der Eutonie, der es uns überhaupt erst erlaubt in den Austausch mit unserem Körper und unserer Umwelt zu treten.
- Kontakt: Haut alleine macht noch nichts. Erst der Kontakt von etwas mit der Haut löst eine Verbindung und/oder Begegnung aus. Entsprechend gilt es in der Eutonie in Kontakt zu treten – allerdings vordergründig nicht mit anderen. Es geht ja erst einmal um uns selbst. Stattdessen wird ein sogenanntes “Material” (z.B. ein Kirschkernkissen – aber kein Igelball! Der ist zu intensiv.) genutzt, mit dem man übt seine eigene Wahrnehmung zu schulen. Wie fühlt sich der Kontakt an? Was macht er mit mir? Was macht er mit meinem Körper?
- Transport: In Bewegung kommen und dabei spüren, wie die Maschine Mensch funktioniert. Die Kraftübertragungen wahrnehmen, die in unserem Körper z.B. zur automatischen Stabilisierung stattfinden.
- Knochenbewusstsein: Unsere Haut, unsere Organe, unsere Muskeln – derer sind wir uns sicherlich ganz gut bewusst. Aber, dass da drunter auch noch ein Skelett liegt? Ein Haufen Knochen, der unser Dasein überhaupt erst ermöglicht? Knochen, ohne die wir nur ein zusammengesackter Haufen Fleisch sind? Eben. Deswegen lehrt die Eutonie sich seinem Skelett und seinen Bestandteilen bewusst zu werden und so die eigenen Handlungsspielräume zu erweitern.
All das kombiniert ergibt, dass man seine eigene Kraft spürt und seine derzeitige physische wie psychische Verfassung wahrnimmt. Mit dem Ergebnis, dass man in den Einklang mit den Möglichkeiten kommt, die auf Basis dieser Statusaufnahme möglich sind. Wenn ich halt heute total müde und erschöpft bin, geht das mit dem Marathon quasi nicht und das kann ich akzeptieren. Und sobald ich es akzeptiert habe, also meine eigenen Grenzen kenne, dann kann ich daran arbeiten sie zu erweitern. Indem ich gleichzeitig pfleglich mit meinem Körper umgehe, lösen sich fast schon automatisch Verspannungen, Blockaden und andere Sachen, die meine Beweglichkeit einschränken. Mein Alltag wird also leichter und harmonischer.
Umsetzung in der Praxis
Wir haben im Laufe der Woche einen Ganzkörper-Eutonie-Crashkurs gemacht. Quasi von den Füßen bis zum Kopf hochgearbeitet. Los ging es immer mit einer ausgiebigen Runde Räkeln. War am Anfang schon sehr ungewohnt. Wer räkelt sich schließlich schon im Alltag so ausgiebig und frei – und dann noch vor anderen Leuten. Die Dozentin war jedoch von meiner Räkelei beeindruckt. Fragte sogar, ob ich eine Ballettausbildung hätte. Ich, das sesselpupsende Dorfkind…
Und dann ging es an die Körperwahrnehmung. Zuerst logischerweise den Status quo. Es gibt nämlich bei der Eutonie in dem Sinne kein richtig oder falsch – einfach nur ein “vorher” und “nachher”. Das wurde gemacht, indem wir einfach nur in uns hinein gespürt haben. Aber auch kleine Bewegungen, um z.B. unsere Limits zu erkunden waren mit dabei.
Danach haben wir meist ein oder mehrere Materialen bekommen und damit erst einmal die jeweiligen Stellen gespürt (=Berührung & Kontakt). Beispielsweise mit einem Kirschkernkissen bewusst und mit verschiedenen Druckstärken drüber über/unter das Knie gerubbelt oder mit einem Stück Bambus ein wenig geklopft, um die Knochen am Becken zu erkunden. Wie gesagt: Es geht sowohl darum das Material zu erfahren (später sogar über es hinaus zu spüren), als auch den Teil des Körpers, das es berührt.
Anschließend gab es ein wenig freie Bewegung – und zwar meist mit dem jeweiligen Knochen (=Knochenbewusstsein), der gerade bearbeitet worden war. Beispielsweise sollte der Fersenknochen entscheiden, ob der Fuß sich jetzt nach links oder rechts bewegt und nicht der Fuß an sich. Klingt niedergeschrieben irgendwie total dämlich. Aber in der Praxis ist das tatsächlich ein spürbarer Unterschied. Und euer restliche Körper folgt dieser Bewegung dann einfach (=Transport). Ihr erlebt also was mit allem so verbunden ist. Geht ihr mit dem Fersenknochen in die Luft, hebt sich das Bein. Geht ihr dann nach links, geht das Becken mit und führt ihr ihn noch weiter, dreht ihr euch auf die Seite. Diese Bewegungen sollen dabei absichtslos und frei von zwang sein.
Sah entsprechend sicherlich sehr komisch aus, wie wir da wahllos unsere Extremitäten und so überall hinbewegt haben. Aber so habe ich meinen Körper definitiv noch nicht erlebt und wahrgenommen. Beim Nachspüren am Ende, war dann tatsächlich ein fühlbarer Unterschied. Meist fühlte sich die noch nicht bearbeitete Körperseite für mich “klobiger” an, als die andere. Um jedoch keine falschen Vorstellungen zu erzeugen, von wegen “Feldenkrais für Frauen” – auch Eutonie kann, darf und soll bis zu einem gewissen Maße schmerzhaft sein. Nach dem großflächigen Spüren haben wir das Material nämlich an genau den Punkt gelegt, der ihn gerade braucht. Und das ist häufig der Punkt, an dem es am unangenehmsten ist .
Fazit
Ganz ehrlich: Ich war schon Mittwochnachmittag fix und alle. Und das lag nur zum Teil daran, dass ich bei meinem Arbeitgeber geparkt hatte (die VHS liegt in der Innenstadt, mein AG am Eingang) und entsprechend jeden Tag 2,5km im Schnellschritt hin und zurück gelaufen bin. Auch die Eutonie ist überraschend anstrengend – sowohl körperlich als auch mental. Leider habe ich dadurch speziell vom Donnerstag nicht allzu viel mitbekommen. Ich habe die Übungen selbstverständlich mitgemacht und so, wirklich geistig anwesend war ich jedoch nicht und ein bisschen geschlafen habe ich ebenfalls, wenn es in der Rückenlage ging.
Dafür kann die Dozentin aber logischerweise nichts. Gut fand ich, dass wir am Ende jedes Körperteils auch eine bürotaugliche Übung gezeigt bekommen haben. Also wie man am Schreibtisch sitzend eine Kleinigkeit machen kann. Das ist ja schließlich immer der springende Punkt: Wie setze ich so einen Kurs in die Praxis um? Beim Nachlesen in den Unterlagen für den Eintrag kommt mir das zwar irgendwie trotz der Grundaussage “es gibt eigentlich keine Regeln oder Vorgaben, sondern nur die eigene Wahrnehmung” ziemlich kompliziert vor. Aber das liegt definitiv nur an mir.
Insofern bleibt mir als Fazit für meinen Bildungsurlaub “In Balance bleiben durch Eutonie” erstmal nur festzuhalten, dass es ein interessantes Erlebnis war. Man könnte zwar sagen, dass man das ein oder andere auch von anderen Methoden her kennt (=Feldenkrais). In dieser doch irgendwie sehr angenehmen Form habe ich Achtsamkeits- und Stressreduktionstraining in Kombinationen mit Bewegung und Entspannung allerdings noch nicht gemacht.