Introversion

Diskussion

Heute will ich mich mal wieder etwas länger einem interessanten Thema widmen. Ich möchte euch heute anhand des Beispiels von Introversion Software zeigen, dass es dort draußen auch noch Entwickler mit einer Seele gibt. Auch bekannt als Independent Developers.

Erst einmal etwas Statistik: Introversion Software besteht mittlerweile aus 10 Mann (bzw. 9 Mann und eine Frau), das dritte Spiel kommt am Freitag in den Handel und das Erstlingswerk war die Hackersimulation Uplink released 2001. Die ursprünglichen Gründer der Firma sind Chris Delay, Mark Morris und Thomas Arundel. Getroffen hatten sie sich zum allerersten Mal am College Oktober 1997. Delay hatte Uplink schon vor 1997 angefangen aber das Spiel wurde erst am Ende des Studiums fertig. Ab 1997 hatten die zwei Kollegen auch kräftig mitgeholfen. Gegründet wurde Introversion Software aber erst nachdem die Jungs festgestellt hatten, wie gut das Spiel war.

Was macht dieses "Studio" nun so besonders? Die Entwickler selbst bezeichnen sich als "Bedroomdevelopers" und dementsprechend hat die Firma auch keinen richtigen Firmensitz. Darwinia hat Delay auf jeden Fall nur in seinem Schlafzimmer entwickelt. Das macht Sie jetzt nicht wirklich zu irgendetwas besonderem, da ja eigentlich jeder in der Freeware-, Shareware- und natürlich Modentwickler Zuhause sitzt und sein Ding durchzieht. Introversion hat allerdings geschafft, was heutzutage nur noch sehr sehr wenig möglich ist: ohne Publisher überlebt und gute Spiele produziert.

Auch der neue Titel DEFCON wird wieder von den Jungs selbst vertrieben allerdings mittlerweile zusätzlich mit Steam. Aber trotzdem werden von Will Morris noch viele Pakete per Hand verpackt und zu den Kunden in aller Welt verschickt (Schätzungen im Forum gehen von rund 2000 Vorbestellungen bislang aus). Man könnte quasi sagen Introversion Software ist ein Tante Emma-Laden umgeben von Discountern. Und wie es mit einem Tante Emma-Laden so ist, geht man zwar nicht für seinen Haupteinkauf dort hin aber man ist immer mal wieder froh, dass man einen in seiner Nähe hat. Genauso ist es mit Introversion. Die Konkurrenz ist natürlich riesig und Introversion kann natürlich nicht, wie EA jedes Jahr dutzende Titel veröffentlichen. Sie haben auch nicht die finanzielle Sicherheit wenn kein Publisher im Rücken steht. Aber wie sagte Delay in einem Interview mit The Escapist: "We didn't take any money from publishers because we didn't want any publishers fucking up our game."

Diese Freiheit hat aber auch seinen Preis. Während der Entwicklung von Darwinia ging ihnen z.B. das Geld aus und sie mussten ein Jahr komplett auf Pump leben, keine schöne Vorstellung. Und als Darwinia released wurde, ging es auch nicht gleich aufwärts. Zwar gab es von den ausländischen Magazinen durch die Bank Höchstwertungen, dennoch verlief der Verkauf nur schleppend (ich bin nicht schuld, ich hatte meine Kopie schon am Releasetag  ). Zwar hatte Introversion schon durch Uplink (kassierte 80-85%-Wertungen) eine größere Fanbase erlangt aber es reichte nicht. Introversion machte das Spiel sogar benutzerfreundlicher mit dem Patch auf 1.3, in der Hoffnung das es nun aufwärts geht aber es half nicht viel. Erst als Introversion beim Independent Games Festival für fünf Kategorien nominiert wurde (und 3 Preise, darunter den Hauptpreis mit nach Hause nahm) und dann ab 15.12.2005 Darwinia zum ersten Mal das Licht der Welt auf Steam erblickte, ging es aufwärts.

Vor allem Steam war die Chance für die Entwickler (und ist es auch für viele andere) endlich ein großes Publikum für ihre Spiele zu erreichen. Soviel man auch über Steam meckern mag, für Independent Developers ist es die beste und kostengünstigste Möglichkeit ohne einen Publisher im Nacken ein Spiel zu vertreiben und in großen Zahlen an den Mann zu bringen. Aber Steam anonymisiert meiner Meinung nach, die Entwickler ein Stückchen. Introversion ist nämlich noch wesentlich mehr als nur ihr Spiel. Dadurch, dass sie so klein sind, sind sie auch viel viel näher an der Community und kümmern sich wirklich ausgiebig um sie und ihre Spiele. Für Uplink bezahlen Sie z.B. extra einen Programmierer aus der Szene, der immer noch fleißig Patches entwickelt (der aktuellste kam am vergangenen Sonntag) und neue Funktionen integriert. Aber auch der sonstige Service ist mehr als nur vorbildlich. Man muss z.B. nur mal im Online-Shop (Update: 27.07.2018: Der Shop existiert nicht mehr) die AGB's durchlesen:

Returns and Refunds

If your Uplink CD is defective you can send it back to us and we will be happy to send you a replacement. We will also offer you a refund instead if you wish. If you are not happy with your Uplink CD in any way then send it back to us and we will be happy to give you a refund.

Welcher Shop bietet schon so etwas an? Außerdem kostet der Versand nach Deutschland nur 4,20 Euro. Wer im britischen eBay schon einmal was gekauft hat, weiß was die teilweise für überzogene Versandkosten verlangen. Aber natürlich ist das, was Introversion am MEISTEN sympathisch macht, natürlich die Spiele. Alle drei Spiele sind grundverschiedenen, sowohl vom Gameplay als auch vom Aussehen her und trotzdem sind sie klasse.

Während Uplink als wirklich realistische Hacker-Simulation (erschreckend Realistisch teilweise) mit eher langweiliger Grafik aber dafür einem quasi unendlichen Spielerlebnis aufwarten kann, bietet Darwinia ein eher anderes Echtzeitstrategieerlebnis und ist ein grafisches Retro-Feuerwerk sonders gleichen. Der neue Titel, DEFCON, geht hingegen wieder komplett andere Wege. Schon allein der Untertitel "Everybody Dies" verrät schon einiges. Das Spiel ist zwar hauptsächlich auf Multiplayer ausgelegt, bietet aber auch ein umfassendes Einzelspielererlebnis. Thema des Spiels ist im Prinzip der ultimative Atomkrieg und Ziel ist es so wenig Verluste durch die Angriffe zu erhalten und soviel Schaden zu verursachen wie möglich. Das ist natürlich nur oberflächlich aber es ist definitiv ein interessantes Spiel und ich bin mir sicher, dass es mir, wie auch schon Uplink und Darwinia, sehr lange Freude bereiten wird, auch durch seine Ungewöhnlichkeit. Es hat auch schon in zahlreichen Reviews Höchstwertungen kassiert.

Also was macht Introversion den nun so sympathisch? Es sind zum einen die etwas anderen und wirklich gelungenen Spiele, dann der herausragende Service, die Hingabe und Nähe zur Community und natürlich auch das "zeigen wir es mal den ganz Großen"-Feeling, dass einem die Unterstützung eines solch kleinen Entwicklers gibt. Weswegen ich es auch empfehle, wenn ihr jetzt auf den Geschmack gekommen seid, euch die Spiele DIREKT bei Introversion zu kaufen. Es ist ein paar Euro teurer als über Steam aber man erhält ja auch eine Verpackung mit CD und Handbuch!

Außerdem erfüllt es mich als Hardcore-Gamer mit wesentlich mehr Stolz Spiele solcher Firmen anzupreisen als das neuste NHL (NHL 07 ist übrigens Müll - NUR kaufen wenn ihr die 06er nicht habt!). Bei Rondrer hatte ich wieder einmal Glück in der Beziehung: Er hat sich gestern Uplink gekauft und DEFCON vorbestellt. Guter Junge! [CH]

(Veröffentlicht am 26.09.2006)