Unarten der Spieleentwicklung

 

Diskussion

Die ersten paar Unarten lassen sich unter dem Begriff "Schwierigkeitsgrad" eigentlich ganz gut zusammenfassen.

Zum einen ist es heutzutage scheinbar ein Trend, eine völlige Lusche als Endgegner hinzustellen. Da wird im Level davor meist alles vom Spieler abverlangt und jeder Zentimeter Fortschritt wird mit literweise Blut und Schweiß erkämpft und dann gelangt man endlich ans Ziel und der Typ/das Vieh/wasauchimmer fällt schon beim leichtesten Windhauch um. Aber darüber hatte ich mich ja auch bereits bei Dark Messiah of Might & Magic kurz ausgelassen.

Zum anderen gibt viele Versuche vom alten wählen des Schwierigkeitsgrades zu Beginn des Spiels wegzukommen. Dabei gehen die Spiele relativ unterschiedliche Wege aber alle haben den gleichen Hintergedanken: der Schwierigkeitsgrad soll sich automatisch an den Spieler anpassen oder es wird dem Spieler sogar on-the-fly die Möglichkeit gegeben seiner Faulheit, eine Stelle durch Können zu überwinden, nachzugeben.

Der Grund dafür ist ganz einfach, dass die Entwickler den Frust für den Spieler so gering wie möglich halten wollen, denn ein frustrierter Spieler legt das Spiel weg und fasst es möglicherweise sogar nie wieder an. Außerdem wird dabei auch noch Geld gespart, da man weniger für das Balanceing ausgeben muss. Dies ist natürlich übertrieben gesprochen, denn natürlich müssen die Gegner vor Release doch angepasst und min/max-Werte festgelegt werden aber man muss nicht mehr ganz so genau drauf achten sondern verlässt sich mehr darauf, dass es der Algorithmus schon richten wird.

Was ist nun die Folge davon? Dies ist von Genre zu Genre unterschiedlich, wobei es momentan sowieso hauptsächlich nur die Shooter und die Rollenspiele betrifft. In anderen Bereichen hat sich die Sache zum Glück noch nicht herumgesprochen.

Bei den Rollenspielen hat es The Elder Scrolls IV: Oblivion vorgemacht. Zum Glück hat es bislang selbst Silverfall nicht vollständig nachgemacht. Während in Oblivion nämlich ALLE Monster sich dem Spielerlevel anpassen, haben die Monster in Silverfall Gebietsbegrenzungen. So wird ein Skelett aus der Startregion nie den 11. Level erreichen, egal wie stark der Spieler ist.

Trotzdem ist es nicht wünschenswert, dass noch mehr Hersteller auf diesen Zug aufspringen, da diese Methode das Gefühl, dass man wirklich einen Helden spielt der immer stärker wird, völlig ausblendet. Es ist doch gerade die Genugtuung endlich den übermächtigen Troll zu schaffen, der einen die ganze Zeit vorher mit einem Fingerschnippen ins Jenseits befördert hat. Außerdem verliert sich der "Sense of Danger", da man überall hinlaufen und sich sicher sein kann: auch hier sind die Gegner mein Level und schaffbar. Es mag langsam nerven es zu hören aber auch hier hat die Gothic-Serie einfach gezeigt was Sache ist. Wie lange habe ich mir als poppeliger Low-Level-Held in Gothic 2: Die Nacht des Raben die Zähne ausgebissen bis ich den Ork in der Höhle vor der Stadt (mit dem Teleporter zum Wirtshaus) erledigt hatte. Die Freude als er endlich mit der Schnauze im Dreck lag war riesengroß und absolut unvergleichlich. Dieses "Ha, du Arsch!"-Gefühl kann das Mitlevel-System einfach nicht produzieren.

Es gäbe noch mehr Gründe, warum das Oblivion-System absolut nicht geeignet ist für ein Rollenspiel aber zusammengefasst liegt es einfach grundlegend daran, dass die Charakteridentifikation massiv leidet. Man fragt sich ständig warum man sich eigentlich hinlegt und schläft um ein Level aufzusteigen. Es macht doch eh keinen Unterschied außer, dass die Monster in der gesamten Welt mal wieder ausgetauscht werden. Und auf hohen Level (ab 20) passiert nicht einmal das mehr. Da bekommen die bestehenden Monster einfach bessere Werte und neue Zauber verpasst - zusammen mit dem Loot.

Widmen wir uns jetzt noch (sind ja schon fast auf Seite 3) den Ego-Shootern. Dort wurde bislang noch nicht viel Werbung mit "die Gegner passen sich dem Spieler an" gemacht aber nicht nur Titel wie Prey oder Sin Episodes: Emergence haben dieses System bereits mehr oder weniger erfolgreich implementiert.

Während es bei Prey eher dadurch auffällt, dass man immer Munition für die Waffe findet, die man am meisten braucht, hebt Sin Episodes: Emergence das Ganze auf ein völlig neues Level indem es einen Highscore-Spielmodus namens "Arena" mit einem Patch nachgereicht hat und generell das ganze System hervorragend funktioniert darin. Bevor ich aber auf diesen näher eingehe, will ich erst einmal die automatische Anpassung näher betrachten.

Auf Basis der Daten, die der Spieler selbst liefert - also Schussgenauigkeit, durchschnittliche Lebensenergie etc. pp. - wird in einem Shooter der Gegner entweder schwerer oder leichter gemacht. Man bestimmt also zu Beginn des Spiels eigentlich nur noch den Level mit dem das Spiel beginnen soll (damit es einen Ausgangswert hat) und ab dann reguliert es sich, je länger der Spieler damit verbringt selbst.

Der offensichtlichste Vorteil dabei ist die Möglichkeit des Spielers seinen Skill linear zu verbessern. Wenn das System optimal abgestimmt ist, bekommt der Spieler immer leicht schwerere Gegner vorgesetzt, die ihn zwar fordern aber nie frustrieren. Da sich im Hintergrund das System aber immer dem Spieler anpasst und dementsprechend auch den Schwierigkeitsgrad nach obenhin reguliert, ergibt sich hier eine hervorragende Lernkurve. Außerdem gehören lasche Endgegner theoretische der Vergangenheit an, da das System bis dahin so viele Daten gesammelt hat, dass es den Endgegner eigentlich optimal an den Spieler anpassen kann. Dies bedeutet zwar auch, wie bei den Rollenspielen, dass es nicht den unmenschlich schweren Gegner gibt bei dessen Bezwingung man jubelnd auf die Straße rennt aber bei den Shootern sind die zu leichten Gegner eher das Problem als Gegner, an denen man sich die Zähne ausbeißt. Außerdem ist das System ja noch oben offen. Also wenn man wirklich der Pro ist und alles, was nicht auf drei auf den Bäumen ist, mit einem Headshot wegpustet, passt sich das System auch entsprechend an, damit auch dieser Spieler noch eine Challenge haben wird, denn der Schwierigkeitsgrad liegt ja, wenn der Spieler gut ist, immer noch über dem aktuellen Können um Potential für Verbesserung zu gewährleisten.

Es kommt aber natürlich auf die Algorithmen an, wo wir auch wieder beim "Arena"-Modus wären. Hier ist das Ziel solange zu überleben wie möglich (wie der Name auch andeutet). Zu Beginn wählt man wieder den Grundschwierigkeitsgrad und wird dann in die Karte entlassen. Dort reguliert sich dann der Schwierigkeitsgrad der Gegner zwar auch nach dem Skill des Spielers, steigt aber logischerweise schneller an (wie schnell genau lässt sich vorher festlegen) und fällt nicht unter den Grundschwierigkeitsgrad (sonst wäre die Highscore ja verfälscht wenn einer auf "Hart" zockt und am Ende eigentlich nur noch "Leicht" hatte). Die perfekte Trainingsumgebung um festzustellen wie gut man wirklich ist und um sich langsam zu verbessern ohne, dass man auf die Server geht und von den R0XX0rn von der Platte gepustet wird - da ist der Lerneffekt nämlich < = 0.

Im Ego-Shooterbereich bin ich, wie man sieht, also schon für diese automatische Anpassung und freue mich auch darauf mehr Spiele damit zu spielen. In Rollenspielen sollte dies allerdings ein absolutes Tabu sein. Hier ist es für die Heldenidentifikation essentiell, dass man zu leichte und zu schwere Gegner hat und so ein Gefühl des Vorankommens entsteht.[CH]

(Veröffentlicht am 04.04.2007)