Es gibt aktuell nur zwei Bands deren Wirken ich genauer beobachte und wo ich der Veröffentlichung des nächsten Albums tatsächlich sehnsüchtig entgegenfiebere. Bei allen anderen schau ich ab und zu mal so “Pflichtbewusst”-mäßig, ob es seit dem letzten Mal was Neues gab aber dann war’s das auch schon wieder. Und diese zwei Bands sind die Punkrocker von The Offspring und die Symphonic-Metal-Band Beyond the Black.
Erstere sind schon seit Jahrzehnten trotz oder gerade wegen eines eher eisigen Kennenlernens meine absolute Lieblingsband. Fetziger Punk-Rock vom allerfeinsten. Lysanda findet zwar, dass Dexter Holland zu angestrengt-gequetscht und langweilig singt. Zudem versteht sie ihn kaum. Aber was weiß die schon?! Die findet männliche Sänger eh grundsätzlich doof, diese Kunstbanausin! Die Mannheimer Truppe Beyond the Black gibt es hingegen noch nicht einmal Ansatzweise so lange aber ihre ersten drei Alben waren durchgängig absolute Megabrüller und laufen in unserem Haushalt seit ihrer Entdeckung hoch und runter.
Und da vergangenen Freitag nach neun Jahren Wartezeit endlich die 10. Platte von The Offspring in die Läden gekommen ist, ist aus meiner Sicht heute ein guter Zeitpunkt die aktuellen Alben dieser beiden Bands genauer unter die Lupe zu nehmen. Zumal es bei The Offspring seit meinem Fernstudium schon fast eine Tradition ist, dass ich eine Kritik zur ihren Werken schreibe .
Let The Bad Times Roll (The Offspring, 2021) – Neun Jahre…das ist der bislang größte Abstand zwischen zwei The Offspring-Platten. Die Gründe dafür sind vielzählig. So hat Dexter beispielsweise in der Zeit seinen Ph.D. in Molekularbiologie gemacht (jeder braucht ein Hobby), Bassist und Gründungsmitglied Greg Kriesel hat die Band verlassen und natürlich hat auch Corona den Zeitplan durcheinandergebracht. Aber angeblich war die Band in dieser Zeit immer mal wieder zusammen mit dem legendären Produzenten Bob Rock (Metallica, Mötley Crüe), uvm.) im Studio und hat am Album gefeilt. Die erste Single, Coming For You, wurde entsprechend schon Anfang 2015 veröffentlicht.
Herausgekommen sind erneut 12 Lieder aber nur mit einer Spielzeit von 33 Minuten. Also ein ähnlich kurzes Werk wie Splinter anno 2003. Und um es gleich vorwegzunehmen: Nein, es ist trotz oder gerade wegen der langen Entstehungszeit nicht das ultimative Meisterwerk geworden. Es fühlt sich tatsächlich mehr wie ein Best-Of-Album an. Das ist an sich erstmal nicht schlecht. Die Kalifornier haben in ihren 35 Jahren durchaus in Sachen Sound einiges ausprobiert und es ist entsprechend cool, dass quasi für jeden Fan auf diesem abwechslungsreichen Album etwas dabei ist. The Opioid Diaries erinnert mich beispielsweise stark an meinen absoluten Lieblingssong, Way Down The Line (1997), während We Never Have Sex Anymore auch auf dem “Mainstream-Durchbruchs-Album” Americana nicht aufgefallen wäre. So ein krasser Kontrast zwischen depressivem Text und fröhlicher Partymusik…
Es geht auch gleich richtig los mit This Is Not Utopia und Let The Bad Times Roll. Beide Tracks versprühen bis in die Poren den typischen The Offspring-Sound, rocken bis in die Knochen und sprechen einem wie es sich für Punk gehört aus der (dunklen) Seele zu den Themen Trump und Corona. Mein bisheriger Lieblingssong des Albums ist allerdings tatsächlich das wesentlich sanftere Behind Your Walls an Position Nr. 3. Leider muss ich in der zweiten Hälfte des Albums zu oft auf “weiter” drücken. Zwar sind The Offspring mittlerweile durchaus für ihre Spaßlieder bekannt aber die jeweils nur rund eine Minute langen Tracks In The Hall Of The Mountain King und Lullaby sind absolute Platzverschwendung. Die Unplugged-Variante der Ballade Gone Away (1997) hingegen ist grundsätzlich super, wäre mir als Bonus-Track jedoch lieber gewesen. Somit bleibt am Ende der halben Stunde ein äußerst fader Beigeschmack übrig.
Beim Christoph meint: Let The Bad Times Roll bekommt von mir unterm Strich tatsächlich nur . Würde das Album nur aus den ersten sieben Liedern bestehen, gäbe es mehr und diese Tracks werde ich sicherlich die nächsten Tage und Wochen wie gewohnt hoch- und runterhören. Aber selbst ohne die lange Wartezeit zu berücksichtigen, bin ich schlicht und einfach vom Rest massiv enttäuscht. Das hat für mich was von “uns fiel nichts mehr ein, also klatschen wir irgendwas drauf”. So sehr mich die “Fun”-Tracks auf Days Go By gestört haben: Sie waren nicht annähernd so schlimm wie das hier. Dabei hatten die letzten beiden Alben (Rise and Fall, Rage and Grace ist ein Meisterwerk) doch gezeigt, dass sie es selbst nach all der Zeit grundsätzlich noch draufhaben. Schade.
Hørizøns (Beyond The Black, 2020) – “Kaufhausmusik” stand auf irgendeiner unbedeutenden Metal-Seite unter der absolut vernichtenden Kritik zu diesem Album. Und auch schon als die Videos zu den Single-Auskopplungen im Vorfeld auf YouTube veröffentlicht wurden, hagelte es in den Kommentaren vernichtende Bewertungen. Von wegen “was macht dieser Kuschelrock” auf dem Kanal des Über-Mega-Hardcore-Death-Metal-Verlags Napalm Records. Zum Glück ist Musik Geschmackssache.
Ja, die Band hat seit ihrer Neuformierung (es blieb nur die Sängerin übrig) die mit Heart Of The Hurricane eingeschlagene Richtung konsequent fortgesetzt und ist mittlerweile etwas poppiger als auf ihren ersten beiden Alben. Mit der Betonung auf “etwas” und nicht allumfänglich soweit ich es beurteilen kann. Ich vermute übrigens, dass dieser Eindruck ein Stück weit auch dadurch entsteht, weil Jennifer Haben eine hellere und das Lied dominierende Stimme hat (erneut ein großer Dank an den Produzenten, der das zulässt!) im Vergleich zu mancher Konkurrenz auf dem Metal-Markt. Ich verstehe aber eh nicht, was den Fans am unverständlichen Rumgegrölle und sinnlosen, ohrenbetäubenden Geschrubbe mancher Bands gefällt. Außerdem sind die Texte auf Hørizøns gefühlt nicht so extrem depressiv und mit Tod und Verderben durchsetzt. Ja, nennt mich von mir aus ein Weichei aber ab und zu darf’s auch mal was Positiveres sein ohne gleich in schnulzige Liebesballaden umzuschwenken.
Was nicht heißt, dass es keine absoluten Headbanger mit einem gewohnt harten Schlagzeug, schnellen Gitarren und schwerem Bass gäbe. Marching On (trotz des Folk Rock/Elektronik-Einschlags) oder Coming Home kommen mir da beispielsweise in den Sinn. Auch Golden Pariahs, neben dem Duett Wounded Healer mein Lieblingstrack auf dem Album, haut richtig schön rein.
Beim Christoph meint: gibt es für das Werk und es ist erneut eine klare Hörempfehlung. Die 13 Tracks (55 Minuten) sind aus meiner Sicht wieder alle durchgängig genial geworden. Es ist das mittlerweile 4. Album von Beyond the Black und erneut ist kein einziges Lied dabei, dass ich selbst nach mehrmaligem Hören wegdrücken möchte. Diese Konstanz hat sonst noch keine mir bekannte Band geschafft. Wenn das für “echte” Metalheads unter “Kaufhausmusik” fällt, dann ist das halt so. Aber am Ende des Tages muss es mir gefallen und das tut es uneingeschränkt.