Dungeons & Dragons war 1982 schon acht Jahre auf dem Markt und hatte die Tabletop-Landschaft revolutioniert. Jeder versuchte von diesem Kuchen etwas abzubekommen. Deutschland kam erst 1984 dazu. Ja, Das Schwarze Auge ist so alt wie ich. Aber darum geht es heute nicht. Ich wollte sagen, dass die Konkurrenz zum Pen & Paper-Klassiker schon damals groß war. Plus diejenigen, die mit Tactical Studies Rules (die Firma von Gary Gygax und Don Kaye) gemeinsame Sache machten und ergänzende Bücher und Abenteuer für Dungeons & Dragons und Advanced Dungeons & Dragons (1977) veröffentlichten – oder das Produkt in andere Länder brachten.
Der Exportschlager
Während Deutschland erst 1983 dank des Fantasy Spiele Verlags in den Genuss dieses innovativen amerikanischen Meisterwerks kam, wurde der britische Markt schon früher überschwemmt. Dort lebten Ian Livingstone und Steve Jackson, zwei britische Autoren auf die Gary Gygax 1975 zufällig durch ein Nischenmagazin aufmerksam wurde. Er schickte ihnen eine Kopie und sie waren begeistert von seinem Machwerk. Kurzerhand gründeten sie einen eigenen Verlag, um Dungeons & Dragons in Großbritannien zu vermarkten. Bitte? Der Name des Verlags? Ach den kennt ihr doch eh nicht. Ist nur so irgendeine kleine, völlig unbedeutende Klitsche. Nennt sich “Spielewerkstatt” oder sowas. Auf Englisch Games Workshop. Ja, der heutige Juggernaut im Bereich der Tabletop-Spiele begann sein Leben als Zweitvermarkter. Warhammer Fantasy Battles wurde erst 1979 erfunden. So kann es gehen.
Doch auch, wenn ein Blick auf Steam einen anderen Eindruck erwecken mag: Games Workshop besteht tatsächlich nicht nur aus Warhammer und Warhammer 40.000. Ja, es dürfte heutzutage ihre Haupteinnahmequelle sein. Sie haben aber speziell in den 80igern noch sehr viele andere Kult-Produkte auf den Markt gebracht. Die Brettspiele Blood Bowl, Hero Quest und Talisman beispielsweise. Sowie eine Serie von Abenteuer-Spielbüchern unter dem Namen Fighting Fantasy – unser Thema heute.
Spaß ohne soziale Interaktion
Solo-Abenteuer waren 1982 schon fast so alt wie Dungeons & Dragons an sich. Obwohl der Urvater und seine Vertreter natürlich grundsätzlich voll und ganz auf eine Gruppe von Spielern ausgelegt waren, gab es doch den ein oder anderen, der auch die unter uns zu würdigen wussten, die keine Freunde hatten. Vermutlich gehörten die Erfinder selbst mit in diese Kategorie . Auf jeden Fall konnte man schon früh in der Geschichte von Dungeons & Dragons alleine losziehen und den namensgebenden Drachen im Kerker erlegen. Allerdings hatten diese Solo-Abenteuer damals noch einen Haken: Sie setzen immer den Besitz der Regelbücher des jeweiligen Systems voraus. Man konnte sie nicht einfach kaufen und ohne Zusatzmaterial spielen. Entsprechend groß war dann doch wieder die Einstiegshürde – vom ganzen “Total Satanisch”, “Verdirbt unsere Kinder” und “NERDS!”-Kram abgesehen. Außerdem waren sie eher linear angelegt, also weniger Rollenspiel und mehr Ein-Mann-Unterhaltung.
Es gab da allerdings noch eine andere Erfindung auf dem amerikanischen Markt. Sie erblickte bereits 1969 das Licht der Welt, fand aber erst 1974 einen ersten Abnehmer bevor dann 1979 die große Produktion begann: Choose Your Own Adventure (CYOA). Der Name sagt schon alles: Die Bücher erzählen eine Geschichte und an bestimmten Punkten dürft ihr eine Entscheidung treffen. Anschließend blättert ihr zur jeweiligen Stelle wo es weitergeht. Sehr coole Sache und definitiv mal eine andere Art und Weise ein Buch zu lesen. Selbst das Lustige Taschenbuch hatte mindestens eine Erzählung dieser Art im Laufe der Jahrzehnte. Also zumindest kann ich mich an eine erinnern, in der es um ein kaputtes Auto, eine regnerische Nacht und ein verfluchtes Schloss ging. Den dazugehörigen Titel konnte ich aber jetzt auf Anhieb nicht finden und ist an dieser Stelle auch völlig am Thema vorbei.
Fakt ist: Mit Fighting Fantasy schuf Games Workshop 1982 eine Art “Best of both Worlds”. Ein Solo-Rollenspiel im Stil eines CYOA für das ihr kein zusätzliches Regelwerk benötigt. Stattdessen war alles (inkl. eines Charakterblatts und einem Satz Würfel) im Preis enthalten. Angefangen hat es mit Der Hexenmeister vom flammenden Berg oder im englischen Original The Warlock of Firetop Mountain. Bis zum Ende anno 1995 erschienen beim britischen Verlag Puffin insgesamt 59 Titel (auf Deutsch nur 18). 2002 wurde die Serie dann kurzzeitig von Wizard Books neu belebt, die nochmal sechs Abenteuer raushauten. Seit 2017 liegen die Rechte nun bei Scholastic, die nicht nur fleißig die Originalbücher neu auflegen, sondern bereits vier neue Bücher veröffentlicht haben. Der Markt scheint also auch heute grundsätzlich noch vorhanden zu sein.
Ab ins digitale Zeitalter
Sitze ich also nun jeden Abend am Esstisch und würfele einsam vor mich hin? Nun, Lysanda ist tatsächlich nicht ganz so begeistert was Brettspiele angeht – zumindest, wenn sie nur mich als Partner hat . Aber nein, so ist es nicht. Wir sind schließlich ein moderner Haushalt. Statt am Esstisch sitze ich selbstverständlich vor dem Computer, denn einige der Werke haben es mittlerweile ins digitale Zeitalter geschafft. Okay, dass “mittlerweile” stimmt nicht ganz. Tatsächlich gab es bereits 1984-1987 unter anderem für den ZX Spectrum und den C64 ein paar Umsetzungen. Aber bevor ich mir Augenkrebs antue würde ich mir dann doch lieber die Bücher kaufen. Reden wir also stattdessen über die drei modernen Ports:
Dem Original am nächsten kommt Fighting Fantasy Classic für PC, Mac, iPhone und iPad aus dem Jahre 2018. Es gab bereits ab 2010 Umsetzungen für Smartphones (sowie einen Nintendo DS-Titel anno 2009) aber die “ultimative” Version ist die Variante mit dem Zusatz “Classic” im Namen, die nun als gemeinsame Plattform für alle bisher erschienenen Abenteuer dient. “Ultimative” in Anführungszeichen, weil die PC-Version einfach nur ein Port der Mobile-Version ist – inkl. aller Nachteile, die sich dadurch ergeben. Von der Bedienung abgesehen, sind es aber tatsächlich die Abenteuerbücher wie sie ab 1982 auf den Markt kamen aufgehübscht (sogar inkl. der Seitenzahlen als Verweise!) und mit modernen Features ausgestattet. So müsst ihr logischerweise nicht selbst mitschreiben was für Gegenstände euer Charakter trägt und es werden virtuelle Würfel geworfen. Insgesamt 11 Abenteuer stehen zum Kauf bereit, darunter die wichtigsten Klassiker wie The Warlock of Firetop Mountain, Deathtrap Dungeon oder Temple of Terror.
Am Anfang eines Abenteuers baut ihr euch einen Charakter – allerdings nicht einmal annähernd so umfangreich wie im großen Vorbild Dungeons & Dragons. Es gibt es nur drei Werte: “Können”, “Glück” und “Lebensenergie”. Je nach Situation würfelt ihr eine Runde und packt dann euren Können- oder Glückswert obendrauf. Und wenn dann euer Wert höher ist als der geforderte, dann habt ihr die Falle erfolgreich überlebt, euren Gegenüber überzeugt oder den Kampf gewonnen. Kompliziert ist anders. Ab und zu gibt es einen Levelaufstieg und ihr dürft einen von beiden Werten erhöhen. Außerdem gilt es wie in jedem guten Rollenspiel so einige Gegenstände zu finden und im richtigen Moment zu benutzen. Der Kern aller Abenteuer ist aber schlicht alle für die Geschichte relevanten Sachen zu finden, damit zum Ziel zu gelangen und den Oberbösewicht zu besiegen. Weder intellektuell noch literarisch anspruchsvoll und dank der Würfel mitunter sehr zufallsbasierend. Aber doch irgendwie ganz nett, wie ich zugeben muss. Mehrfaches Durchspielen lohnt sich allerdings nur selten, da es faktisch in den meisten Abenteuern trotz aller Entscheidungsfreiheit nur einen einzigen richtigen Weg gibt, wenn man nicht Tod im Dreck liegen möchte.
Die moderneren Umsetzungen
2016 hat Tin Man Games außerdem noch eine weitere Version von The Warlock of Firetop Mountain veröffentlicht. Die ist optisch wesentlich moderner. Weniger Text, mehr Grafik ist das Stichwort und speziell die rundenbasierten Kämpfe scheinen taktischer gestaltet zu sein und eher wie in einem klassischen CRPG abzulaufen. Gespielt habe ich es selbst aber noch nicht. Kann also derzeit noch nicht beurteilen wie gut oder schlecht es ist – im Gegensatz zur dritten digitalen Umsetzung des Basismaterials von Nomad Games. Die haben u.a. auch Talisman: Digital Edition verantwortet. Ein Spiel, in das ich bislang 45 Stunden versenkt habe. 45 Stunden in eine digitale Umsetzung eines Brettspiels! *seufz* Als würden in meiner Spielebibliothek nicht tausende bessere Titel auf mich warten…
Zuerst wurde 2017 Fighting Fantasy Legends veröffentlicht. Das enthält die Bücher City of Thieves, The Warlock of Firetop Mountain und Citadel of Chaos. 2018 folgte die Deathtrap Dungeon Trilogy mit dem aufeinander aufbauenden Dreigestirn Deathtrap Dungeon, Trial of Champions und Armies of Death. Und in diese drei habe ich bislang die meiste Zeit (acht Stunden) investiert. Bei Armies of Death sind mir im Kampf gegen den finalen Boss aber leider die Leben ausgegangen…
Ein Kerker voller Fallen
Deathtrap Dungeon – 10.000 Gold für denjenigen, der erfolgreich aus dem Labyrinth des Baron Sukumvit unter der Stadt Fang entkommt. Spoiler: Es hat bislang noch keiner geschafft so tödlich sind die Fallen, so stark die Gegner, so verwinkelt die Gänge. Ihr wählt einen von sechs Helden (die sich abseits des Bilds absolut nicht voneinander unterscheiden), verteilt ggf. eure Punkte etwas anders (gibt erneut nur Lebensenergie, Können und Glück) und dürft je nach Schwierigkeitsgrad (steuert die Anzahl an Leben) bis zu drei Boni. Darunter z.B. eine zusätzliche Würfelseite, die euch den jeweiligen Skillcheck sofort gewinnen lässt. Anschließend geht es ab ins Labyrinth in einer Ansicht von oben. Schick gestaltet aber nur begrenzt animiert und wenn doch, dann etwas sehr langatmig. Auch die Soundkulisse ist sehr spärlich und extrem vergesslich. Inhaltlich entspricht es jedoch 1:1 dem Buch (gilt ebenso für die anderen zwei Kampagnen) nur mit weniger beschreibenden Text (ihr seht es ja). Es gibt keinerlei Unterschiede. Stattdessen arbeitet ihr euch wie gewohnt rundenbasiert durch den Dungeon, versucht die Fallen zu überleben, die notwendigen Gegenstände (ein paar Edelsteine) zu finden und in den Kämpfen zu bestehen. Euer Können und euer Glück werden in Form von dreiseitigen Würfeln dargestellt. Die Anzahl bestimmt ihr bei der Charaktergenerierung. Anfangs ist nur auf einer Seite des Würfels ein Symbol. Bei jedem Levelaufstieg dürft ihr dann auf einem Würfel eine zusätzliche Seite ergänzen, was logischerweise eure Chance erhöht ein Symbol zu würfeln und so im Kampf Schaden auszuteilen oder eben den nächsten Skillcheck zu überleben. Verliert ihr doch mal all‘ eure Lebensenergie, verliert ihr ein Leben und werdet zurück an den Eingang des Labyrinths teleportiert.
Schafft ihr es den Deathtrap Dungeon zu überleben, ist Baron Sukumvit davon wenig begeistert, gibt euch euer Gold und macht sich sogleich daran eine noch fiesere und tödlichere Variante zu bauen. Euer Glück hält hingegen nicht lange an. Schon bald werdet ihr in Trial of Champions ausgeraubt und versklavt. Am Ende landet ihr beim bösen Bruder des Barons, Lord Carnuss, in Gefangenschaft. Als der Baron mit dem Umbau fertig ist und dieses Mal ein Preisgeld von 20.000 Gold ausruft, schickt euch Lord Carnuss als sein Vertreter los. Wieder hinab in den Deathtrap Dungeon. Komplett neugestaltet und um Welten tödlicher als das Original. Nicht den richtigen Gegenstand dabei? Tod! Falsche Richtung gegangen? Tod. Ich würde es ja fast als das Dark Souls der Spielebücher bezeichnen aber Dark Souls war zumindest fair und skillabhängig. Trial of Champions ist einfach nur auswendig lernen, denn selbst wenn ihr es bis zum letzten Raum schafft: Habt ihr nicht alle goldenen Ringe eingesammelt = Tod. Ein größeres “Fuck You!” hätte sich Games Workshop nicht ausdenken können.
Zum Glück geht es in Armies of Death nicht erneut hinab ins Labyrinth. Stattdessen wird das Land vom Schattendämon Agglax angegriffen. Eure Aufgabe ist es eine Armee zu sammeln und einen Weg zu finden ihn zu besiegen. Entsprechend schnell ist euer Preisgeld von 20.000 schon wieder weg . Die große Neuerung sind abseits einer fast vollständig an der Oberfläche stattfindenden Geschichte dieses Mal sogenannte “Scharmützel”. Schließlich seid nicht nur ihr in einer Armee unterwegs, sondern auch der Feind. Trefft ihr auf eine gegnerische Party, dürft ihr ebenfalls zusammen mit einem Teil eurer Truppe in den Kampf ziehen – repräsentiert durch mehr Seiten z.B. auf einem eurer Würfel. Doch Vorsicht: Selbst, wenn ihr den Feind besiegt, entscheidet ein letzter Würfelwurf darüber, ob eure Mannen überleben. Es sollte entsprechend wohl überlegt sein, ob man wirklich Unterstützung braucht oder nicht. Das grundlegende Spielprinzip bleibt aber auch in der dritten Geschichte vollkommen unverändert. Und nein, obwohl die Autoren versuchen den Eindruck zu erwecken: Ihr startet jedes Mal mit einem frischen Charakter. Ihr dürft nicht eueren hochleveligen Helden aus einem Buch ins nächste mitnehmen.
Beim Christoph meint: Von mir gibt es für Deathtrap Dungeon Trilogy mit einer Tendenz zu drei Sics. Warum auch immer mag ich die Deathtrap Dungeon-Geschichte (obwohl ich bislang das Original nicht kannte) und finde die Umsetzung von Nomad Games grundsätzlich gut gelungen. Ja, die Animationen sind teilweise etwas langatmig, die Soundkulisse so gut wie nicht vorhanden und die Grafik eher zweckmäßig. Zudem ist es nervig ständig wieder den gleichen Text lesen (der teilweise dann keinen Sinn mehr ergibt) und die gleichen Rätsel lösen zu müssen, wenn ich gestorben bin und mich erneut durch das Labyrinth arbeite. Aber letzteres kann ich Nomad Games genauso wenig anlasten wie den unfair hohen Schwierigkeitsgrad von Trial of Champions. Das ist der Vorlage geschuldet und diese wurde wie gesagt 1:1 umgesetzt. Sogar die alten Komplettlösungen können verwendet werden. Bitte? Woher ich das weiß? Ähhh… das habe ich selbstverständlich nur für diesen Eintrag recherchiert, was sonst! Ich als Hardcoregamer würde doch niemals zu einer Hilfe greifen, also bitte.
Die Geschichten selbst sind okay. Wie gesagt: Nicht das anspruchsvollste Material und die Entscheidungsfreiheit ist faktisch nur eine Illusion. Aber am Ende des Tages hatte bzw. habe (will ja Armies of Death noch beenden) ich überraschend viel Spaß mit diesen simplen CYOA-Rollenspielen. Und obwohl die Umsetzung von Nomad Games nicht perfekt ist, finde ich sie definitiv besser als die reinen Textadventure-Varianten von Tin Man Games. Da scheine ich zwar etwas allein zu sein, wenn ich mir so die Steam-Wertungen anschaue. Aber so ist das halt . Am Ende des Tages sind alle Varianten für relativ wenig Geld zu haben (vor allem im Vergleich zum gedruckten Papier) und entsprechend obliegt euch die Wahl, ob ihr eher der optische Typ oder der Leser seid also zu Fighting Fantasy Classic oder Fighting Fantasy Legends/Deathtrap Dungeon Trilogy greift. Grundsätzlich empfehlen kann ich die Spielebücher auf jeden Fall. Keine Kost, die Wochenende füllt aber für Zwischendurch eine klasse Sache.