Sicarius

Die nächste Sternenreise, Teil 6

(Cover)

Ich geb’s offen zu: Vor dem heutigen Eintrag habe ich mich etwas gedrückt. Wir haben nämlich mittlerweile schon fast die Hälfte von Staffel 7 hinter uns und sind sogar schon mitten in Staffel 2 von Star Trek: Deep Space Nine. Also hätte ich schon längst über die 6. Staffel von Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert* berichten können (und Staffel 1 von DS9). Aber bevor wir dazu kommen, sollte ich vielleicht kurz erklären, warum wir auch schon die nächste Serie parallel angefangen haben. Die Begründung ist simpel: Es gibt drei Crossover-Episoden plus ein paar (größtenteils) eher harmlose Querbezüge zwischen beiden Serien. Faktisch nichts Weltbewegendes, denn Rick Berman & Co. hatten Angst ansonsten die Zuschauer zu verschrecken. Eine Angst, die den Machern des Marvel Cinematic Universe echt gut tun würde… doch ich schweife ab.

Da ich es “richtig” machen wollte, haben wir also ab Folge 12 von Staffel 6 parallel mit den Abenteuern von Sisko & Co. angefangen. Und nicht nur das: Ich nutze dafür die absolute Hardcore-Liste vom The Star Trek Chronology Project. Hardcore ist die deshalb, weil sie nicht einfach nur die Episoden irgendwie halbwegs passend zusammenwirft, sondern tatsächlich chronologisch basierend auf der Sternzeit der jeweiligen Folge und anderen Kriterien. Sprich, auch wenn keinerlei Bezug zwischen den Folgen der einzelnen Serien existiert, werden sie trotzdem bunt durcheinandergemischt. Das machen wir jetzt aber wirklich nur für die letzten Staffeln von Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert. Eben, weil es tatsächlich ein paar Überschneidungen gibt. Star Trek: Voyager hat hingegen mit Star Trek: Deep Space Nine nicht mehr wirklich was zu tun außer ein paar Sequenzen in der Pilotfolge. Nein, Dr. Bashirs Geheimnis aus Staffel 5 zählt nicht. Das ist der echte Doktor, nicht das Hologramm von der Voyager. Entsprechend schauen wir dann einfach erst die eine Serie fertig und fangen dann die nächste an.

Zu viel Star Trek?

Warum habe ich mich also um den heutigen Eintrag gedrückt? Ist die Qualität der Serie plötzlich so massiv gesunken? Nein, das ist es nicht. Staffel 6 hat technisch gesehen weiterhin ein hohes Niveau. Die Schauspieler sind mittlerweile vollkommen mit ihren Charakteren verbunden, die Autoren haben ebenfalls ihre Routine gefunden und auch in der Präsentation brennt so gut wie nichts an. Gleichzeitig wird dem Zuschauer wieder einiges an inhaltlicher Abwechslung geboten inkl. der üblichen Gesellschaftskritik. Aber trotzdem hat es mich irgendwie nicht wirklich umgehauen. Schlimmer noch – die meisten Folgen habe ich mittlerweile schon wieder vergessen.

Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert (Promobild)

Ein Faktor dahingehend war aus meiner Sicht, dass sich die Staffel irgendwie mehr als die anderen extrem willkürlich zusammengewürfelt anfühlte. Klingt komisch bei einer Serie, wo es an sich keine große Kontinuität gibt. Aber beim Versuch möglichst jedem Charakter mindestens eine Folge zu spendieren, sind die Autoren für meinen Geschmack teilweise zu sehr über das Ziel hinausgeschossen. So ist nicht nur ein sehr buntes Potpourri an Themen entstanden, sondern in vielen Episoden kommt auch gefühlt kein richtiges Gemeinschaftsgefühl auf. Ja, natürlich erfährt der Zuschauer mehr über den jeweiligen Hauptcharakter und es gibt sogar ein paar echte Charakterentwicklungen. Aber die jeweilige Folge dreht sich halt dann nur um Picard, Data oder Worf und 1-2 Nebenpersonen – mitunter nicht einmal aus der restlichen Crew. Und das erzeugte über die gesamte Staffel hinweg eine Art Austauschbarkeit und Zusammenhanglosigkeit. Als würde ich ein Spin-off schauen statt die Abenteuer der neuen Enterprise. Klingt komisch, ich weiß.

Der zweite und vermutlich größere Faktor ist hingegen, dass ich tatsächlich der Crew rund um Captain Picard mittlerweile ein wenig müde bin. Bin mir durchaus bewusst, dass man das gar nicht sagen darf :smile: . Aber vor allem seit wir mit Star Trek: Deep Space Nine angefangen haben, wird mir mal wieder sehr bewusst, wie glattgeschliffen und langweilig viele der Abenteuer der Enterprise eigentlich sind. Erschwerend kommt noch hin, dass wir seit über einem halben Jahr fast nichts anderes schauen. Gibt vermutlich wenige Serien, die man so lange am Stück konsumiert und davon nicht einen kleinen Burnout bekommt. Insofern bin ich über den jetzigen Austausch der Blu-ray mit einer DVD im Laufwerk alle paar Folgen durchaus froh.

Die positiven Seiten

Doch ich will selbstverständlich nicht nur jammern. Obwohl mein Gesamteindruck zur Staffel vor allem aus persönlichen Gründen eher negativ ist, habe ich trotzdem ein paar absolute Highlights:

  • Besuch von der alten Enterprise – Die Geschichte rund um die Dyson-Sphäre hat so viele Logiklöcher, da würden alle Flagschiffe der Sternenflotte gleichzeitig reinpassen. Aber das Wiedersehen mit Montgomery Scott ist ungeachtet dessen was Besonderes. Keine Ahnung warum, aber die alte Crew kommt immer dann am besten zur Geltung, wenn sie sich ihrem Alter bewusst wird und damit hadert. Und Scotty hat nach 75 Jahren gefangen im Transporter definitiv mit so einigem zu hadern.
  • Eine Handvoll Datas – Auch bei dieser Folge darf man nicht zu sehr über die Situation nachdenken. Zu viel ergibt mal wieder keinen Sinn. Sowieso ist es jedes Mal wieder komisch, dass die Existenz der Holodecks irgendwie gekonnt ignoriert wird und erst ganz am Ende da mal einer vorbeischaut. Angesichts einer ansonsten sehr amüsanten Episode mit einem Brent Spiner in absoluter Höchstform, ist das aber definitiv zu verschmerzen. Viele zu viele fantastische Szenen, die einen mit einem Schmunzeln zurücklassen.
  • Geheime Mission auf Celtris III Teil 2 – Der Vergleich zu 1984 ist naheliegend. John Hurts dortige Performance ist aber nochmal auf einem ganz anderen Level als Patrick Stewarts Schlagabtausch mit David Warner. Dennoch: Die Verhörszenen sind extrem intensiv. Picards allmählicher Zusammenbruch lässt mich jedes Mal wieder mit fiebern und Gul Madred äußerst manipulative Art ist auf seine verdrehte Weise einfach nur genial.
  • Das Schiff in der Flasche – Endlich wird der Handlungsstrang aus Staffel 2 (!) abgeschlossen. Und was für ein Abschluss! Daniel Davis‘ Professor Moriarty ist ein wundervoller Charakter und das Katz- und Mausspiel so gekonnt inszeniert, dass man selbst als Zuschauer gegen Ende daran zweifelt was jetzt real ist und was nicht. Echt schade, dass es insgesamt nur zwei Folgen zum Thema gab. Das ist sowieso im Nachhinein eine Überraschung für mich: Ich hatte in Erinnerung, dass es mehr Holodeckfolgen mit Data und Picard geben würde. Aber da habe ich mich anscheinend getäuscht.

Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert (Promobild)

  • Das Gesicht des Feindes – Endlich darf Deanna mal was anderes machen als nur spüren, rumheulen oder vergewaltigt werden. Stattdessen wird sie in eine Situation geworfen, die für sie völlig neu ist und ja, sie erstmal völlig überfordert. Aber wie es sich für einen Sternenflottenoffizier gehört, wächst sie in ihre Rolle als romulanische Agentin zügig hinein und liefert eine gelungene Performance ab – sowohl für die Romulaner als auch uns für uns Zuschauer. Eine anfangs (bewusst) konfuse aber insgesamt echt spannende Folge.
  • Gefangen im temporären Fragment – Inhaltlich ist diese Episode jetzt nichts herausragendes. Was sie für mich zum Highlight macht, ist die Optik und die Performance. Die Enterprise gefangen in einem (vermeintlich) ewigen Kampf mit einem romulanischen Warbird. Unsere vier Helden, wie sie sich durch die Umgebungen voller eingefrorener Charaktere bewegen. Definitiv sehr cool inszeniert und mal was ganz anderes was Zeitreisen angeht.

Und selbstverständlich darf Willkommen im Leben nach dem Tode nicht unerwähnt bleiben. Picards Ausflug in die eigene Vergangenheit ist nicht nur nett anzusehen und verrät mehr über den Charakter, auch das Thema an sich finde ich gut umgesetzt. Die Frage “würde ich es anders machen, wenn ich könnte?” beschäftigt uns schließlich immer mal wieder. Umso überraschender ist das Ende. Dass die Folge mittlerweile unangenehme Erinnerungen an Star Trek: Nemesis weckt, ist allerdings sehr schade.

Das Staffelfinale, Angriff der Borg, fand ich hingegen nicht wirklich begeisterungswürdig. Ja, Hugh wieder zu sehen und zu erfahren, welche Folgen Ich bin Hugh auf die Borg hatte, war cool. Aber Lore ist irgendwie in der gesamten Serie ein sehr zweidimensionaler und uninteressanter Charakter und da Data von ihm manipuliert wird, fällt auch der ganze “seine ersten Emotionen”-Strang für mich ziemlich ins Wasser.

Fazit

So viel also zur 6. Staffel von Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert. Wie ich schon zur 5. Staffel geschrieben habe: Wer soweit kommt, schaut auch den Rest noch, egal was kommt :smile: . Aber obwohl ich es ungern zugebe, freue ich mich tatsächlich darauf, wenn es dann jetzt demnächst doch erstmal zu Ende ist. Nächstes mal geht es dann um die 1. Staffel von Star Trek: Deep Space Nine. Spoiler: Ich fand sie erneut besser als ihr Ruf.

PS: Bei Das fehlende Fragment musste ich selbstverständlich ständig an schwarzen Kaffee und Mopedrennen denken. Hab’ Lysanda anschließend auch gleich (sanft) mit Sinnlos im Weltraum bekannt gemacht. Sie schien tatsächlich nicht abgeneigt davon mal alle Folgen zu schauen. Ob sie ihre Worte am Ende bereut? Wir werden es irgendwann erfahren. :wink:

Ein Kommentar

Kann ich gut nachvollziehen. Ich bin gestern mit DS9 fertig geworden und muss zustimmen, dass TNG im direkten Vergleich – wie du zutreffend schreibst – häufig “glattgeschliffen” und ja, bisweilen auch “langweilig” wirkt. Wobei “langweilig” vielleicht etwas hart geurteilt ist. Ich denke TNG ist – zumindest was die Erzählweise und das Erzähltempo angeht – eher schlecht gealtert. Vielleicht sind wir aber heute auch einfach nur verdorben durch die vielen inhaltslosen, aber umso spektakulärer inszenierten 0815-Hollywood-Streifen.

DS9 ist in meinen Augen im direkten Vergleich mit TNG jedenfalls die spürbar “modernere” Serie. Vor allem durch die häufigen episodenübergreifenden Handlungsstränge, das generelle düsterere (realistischere…) “Universum” und das gefühlt höhere (weniger langatmige) Erzähltempo.

Allerdings: TNG hatte meiner Meinung nach mehr herausstechende, in Erinnerung bleibende Episoden. Im Guten, wie im Schlechten. Da hat DS9 weniger Schwankungsbreite – was man aber natürlich auch gut finden kann. Und wichtig: auch DS9 hat so einige (definitiv auch zu viele) langweilige oder einfach nur unpassend skurrile Füller-Episoden. Bei 176 Folgen ist das aber wohl unvermeidlich.

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