David gegen Goliath. Der Kleine besiegt den Großen. Es gibt keinen Vergleich der passender wäre, um Electronic Arts (EA) Übernahmeversuch von Take 2 zu beschreiben. Seit mehreren Monaten verstreicht eine Angebotsfrist nach der anderen, ohne dass Take 2 auch nur das geringste Interesse zeigt. Im Gegenteil schwellt die Brust des relativ kleinen Publishers vor Stolz mit jeder Erhöhung des Angebots weiter an. Und die Anleger bestärken den Stolzgeschwellten in seiner völlig passiven Haltung mit einem anhaltenden Höhenflug der Aktie. Die Käufer der Spiele haben jedoch von der Aktie wenig.
"Es geht im Grunde doch nur um Grand Theft Auto", meint Snake dazu und spielt damit auf die derzeit kommerziell erfolgreichste Marke von Take 2 an. "Aber ich kann mir schon denken, was nach einer Übernahme passiert: die Ausschlachtung des Namens!", ergänzt er ärgerlich. Und mit diesen Bedenken steht der erfahrene Computerspieler nicht alleine da. Millionen fürchten um die Qualität ihrer liebgewonnenen und von den Medien bejubelten Spieleserien, die bisher von Take 2 vertrieben wurden - anscheinend mit großem Erfolg.
Sie alle kennen die Politik, die der finanzstarke Publisher EA in der Vergangenheit pflegte. Sie alle wissen, zu welchem Schicksal erfolgreiche Serien wie Need for Speed oder Die Sims "verdammt" wurden. Jedes Jahr können die Spieler mit einem weiteren Titel aus der Serie rechnen, der sich jedoch meist nur minimal vom Vorgänger unterscheidet. Und wie eine unaufhaltsame und alles vernichtende Welle brechen dutzende Pakete mit kostenpflichtigen Zusatzinhalten dazu auf den Markt nieder. Für viele Spieler ein regelrechter Missbrauch eines guten Namens. Sie befürchten, dass EA auch bei Grand Theft Auto nur an das schnelle Geld denkt und dabei die Qualität der Serie auf der Strecke bleibt und so ihren hohen Ansprüchen nicht mehr gerecht wird.
Für EA bilden aber gerade die jährlichen Fortsetzungen den größten Teil des jährlichen Gewinns. Und wenn sich UEFA EURO 2008, trotz weniger Features und spielerisch nur minimalen Veränderungen zu FIFA 08, millionenfach verkauft, zeigt das nicht, dass sie alles richtig machen? Wenn die Spiele so schlecht wären, müsste die Marke doch ihren Wert verlieren und selbst der ahnungslose Nicht-Spieler mitbekommen, dass man davon die Finger lassen sollte statt sich vom FIFA-Logo irritieren zu lassen.
Geht man der Frage nach, warum sich also diese "lauwarmen Aufgüsse", wie sie von den Spielern genannt werden, trotzdem so gut verkaufen, stößt man schnell auf Widersprüche in den Reihen der informierten Spieler. "Es sind ja doch immer noch überdurchschnittlich gute Spiele", ist in den unzähligen Forumsdiskussionen sehr oft als Begründung zu lesen. "Das Szenario von Battlefield 2142 hat mich einfach mehr angesprochen. Obwohl ich wusste, dass es eigentlich nur Battlefield 2 im Schnee ist.", rechtfertigt Snake seinen Kauf.
Obwohl also von vielen Neues, Innovatives und generell einfach nur Fortschritt gefordert wird, verkaufen sich vermeintlich unpopuläre Fortsetzungen, wie FIFA 08 und andere bekannte Spielideen, besser als qualitativ hochwertigere aber unbekanntere Marken, wie z.B. Pro Evolution Soccer 2008. Und dabei ist der Markt doch in den Händen von Spielern wie Snake. Sie entscheiden mit ihrem Kauf, welche Spiele Erfolg haben und welche in der Versenkung verschwinden. Die Entwickler und Publisher bedienen diesen Markt nur entsprechend. Unterschwellig schimmert in den Argumenten der Spieler jedoch auch eine weitere Befürchtung durch.
Wie jeder mündige Bürger haben auch die Spieler Angst vor einem alles bestimmenden Monopol durch EA. Mit dem Aufkauf von Take 2 würde besonders im Bereich der Sportspiele ein starker Konkurrent von der Bildfläche verschwinden. Und das schürt zusätzlich die Angst vor einem Grand Theft Auto V, das sich nur im Setting von Grand Theft Auto IV unterscheidet statt innovative Neuerung zu bieten oder einem Madden NFL 2010, welches nur eine andere Verpackung als Madden NFL 2009 besitzt.. Warum schließlich etwas anderes machen, wenn sowieso nur das eigene Produkt auf dem Markt ist?
Noch ist EA jedoch nicht alleine und hat jüngst in Form des neuen Firmenbündnisses Activision-Blizzard einen finanzstarken und äußerst erfolgreichen Gegenspieler. Und während EA derzeit weiter an ihren jährlichen Fortsetzungen mit wenigen inhaltlichen Änderungen festhält, knabbern auch unbekannte, aber mit Mut zur Qualität und Innovation versehene Spiele wie Pro Evolution Soccer 2008 bereits stark am Marktanteil von EA.
Egal ob es also nun David schafft den Stein gegen Goliaths Kopf zu werfen oder ob Electronics Arts als Sieger hervorgehen wird - die Interessen der Spieler stehen nicht im Mittelpunkt der Verhandlungen, denn diesen Kampf führen die Analysten und Anleger. Am Ende des Tages liegt es aber an den Spielern zu entscheiden welche Firma überleben wird und welche nicht. Am Ende ist es ihr Griff ins Regal der den Ausgang bestimmt und nicht der Spekulant an der Börse. Ob nun Take 2 oder Electronic Arts auf der Packung steht, spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle.[CH]
(Veröffentlicht am 26.06.2008)