Sicarius

Zocken

(Musikalische Untermalung während des Schreibens dieses Eintrags wurde gesponsert von Loituma)

— WARNUNG! Dieser Eintrag ist, mehr noch als sonst, lang und wiegt schwer! —

“Warum zocke ich?” – Eine Frage, der sich eigentlich jeder, egal ob Gelegenheitsspieler oder Hardcoregamer einmal stellen sollte. Ist sie doch die Grundlage unserer Spiele-Aktivitäten. Klar gibt es pauschalisierende Standardantworten wie “Weil mir langweilig ist.” oder “Weil es mir Spaß macht.” aber obwohl sie natürlich völlig richtig sein mögen, sind sie dennoch nur nichtssagende Floskeln.

“Warum zocke ich?” – Völlig banal kommt diese Frage daher und doch reicht sie tief, wenn man ernsthaft darüber nachdenkt, bringt sie uns dann doch die ultimative Antwort, warum wir zu einem Controller greifen. Nur wenn wir selbst die Antwort auf diese Frage kennen, können wir erst den ganzen Unwissenden da draußen, die unser Hobby verteufeln, effektiv die Stirn bieten. Ist es nicht eigentlich das, was uns von den Idioten unterscheidet? Zu wissen, warum wir dieses Hobby verfolgen, warum wir es pflegen, viel Geld dafür ausgeben, viele Stunden unseres kostbaren Lebens für virtuelle Erlebnisse opfern?

“Warum zocke ich?” – Ich werde heute versuchen diese Frage für mich selbst ehrlich zu beantworten. Manche würden jetzt vielleicht sagen, dass eine Homepage nicht der richtige Ort dafür sei, aber was bitte ist denn der richtige Ort dafür? Wenn ich es mir nur selbst erzähle, bringt es nichts. Niemand kann sich besser belügen, als derjenige selbst. Eine Privatsphäre gibt es in diesen Zeiten des Internets sowieso nicht mehr (ich höre schon Don Quichotte schreien…) und würde ich hier schreiben, wenn ich nicht ein wenig davon aufgeben könnte? Also lasst uns etwas weiter ausholen (vielleicht viel zu weit – ihr kennt mich ja) und damit nun endlich beginnen.

“Du wirst die vielen Stunden noch bereuen! So wird nie was aus dir! (…).” jeder durfte sich solche Sätze schon anhören. Bevorzugt natürlich von seinen Eltern. Aber haben sie Recht? Das werde ich wohl frühestens auf meinem Sterbebett erfahren. Wenn ich aber momentan über mein Leben nachdenke, könnte es zwar natürlich immer noch besser sein (es kann IMMER besser sein), aber ich bin zufrieden. Natürlich muss ich mir immer anhören, dass ich immer noch Single (interessierte Damen bei obiger E-Mail-Addy melden :) ) bin, während andere schon mit zwölf Jahren fleißig die Betten wechseln (die heutige frühreife Jugend…) oder dass mein “realer” Freundeskreis doch sehr überschaubar ist und ich Partys/Discos (*schüttel*) bzw. generell größeren Menschansammlungen doch lieber fern bleibe. Liegt dies nun am Computer oder am Zocken oder wird dies dadurch sogar noch gefördert?

Ich bin Introvertiert. Was das heißt, dürften die meisten eigentlich nach einen Blick bei Wiki wissen. Einfach ausgedrückt, denke ich lieber, statt den Mund aufzumachen. Ergo bin ich nicht unbedingt der ideale Gesprächspartner für lange Reisen. Manche würden dies als Krankheit bezeichnen und es gibt auch Introvertierte, die tatsächlich krank sind, jedoch heißt es nicht bestimmt nicht umsonst “Stille Wasser sind tief”? Was hat dies nun mit der Frage “Warum zocke ich?” zu tun. Allgemein auf jeden Fall nichts und ich werde mich hüten, mich durch diesen Grund aus allem rauszureden. Es ist in gewisser Weise aber eine Erklärung, warum ich mich zum Computer hingezogen fühle. Ich bezeichne mich nicht als süchtig, auch wenn es viele nicht verstehen können, wie ich nach acht Stunden auf der Arbeit, wo ich ja auch nur vor dem Bildschirm sitze, es noch schaffe Zuhause so viele Stunden vor Selbigem zu opfern. Das Internet bietet mir, als Introvertierten, die Möglichkeit Sachen zu kommunizieren, die ich in der Realität nie losbekommen würde. Nicht weil sie brisant oder dergleichen sind, sondern weil ich sie einfach nicht rausbringe. Das ich das Bedürfnis habe mich mitzuteilen, sieht man ja an meinen zahllosen und sehr langen Einträgen. Ich bin garantiert nicht überdurchschnittlich intelligent, aber dies ist ja nicht wichtig, da es wichtiger ist, sein Wissen und seine Meinung an weiterzugeben. Sich mit jemanden über alles Mögliche zu unterhalten. Dies funktioniert im Internet einfacher und effektiver als im realen Leben. Hier zählen nur deine Worte. Ich muss natürlich einräumen, dass mit dieser angeblichen Anonymität (niemand ist im Internet anonym) auch viel Unfug getrieben wird. Wer kennt sie nicht, die ganzen Susi18 in den Chats, hinter denen sich entweder armselige Leute verbergen, die nicht mal Mitleid verdient haben oder kleine Jungs, die mal kurz lustig sein wollen.

Ich bin bislang von diesen Leuten zum Glück verschont geblieben. Da man ja auch im Internet sehr schnell erkennen kann, wer da auf der anderen Seite sitzt. Mein Ziel war es schon immer, aus meinen Internetbekanntschaften reale Freundschaften zu entwickeln. Ich denke, dass mir dies auch schon ein paar Mal geglückt ist (zumindest von meiner Seite aus…ob der Gegenüber auch so denkt, kann ich natürlich nicht beurteilen :) ). Aber natürlich dient das Internet nicht nur Leuten wie mir dazu, Gleichgesinnte im globalen Maßstab kennen zu lernen. Soviel Egoismus hab ich dann doch nicht :) . Lasst uns deshalb so langsam mal aufs Zocken zurückkommen (auch wenn im Bezug auf das Internet und den Computer selbst noch lange nicht alles gesagt wurde). Man könnte jetzt meinen, dass ich eigentlich der perfekte Onlinespieler sein müsste, der den ganzen Tag nur mit anderen in eine Welt abtaucht. Dies ist allerdings nicht der Fall.

Ich bin trotz der globalen Möglichkeiten, weiterhin ein strenger Verfechter des SinglePlayer-Modus (auch wenn ich sehr oft Online zocke). Nein, nicht weil ich Online nur abloose, denn das gehört ja schließlich dazu, wenn man gegen echte Menschen zockt. Kurzum der SinglePlayer-Modus ist einfach etwas völlig anderes. In unserer heutigen Welt sind wir überall von Wettbewerb umgeben. Dauernd werden wir gefordert. Immer verlangt jemand etwas von uns. Sobald man online mit jemand Anderes spielt, wird dort auch schon etwas von einem verlangt. Man muss sich immer den Anderen anpassen und Kompromisse schließen. Dies tut dem Spielspaß meistens keinen Abbruch, aber dennoch ist unterschwellig immer ein gewisser Zwang da, wie ich finde. Im SinglePlayer-Modus bin ICH es, der mich zwingt. Wie immer geben auch hier mir die Entwickler Grenzen und wollen, dass ich dies und jenes mache, aber als Spieler lasse ich mich viel lieber auf diese Grenzen ein, die ich immer noch zu einem Grad selbst bestimmen kann. Im Gegensatz dazu werde ich beispielsweise in Counter-Strike wieder angemotzt, weil ich irgendwas gemacht habe, was einem Anderen nicht passte. Der persönliche Konflikt fehlt einfach im SinglePlayer-Modus. Die KI beschwert sich nicht. Natürlich gibt es Leute, denen gerade DAS an einem Onlinespiel Spaß macht. Warum sonst erfreut sich überall PvP so großer Beliebtheit, obwohl man soviel anderes zusammen machen kann?

So langsam aber sicher kommen wir also der Antwort auf die Frage “Warum zocke ich?” näher. Wenn es für mich nicht der Reiz ist, mit oder gegen andere zu spielen, warum spiele ich dann soviel, warum so intensiv? Der wichtigste Punkt bleibt natürlich der Spaß. Wenn einem das Spielen in keinster Weise eine Art Freude bereitet, sollte man nicht spielen. Aber fragt nicht sogar die /GameStar/dev in der aktuellen Ausgabe “Wie erzeugt man Spielspaß?”. Daraus ergibt sich doch: Spaß ist nicht gleich Spaß. Woraus setzt sich also dieser Spaß bei mir zusammen. “Spiel-Spaß” ist in der Spielebranche eigentlich nur ein Überbegriff aus vielen Emotionen, die beim Spielen erzeugt werden. Ich spiele ja viele verschiedene Genres und trotzdem können alle meinen Hunger nach “Spielspaß” befriedigen. Wo liegt da der Ursprung? Habe ich in einem Shooter “Spaß” daran Leute umzuballern? Der Hauptgrund, warum ich zocke, lässt sich sicher nicht so einfach definieren. Obwohl man schon etwas sadistisch veranlagt sein muss, um es lustig zu finden in FlatOut 2 einen Menschen immer und immer wieder, als materielles Objekt zu missbrauchen und im Endeffekt umzubringen (nur um es klar zu stellen: ICH finde es lustig :D ).

Das Abtauchen “in eine andere Welt” schoss mir gerade durch den Kopf. Doch das stimmt ja eigentlich auch nicht. Wenn ich z.B. NHL spiele, unterliege ich ja immer noch den Regeln der realen Welt. Chaos League wäre da schon etwas anderes. Natürlich gehört das Abtauchen mit dazu. Das Entfliehen aus der eigenen Realität. Dies muss jedoch nicht zwingend heißen, dass man in ein anderes Szenario übergeht. Man taucht ja schon in dem Moment in eine andere Welt hinab, indem man die Kontrolle über etwas anderes übernimmt. In NHL z.B. über einen Eishockeyspieler. Bei einem Rollenspiel ist dieses Erlebnis noch intensiver, weil man sich hier zusätzlich noch mit dieser Figur identifiziert. In NHL wechsle ich zwischen den Spielern und habe eigentlich nie eine wirkliche Identifikationsfigur. Es gibt höchstens eine gewisse Identifikation (Eisbären GO GO GO! ) mit meinem Lieblingsverein. Erfolg ist hier das Stichwort. Jedes Spiel bietet mir Erfolgserlebnisse und ich muss auch, selbst in simplen Spielen, etwas dafür tun, um sie zu bekommen. Die Emotionen Frust und Freude wechseln sich fließend ab, führen aber durch ihr Zusammenspiel im Idealfall zum “Jetzt erst recht!” -Gedanken. Erinnert sich noch jemand an Chaser? Ich bin einer der Wenigen auf dieser Welt, der dieses Spiel durchgespielt hat! Ohne meine “Jetzt erst recht!” -Mentalität hätte ich das nie geschafft. Eine aussichtslose Situation gibt es in einer virtuellen Welt nicht, wenn die Entwickler mitgedacht haben. Hier mal eine Rüge an die Shadowgrounds-Jungs: der Endgegner IST unschaffbar auf Hart – selbst im Coop und ihr fügt sogar noch 2 Schwierigkeitsgrade nach oben hinzu. Der Endgegner in Shadowgrounds war einer der wenigen Fälle, in der der Frust so groß wurde, das ich doch auf Cheats zurückgriff. Es gibt schließlich auch für mich Grenzen.

Halten wir also kurz fest, was wir bislang festgestellt haben: Ich zocke, weil ich meinem Alltag entfliehen möchte und quasi Drogenabhängig bin und schnelle Erfolgserlebnisse suche. Je schwerer diese zu erreichen sind, desto besser das Gefühl nach dem Meistern der Stelle. Ja, ich denke dies ist wirklich mit ein Grund, warum ich zocke. Dies mag mir vielleicht nicht völlig bewusst sein, aber es zu leugnen dürfte keinen Zweck haben, denn die Entwickler bauen ja gerade auf diesen Effekt. Doch nicht nur die Erfolgserlebnisse ziehen mich in die Games, auch – wie schon gesagt – die Welt und ihre Möglichkeiten. Hier darf ich sein, was ich schon immer mal sein wollte. Hier kann ich machen, was ich schon immer mal machen wollte. Meiner Phantasie ist bei der Vielfalt an unterschiedlichen Spielen eigentlich keine Grenze gesetzt. Das ich in Spielen eher, wenn es die Möglichkeit gibt, den weiblichen Charakter auswähle, hat allerdings weniger etwas mit meinem unterschwelligen Bedürfnis zu tun eine Frau zu sein, sondern rein optische Gründe :) .

Ist es wirklich nur das, was mich dazu bringt ein Spiel zu starten? Eine “andere” Welt mit ihren Möglichkeiten und Erfolgserlebnisse? Klingt wenig, ist aber eigentlich sehr viel. Der erste Punkt ist ja nur ein Überbegriff für all das, was sich daraus ergibt. Darin liegt auch wirklich DER Hauptgrund des Zocken. Nicht aufgrund einer Nichtbewältigung der Realität meinerseits, sondern weil es hier drinnen soviel mehr gibt. Im Gegensatz zu Büchern und Filmen (Die ich natürlich genauso liebe), habe ich hier zusätzlich noch die Kontrolle über das Geschehen und die Geschichten, die erzählt werden. Das ist für mich die Faszination an einem Spiel. Ich kontrolliere mein Handeln, in Situationen, in die ich im realen Leben nie kommen würde und das völlig ohne Konsequenzen. Wenn mir etwas nicht gefällt, kann ich das Spiel einfach beenden. In der Realität muss ich entweder viel Arbeit investieren oder etwas ist schlichtweg unabänderbar. Vor Allem Letzteres frustriert mehr, als es jedes Spiel jemals könnte.

Eigentlich ganz einfach. Warum habe ich es dann nicht gleich zu Beginn geschrieben und euch den langen Text erspart? Weil ich denke, dass dies nicht die ultimative Antwort auf die Frage ist. Wahrscheinlich könnte ich noch unendlich lange weiterschreiben und würde trotzdem nur die Oberfläche ankratzen, aber es war für mich selbst wichtig, diese Gedanken quasi offen zu legen und den Denkprozess überhaupt erst in Schwung zu bringen. Es mag euch vielleicht nicht so interessiert haben, aber ich hoffe ich konnte euch dazu anstoßen, euch selbst einmal hinzusetzen und wirklich intensiv über euer Hobby nachzudenken. Ich zumindest fand es befriedigend, dies hier niederzuschreiben. Mehr noch als mich das Schreiben generell sowieso schon “befriedigt” (gibt’s den da kein Wort, dass nicht so dämlich zweideutig ist?…).

Schönen Abend also noch und ich hoffe, dass ich jetzt nicht zu bekloppt rüberkam :) .

PS: Daiah ist übrigens im Ausland zum Studieren. Falls ihr wissen wollt was die “da oben” so treibt, schaut in diesem Blog vorbei.

3 Kommentare

Dieser Eintrag umfasst wirklich,
die Dinge, die einem zum Zocken treiben,
wenn es auch – wie du selbst schreibst –
unmöglich ist allen Teilaspekten gerecht
zu werden.
Im Grunde sind die meisten Gelage, die
Menschen jüngeren und mittleren Alters
exzessiv betreiben, auch nur eine Art
Flucht nur meist wesentlich schädlicher
für Physis und Psyche.
Um jedoch einer Sucht zu entgehen
empfiehlt es sich, einen gesunden Mix
aus Reallife und Media zu haben.
greetz
–talliah

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