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(Screenshots) Wolfenstein, mein Wolfenstein – was hab’ ich dich erwartet. Bereits 2005, als du nur ein Gerücht gewesen, hab’ ich dich bereits als Return to Castle Wolfenstein 2 vorbestellt. Und selbst als ich feststellen musste, dass nach vier Jahren mein Onlinehändler die Bestellung ohne einen Hinweis storniert hatte, hab’ ich dich ohne zögern erneut in den Warenkorb gelegt.
Wolfenstein, mein Wolfenstein – als ich dich am Freitag endlich in den Händen hielt, war die Freude groß. Doch oh weh – 15, 20, vielleicht sogar 25 Minuten ließest du mich warten. Aus einem Gigabyte wurden zwei, dann drei, dann vier. Am Ende belegtest du mehr als sechs Gigabyte auf meiner Festplatte. Doch selbst Vanguard – Saga of Heroes mit seinen 20 Gigabyte brauchte nicht annähernd so lange um sich zu installieren wie du. Der Azzkickr würde sagen: “Du Webmaster, mit SSD wär’ dir das nicht passiert!”, doch verstummen seine Belehrungen, wenn ich meine 1,3 Terabyte Speicherplatz zu einem günstigen Preis einfordere.
Wolfenstein, mein Wolfenstein – selbst nach der Installation ließest du mich noch nicht spielen. “Ein Patch, ein Patch!” schriest du mich an. Und tatsächlich: 33 MB schlugen mir entgegen. Das Changelog nicht einmal annähernd so lang wie der gleichnamige Patch 1.1 zu Hearts of Iron 3, versprach er sich um den Mehrspielermodus zu kümmern. Während der Installation glaubte ich ihm. Erst später sollte ich die Wahrheit erfahren. Doch zuerst riefst du mich beim Namen. “William Joseph Blaskowicz” drang es aus der Packung. “Die Nazis experimentieren wieder mit dem Paranormalen!” – es war klar, meine Unterstützung war gefordert.
Wolfenstein, mein Wolfenstein – was erschreckst du mich so? “Kampagne”, “Optionen”, “Beenden” – was für eine fremde Sprache wirfst du mir im Hauptmenü entgegen? Hab’ ich doch aufgrund der Schnitte zum Original gegriffen. Aber pssst, das darf natürlich niemand wissen. Hält sich doch der deutsche Staat Augen und Ohren zu und singt “Lalala – Nazis? Nie gehört! In unserer Version geht es um den bösen Wolfs-Kult.” Doch auch wenn Besitz nicht strafbar ist, sei euch doch gesagt, lieber Leser, dass ich nur von der deutschen Version rede. Nazis, verbotene Symbolik und verbrennende Gegner? Nein, das kommt auch in meiner Version nicht vor. Ich kann es gar beweisen, sprechen doch die deutschen Untertitel weltweit nur von bösen Wölfen. Auch des Englischen ist meine Version selbstverständlich nicht mächtig, selbst wenn ihrer Verknüpfung ein +set sys_lang “english” anhängt.
Wolfenstein, mein Wolfenstein – endlich ging es los. Ein, von Blur Studios gerendertes Intro setzt den Ton und weckt freudig Erwartungen. Und auch wenn du mich ohne Waffen starten lässt, so find’ ich doch sogleich einen Beutel voller Gold. Schatzsuche – ja, das ist mir bekannt. Und auf dem Tisch, was sehen meine trüben Augen, Granaten und eine MPi40. “Für mich?”, frage ich und greife zu. Gerade rechtzeitig, als der Kult die kleine Bahnhofsgaststätte stürmt. Und da geht es endlich los. Immer geradeaus, durch Gegnerhorden hindurch – nur unterbrochen von der Suche nach verborgenen Schätzen. Ja, mein Wolfenstein so kenne und liebe ich dich. “Hör’ nicht drauf, was andere sagen!”, beruhige ich dich. “Egal ob Doom, Quake oder Wolfestein – unkompliziert muss es sein. Wer braucht schon eine spannende Geschichte, Physikspielereien und anderen modernen Kram? Ich nicht! – Zumindest bei dir.”
Wolfenstein, mein Wolfenstein – was ist aus dir geworden? Hab’ ich dir nicht gerade anvertraut, dass du für mich nicht mehr sein musst als ein Old-School-Shooter? Warum versuchst du nun genau das Gegenteil? Eine in Grenzen frei begehbare Stadt? Dialoge mit NPCs? Munition, Upgrades und ähnliche Dinge einkaufen? Mir ist, als wäre ich in einem verkappten Rollenspiel gelandet. Sind dir deine Ausflüge als Wolfenstein RPG auf die Handys und iPhones dieser Welt zu Kopf gestiegen? Und dann gibst du mir auch noch ein Amulett. Die Dimension wechseln – eine coole Sache mit richtig schönen Effekten. Aber die Zeit verlangsamen? Mein Wolfenstein, nicht du auch noch. Ich mag älter werden, doch auch heute noch kann ich ohne besondere Hilfsmittel gegen zwei oder gar mehr Gegner gleichzeitig bestehen. Ich möchte gar nicht wissen, welch’ tollen Fähigkeiten mich noch erwarten. Selbst die Medipacks verwehrst du mir und heilst mich neumodisch automatisch.
Wolfenstein, mein Wolfenstein – das bist doch nicht du. Schießen, töten und den bösen Kult ermorden. Eine Prise Schatzsuche dazu und perfekt wärst du dank den Stärken der id-Tech-4-Engine gewesen. Doch oh weh, du wolltest mehr sein als du bist. Dass du dabei versagtest, ist nicht weiter verwunderlich. Selbst deine liebgewonnen, sprachlichen Aussetzer können dich nicht mehr retten. Ein “Hier werden Sie geschossen!” oder “Befolgen Sie!” reicht nicht aus um deine Fehler zu verstecken. Und mein Gott, was erblicke ich dort? Ein Tisch voller 100-DM-Scheine. 100-DM-Scheine mit Clara Schumann auf der Front zu allem Überfluss. Mein Gott, welch’ Schande! Wie kann so etwas sein? Gesteinigt, gevierteilt und gerädert gehört der Verantwortliche – und selbst das wäre noch viel zu harmlos. Ich möchte fast zu Photoshop greifen und das Elend, dank deiner Modfreundlichkeit, selbst beseitigen.
Wolfenstein, mein Wolfenstein – hab’ keine Angst. Ich werde dich durchspielen. Trotz Amulett und Stadt, machen deine linearen Levels dazwischen doch immer noch genug Spaß. Da hast du noch einmal Glück gehabt – bei mir. Doch deine niedrigen Wertungen hast du dir verdient. 60, 70 Prozent – mehr bist du nicht Wert. 85% von der PC Games? Da hat definitiv jemand ein anderes Spiel gespielt – und das sagt dein treuester Fan. Und auch dein Mehrspielermodus kann dich nicht retten. Im Gegenteil reitet er dich gar noch tiefer hinein. Pings von 300 und mehr auf allen Servern und für alle Spieler und ein Serverbrowser der nicht einmal funktioniert. Sie verhindern erfolgreich, dass ich mich gar nicht erst mit dem klassenbasierten Spiel abgebe, dass du mitsamt den Rangstufen so offensichtlich gestohlen hast. “Von wem?” fragst du dreist. “Na von Call of Duty – World at War“, ist die klare Antwort! Vielleicht hast du gut geklaut und es macht wirklich Spaß, doch vor Patch 1.2 werd’ ich es sicherlich nicht erfahren.
Wolfenstein, mein Wolfenstein – ich verstehe deine Fehler. Nicht ein, nicht zwei – nein, fünf Entwickler haben an dir herumgebastelt. Wobei Raven Software (Quake 4), unterstützt von Pi Studios (Halo 2 for Vista), es im Einzelspieler eigentlich hätte besser wissen müssen. Doch ihre Glanzzeit scheint schon lange vorbei, war doch bereits Quake 4 nur ein Schatten seines früheren Glanzes. Zumindest aber, ist er spielbar und macht in Teilen Spaß. Dein Mehrspielermodus hingegen ist von Endrant Studios – ein neues und unerfahrenes Studio. Und dann pfuschten auch noch Threewave Software, die bereits bei den Konsolenversionen deines Vorgängers geholfen hatten, sowie Underground Development (Enemy Territory – Quake Wars für die PlayStation 3) darin herum. Das konnte ja nichts werden. Vielleicht lässt sich noch etwas retten, doch ich befürchte stark, dass du untergehen wirst. Warum, mein Wolfenstein, durfte Nerve Software nicht wieder Hand anlegen? Den Mehrspielermodus von Return to Castle Wolfenstein hatten die Jungs doch perfekt hinbekommen. Und auch Gray Matter hätte dir beim Einzelspielermodus sicher geholfen. Doch nicht verzagen: Nach ihrem Aufkauf durch ZeniMax wird dein Nachfolger sicherlich endlich wieder direkt von deinen Vätern bei id Software kommen. Bei drei Projekten gleichzeitig, wird bestimmt auch irgendwann eines deines sein. Und dann werde ich wieder sehnsüchtig auf dich warten…
Klingt so, wie ich Wolfenstein erwartet habe. Aber das ist mal eine nette Abwechselung. wie du das geschrieben hast.^^
"Hab' ich doch aufgrund der Schnitte zum Original gegriffen. Aber pssst, das darf natürlich niemand wissen." EPIC!