Bevor ich anfange einen Eintrag zu schreiben, habe ich normalerweise eine ziemlich genaue Vorstellung worüber ich schreiben möchte. Aber wie heißt es so schön? Selbst der beste Plan fällt beim ersten Feindkontakt in seine Bestandteile zusammen. So auch bei mir und dem Eintrag am Montag. Ursprünglich wollte ich das Thema nur als Einleitung benutzen und dann wurden am Ende zwei Seiten und damit ein eigener Eintrag draus. Kommen wir also stattdessen heute zu dem, worüber ich eigentlich reden wollte: Yamamoto Isoroku (1884-1943)
Ihr erinnert euch vielleicht noch an den Film Panzerschiff Graf Spee. Darin ging es zum einen um die letzte Feindfahrt des Schiffes, gleichzeitig aber auch um Hans Langsdorff, den Kapitän des Schiffs. Ein Mann, den man definitiv nicht in die typische Nazi-Ecke schieben kann, sondern selbst im Ausland bis heute einen guten Ruf genießt. Was das nun mit Yamamoto Isoroku zu tun hat? Nun, zum einen war auch er bei der Marine während des Zweiten Weltkriegs. Allerdings in der Position des Oberkommandierenden der Vereinigten Flotte der Kaiserlichen Marine. Also definitiv ein paar Gehaltsstufen höher als Langsdorff. Zum anderen war auch er nicht gerade der blutrünstigste Geselle (obwohl er durchaus auch ein paar Soldatenleben auf dem Gewissen hat), sondern war zuerst strikt gegen die Unterzeichnung des Dreimächtepakts mit Deutschland und setzte bis zum Ende seines Lebens alles daran den Frieden mit den Amerikanern wieder herbeizuführen. Das ist insofern Paradox, als dass er der Mann hinter einem ganz bestimmten Großereignis des Jahres 1941 ist. Ja, wir reden wieder einmal vom Überfall auf Pearl Harbor. Entsprechend sind die Amerikaner bis heute nicht so gut auf ihn zu sprechen. Wenig verwunderlich, dass der Einsatz, der schlussendlich zum Tod von Isoroku führte, Operation Vengeance getauft wurde.
Die Mission wurde am 18. April 1943 durchgeführt. Dem Widerstand seiner Berater zum Trotz war Isoroku in einem Bomber mit minimalem Geleitschutz unterwegs zu einer Truppvisite in den nördlichen Salomonen. Aus unerfindlichen Gründen (manche Historiker sprechen von Verrat), wurde der Flugplan vorab per Funk übermittelt, von den Amerikanern abgefangen und rechtzeitig entschlüsselt. Die schickten aufgrund der Wichtigkeit eines Erfolges gleich 18 Flieger los und machten kurzen Prozess. Der Admiral war tot, bevor seine Maschine auf dem Boden einschlug.
Die Rationalisierung
Jetzt ist die spannende Frage natürlich wie der Admiral nicht nur den Angriff auf Pearl Harbor, sondern auch alle folgenden Operationen gegen die Amerikaner im Pazifikkrieg für sich gerechtfertigt hat. Wie erwähnt, wollte er im Gegensatz zu einem Großteil des japanischen Volkes Frieden haben. Warum war das Volk so scharf auf Krieg? Nun es waren Militärs an der Macht, die Wirtschaft war im Eimer (Krieg ist immer gut für die Wirtschaft) und die Euphorie im Lande war dank der Erfolge im bereits seit 1937 laufenden zweiten Japanisch-Chinesische Krieg groß. Als dann trotz allen Widerstands der Marine am Ende doch der Dreimächtepakt mit Deutschland, Italien und der Sowjetunion unterzeichnet wurde, wurde der Pazifikkrieg vorbereitet. Auch die Amerikaner waren bereits fleißig dabei sich auf die Schlacht vorzubereiten, vor allem weil die Spannungen zwischen Japan und China dazu führten, dass die Sache mit dem Öl nicht mehr so lief, wie es die Amis gerne gehabt hätten. So errichteten sie fleißig Stützpunkte wie den in Pearl Harbor.
Nachdem also klar war, dass es zum Krieg kommen würde, wollte Japan natürlich den Erstschlag ausführen und die Amerikaner empfindlich treffen. Schon alleine weil Amerika bald das Hundertfache an Truppen und Kriegsmaterial (Schiffe, Flugzeuge und so) hatte. Gleichzeitig strebte aber der Admiral wie bereits mehrfach erwähnt den Frieden an. Somit wurde die Idee geboren die mächtigen amerikanischen Flugzeugträger bei Pearl Harbor zu versenken und so den Amerikanern einen heftigen Schlag zu versetzen. Während die japanische Führung auf die Eroberung der Midway-Inseln hoffte und damit auf den Zugang zu wichtigen Rohstoffgebieten, hoffte Isoroku damit die Amerikaner zu Friedensverhandlungen mit Japan zu zwingen.
Warum nicht?
Prinzipiell, so komisch es auch im ersten Moment klingt, war das keine schlechte Idee. Hätte Japan wie geplant das knappe Dutzend Flugzeugträger gefunden, hätten sie sie definitiv erfolgreich versenken oder zumindest stark beschädigen können. Amerika war bekanntlich absolut nicht auf den Angriff vorbereitet. Und davon hätten sich selbst die Amis nicht so schnell erholt. Blöd nur, dass die Flugzeugträger nicht in Pearl Harbor vor Anker lagen, sondern woanders. Auch hier gibt es übrigens Verschwörungstheorien, dass die Amerikaner vorgewarnt waren. So massiv der angebliche Erfolg der japanischen Marine auch im Heimatland gefeiert wurde: Das Einzige was der Angriff gebracht hatte war, dass Amerika schlagartig dem Zweiten Weltkrieg beitrat und einen immensen Hass auf die Japaner entwickelte.
Ja, Hitler war natürlich auch ein Ärgernis. Aber der war ganz weit weg. Die paar popeligen U-Boote vor der Ostküste interessierten den durchschnittlichen Amerikaner trotz der vielen Propaganda nicht die Bohne. Das hat sich ja bis heute nicht wirklich geändert. Europa? Here be dragons. Aber nicht nur liegt Japan quasi vor der Haustür, es hatte auch massiv mit dem hinterhältigen Angriff den Nationalstolz verletzt. Und wenn es eins gibt, dass die Jungs und Mädels da drüben bekanntlich nicht mögen, dann wenn sie bloß gestellt werden.
Isoroku hielt trotz des Fehlschlags bis zu seinem Tod an seinen Friedensplänen fest. Jede weitere Schlacht, die von den Japanern geplant und durchgeführt wurde, hoffte der Admiral als Verhandlungsmasse gegen die Amerikaner einsetzen zu können. Doch obwohl Japan anfangs tatsächlich erfolgreich waren, wurde aus dem Frieden nichts. Stattdessen begann das Pendel ab Ende 1942 umzuschwenken. Das japanische Volk bekam davon freilich nichts mit. Die Propagandamaschine erzählte weiter von Erfolgen. Der Höhepunkt und damit dann auch der Abschluss des Krieges folgte 1945 als Little Boy Bekanntschaft mit der japanischen Stadt Hiroshima und wenig später Fat Man einen Bauchplatscher auf Nagasaki machte. Falls ihr tatsächlich nicht wisst, wo von ich spreche (was traurig wäre): Little Boy war eine Atombombe und Fat Man eine Plutoniumbombe.
Was soll das alles?
Jetzt stellt sich natürlich die Frage, warum ich euch das alles erzähle. Ganz einfach: Der japanische Kriegsfilm Der Admiral: Krieg im Pazifik ist im Mai endlich auch ungeschnitten in Deutschland erschienen (mit deutscher und japanischer Sprachausgabe). Und wie der Name vielleicht schon vermuten lässt, geht es um die Geschichte von Admiral Yamamoto Isoroku. Der Film beginnt während der Diskussion um den Dreimächtepakt und endet mit dem Tod des Admirals. Wer allerdings jetzt ein actionlastiges und patriotisches Kriegsepos erwartet, der wird enttäuscht werden.
Ja, die wichtigsten Schlachten wie eben die von Pearl Harbor kommen natürlich vor. Sie sind aber nur sehr kurz dargestellt (und sehen dank eher mittelmäßigem CGI nicht so super aus). Stattdessen konzentriert sich der Film voll und ganz auf Isoroku. Mit dem zusätzlichen Effekt, dass die restlichen Charaktere nur ihn unterstützen und selbst eher Flach bleiben. Andererseits ist das auch nicht der Anspruch des Werks von Regisseur Izuru Narushima. Es handelt sich ganz klar um eine Biographie dieser außerhalb von Japan eher unbekannten oder zumindest falsch dargestellten historischen Persönlichkeit. Und in dieser Hinsicht ist der Film sehr gut gelungen. Es ist kein traditioneller Kriegsfilm, es ist definitiv kein Actionfilm und schon gar keine Moralpredig auf die Schrecken des Krieges. Stattdessen ist es ein historisch sehr akkurates und sehr gut besetztes Dokudrama.
Allerdings, und das darf nicht unerwähnt bleiben, ist es zwar historisch korrekt in dem was es erzählt. Es kehrt gleichzeitig aber auch den ein oder anderen schwarzen Fleck der japanischen Geschichte gekonnt unter den Teppich und ignoriert anders als beispielsweise Tora! Tora! Tora! die amerikanische Perspektive völlig. Das funktioniert natürlich ein Stück weit, weil Isoroku der Marine angehört und der Pazifikkrieg wie auch der im Atlantik im Vergleich zu den Kriegsverbrechen zu Lande relativ sauber war. Es bleibt aber ein Negativpunkt.
Bagdadsoftware meint: Von mir erhält der Film weil er im Vergleich zu einem Panzerschiff: Graf Spee oder Tora! Tora! Tora! nicht ganz so ausgereift ist. Das liegt zum einen an den schlechten CGI-Effekten, vor allem aber wie im letzten Absatz erwähnt an der trotz aller historischen Korrektheit vorhandenen Einseitigkeit des Films.
Was mich nicht stört, ich aber dennoch noch einmal explizit betonen möchte, ist die Dialoglastigkeit des Werks. Wie erwähnt dürft ihr keinen Actionfilm erwarten, sondern euch auf ein biographisches Dokudrama einstellen. Wen das allerdings nicht stört und wen der Pazifikkrieg beziehungsweise die Person Isoroku grundsätzlich interessiert, dem kann ich es nur empfehlen den Film mal anzuschauen. Es ist aber kein Werk, dass man sich jetzt einfach so mal reinzieht wie einen Film von Michael Bay oder so. Dafür ist er schlicht zu trocken und für einen Großteil der Zuschauer zu uninteressant.
Interessant, wie man durch einen militärischen Überfall, der überhaupt erst die Kriegserklärung war, versuchen kann Frieden zu schließen. Interessantes Konzept… ;)
Das mit der Kriegserklärung ist so eine Sache. Ich weiß nicht inwiefern da der Film tatsächlich korrekt ist, aber es wird dort so dargestellt, als wollte Isoroku sicherstellen, dass VOR dem Angriff vom Botschafter die Kriegserklärung eingereicht wird. In Tora! Tora! Tora! wird das auch so dargestellt, allerdings ist dort der Standpunkt so, dass die Amis den Botschafter nicht vorgelassen haben. Und deshalb die Kriegserklärung zu spät eintrag.
Keine Ahnung was jetzt wirklich stimmt. Also ob die Japaner tatsächlich vorab die Erklärung abgeben wollten aber es nicht konnten, oder ob es absicht war, dass die erst ne halbe Stunde später eintraf.
Naja, aber das is ja nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass sie den Krieg erklärt haben, ob jetzt durch Papier oder durch Taten. Und das dann im Namen des Friedens zu rechtfertigen find ich irgendwie absurd. Ist aber jetzt auch nichts furchtbar unübliches, Kriege werden ja gerne mal mit ähnlichen Begründungen gerechtfertigt.
Mmmh, dann habe ich das wohl im Text nicht korrekt rübergebracht: Die japanische Führung wollte den Krieg. Mit der Suche nach Frieden wurde dieser nicht gerechtfertigt. Es ging ausschließlich um Stolz und Rohstoffe.
Nachdem Isoroku den Krieg nicht mehr verhindern konnte (wie gesagt war wie ein Großteil der Marine lange gegen die Unterzeichnung des Dreimächtepakts), suchte er Möglichkeiten schnellstmöglich wieder Frieden herbeizuführen. Das war quasi seine persönliche Rationalisierung für Pearl Harbor. Die Führung wollte nur die Midway-Inseln in ihre Finger bekommen.
Klingt für mich, trotz der einseitigen Erstattung, ziemlich interessant. Der hervorgehobene Faktor der historischen Korrektheit gefällt mir. Die Amerikaner haben vom UBoot-Krieg zwar zu Anfang dank den Kanadiern fast nichts mitbekommen, aber hinterher waren es die Taktiken der Amis mit Wasserbomben, Ortung, Flugzeugträgern, Spähflugzeugen etc. die den Atlantik Krieg veränderte. Die Japaner als Marine Kriegsmacht werden oftmals gerne unterschlagen. Ich denke von dem Film werde ich viel Neues von lernen.