Achtung: Der folgende Text enthält logischerweise so einige Spekulationen meinerseits!
Es ist schon wieder ein paar Tage her, dass eine für viele unglaubliche Meldung durch die Medien ging: John D. Carmack verließ am 22. November 2013 id Software, um Vollzeit bei Oculus VR zu arbeiten. Interessanterweise habe ich damals nur kurz auf Twitter zum Thema geäußert. Mich hatten vor allem die Zitate von Tim Willits aus der Pressemitteilung begeistert, bei denen selbst Blinde herauslesen konnten, dass der Herr Studio Direktor extrem verärgert war. Am Montag veröffentlichte USA Today nun ein aktuelles Interview mit ihm, in dem er auch wie gewohnt offen von seinen ursprünglichen Plänen mit Oculus VR und id Software erzählt und ganz klar sagt: ZeniMax war das nicht recht, deswegen wäre er gegangen.
Das ist für viele keine großartig überraschende Aussage. Zwar sah 2011, zwei Jahre nach dem Kauf, noch alles halbwegs rosig aus. id brachte mit RAGE ihren ersten AAA-Titel seit DOOM 3 raus und die QuakeCon öffnete sich für andere Studios der Firma. Doch im Nachhinein betrachtet ist klar, dass ZeniMax nur einfach noch keinen Grund hatte groß einzugreifen. Sie wollten erst einmal schauen wie sich RAGE macht, dessen Entwicklung sie ja nur zu einem verschwindend geringen Teil (wenn überhaupt) finanziert hatten. Erst als das auf den Markt kam und der Fallout (see what I did there?) langsam aber sicher sichtbar wurde, ging es so richtig bergab mit id Software.
Der Abstieg, Teil 1
Das erste Anzeichen dafür, dass im Hause id etwas schief läuft, war das Thema DOOM 3 Source Code. Carmack war bekanntlich schon immer einer der wenigen Entwickler, welche die Hackerethik lebten und entsprechend hinter der Freiheit von Ideen stand. Für ihn war und ist das schlicht Nachwuchsförderung. Was gibt es schließlich Besseres für einen angehenden Programmier als in den Code eines echten Programms einzutauchen und damit rumzuspielen? Rondrer wird jetzt vermutlich in die Kommentare springen und 200 Beispiele nennen, aber egal .
Doch der Code wurde und wurde nicht veröffentlicht, obwohl Carmack schon auf der QuakeCon 2009 (kurz nach dem Verkauf) diesen bald in Aussicht stellte. Angeblich wäre ZeniMax zwar offen dem Thema gegenüber gewesen, aber die Anwälte mussten das Thema freilich nun ausführlich prüfen. Tatsächlich dauerte es bis Ende November 2011, bevor er endlich freigegeben wurde. Dazwischen versicherte Carmack immer wieder, dass er noch kommen würde. Sagte sogar, dass der Code bereits fertig gepackt bereitliegen würde. Aber ihm waren die Hände gebunden.
Der Abstieg, Teil 2
Derweil rumorte es aber auch an anderer Stelle: DOOM 4 entwickelte sich sehr schnell zum Sorgenkind. 2007 von Carmack auf der QuakeCon angedeutet, 2008 auf der E3 offiziell angekündigt, blieb es überraschend lange sehr ruhig um den Titel. Erst 2013 erfuhr die Außenwelt, dass das Spiel 2011 komplett gestrichen und wieder neu angefangen wurde mit der Entwicklung. Das ist erst einmal nicht schlimm. Besser so, als ein schlechtes Spiel auf den Markt werfen – zumindest solange die Entscheidung zum Einstampfen nicht vom Publisher, sondern vom Designer getroffen wird. Es sollte allerdings nicht das letzte Mal sein.
Das zweite Mal war im August 2013, wo der Titel erneut zurück in die Pre-Design-Phase wechselte – oder sogar komplett eingestampft wurde zugunsten eines von ZeniMax bestimmten Projekts? Willits Aussagen auf der QuakeCon 2013 waren in der Hinsicht etwas nebulös. Auf der einen Seite klingt es zwar durchaus so, als wäre der aktuell sich in Entwicklung befindliche Titel weiterhin im DOOM-Universum angesiedelt. Ganz sicher bin ich mir da aber im Gegensatz zu so manch anderen Journalisten nicht.
Fakt ist auf jeden Fall, dass das ganze Häckmeck und vor allem die Geheimniskrämerei darum Carmack sichtlich auf die Nerven ging. Man konnte förmlich spüren wie er es hasste auf den letzten QuakeCons (2010-2013) nichts dazu sagen zu dürfen. Er, der normalerweise in seiner Keynote kein Blatt vor den Mund nimmt, vor allem was id Software selbst betraf wurde von ZeniMax mundtot gemacht. Und dann musste er 2012 auch noch verkünden, dass zugunsten von DOOM 4 id Mobile die Pforten schließen musste. Noch so ein Steckenpferd von Carmack, der jedes Mal spürbar aufblühte wenn er vom mobilen Markt sprach. Das Fass füllte sich also immer weiter für Carmack.
Der Abstieg, Teil 3
Aber noch hielt es Carmack im Unternehmen aus. Er hatte vermutlich die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass er sich mit ZeniMax vielleicht doch irgendwie arrangieren könnte. Jemand anderes, sah das offensichtlich nicht so. Todd Hollenshead, seit vielen Jahren das Gesicht von id Software und vor allem der QuakeCon, hatte im Juni 2013 die Schnauze endgültig voll davon nach seiner langjährigen Tätigkeit als CEO (er war schon immer zuständig für die geschäftliche Seite von id) und mittlerweile auch Miteigentümer von id Software nun von Zenimax vor sich her getrieben zu werden und verließ nach sagenhaften 17 Jahren (1996) das Studio.
Somit blieb Carmack mit Tim Willits alleine auf weiter Flur. Kevin Cloud, den dritten id-Eigentümer der zweiten Generation, gibt es zwar auch noch. Der spielt aber keine große Rolle. Er hält sich schon immer eher im Hintergrund und macht einfach sein Ding als künstlerischer Leiter des Studios. Zwei Personen, die sich zwar auch schon seit 1995 kennen (Willits produzierte Levels für DOOM und erregte damit Aufmerksamkeit bei id), aber dessen Verhältnis sich meiner Ansicht nach in den letzten Jahren (seit Willits erstmals mit DOOM 3 den Direktor-Posten bei einem id-Titel übernahm) extrem verschlechtert hat, wenn ich mir so die unterschiedlichsten Interviews von beiden seitdem durchlese. Carmack kann man hier allerdings nur bedingt einen Vorwurf machen. Er war schon immer derjenige, der sich in seinem Zimmer einschloss und machte was er wollte. Daran wird sich nie was ändern. Dafür ist er ein Genie, das im Gegensatz was so einige Volltrottel sagen, immer noch vorne mitreden kann. Die Kunst der anderen Unternehmenseigner war es seine “verrückten” Ideen zu Geld zu machen.
Das weiß auch Willits und bei John Romeros unrühmlichem Abgang war er ja Ende der 90iger auch live dabei. Ich glaube aber, dass Willits – natürlich in Hinblick auf die Zukunft von id Software – einfach mehr will als Carmack. Ich gehe sogar davon aus, dass er von allen vier die größte treibende Kraft hinter dem ZeniMax-Verkauf war. Das ist selbstverständlich erst einmal nicht schlecht. Aber seine Vorstellungen (die sich wohl mit denen von ZeniMax decken), vertragen sich nicht mit denen von Carmack. Bislang war immerhin noch Hollenshead als Puffer dazwischen. Der ist nun weg. Somit trafen am Ende Willits und Carmacks Ansichten ungefiltert aufeinander, was sicherlich auch ein Stück weit Carmacks Entscheidung einfacher machte.
Fazit
Ob das Studio unter Tim Willits Führung wieder aus der Bedeutungslosigkeit herauskommt, glaube ich jedoch nicht. Ich vermute eher, dass es nun kein Jahrzehnt mehr dauern wird, bevor die Meldung “DOOM-Studio id Software von ZeniMax geschlossen” in den Medien auftaucht.
Das alles klingt jetzt natürlich ein Stück weit so, als wäre ZeniMax alleine Schuld an allem. Dem ist natürlich nicht so. Carmacks relative Untätigkeit was das Tagesgeschäft angeht, Willits Unfähigkeit DOOM 4 auf die Beine zu bekommen und RAGEs Misserfolg spielen da natürlich auch stark mit rein. Dennoch ging es erst nach dem Aufkauf wirklich so extrem steil bergab. Carmacks Abgang ist in der Hinsicht nur die vorhersehbare und völlig richtige Konsequenz aus dieser Entwicklung. Carmack folgt immer noch seinen Idealen und da lässt er glücklicherweise auch nichts anbrennen. Gleichzeitig ist es der endgültige Todesstoß für das Studio. So viel auch über die technische Seite von RAGE gejammert wurde: Nach dem Rauswurf von John Romero waren id Software und John Carmack eins. Noch stärker als in den Jahren zuvor war er es, der mit seiner Technik, seinen Vorstellungen und seinem Gefühl für zukünftige Entwicklungen den Rest des Studios vor sich hertrieb. Daran konnte auch Willits mit all seinen Ambitionen nichts ändern.
Von daher dürfte es wenig verwundern, wenn ich sage, dass id Software tatsächlich seit dem 22. November 2013 von meiner Liste der Lieblingsentwickler runter ist. Mit dem Abgang von John Carmack, dem letzten verbliebenden Gründer des Studios, ist aus meiner Sicht auch die Seele des Studios verschwunden und nur noch eine leere Hülle übrig, die sich meiner Anerkennung erst wieder verdienen muss. Stattdessen werfe ich nun einen noch stärkeren Blick auf Oculus VR und bin extrem gespannt darauf, was Carmack in der neuen Umgebung fähig ist zu leisten. Ja, selbstverständlich ist das am Ende ein Produkt aus Teamarbeit und blablabla. Aber ihr könnt euch sicher sein, dass Carmack einen starken Einfluss hatte, hat und auch weiter haben wird wie die Entwicklung der Brille weitergeht. Mich würde es auch nicht wundern, wenn wir id Tech 6 unter dem Namen OculusVR Tech 1 in naher Zukunft sehen würden als Motor für ein VR-Spiel aus eigenem Hause.