Sicarius

Gejammere, die 301.

Destiny (Herstellerbild)

Destiny (Herstellerbild)

Ich weiß nicht mehr von wem der Tweet stammte, aber vor kurzem beschwerte sich ein internationaler Spielejournalist darüber, dass jemand ein Spiel als “Mist” bezeichnete obwohl derjenige bereits 50+ Stunden darin versenkt hatte. Wenn das Spiel so schlecht wäre, würde er doch schon wesentlich früher mit dem Spielen aufhören, ergänzte er also kann es ja wohl nicht so schlecht sein. Gleichzeitig waren in den letzten Wochen öfters Stimmen zu hören, die sich über die Kritik zu Destiny aufregten mit bekannten Sätzen wie “man muss die Loot Cave doch gar nicht ausnutzen, um höher zu kommen, man kann auch “normal” spielen” (Ich kann mir auch ein Linux ohne GUI installieren, stimmt. Aber warum sollte ich?) und auch hier wurde gerne das Argument von wegen “wenn es so schlecht ist, dann spiele es halt nicht” herangezogen und damit jede weitere Diskussion im Keim erstickt. Hin und wieder schlich sich war mal jemand ein der meinte “Ja, die Kritik ist berechtigt aber trotzdem kann ich mich aus einem unverständlichen Grund nicht vom Spiel lösen” aber das schien mir doch die Minderheit.

Sowieso glaube ich, dass ich noch nie eine so dermaßen große Diskrepanz bei einem AAA-Titel zwischen objektiver Spielqualität und tatsächlicher Spielerzahl gesehen habe (ja, selbst bei Call of Duty nicht) wie bei diesem im Vorfeld extrem hochgehypten Bungie-Produkt (“Spiel des Jahrtausends”, “Franchise für die nächsten 10 Jahre”, etc.). Noch mehr als bei Diablo III wird über das Lootsystem und das an Guild Wars erinnernde Levelsystem gejammert, es wird geschimpft über die extrem dünne Geschichte, es wird ein Mangel an Spielinhalten vorgeworfen und was weiß ich noch alles aber trotzdem verbringen die Leute weiterhin Stunde um Stunde mit diesem offensichtlich nur mittelmäßigen Titel (basierend auf den Tests und Let’s Plays, die ich bislang so gesehen/gelesen habe) statt etwas “Anständiges” zu spielen. Immerhin behauptet keiner wie beispielsweise damals bei Final Fantasy XIII, dass das Spiel nach 20 Stunden plötzlich fantastisch wird (wird es nicht).

Psychologie!

Aber es ist ja nichts Neues, dass vor allem wir Videospieler uns vieles schön reden beziehungsweise aus einer Art Faulheit/Gewohnheit heraus einfach den Trott weiter mitmachen (World of WarCraft anyone?). Keiner von uns wird sicherlich behaupten können, dass er sich nicht schon einmal ein schlechtes/mittelmäßiges Spielerlebnis überspielt hat, nur um die investierte Zeit/Geld zu rechtfertigen egal ob es am Anfang noch Spaß gemacht hat oder nicht. Da können unsere Ansprüche noch so hoch sein: In diese Falle tappen wir alle mal (eher mehrmals) auch ohne gleich die rosarote Brille aufsetzen zu müssen.

Von daher kann ich ein Stück weit natürlich verstehen, wenn einige die Kritik ausblenden und nichts an ihren aktuellen vermeintlichen Lieblingstitel heranlassen wollen obwohl sie vermutlich genau so gut wie alle anderen wissen, dass es stimmt. Mich stört aber natürlich gewaltig die Art und Weise, wie sie es tun sprich mit den Internet-üblichen Angriffen auf die Fähigkeiten und das Verhalten der jeweiligen Person (“du bist nur zu blöd dafür”, “du musst es ja nicht machen”). Eben dieses komische “entweder du bist für etwas oder gegen etwas”-Verhalten. Ein Zwischendrin wird nicht zugelassen oder besser ausgedrückt: In der Spielebranche gibt es nur Gewinner und Verlierer, nichts anderes. Daran müssen wir echt arbeiten.

Nachdenken!

PuzzleQuest (Herstellerbild)

PuzzleQuest (Herstellerbild)

Entsprechend fand ich auch die Aussage dieses Journalisten so vollkommen unpassend und unreflektiert. The Elder Scrolls IV: Oblivion ist aus meiner Sicht ein absolutes Drecksspiel und trotzdem habe ich mindestens 75 Stunden darin versenkt (allerdings bis heute nicht durchgespielt). Und selbst ein Fallout: New Vegas, dass ein super Spiel ist, machte mir nach 30 Spielstunden eigentlich keinen richtigen Spaß mehr. Ich hab’ mich halt durch die DLCs gearbeitet, um es abhaken zu können. Von den unzähligen anderen Titeln wie PuzzleQuest: Challenge of the Warlords oder Chaser, durch die ich mich mit meiner billigen “Jetzt erst recht”-Begründung durchgequält habe obwohl ich keinen wirklichen Spaß (mehr) hatte ganz zu schweigen.

Von daher einfach die Kritik abzuwürgen nur weil derjenige nicht schon nach 10 Stunden einen Titel zur Seite legt, sondern erst nach 50 finde ich absolut idiotisch und kontraproduktiv. Es gibt schließlich viel zu viele Gründe, warum diese Erkenntnis erst so spät kommt. Neben dem Schönreden wäre da auch das Thema, dass die Probleme vielleicht sogar erst später sichtbar werden. Wie beschissen die KI eines Total War – ROME II eigentlich wirklich ist, bemerkt man halt mitunter erst, nachdem man sich in das Spiel so richtig eingefunden hatte. Oder die Sache mit der Kampagne in Tropico 4, die sich nach der Hälfte wiederholt. Und natürlich gibt es auch noch den bekannten Fall von wegen “Meckern auf hohem Niveau”. Gerade weil etwas so viel Spaß macht, regt man sich über jede Kleinigkeit (=verpasste Chance) so extrem auf. Hatten wir ja hier beim Christoph auch schon oft genug und ich vermute speziell Azzkickr mit seinen “komischen” Ansprüchen kann davon ein Lied singen :smile: .

Der Idealfall

Ich finde es somit sehr gut, wenn jemand (Spieletester sowieso) anständig Zeit in einen Titel investiert und damit auch die nötige Datenbasis hat bevor er ihn fundiert für gut oder schlecht befindet. Das ist definitiv auch schon immer mein Anspruch, wenngleich ich natürlich verstehe, dass es Situationen gibt, in denen es nicht geht. Oftmals ruft halt die Deadline (wobei ich dann trotzdem versuchen würde eine Verlängerung zu kriegen mit der Begründung, dass noch was im Argen liegt) und im Rahmen von Christoph spielt habe ich einfach nicht mehr als die eine Stunde, um dann schon einmal ein “yay” oder “nay” auszusprechen. Wobei ich selbst da bis zur Veröffentlichung des dazugehörigen Eintrags noch weiterspiele und versuche weitere Eindrücke zu gewinnen und mich dann auch ohne lange Nachzudenken selbst korrigiere.

Unnötiges Symbolbild

Unnötiges Symbolbild

Dieses “mehr Zeit investieren” zusammen mit etwas ehrliche Reflektion würde so manchen “Dieses Spiel ist fantastisch und das beste was mein Gehirn jemals erlebt hat”-Tweet (nur leichte Übertreibung), der oft schon nach 30-60 Minuten Spielzeit gebracht wird, sicherlich bereits im Keim ersticken. Und ja: Ich spreche damit jetzt eine ganz gewisse Person an auf deren Einschätzung ich deshalb schon lange nichts mehr gebe.

Epilog

Was will ich also mit all dem sagen? Vermutlich einfach nur, dass es mich mal wieder aufregt wie sich vor allem Leute mit einer gewissen Vorbildfunktion verhalten. Speziell natürlich diejenigen, die es aus meiner Sicht eigentlich besser wissen müssten und sogar oftmals explizit betonen, dass sie quasi gar keine öffentliche Meinung haben wollen (so einige bei RoosterTeeth sind da wahre Meister drin) und gleichzeitig die Sicht der anderen als eine Art Fluktuation abtun. Hin und wieder lohnt es sich mal kurz Nachzudenken bevor man etwas loslässt. Habe ich auch auf die harte Tour gelernt!

Bis Montag!

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