“Games as a Service” ist aus meiner Sicht das aktuelle Motto der Spielebranche. Dahinter verbirgt sich der Ansatz einen Titel nicht einfach nach 6-12 Monaten fallen zu lassen (oder noch früher), sondern stetig weiter mit neuen Inhalten zu versorgen. Quasi ähnlich wie man es schon lange von einem MMO kennt: Regelmäßig kleinere Updates und ab und zu ein größeres (kostenpflichtiges) Add-on. EverQuest (1999) hat beispielsweise bislang 21 Erweiterungspacks erhalten und die Zahl an veröffentlichten Updates lässt sich vermutlich nicht einmal mehr in 32bit ausgeben.
Der ökonomische Gedanke hinter diesem Trend ist eindeutig: Warum jedes Jahr ein komplett neues Spiel entwickeln, wenn ich mit wesentlich weniger Einsatz den aktuellen Titel noch 2-3 Jahre länger am Leben halten kann. DLCs waren da erst der Anfang, um die Spielerschaft davon abzuhalten direkt wieder zum nächsten Spiel zu wechseln, wenn das aktuelle nach wenigen Monaten schon wieder zu langweilig wurde. Dank (zumindest aus Publisher/Entwickler-Sicht) 24/7 vorhandener und unlimitierter Internetverbindung lässt sich schlimmstenfalls sogar das komplette Spiel austauschen. Da sind die vielen “Enhanced Editions” die mittlerweile auf den Markt kommen noch ein Witz im Vergleich zu dem, was vor allem im Indie-Bereich so läuft.
Extreme Makeover
Hero Siege ist vom Grundprinzip her zwar immer noch ein Endless-Roguelike Survivaldingsbums (schwierig zu beschreiben) aber mit der Version, die ich euch vor zwei Jahren vorstellte, hat es nur noch extrem wenig gemeinsam. Und das nicht nur in spielerischer, sondern auch technischer Hinsicht. Und den Spielern gefällt es: Als der Entwickler im Steamforum fragte, ob er weiter am Titel arbeiten oder sich an ein neues Projekt setzen soll, stimmte die Mehrheit für Hero Siege und gegen einen neuen Titel. Warum auch nicht? Der Großteil der neuen Inhalte ist für alle kostenlos und ein DLC kostet garantiert weniger als etwas komplett Neues. Zumal es keine Garantie gibt, dass das Neue einem überhaupt Spaß macht. Bei Smartphone-Apps ist die Sache übrigens gefühlt sogar noch schlimmer. Da lädt man Unschuldig ein Update herunter und schon wurde das komplette Spiel über den Haufen geworfen.
Insofern eindeutig eine Win-Win-Situation für beide Seiten. Die Spieler haben mehr und länger von ihrem Lieblingsspiel und sparen dabei auch noch Geld. Zumal bei der heutigen Schwemme an Neuveröffentlichungen (man wird mittlerweile praktisch ganzjährig erschlagen) das Argument “Wenn alle nur noch Services anbieten, gibt’s gar keine neuen Titel mehr” wenig Bedeutung hat. Auch deshalb, weil sich natürlich nicht jedes Genre/Spiel dafür eignet. Ja, The Witcher III: Wild Hunt hat 15+ DLC erhalten. Aber bei einem Solospiel ist dann doch irgendwann das Limit für die große Masse an Spielern erreicht. Mods erhöhen zwar auch hier die Lebenszeit noch einmal ein gutes Stück, aber darauf lässt sich auch der Großteil nicht ein. Bei einem Mehrspieler-Titel wie Star Wars: Battlefront sieht die Sache schon anders aus. Da lässt sich die Halbwertszeit definitiv stark erhöhen wenn eine kritische Masse an Spielern anfangs erreicht wurde. Und von einem Sportspiel brauchen wir erst gar nicht reden. Eine Version und jedes Jahr zur neuen Saison einen kostenpflichtigen DLC mit dem neuen Kader und die Spieler wären für einige Jahre glücklich selbst wenn es keine grafischen/spielerischen Verbesserungen als Update gäbe.
Das Problem
Der eine oder andere wird sich sicherlich schon die Frage gestellt haben, wie ich auf das Thema komme bzw. warum ich es überhaupt zum Thema mache. Wie ich schon geschrieben habe kann der Versuch einem Titel eine längere Lebenszeit zu geben erst einmal nicht schaden. Insofern bedarf es doch gar keiner Diskussion. Eine Fraktion hat aber ein massives Problem mit dieser Entwicklung: Die Spielejournalisten. Betraf es früher nur MMOs, die sowieso nach spätestens zwei Monaten aus dem Bewusstsein der Spielermasse verschwunden sind (Ausnahmen namens World of WarCraft bestätigen die Regel), gilt es heute eigentlich sehr viele Titel auch langfristig im Blick zu haben und eine entsprechend zyklische Berichterstattung durchzuführen. Aber darauf sind die meisten Redaktionen weiterhin nicht eingestellt. Der Test am Releasetag und vielleicht noch ein Guide und schon ist das Thema für alle Zeiten erledigt. Dass die Informationen schlimmstenfalls schon beim nächsten Patch völlig veraltet sind, wird weiterhin nur äußerst selten oder nur halbherzig berücksichtigt.
Das Ergebnis ist eine Momentaufnahme, die zwar am Releasetag den Käufer informiert. Aber wenn dieser sechs Monate später auf den Test stößt (was bei langlebigen Titeln ja zwangsläufig der Fall ist), dann erhält er womöglich ein völlig falsches Bild (sowohl im positiven als auch negativen Sinne). Da wäre es fast besser einen Test mit einem Verfallsdatum zu versehen und dann komplett aus dem Netz zu nehmen oder zumindest genau hinzuschreiben welche Version man behandelt hat. Und ja, da sehe ich auch mich in der Pflicht. Denn auf das Thema bin ich gekomme, als ich mal wieder im Archiv gestöbert habe und feststellen musste, dass vor allem bei meinen Angespielt-Berichten zu iPhone-Apps doch so einiges nicht mehr ganz so stimmt. Doch zurück zu den anderen.
Schwerer Wandel
Ich kann ja durchaus verstehen, dass noch kein Magazin wirklich soweit ist. Das würde ja voraussetzen, dass Kollegen das Spiel im Blick behalten oder sich zumindest eine Erinnerung in den Kalender setzen mal wieder reinzuschauen. Das ist im aktuellen Klima absolut unrealistisch und funktioniert mitunter selbst bei einem World of WarCraft-Add-on nicht, wo ja doch noch sehr viele Spieler ein Interesse dran haben. Außerdem ist es selbstverständlich nicht ganz so einfach abzuwägen, ob sich ein erneuter Bericht oder gar Test überhaupt lohnt (der Entwickler behauptet zwar, dass die KI signifikant verbessert wurde aber ob das stimmt?). Entsprechend sind es vor allem die High-Profile-Titel, die wenn überhaupt noch einmal überprüft werden. Hin und wieder vielleicht auch noch einer, den der jeweilige Redakteur auch noch privat spielt. Aber Titel, die im ersten Anlauf versagten und sich zwischendurch massiv verbessert haben? Vergesst es. Das Spielerinteresse ist vermeintlich schon wieder woanders und damit auch der Blick der Redaktion.
Wenn die Branche aber immer mehr in Richtung “Games as a Service” geht, dann muss sich an dieser Einstellung was ändern. Da reicht es auch nicht was Kotaku macht, wo immerhin eine kleine Handvoll Titel mittlerweile sechs bis zwölf Monate später eine neue Betrachtung erfahren – wenn auch nur mit im Vergleich zum Test massiv reduzierter Zeitinvestition. Da muss man wirklich hergehen und entweder das komplette System “Test” überdenken und in eine etwas flexiblere/fließender Form der Berichterstattung übergehen (quasi das Spiel nach Release längere Zeit begleiten) oder zumindest die Sache mit den Nachtests wesentlich konsequenter und regelmäßiger durchführen. Das wäre nicht nur fairer dem Entwickler gegenüber (er wird nicht ewig abgestraft obwohl die Kritikpunkte gar nicht mehr stimmen), sondern auch dem Spieler. Der kann zum einen besser einschätzen kann wie sehr sich der Hersteller um sein Spiel kümmert und zum anderen sieht ob die NoGos behoben wurden, die ihn bislang vom Kauf abhielten.