Crowdfunding ist eine Kunst, keine Frage. Und ich behaupte auch nicht, nur weil ich bald 200 Projekte unterstützt habe, dass ich in irgendeiner Art und Weise mit einer eigenen Kampagne eine Erfolgsgarantie hätte. Mal abgesehen davon, dass ich keinerlei Idee für eine Kampagne hätte . Aber in den Herbstkampagnen sind mir mal wieder ein paar Sachen aufgefallen, wo ich mich jedes Mal wieder Frage: Was soll das? Eine Crowdfunding-Kampagne ist schließlich kein Selbstläufer, sondern eine Hype-Maschine, die gehegt und gepflegt werden will, um erfolgreich zu sein. Okay, Letzteres stimmt leider nicht immer. Auch schlecht geführte Kampagnen schaffen es leider viel zu oft (meist grad so) über die Ziellinie. Aber worum geht es mir?
Die äußeren Faktoren
Es gibt Kampagnen, die haben es besonders schwer. Das kann viele Gründe haben. Das fängt mit dem Produkt an sich an. Zu ungewöhnlich, zu ungewohnt und schon wirft keiner Geld in den Topf. Ein weiterer ist die gewählte Crowdfundingplattform. So sind unter anderem Volume, Unbound oder selbst Fig noch keine so massiv bekannten Plattformen wie Kickstarter. Sprich weniger Leute stoßen zufällig auf die Kampagne und von denen halten sich zudem einige zurück, weil die Plattform komische Regeln hat (Unbound zieht z.B. den Betrag direkt ein und zahlt ihn nicht mehr aus, selbst wenn die Kampagne nicht erfolgreich ist) oder eben, weil sie noch zu unbekannt (=wenig Vertrauen) ist.
Auch die Journalisten halten sich mittlerweile – völlig zu Recht! – stark zurück so viel und so überschwänglich über Crowdfunding-Projekte zu berichten wie es 2012/2013 noch passiert ist. Nicht nur würde man den ganzen Tag nichts anderes mehr tun. Wenn am Ende eine Gurke rauskommt oder die Macher mit dem Geld davongerannt sind, wird den Magazinen ein wenig die Mitschuld gegeben als Teil der Hypemaschine. Da muss eine schon eine Demo vorliegen, die einen umhaut, um noch jemanden zum Schreiben zu animieren. Finde ich aber wie gesagt absolut gerechtfertigt und ist auch für die Backer (Unterstützer) eine super Sache, wenn es schon was zum Anfassen gibt (im Falle von Videospielen). Für den Kampagnen-Initiator macht es das aber natürlich schwer seine Zielgruppe zu erreichen, wenn er nur seine eigenen Kanäle hat.
Und damit sind wir beim eigentlichen Thema: Die Kommunikation während der Crowdfunding-Kampagne mit den aktuellen und potentiellen Unterstützern.
Keine Kommunikation
The Hero of Deathtrap Dungeon ist ein schwieriger Pitch. Videospielern ist Deathtrap Dungeon vielleicht grad noch so als ein Eidos-Titel aus dem Jahre 1998 bekannt – und selbst das vermutlich nur schwammig. Trotz leicht bekleideter Heldin (man konnte auch als Held spielen aber wer hat das schon gemacht), die sich durch einen Ära-typischen 3D-Dungeon kämpfen musste, kam es weder bei Kritikern noch Käufern gut an (ich hab’ glaube ich nur die Demo gespielt). Das Original, eine Reihe von “Adventure Gamebooks” (Mix aus “Wähl dein Abenteuer” und “Solo-Pen & Paper-Rollenspiel”) aus dem Jahre 1984, werden entsprechend noch weniger unter euch kennen. Sentinet Play wollte aber nun genau das über Fig finanzieren. Also ein Adventure Gamebook in Digital.
Ich fand es zusammen mit 893 anderen ganz spannend. Aber bei einem Ziel von 200.000 US-Dollar war das zu wenig. Ein Grund für das Versagen der Kampagne ist aus meiner Sicht die fehlende Kommunikation. Ganze acht Updates wurden während der Laufzeit nur veröffentlicht. Und diese sind dann auch noch alle Belanglos und ohne Gefühl (=hingeklatscht). So lockt man keinen vor dem Ofen hervor. Das hat mehr wie “ach, wir stellen da mal eine Kampagne ein – kann ja nicht schaden” gewirkt als ein echtes “Gebt uns euer Geld! YEAH!”. Dass da weder eine Community entsteht, die für ordentliche Mund-zu-Mund-Propaganda sorgt noch irgendwelche Presseberichterstattung stattfindet, dürfte klar sein.
Und sowas passiert tatsächlich öfters als man glauben mag – selbst bei erfahrenen “Crowdfundern”. Das neuste Buch von Read-Only Memory, Japansoft: An Oral History, wurde auf Volume überhaupt nicht begleitet. Die Kampagne, wenn man sie so überhaupt nennen mag, fand allein auf Twitter statt. Da ist es eigentlich schon erstaunlich, dass das Ziel nicht nur erreicht, sondern sogar übertroffen wurde. Zeigt aber wiederrum, wie wichtig eine gute Community ist. Wenn ROM nicht schon zig herausragende Bücher herausgebracht hätte (die meisten über Kickstarter-Kampagnen finanziert), wäre die Sache sicherlich anders ausgegangen. Ich habe es auch nur deswegen unterstützt.
Lektion 1: Nicht einfach nur die Crowdfunding-Kampagne starten und sich zurücklehnen, sondern diese aktiv begleiten.
Automatisierte Kommunikation
Aktiv begleiten bedeutet aber nicht einfach nur ein festgelegtes Programm abspulen und/oder die Unterstützer mit Updates erschlagen (wir kriegen jedes Mal eine Mail!). Für das isometrische Rollenspiel Encased (ein Mix aus Fallout und S.T.A.L.K.E.R.) wurden während der 30-tägigen Kampagne 27 Updates veröffentlicht. Die meisten davon eindeutig vorab vorbereitet. Ja, es ist schön mehr über die Inhalte des Spiels zu erfahren und dabei sich nicht nur auf das Gameplay zu konzentrieren, sondern auch die Spielwelt oder die Geschichte zu behandeln. Aber es war für mich einfach zu viel und das hauptsächlich, weil ich das Gefühl hatte es wird einfach nur ein Update-Plan abgespult. Von wegen “Tag 3 bringen wir den Text über die Geschichte des Helden”. Das macht die Sache genauso unpersönlich wie die Kampagnen, in denen überhaupt keine Kommunikation stattfindet.
Es muss einen Plan geben, keine Frage. Und man sollte Inhalte vorbereitet haben, um die Unterstützer bei der Stange zu halten. Aber man muss auch spontan sein und auf das reagieren, was gerade passiert. Nein, nicht nur den nächsten Meilenstein wie “50% funded!” feiern. Das ist doch ebenso nur ein vorgefertigter Eintrag. Sondern auf die Berichterstattung und Kommentare eingehen. Die Updates ein Stück weit daran anpassen, was die Leute lesen wollen oder dazu animiert was in den Topf zu werfen. Ein Update über die Gestaltung der Weltkarte ist nett und freut vielleicht die Typen von RPG Codex aber von denen gibt es doch eh kein Geld. Die wollen gefühlt nur weiter ihre Rollenspiele aus den 70igern spielen.
Das Paradebeispiel ist für mich mein allerster unterstützter Kickstarter, The Order of the Stick Reprint Drive. Ja, das waren auch drei Dutzend Updates in 30 Tagen aber man hat Rich Burlew angemerkt, dass er vom Erfolg überwältigt war und er aktiv zusammen mit seiner Community die Kampagne vorangetrieben hat. Die Belohnung waren 1,2 Millionen US-Dollar (von angepeilten 60.000 US-Dollar). Und ja, dass mehr an Geld hat teilweise zu Verschiebungen geführt aber nur bei den Bonussachen. Das eigentliche Ziel wurde pünktlich und wie erwartet erfüllt.
Lektion 2: Lebendige Updates. Nicht nur den Plan abspulen, sondern zeigen, dass man aktiv mit dabei ist.
Verzweifelte Kommunikation
Die letzte Kategorie sind Kampagnen bei denen ich immer kurz davor bin meine Unterstützung doch wieder zu entziehen. Die, die nur schwerlich auf ihr Ziel zusteuern und die Wahrscheinlichkeit, dass sie es erreichen mit jedem Tag sinkt. Teilweise schleppen sie sich tatsächlich noch über die Ziellinie aber das ist im Ergebnis oft auch nur bedingt gut (weil die Kalkulation zu knapp war). Häufiger schaffen sie es aber nicht. Dann wird entweder mehr oder weniger früh die Reißleine gezogen oder die Kampagne siecht bis zum bitteren Ende vor sich hin. Das Problem dabei ist, dass manche dann zu einer ziemlich weinerlichen/nervigen/verzweifelten Kommunikation übergehen oder Kurzschlusshandlungen vollziehen. Da schäme ich mich mitunter, dass mein Name bei den Unterstützern steht. Starflight 3: Universe hat am Ende sogar ein Elon Munsk-Bundle angeboten und ihn angeschrieben, in der Hoffnung, dass er sie noch über die Ziellinie trägt. Es hat zum Glück nicht gereicht. Andere bitten ihre bereits vorhandenen Unterstützer nochmal Geld drauf zu legen von wegen “Wenn jeder von euch nochmal einen Euro reinpackt, dann schaffen wir es!!!!” oder “Schreibt doch nochmal alle eure Freunde an!”. Ja, ne lass mal.
Manchmal werden dann sogar plötzlich Strech Goals nach unten korrigiert, um mehr Leute anzulocken. Vor allem Umsetzungen für andere Plattformen wie PS4 und Switch, die sicherlich einen Haufen Geld kosten aber bei den Leuten gut ankommen. Wenn in so einem Fall die Kampagne doch noch erfolgreich ist, könnt ihr euch an einer Hand abzählen wie das mit diesen Umsetzungen ausgehen wird, wenn eigentlich zu wenig Geld dafür eingenommen wurde. Vor allem da schon für das eigentliche Hauptspiel meist die Finanzen nicht korrekt ausrechnet wurde.
Lektion 3: Wenn das Ziel nicht erreicht wird, wird es nicht erreicht. Lebe damit und nimm es wie ein Mann/Frau/Divers.
Epilog
So viel erst einmal dazu. Gibt zum Thema “Kommunikaiton” sicherlich noch viel, viel mehr zu sagen aber heute lagen mir diese Sachen auf dem Herzen, weil sie mich wirklich besonders aufgeregt haben in den letzten Wochen. Bitte? Ich beschäftige mich viel zu viel mit Crowdfunding? Möglich . Es werden darüber schließlich durchaus viele nette Produkte finanziert, die wir anders vielleicht gar nicht oder nur in anderer Form erhalten würden. Und mehr Geld für den eigentlichen Hersteller statt für den Zwischenhändler bin ich sowieso grundsätzlich ein Fan von. Obwohl ein Publisher durchaus seine Vorteile hat (z.B. überambitionierte Projekte zur Realität zurückführen). Vielleicht regt mich das deswegen so sehr auf, wenn mal wieder bei einer Kampagne aus meiner Sicht totaler Blödsinn verzapft wird. Ich möchte ja schließlich, dass der Ersteller Erfolg hat und ich ein tolles Produkt bekomme.
Müsste wahrscheinlich mal ein Buch mit Tipps fürs Crowdfunding schreiben – natürlich über einen Kickstarter finanziert. Wäre schließlich die beste Werbung. Nun aber genug davon, denn wir lesen uns schon heute Abend wieder mit dem traditionellen Weihnachtsgruß!