Was ist schöner als ein Buch zu lesen? Drei Stück hintereinander natürlich! Und was eignet sich da besser als Der Ewige Krieg in der Gesamtausgabe vom Mantikore Verlag. Irgendwie vergleichsweise schwierig an diese Version von Joe Haldemans SciFi-Klassiker heranzukommen. Dabei würde man erwarten, dass sie den Markt damit überschwemmen würden. Schließlich ist es quasi die deutsche “Director’s Cut”-Version.
Enthalten sind neben der ursprünglichen Version von Der ewige Krieg (Haldeman musste 1974 den mittleren Teil zusammenkürzen) auch die direkte Fortsetzung Am Ende des Krieges von 1999 sowie Der ewige Friede von 1997. Das hat zwar nichts mit den beiden anderen Büchern zu tun, passt aber thematisch halbwegs dazu. Alle drei Bücher wurden für diese Veröffentlichung komplett neu durch Verena Hacker übersetzt. Zusätzlich enthält das 800 Seiten starke Hardcover-Gebinde ein Vorwort von Joe Haldeman und ein Interview mit ihm. Und das alles für 29,95 Euro. Da kann man sich definitiv nicht beschweren. Aber viel wichtiger als die Aufmachung ist natürlich der Inhalt.
Der Ewige Krieg (The Forever War, 1974)
In seinem erfolgreichsten Roman verarbeitet Joe Haldeman seine traumatischen Erfahrungen im Vietnamkrieg. Aber anstatt die Handlung einfach in diesen Krieg zu verlegen, spielt das Ganze in der “Zukunft”. In Anführungszeichen deshalb, weil in der Originalfassung die Handlung im Jahr 1997 beginnt. Da war Haldemann dann doch etwas zu optimistisch, dass wir bis dahin bereits den Weltraum kolonisiert haben. Erst in der Neuauflage wurde der Start ins etwas realistischere Jahr 2297 verlegt.
Die Hauptfigur ist William Mandella, der aufgrund eines neuen Wehrpflichtgesetzes in die Armee eingezogen wird. Nach der Entdeckung von Kollapsarsprüngen begegnet die Menschheit schon bald einer fremden Rasse, die sie Taurier taufen. Und was macht Mensch, wenn er etwas fremden begegnet? Es angreifen und ihm den Krieg erklären, was sonst. Kollapsarsprünge erlauben es in Überlichtgeschwindigkeit zwischen zwei kollabierten Sternen hin- und her zu zu reisen, was die notwendige Zeit entsprechend um ein Vielfaches reduziert. Aber wie hat schon Einstein gesagt? Zeit ist relativ. Und hier kommt der Twist des Buchs ins Spiel: Während für die Soldaten auf den Raumschiffen dank der Kollapsarsprünge nur Monate vergehen in denen sie von Schlachtfeld zu Schlachtfeld fliegen und im Kampf gegen den unbekannten Feind ihr Leben verlieren, rinnen auf der Erde Jahrzehnte, Jahrhunderte und Jahrtausende dahin.
Und genau diese fiese Diskrepanz macht den Reiz dieses Werks aus. Die zugrundeliegende Moral ist wie bei jedem Antikriegsroman, dass Krieg sinnlos ist, Veteranen sich am Ende nicht mehr in der Normalität zurechtfinden und man es einfach sein lassen sollte. Aber es ist selten so eindrucksvoll beschrieben wie hier. Das sind auf der einen Seite die bedrückenden Erzählungen der Schlachten und auf der anderen Seite die Tatsache, dass Mandella nach jedem Feldzug quasi in die Zukunft zurückkehrt. Er sieht sich immer und immer wieder einer völlig veränderten gesellschaftlichen Situation ausgesetzt, die nicht nur seine eigenen Erfahrungen und Glaubensgrundsätze sowie ultimativ seinen Platz im gesamten Universum in Frage zu stellen. Es geht auch weit über den Umstand hinaus, dass er alle die er jemals kannte und liebte verliert ohne an ihrem Leben wirklich teilgenommen zu haben. Nein, wir reden von einem beschleunigten Blick auf die Evolution der Menschheit mit dem er – so viel sei gesagt – nur schwerlich zurechtkommt und quasi nur deshalb wieder in die Armee zurückkehrt. Am Ende des Buchs sind immerhin 881 Realjahre vergangen während er kein Jahrzehnt älter geworden ist.
Beim Christoph meint: Ich hatte das Buch bereits in der alten Übersetzung und vermutlich der gekürzten Form gelesen. Aber obwohl ich mich noch grob daran erinnern konnte worum es geht und was am Ende passieren wird, hat es mich doch wieder mitgerissen. Keine der knapp 220 Seiten ist langweilig. Man fiebert mit Mandella und seinem Trupp in den Übungen und Gefechten mit und man ist gespannt darauf, welche Entwicklung die Menschheit in der Zwischenzeit vollzogen hat. Das Ergebnis ist logischerweise überraschend und – wie es sich für einen Antikriegsroman gehört – entspricht nicht unbedingt immer der Hochglanz-SciFi-Fantasien wie sie z.B. in Star Trek: The Next Generation propagiert wird. Definitiv zu Recht eine vielfach ausgezeichnete Pflichtlektüre, der leider absolut nichts von seiner Aktualität verloren hat. Wundert mich tatsächlich, dass bis heute keine Verfilmung passiert ist (Ridley Scott hatte es mal versucht, wurde aber nichts draus). So kompliziert ist der Stoff aus meiner Sicht dann doch nicht.
Am Ende des Krieges / Voyagers (Forever Free, 1999)
Achtung: Es folgen Spoiler für das Ende von Der Ewige Krieg.
Die Fortsetzung von Der Ewige Krieg setzt fast direkt an das Ende an. Der Krieg ist beendet, die Menschheit besteht nur noch aus einer Reihe von Klonen mit einem Kollektivbewusstsein und die wenigen Veteranen, die sich nicht dem Kollektiv angeschlossen haben wohnen quasi in einem Reservat auf dem Eisplaneten Mittelfinger. Auch Mandella und seine Frau Marygay haben sich dazu entschieden sich hier niederzulassen und eine Familie aufzubauen. Doch sie sind wie viele der Veteranen unzufrieden. Während der Mensch es sich gut gehen lässt und alle Annehmlichkeiten genießt, müssen sie sich als Bauern verdingen, die jahrelangen und sehr harten Winter versuchen zu überleben und sich in Kommunen organisieren. Außerdem ist ihnen klar, dass sie nur noch deshalb existieren, weil sie quasi das “Backup” für den Mensch sind, falls doch mal was schiefgeht und er einen neuen Genpool braucht. Kein Wunder, dass der Wunsch nach Widerstand wächst.
Doch statt zu versuchen Mittelfinger zu erobern, planen Mandella und Marygay stattdessen zusammen mit 150 anderen Freiwilligen das “Zeitreiseschiff” (es springt ständig zwischen zwei Kollapsaren hin- und her) zu nutzen (mit dem hatte Marygay am Ende von Der ewige Krieg fast 300 Jahre auf Mandella gewartet), um 40.000 Jahre in die Zukunft zu reisen. Die Hoffnung ist, dass bis dahin der Mensch nicht mehr existiert und wieder alles gut und toll wird.
Gut aber…
Obwohl das Buch nur knapp 200 Seiten lang ist, ist der Einstieg recht langatmig. Es ist nicht sehr spannend zu erfahren wie eine Scheune aufgebaut wird oder mehrere Kapitel darüber zu lesen wie langweilig doch das Leben auf Mittelfinger ist. Das war mir schon direkt am Anfang klar. Aber nach der initialen Hürde nimmt das Buch an Fahrt auf und es ist erneut spannend zu lesen was mit Mandella und seiner Revolte so passiert. Es ist in dem Sinne eine etwas klassischere Erzählung als Der Ewige Krieg aber nicht minder spannend. Abseits der SciFi-Elemente geht es eben hauptsächlich um einen Menschen, der mit seiner Situation unzufrieden ist. Sowas muss nicht zwingend in der Zukunft spielen. Blöd nur, dass Haldeman aus meiner Sicht das Ende völlig in den Sand gesetzt hat. Das Finale von Mass Effect 3 war dagegen Pulitzer-Preis-verdächtig.
Achtung: Es folgen Spoiler für das Ende von Am Ende des Krieges
Die Reise mit dem Raumschiff ist kürzer als gedacht und sie kommen schon 24 Jahre später wieder auf Mittelfinger zurück an. Dort stellen sie fest, dass niemand mehr da ist. Sie wurden alle im Affekt ausgelöscht (nur die Klamotten blieben zurück). Nach etwas Wiederaufbauarbeit fliegt dann ein kleiner Trupp zur Erde, um dort nach dem Rechten zu sehen. Sie landen in der Nähe von Disneyland (erster blöder Punkt) und treffen auf eine angeblich uralte Rasse von Formwandlern. Die kommen aber nicht so wirklich zur Geltung, da plötzlich einzelne Personen anfangen einfach so zu explodieren. Dann erscheint eine Art Gott und sagt, dass ihm das alles zu langweilig ist und er deshalb das Experiment eigentlich abbrechen wollte (deshalb der Verschwindibus der Leute). Warum auch immer macht er es dann doch nicht, holt alle wieder zurück und schon geht das Leben wieder weiter. Super…
Spoiler Ende
Beim Christoph meint: Am Ende des Krieges kommt nicht an Der Ewige Krieg ran. Vor allem das Ende versetzt mich immer noch in Weißglut. So total dämlich. Als wäre ihm nichts mehr eingefallen oder er hat gesehen, dass er auf die 200 Seiten zugeht und wollte schnell fertig werden. Keine Ahnung. Und der Anfang ist wie geschrieben auch sehr mühselig, weshalb ich mich etwas zwingen musste weiter zu lesen. Aber sobald die Geschichte an Fahrt aufnimmt ist es erneut spannend und interessant und man fiebert mit. Als eigenständiges Werk absolut nicht von Interesse aber für Fans des Vorgängers ist es ganz nett noch ein paar Stunden mehr Zeit mit Mandella und Marygay verbringen zu können. Als essentielle Lektüre würde ich es jedoch nicht bezeichnen.
Der ewige Friede / Soldierboy (Forever Peace, 1997)
Mit knapp 250 Seiten das Längste der drei Bücher, dreht sich hier alles um Julian Class. Der ist im Jahr 2040 nicht nur Professor an einer Uni, sondern auch Soldat. Aber in der Zukunft kämpfen die Leute natürlich nicht mehr selbst an der Front. Stattdessen kommen sogenannte Soldier und Fly Boys zum Einsatz. Das sind Drohnen zu Lande und in der Luft, die von einem Stützpunkt irgendwo in Amerika aus gesteuert werden. Allerdings nicht mit Joystick und so, wie wir das heute kennen, sondern eher in Richtung AVATAR (vielleicht hatte James Cameron sogar die Idee daher). Sprich im Stützpunkt liegen die Operatoren in Tanks, sind zu einem kollektiven Bewusstsein mit ihren Kameraden zusammengeschlossen und steuern dann aus der Ferne die Roboter auf dem Schlachtfeld. Allerdings ist der Kampf ziemlich einseitig, denn die Aufständischen in der Dritten Welt haben diesem Hightech-Geräten quasi nichts entgegen zu setzen. Ja, der Krieg wirkt erneut ziemlich sinnlos und scheint nur dazu da zu sein die Wirtschaft anzukurbeln. Es ist eben wieder ein Antikriegsroman. Sterben können die Operatoren natürlich trotzdem. Kennen wir ja aus Film und Fernsehen, dass es beispielsweise zu einer Überlastung der Nerven kommt, wenn dem Roboter der Arm gebrochen wird und sowas. Aber auch andere gesundheitliche Probleme können durch die Nutzung der Tanks entstehen (hat ja leider nie etwas nur Vorteile).
Abseits des Krieges arbeitet der “zivilisierte” Teil der Menschheit hingegen am Jupiter-Projekt. Quasi die Mega-Version des Teilchenbeschleunigers in CERN, der von automatischen Robotern um den Jupiter herum aufgebaut wird und noch genauer die Situation zum Urknall simulieren soll. Allerdings entdecken Julian und ein paar seiner Wissenschaftlerfreunde, dass es eher zu einem erneuten Urknall führen könnte und das Projekt gestoppt gehört. Was wiederrum ein paar Leute (obwohl sie dann ebenfalls tot wären?) ganz gut finden. Es folgt ein Rennen gegen die Zeit und für das Wohl der Menschheit.
Im Prinzip ist Der ewige Friede zwei Roman in einem. Der eine ist die spannende Erzählung um eine Gruppe von Revoluzzern, die versuchen die Menschheit zu retten und die nächste Evolutionsstufe einzuleiten. Die andere ist die nicht weniger interessante Erzählung von Julian, seiner Freundin Amelia und seinen Kameraden, die mit dem Krieg im Allgemeinen, ihren Taten dort und der ganzen Sache mit dem kollektiven Bewusstsein zurechtkommen müssen.
Beim Christoph meint: Ähnlich wie bei Am Endes des Krieges empfand ich den Einstieg etwas mühsam und ich dachte schon fast, dass ich das Buch nicht zu Ende lesen werde. Mein Gedanke war quasi “Langweilig. Alles schonmal gesehen/gelesen/gehört”. Zum Glück bin ich aber am Ball geblieben, denn nicht nur wartet die Geschichte mit einigen überraschenden Wendungen auf. Es ist sogar das Ende nicht total an den Haaren herbeigezogen (wenngleich etwas überdreht). Sobald die Geschichte an Fahrt aufnimmt ist sie außerdem erneut äußerst spannend zu lesen. Zum einen fand ich es sehr interessant mehr über diese Welt zu erfahren, in denen einige Leute Anschlüsse haben und sich so zu einem Bewusstsein zusammenschließen können. Schließlich hat es sowohl Vor- als auch Nachteile, die Haldeman über seine Charaktere (Amelia hat keinen Anschluss) sehr gut transportiert und greifbar macht. Zum anderen ist es dann wie in einem guten Krimi, wenn die ganze Sache mit “Stoppt Jupiter” losgeht und sich die Truppe rund um Julian ständig auf der Flucht befindet. Absolute Leseempfehlung!
Ich habe die Bücher auch sehr gerne gelesen und finde das erste mit Abstand am besten. Das Ende vom zweiten ist wirklich etwas abrupt. Im Kern fand ich den Gedanken aber durchaus interessant.
Kennst du die Hyperion Gesänge von Dan Simmons? Das ist mein absolutes Lieblings-SciFi-Buch. So etwas gutes habe ich nie wieder gelesen, auch wenn durchaus eine Menge gutes Zeug dabei war.
Ne, von Simmons haben wir aktuell nur Endymion im Regal stehen aber ich auch noch nicht gelesen. Werd’ mir die Gesänge mal notieren.
So viel zu lesen, so wenig Zeit…
Die Gesänge auf alle Fälle zuerst – das sind ja die ersten Teile!
Da bin ich übrigens mal über eine Rezension von Schmidt und Lott (?) drauf gekommen und obwohl es ja echt nicht immer gut ist, wenn etwas viele Vorschusslorbeeren bekommt – da hatten sie wirklich recht.
Guter Hinweis. Das hatte ich überlesen. Ja, dann natürlich erst die anderen Hyperion-Bücher.