Sicarius

Eine Dampfverbindung

Steam Link Box (Herstellerbild)

In-Home-Streaming ist grundsätzlich nichts Neues für Valve. Das gibt es auf Steam schon seit 2014. Valve hat damals sogar extra eine Hardwarebox namens Steam Link rausgehauen. Der Erfolg hielt sich leider in Grenzen. Passiert.

Zur Erinnerung: Dank In-Home-Streaming könnt ihr einen Rechner quasi als Spieleserver (Filme gehen natürlich auch) missbrauchen und über andere Rechner und Fernseher innerhalb des gleichen Netzwerks zocken. Keine sonderlich komplizierte Sache tatsächlich. Das Spiel wird einfach direkt oder remote auf dem Hostrechner gestartet (nicht vergessen dort die Boxen auszuschalten!) und dann per Desktop Sharing Vollzugriff gewährt, damit ihr die Steuerung übernehmen könnt. Vorteil ist, dass ihr so das Spiel auf dem Client in besseren Einstellungen zocken könnt als es der Client an sich zulassen würde, da es auf besserer Hardware gestartet wurde.

Ja, es macht aus meiner Sicht wenig Sinn zwischen zwei gleichwertigen Rechnern zu streamen außer man möchte die aktuelle Gaming-Session so kurz wie möglich unterbrechen, denn ja: Ein weiterer Vorteil ist, dass ihr fließend weiterzocken könnt. Quasi vom Hauptrechner aufstehen, den Ersatz in die Hand nehmen und weiter geht’s. Nintendo-Switch-Besitzer machen das vermutlich den ganzen Tag so.

Der einzige Knackpunkt bei sowas ist die benötigte Bandbreite und die Latenz. Macht schließlich keinen Spaß z.B. in GRID Autosport das Lenkrad nach rechts einzuschlagen und dann doch gerade aus in die Band zu fahren, weil das Spiel nicht rechtzeitig reagiert hat. Aber im eigenen Netzwerk sollte das normalerweise selbst über WiFi nicht das große Problem sein.

Die App

Die Steam Link App kommt ohne Firlefanz aus.

Vor fast genau einem Jahr brachte Valve dann die Steam Link-App raus. Wie der Name schon andeutet, erfüllt sie die gleiche Funktion wie die physikalische Steam Link Box aber eben nur in Softwareform. Damit ist es nun nicht mehr nur möglich von Rechner zu Rechner zu streamen, sondern eben auch von Rechner zu Smartphone oder jedes andere beliebige Gerät mit entsprechendem Betriebssystem. Ursprünglich geplant für Android, Raspberry Pi und iOS, verweigerte Apple der App jedoch die Freigabe, weil sie angeblich gegen irgendwelche Regeln verstoßen würde. Ich kam also leider nicht in den Genuss davon. Ich weiß: Jetzt lachen sich wieder alle ins Fäustchen von wegen “Selbst schuld, wenn man völlig überteuerte und total restriktive Hardware benutzt!”.

Aber man soll bekanntlich niemals nie sagen: Seit letzter Woche gibt es Steam Link völlig überraschend für iOS. Angeblich ein Hauptgrund für die jetzige Genehmigung und auch gleichzeitig mein erster Kritikpunkt: Der Zugang zum Steam Store ist über Steam Link nicht möglich (allerdings schon seit Juni 2018). Ist für mich unverständlich, dass das eine Auswirkung gehabt haben soll, schließlich gibt es eine offizielle Steam Mobile App über die ich unter anderem (viel zu viele) Spiele kaufen kann. Aber gut: Mit der Begründung kann man natürlich ebenso sagen, dass das Fehlen der Funktion dann doch nicht ganz so schlimm ist. Und dem stimme ich zu.

Die Nutzung

Als jemand, der zeitweise lieber Faul im Bett liegt statt am Rechner zu sitzen während selbiger im angeschalteten Zustand nutzlos im Nebenraum steht, habe ich mir die Steam Link App selbstverständlich sofort geholt.

DOOM (2016) auf einem Smartphone? Geil!

Die Einrichtung geht fix: Nach dem Start macht er einen Bandbreitentest und sucht im Netzwerk einen Rechner mit offener Steam-Applikation. Sobald er ihn findet, müsst ihr dort einen kleinen Bestätigungscode eingeben und das wars. Ein weiterer Klick und auf dem Host wechselt Steam in den Big Picture Mode und die Übertragung beginnt. Ihr könnt natürlich noch einen Controller verbinden, wenn euch Touch Control nicht so liegt und ein paar Einstellungen wie z.B. die Streaming-Qualität vornehmen. Aber alles in allem ist die App sehr schlank und man ist sofort mittendrin.

Der erste Eindruck

Was mir als erstes aufgefallen ist: Die App zwingt den Host nicht in einen exklusiven Modus. Das hat positive wie negative Seiten. Eine tolle Sache ist, dass z.B. auch die Musik aus Winamp (ja, ich benutze immer noch Winamp :smile: ) direkt übertragen wird. Hier schafft er es sogar (anders als bei den Spielen) die Musik dann nicht mehr über die Boxen des Hosts laufen zu lassen, sondern nur noch über den Client.

Gleichzeitig kann jeder weiterhin am Host rumhantieren wie er möchte und euch damit als Client das Leben schwer machen. Kennt der ein oder andere vielleicht noch von LAN-Parties wo lustige Gesellen euch heimlich Fernsteuerungssoftware auf den Rechner gepackt haben und eure Maus bewegten. Ja, wir waren alle mal “wahnsinnig tolle” Hacker :wink: . Das hat natürlich den Vorteil, dass ihr im Fehlerfall nicht vom Host ausgeschlossen seid. Aber kann in einem Mehrfamilienhaushalt vor allem mit Kindern sicherlich zur ein oder anderen Unterbrechung führen.

Der dritte Punkt ist technisch gesehen im hauseigenen Netzwerk nicht ganz so schlimm, aber ich kann mir durchaus Situationen vorstellen, wo das etwas doof ist: Ihr habt nicht nur Zugriff auf Steam, sondern technisch gesehen auf den vollständigen Rechner. Steam Link ist im Kern halt einfach nur eine Desktop-Sharing-App. Dazu müsst ihr schlicht den Big Picture Mode beenden und schon seid ihr auf dem Desktop. Die mögliche Spionage- und Sabotagefunktion geht sogar so weit, dass wenn ihr mehrere Monitore habt er immer den Monitor in der App darstellt, auf dem sich gerade die Maus befindet.

Die Bedienung

Große Buttons für große Finger

Da alles andere gesperrt ist, bleibt euch nach der Verbindung nichts anderes übrig als in eure Spielebibliothek zu wechseln. Hier habt ihr alle Funktionen, die ihr erwarten würdet sowie ein paar mehr. So könnt ihr natürlich filtern und suchen aber sogar Spiele auf dem Host deinstallieren und installieren, eure Steam-Downloads managen, Konfigurationen vornehmen und so weiter. Nur eben weder neue Spiele noch DLCs kaufen. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Es ist einfach Steams Big Picture Mode. Er funktioniert und man kommt relativ zügig zum Starten des Wunschspiels. Die Bedienung wurde dazu nicht grundsätzlich verändert.

Steam Link stellt euch sowohl für die Navigation im Big Picture Mode als auch in den Spielen selbst drei Bedienarten zur Verfügung: Gamepad, Maus oder eine Kombination aus beidem. Ihr könnt jederzeit per Knopfdruck zwischen jedem Modus wechseln. Außerdem steht euch auf Knopfdruck immer eine Tastatur zur Verfügung. Ihr müsst also nicht zwingend per Gamepad irgendwelche langen Eingaben tätigen, um z.B. ein Spiel zu suchen. Alle Eingabearten haben ein Standardlayout, welches ihr aber relativ frei konfigurieren könnt.

Sind euch beispielsweise wie mir (dicke Wurstfinger!) die Gamepad-Buttons zu klein, könnt ihr sie einfach größer ziehen. Fehlen euch Buttons (z.B. eine 8. Maustaste – ja, ihr lest richtig), könnt ihr sie einfach auf den Bildschirm ziehen. Er merkt sich diese Einstellung dann auch – allerdings anscheinend nicht pro Spiel, sondern nur grundsätzlich. Das ist insofern ungünstig, da man natürlich je nach Titel mitunter mehr oder weniger Buttons braucht und zumindest auf einem Smartphone ist der verfügbare Platz auf dem Bildschirm jetzt nicht ganz so groß.

Die Gaming-Experience™

Endlossrunner gehen immer.

Aber kommen wir doch endlich mal zum Wesentlichen: Das Spielen. Funktioniert es und ist es praktikabel? Die Antwort ist: Ja, es funktioniert aber ob es praktikabel ist hängt vom gewählten Spiel, euren Bedienungsoptionen sowie eurer verfügbaren Bandbreite ab. Je mehr das Netz belastet wird, desto geringer wird selbstverständlich die Übertragungsqualität und darunter leidet nicht nur die Darstellung, sondern – viel wichtiger – auch die Latenz. Im Schlafzimmer hatte ich jedoch keine Probleme in der Hinsicht. Selbst etwas hektischere Titel wie Audiosurf 2 gingen einwandfrei von der Hand. Und in allen anderen getesteten Titeln hatte ich ebenso wenig das Gefühl, dass meine Eingaben irgendwo im Äther verschwinden wurden.

Andererseits ist es eben nur bedingt sinnvoll DOOM (2016) mit Touch Controls auf einem Minibildschirm zu zocken. Ja, es geht natürlich prinzipiell und es ist grundsätzlich eine saugeile Sache so einen anspruchsvollen Titel auf dem Smartphone zu zocken. Aber zumindest ich will das definitiv nicht längere Zeit tun. Da gibt es bessere Kandidaten wie das bereits erwähnte Audiosurf 2 oder TRON RUN/r. Selbst Crypt of the NecroDancer hat anders als The Binding of Issac: Rebirth ganz gut funktioniert. Bei digitalen Brettspielen wie Talisman: Digital Edition ist hingegen die Einschränkung, dass ihr sehr oft manuell hinein zoomen müsst, um was sehen zu können. Insofern ginge sogar ein Crusader Kings II aber auch hier überschreiten wir aus meiner Sicht die Grenze der Praktikabilität. Mit angeschlossenem Controller kann ich mir hingegen ein Beat ’em up wie BlazBlue: Calamity Trigger ganz gut vorstellen. Ohne habe ich es jedoch nur grad so das erste Level von Ragnas Kampagne geschafft.

Einen Visual Novel im Bett erleben? Perfekt!

Perfekt ist das In-House-Streaming auf mein iPhone 6 Plus hingegen für Visual Novels muss ich sagen. Ich weiß, ist keine Überraschung wenn man sich den App Store so anschaut aber egal. Man muss keine speziellen Bedienlayouts definieren (normaler Mausmodus reicht), die benötigte Bandbreite ist übersichtlich, der Text ist gut zu lesen, die Bilder kommen weiterhin zur Geltung und ich kriege keinen Krampf in den Fingern vom ständigen Herumgeschiebe auf dem Bildschirm. Das wird vermutlich dann auch erst einmal mein Haupteinsatzfall für Steam Link sein. Hab’ ja mittlerweile einige (ja, nicht nur jugendfreie) Spiele aus diesem Genre, die ich endlich mal erleben möchte. Juniper’s Knot habe ich beispielsweise am Wochenende beendet (dauert nur 60 Minuten, ist eine absolute Empfehlung und kostenlos!) und mit Dysfunctional Systems: Learning to Manage Chaos angefangen.

Fazit

Aus meiner Sicht hat Valve mit der Steam Link App mal wieder was Anständiges abgeliefert. Ja, der Nutzen ist abhängig davon welches Gerät und welche Art der Bedienung euch zur Verfügung steht und welches Spiel ihr spielen wollt. Aber das ändert nicht daran, dass es echt praktisch ist jetzt auch mit mobileren Geräten als nur Laptops überall und unterwegs (solange das eigene Netzwerk in Reichweite ist) auf seine komplette Steambibliothek zugreifen und zocken zu können. Musste man beispielsweise früher wegen dem Ruf der Natur die Spielesession unterbrechen, kann man direkt das Smartphone anwerfen und auf dem Klo weiterzocken. Was leben wir doch in einer fantastischen Welt.

In diesem Sinne: Bis Montag!

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