Zur Erinnerung: 2012 und 2013 hatte ich insgesamt 103 Crowdfunding-Projekte (damals noch ausschließlich auf Kickstarter) unterstützt. 22 davon waren nicht erfolgreich, 58 wurden in der Zwischenzeit tatsächlich komplett abgeschlossen (alle Rewards wurden ausgeliefert) und die restlichen 23 sind in diversen Stadien von “könnte vielleicht noch was kommen” bis “Geld zum Fenster rausgeworfen” versackt.
Ganz schön viel (Geld) aber das waren eben die euphorischen Anfangsjahre in denen speziell im Videospielebereich nicht nur viele ihr Glück versuchten, sondern auch die Bereitschaft von Leuten wir mir offensichtlich noch Größer war etwas in den Topf zu schmeißen. Als dann allerdings die ersten Projekte sich verschoben, im Nichts verschwanden oder das Ergebnis nicht die (meist viel zu hohen) Erwartungen erfüllte, machte sich Ernüchterung breit. Die Konsequenz: In den Jahren 2014-2015 habe ich insgesamt nur 28 Projekten mein hart verdientes Geld zugestanden. Zugegeben: Das war die Zeit in der sich meine Lebenssituation anfing stark zu verändern. Erst der Wechsel nach Nürnberg Ende 2013, dann die drastische Reduzierung meines Spielekonsums und der Umzug nach Darmstadt in 2014 und dann 2015 die ganze Sache mit Lysanda. Da blieb nicht viel Platz für Crowdfunding – schon gar nicht für Videospiele. Trotzdem: Ich habe nach den Erfahrungen in 2012/2013 definitiv auch angefangen genauer darauf zu achten, wem ich mein Geld in den Rachen werfe. Mit Erfolg? Schauen wir es uns die beiden Jahre doch mal genauer an.
Das Crowdfunding-Jahr 2014
“Nur” elf Projekten habe ich 2014 für würdig genug gesehen mein Geld anzunehmen und davon war tatsächlich nur eine einzige Kampagne nicht erfolgreich: Outcast Reboot HD. Erschienen ist der Titel 2017 dann trotzdem als Outcast – Second Contact. Insofern also ein Happy End für die Entwickler. Unter den restlichen zehn Projekten waren hingegen nur drei Videospiele: Hover (eine Hommage an Jet Set Radio), Bear Simulator (eine The Elder Scrolls V: Skyrim/Simulator-Genre-Parodie) und The Book of Unwritten Tales 2 (Point & Click-Adventure aus deutschen Landen). Und ja: Alle drei sind tatsächlich erschienen. Abgeschlossen ist aber nur die Kampagne von King Art Games, bei den anderen zweien fehlende technisch gesehen noch die physikalischen Rewards.
Bei Bear Simulator werden die vermutlich nie kommen. Der Entwickler war völlig überfordert vom Erfolg seines eigenen Kickstarters und leidet€ eindeutig unter einem geringen Selbstwertgefühl, wenn man so die jammervollen Updates in schlechtem Englisch verfolgt hat. Hat auch schon seit Jahren keinen Mucks mehr von sich gegeben. Ein Wunder, dass am Ende (2016) überhaupt etwas spielbares veröffentlicht wurde. Und nein: der Gag ist keine 15 Euro wert. Wirklich nicht. Da gibt es sehr viele bessere Spiele im Allgemeinen und Parodien im speziellen, die ihr erleben solltet. Hover hingegen ist sein Geld zwar wert, wenn ihr mal wieder als Rebell auf Rollerskates durch eine neongetränkte Stadt rasen wollt, aber es war schon ein langer Kampf, damit ich überhaupt meinen Key bekomme. Die physikalischen Extras sind hingegen bis heute nicht eingetroffen und das, obwohl z.B. Limited Run Games sogar eine Charge Boxen für die breite Masse hergestellt hat! Echt eine Sauerei. Aber gut, so ist das halt mit Crowdfunding. “You win some, you lose some”. Es ist ein Glückspiel und keine Vorbestellung.
Die Nicht-Videospiele von 2014
Ansonsten ist von 2014 nur noch das offizielle Kompendium zu Quest for Infamy offen. Keine Ahnung woran es da scheitert. Ja, gesundheitliche Probleme und so aber es sind ja nicht alle Entwickler dort alt und krank. Die Bücher sind fertig, gedruckt und wohl zum Teil sogar verschickt worden aber ich war bei dieser ersten Ladung offensichtlich nicht dabei. Große Hoffnungen, dass da noch was kommt, habe ich hier ebenfalls nicht mehr – ebenso für die physikalischen Extras für das Spiel selbst (auch hier: angeblich alle schon seit Jahren im Lagerhaus).
Die restlichen sieben Crowdfunding-Projekte teilen sich auf in drei Bücher, zwei (Spiele-)Musikalben und zwei Filme. Diese sind komplett abgeschlossen und bis auf Lazer Team von hervorragender Qualität. Darunter die genialen C64-Remixe von Matt Grey (das 3. Album entsteht derzeit) und das super interessante A History of the Great Empires of EVE Online von Andrew Groen (das zweite Buch kommt im Herbst). Wer der englischen Sprache mächtig ist und auch nur einen Funken Interesse an EVE Online hat, sollte sich dieses Buch unbedingt zulegen. Aber am besten noch ein paar Tage auf die runderneuerte zweite Auflage warten und dann beide Bücher kaufen.
Stellt sich abschließend noch die Frage, ob ich von den zehn erfolgreichen Projekten aus dem Jahre 2014 welche bereue? Tatsächlich ja. Bear Simulator war zwar kein totaler Reinfall (es ist erschienen und spielbar) und war nicht ansatzweise so teuer wie die OUYA, aber wie gesagt: Der Gag war es am Ende trotzdem nicht wert und ohne physische Box habe ich nicht einmal was fürs Regal. Den ersten Film aus dem Hause Rooster Teeth, Lazer Team hätte ich im Nachhinein betrachtet ebenfalls sein lassen sollen. Das war zu einer Zeit wo ich noch viel von denen geschaut und mich entsprechend habe mitreißen lassen. Aber es ist kein gutes und vor allem nur bedingt lustiges Werk – wie vieles, was Rooster Teeth mittlerweile produziert. Vermutlich bin ich einfach zu alt geworden für diese Art von amerikanischem Humor.
Das Crowdfunding-Jahr 2015
2015 durften 16 Projekte von meiner Kreditkarte abbuchen. Und nicht nur waren alle Kampagnen erfolgreich: Es ist auch mittlerweile fast alles veröffentlicht worden! “Fast” deshalb, weil die Entwickler bei Infamous Quest gleich drei Point & Click-Adventure mit einer Kampagne finanziert haben und bislang erst The Order of the Throne – The King’s Challenge auf den Markt gekommen ist. Das verkauft sich aber wie schon Quest for Infamy eher schlecht. Die Zielgruppe für Retro-Adventures wie sie Sierra in den 90igern hergestellt hat ist scheinbar doch nicht so groß wie erwartet. Die beiden anderen sind aber wohl grundsätzlich noch in Entwicklung. Also gebe ich ihnen noch ein paar Jährchen Zeit. Immerhin bleibt die Grafik zeitlos . Bei Underworld Ascendant (der nicht ganz so gelungene Dungeon Crawler) und Bloodstained: Ritual of the Night (das definitiv gelungene Castlevania-das-nicht-so-heißen-darf-weil-die-Rechte-bei-Konami-liegen) fehlen hingegen noch Teile der physikalischen Extras. Bin aber in beiden Fällen guter Dinge, dass die noch kommen.
Von den 16 Projekten anno 2015 waren satte elf Stück Videospiele. Kein Vergleich zu 2014 quasi. Darunter absolut empfehlenswerte Werke wie Divinity: Original Sin 2, BATTLETECH und Shadowrun: Hong Kong. Bei den restlichen fünf handelte es sich hingegen um Bücher bzw. Comic-Kollektionen. Darunter drei Bücher zu Retro-Themen wie z.B. The Bitmap Brothers: Universe, die Comic-Sammlung von CTRL+ALT+DELETE und eine gedruckte Ausgabe des auf seine besondere Art und Weise absolut geniale Chief O’Brien at Work (nicht einmal ansatzweise von CBS unterstützt aber zumindest geduldet). Der Humor ist nicht unbedingt jedermanns Sache aber wer Star Trek: The Next Generation-Fan ist sollte zumindest mal auf der Webseite vorbeischauen und ein bisschen lesen .
Das Fazit für 2015
Unterm Strich gibt es zu 2015 tatsächlich nicht viel zu sagen. Die Erfolgs- und Abschlussrate ist sehr gut und auch die Qualität war durchweg hoch. Der einzige Totalausfall bei den Videospielen ist vermutlich Into the Stars. Das Ergebnis ist zwar spielbar, sieht gut aus, macht grundsätzlich Spaß und zeigt massiv Potential. Es fehlen aber die Inhalte. Die Entwickler hatten – wie so oft bei Crowdfunding-Kampagnen – ihre Ambitionen zu hochgesteckt. Entsprechend waren die Verkäufe nicht gut genug, um einen längeren Support nach Release zu gewährleisten. Ist halt so. Nicht jeder kann wie No Man’s Sky sein und noch Jahrelang weiter an seinem Traumprojekt arbeiten.
Die Neuauflagen alter Rollenspielklassiker namens The Bard’s Tale IV und Underworld Ascendant sind hingegen zwar nicht die erwarteten Mega-Blockbuster geworden (The Bard’s Tale IV ist dank des Director’s Cut mittlerweile wesentlich besser) aber das werden aus meiner Sicht sowieso die wenigsten Crowdfunding-Projekte (Divinity: Original Sin 2 ist die regelbestätigende Ausnahme). Ach und Shenmue III war auch ein 2015er Kickstarter. Aber da war von Anfang an klar, was da als Ergebnis rauskommen würde. Insofern darf sich da keiner beschweren. Es ist Shenmue – nicht mehr und nicht weniger .
Die anderen von mir 2015 unterstützten Videospiele? Die Zwerge (King Art Games’ dritter Kickstarter) und Yooka-Laylee. Ersteres ist ein solider Rollenspiel-Strategiemix, der aber vermutlich ausschließlich für deutschsprachige Fans der Markus Heitz-Buch-Serie eine Empfehlung ist (bin ich zum Glück einer) und zweiteres war ein guter Versuch die alten Plattformer-Tage wiederzubeleben (leider zu gut in Bezug auf überholtes und nerviges Spieldesign). Das volle Potential haben die Entwickler aber erst mit Yooka-Laylee and the Impossible Lair ausgeschöpft.
Epilog
Nach dem übertriebenen Hype in 2012/2013 mit entsprechend hoher Griff-ins-Klo-Rate hat 2014 und 2015 gezeigt, dass das Crowdfunding-Konzept grundsätzlich funktionieren kann – wenn alle besonnen damit umgehen. Selbstüberschätzung auf Seiten der Initiatoren des Projekts und falsche Erwartungshaltungen auf Seiten der Backer sind damals wie heute ein großes Problem. Das gilt logischerweise nicht nur für den Bereich der Videospiele. Im direkten Vergleich waren – zumindest für mich – die beiden Jahren 2014/2015 ganz klar erfolgreicherer trotz oder gerade wegen der geringeren Menge an unterstützten Projekten.
Jetzt müsste ich nur mal die Zeit haben diese ganzen von mir unterstützen Spiele auch mal intensiv zu zocken und die Bücher zu lesen. Nur die Musik, die habe ich schon (mehrfach) gehört. Kann ich dafür auch mal eine Crowdfunding-Kampagne starten? Stelle mir das so vor:
Titel: Finanziert meinen vorzeitigen Ruhestand, damit ich genug Zeit habe meine diversen Backlogs abzubauen!
Belohnungen:
- 5€ – Du erfährst vor allen anderen was ich vielleicht unter Umständen als nächstes zocke/lese/höre (keine Garantie auf tatsächliche Umsetzung)
- 10€ – Dein Name auf einer versteckten Unterseite von Beim Christoph
- 50€ – 7-Tage-Early-Access-Zugriff auf den Link zum nächsten Eintrag (keine Garantie, dass er bereits geschrieben wurde)
- 100€ – Zugriff auf eine Umfrage was ich als nächstes angehen sollte (keine Garantie, dass ich mich daran halte)
- 500€ – Wenn ich ein Buch fertiggelesen habe und es nicht behalten möchte, wird es unter euch verlost (exkl. Versandkosten)
- 1.000€ – Du darfst mir einmalig beim Abarbeiten eines Titels aus dem Backlogs still zuschauen (Anreise- und Übernachtungskosten nicht enthalten)
- 5.000€ – 10 Minuten eine unserer Katze streicheln (Anreise- und Übernachtungskosten nicht enthalten)
- 10.000€ – Du darfst mir beim Spielen eines Spiels aus dem Backlog zuschauen, dabei eine Katze streicheln und dich mit mir unterhalten (Anreise- und Übernachtungskosten nicht enthalten)
Bitte? Das lassen wir mal lieber? Och, ihr seid totale Spaßbremsen…
Wo ist denn der Paypal-Button?
Der ist nicht DSGVO-konform. Musst entweder manuell an die E-Mail-Adresse senden oder je nach Betrag schicke ich einen dubiosen Kerl vrobei zum einsammeln .