$68.7 Milliarden…in bar! Holla die Waldfee. Definitiv eine Bombe nuklearen Ausmaßes, die Microsoft letzte Woche gezündet hat. Wer es wirklich absolut nicht mitbekommen hat: Microsoft möchte den umsatzstärksten Spielepublisher der Welt, Activision Blizzard, kaufen (Abschluss des Kaufs erst im Fiskaljahr 2023, also spätestens Mitte 2023). Und nein: Dem Kauf steht höchstwahrscheinlich nichts entgegen, auch keine amerikanischen Kartellämter, egal wie viele Sofa-Anwälte jetzt mit dem Zeigefinger wedeln. Damit springt Microsoft auf Platz 3 der größten Videospielefirmen der Welt hinter die chinesische Investmentfirma Tencent und den Japanern bei Sony.
Da bekam Phil Spencers Aussage von Mitte November plötzlich eine ganze neue Bedeutung. ”We are evaluating all aspects of our relationship with Activision Blizzard and making ongoing proactive adjustments” – ich glaube nicht, dass auch nur irgendjemand dahinter ein “Wir kaufen diesen Schandfleck einfach, da aufgrund der ganzen Situation der Aktienpreis in den Keller gegangen ist und räumen selbst auf” vermutete. Und ganz ehrlich? Wenn es eine Firma gibt, die so einen großen und anscheinend stark angerosteten Laden aufräumen kann, dann traue ich es tatsächlich aktuell am ehesten dem Giganten Microsoft zu. Schade nur, dass Activision Blizzards CEO Bobby Kotick zwar am Ende höchstwahrscheinlich seinen Posten räumen muss, dafür aber allein knapp $293 Millionen Abfindung sowie nochmal gut $390 Millionen für sein Aktienportfolio kassieren wird.
Unfassbar, ich weiß. Also nicht nur diese Geldsumme. Auch mein Glaube, dass Microsoft in der Lage ist den Sauhaufen auszuräuchern. Aber unter Phil Spencer (leitet Xbox Game Studios seit 2014) hat sich die Marke Xbox und die Firma Xbox Game Studios sehr positiv entwickelt. Das gilt nicht nur für die Marke, sondern auch wie die eigenen Entwicklerstudios behandelt werden. Da kennen wir von Microsoft schließlich ebenfalls ganz andere Zeiten. Gut, so schlimm wie bei Electronic Arts oder eben Activision Blizzard war es glaube ich nie. Zumindest hat Redmond noch kein Studio in die Halo-Minen geschickt nur, weil sich der letzte Titel schlecht verkauft hat. Doch Microsoft war früher ebenfalls nur zu gerne bereit Studios aufzulösen, wenn sie nicht zur Strategie passten. Aber ich begrüße es definitiv, dass Microsoft plant zumindest ein paar von Activision Blizzards Studios aus den Call of Duty-Minen zu befreien (persönlich hoffe ich speziell auf Raven Software, High Moon Studios und Toys for Bob) und alte IPs wieder aus dem Aktenschrank hervorzuholen – und zwar nicht nur, um sie auf Game Pass zu packen. Nein, explizit auch, um neue Titel zu basteln. Und was die grundsätzliche Unternehmenskultur angeht scheint Microsoft ebenfalls weiter zu sein als so manch anderer. Sicherlich nicht an allen Ecken und Enden perfekt aber definitiv schon allein aus der Notwendigkeit heraus (riesiges und über mehrere Erdteile verteiltes Unternehmen) definitiv fortschrittlicher.
Monopolisierung!
Natürlich kann eine Konsolidierung in diesem Maße – insgesamt 32 Entwicklerstudios (heute 23) sind nach Abschluss des Kaufs dann unter dem Xbox Game Studios-Logo vereint – durchaus besorgniserregend sein. Eine zu große Marktmacht führt unweigerlich zu Problemen bzw. eine sinkende Bereitschaft diese zu beheben. Activision Blizzard war (und ist) schließlich trotz seiner internen Probleme eine Gelddruckmaschinerie. Warum also was ändern? Bei Microsoft braucht man sich hingegen nur den Microsoft Store anschauen, um gleich das erste Negativbeispiel zu finden.
Kein Negativpunkt für mich ist jedoch, dass jetzt einige geliebte Spieleserien nicht mehr auf der PlayStation erscheinen werden. Sony ist in der Hinsicht schließlich nicht wirklich besser und drehte in der Vergangenheit ebenfalls immer den Xbox-/Nintendo-/Sega-Hahn ab (oder machte ihn erst gar nicht auf). Außerdem verabscheue ich grundsätzlich diese Grabenkämpfe. In der heutigen Zeit, in der sich die Architekturen der Xbox- und Sony-Konsolen so gut wie nicht mehr unterscheiden sogar noch mehr. Exklusivität war schon immer nur ein reines Machtbekunden, egal wer es genutzt hat und das ist alles andere als gut für die Spieler. Ja, lieber Tim Sweeney von Epic Games. Du und dein Epic Games Store sind in der Hinsicht auch nicht besser, obwohl du dich gerne als strahlender Ritter für die kleinen Leute inszenierst. Insofern begrüße ich es grundsätzlich, dass Microsoft versucht sich aus diesem Kampf zurück zu ziehen.
Klingt erst einmal Banane, diese Aussage. Schließlich habe ich ja oben geschrieben, dass der Großteil der Titel aus dem Activision Blizzard-Portfolio dann höchstwahrscheinlich nicht mehr für die PlayStation erscheinen werden. Aber tatsächlich ist es Microsoft mittlerweile völlig egal auf welcher Plattform ihr ihre Spiele konsumiert. Ja, liebe Sony-Fanboys. Die Xbox One war schwach und das Line-Up für die Xbox Series mag aus eurer Sicht nicht der Brüller sein. Doch während Sony einfach sein Ding nach altbekannter Art und Weise weitermacht, hat Microsoft aus den Erfahrungen der letzten Konsolengeneration seine Konsequenzen gezogen. Und ihre Antwort sind mittlerweile 25 Millionen Game Pass Subscriber – Tendenz stark steigend. Ich kann noch nicht einmal erahnen, wie stark die Zahlen steigen werden sobald ein neues Call of Duty dort Einzug hält. Kein Wunder: Was man hier für ein World of WarCraft-Abonnement (12,99€ pro Monat) bekommt ist einfach unglaublich und wirbelt gerade die gesamte Spieleindustrie durcheinander. Und nein, den Indies schadet das Modell derzeit überhaupt nicht. Im Gegenteil. Die Bereitschaft ihre Spiele zu erleben ist unter diesen Bedingungen sehr viel höher und selbst, wenn nicht: Dank der Abo-Gebühren kann auch mal ein Rohrkrepierer ohne Insolvenzgefahr verkraftet werden.
Das zukünftige Problem
Leider ist wie immer nicht alles eitel Sonnenschein, denn Microsoft hat sich nur aus dem Kampf um die Hardware zurückgezogen. Das Ende des Exklusivitätswahns ist damit nicht erreicht. Das zeigt ein Blick über den Tellerrand. Die Game Pass-Idee ist schließlich an sich nichts Neues. 2007 revolutionierte Netflix mit der gleichen Taktik den Filme-Markt. Mittlerweile sieht man die Auswirkungen davon: Aus dem ursprünglichen “Video-On-Demand”-Versprechen wurde ein “Wenn wir die Lizenz haben und du zufällig im richtigen Land wohnst”. Dutzende Streaming-Anbieter locken mit ihren Angeboten und natürlich ist “Exklusivität” das Wort der Stunde. Mittlerweile versucht jedes größere Studio seinen eigenen Service aus dem Boden zu stampfen und jemand wie Disney wird einen Teufel tun und ihre Werke bei Netflix anbieten. Ihr sollt ja schließlich Disney+ abonnieren. Das Ergebnis: Eine entsprechende Fragmentierung des Marktes und die Notwendigkeit mehrere Anbieter abonniert zu haben, um vieles sehen zu können. Ja, “vieles” nicht “alles”. Von heute auf morgen verschwinden Filme und Serien einfach von den Plattformen. Ob und wann sie wiederkommen? Steht in den Sternen. Unter solchen Bedingungen fühle mich ein wenig in die Steinzeit zurückversetzt. Erstausstrahlung im TV verpasst? Pech. Amazon hat meines Wissens sogar ausgeschlossen, dass ihre Eigenproduktionen jemals auf DVD/Blu-ray erscheinen werden.
Das spricht dann schon fast wieder für Monopole. Wenn Microsoft alle Spielestudios unter sich vereint hat, dann braucht man auch nur Game Pass zu abonnieren und die Gefahr, dass ein Spiel den Service verlässt ist gering. Das wäre dann selbst mit einer saftigen Preiserhöhung noch ein genialer Deal .
Fazit
Zusammengefasst sehe ich also kurzfristig die Akquise von Activision Blizzard durch Microsoft unterm Strich als positive Sache. Die Kalifornier haben sich zu lange auf ihrem Candy Crush, World of WarCraft und Call of Duty-Geld ausgeruht. So entsteht keine Änderungsbereitschaft in der Führungsriege. Es braucht aber genau dieses radikale Umdenken, um die Unternehmenskultur nachhaltig und über alle Studios hinweg zu ändern. Mit Redmond besteht nun die Chance, dass tatsächlich ein frischer Wind durchfegt. Ja, es werden dabei garantiert auch einen Haufen Arbeitsplätze speziell in den administrativen Bereichen weggeblasen. Aber am Ende könnten alle Seiten davon profitieren. Zum einen die Entwickler, die unter besseren Bedingungen ihrem Tagewerk nachgehen können. Zum anderen die Spieler, die neue (und alte) Titel aus längst vergessenen Serien erleben dürfen.
Mittelfristig sehe ich jedoch den von Microsoft angestrebten Wechsel hin zu einem Abo-Modell kritisch. Das liegt ein Stück weit natürlich daran, dass mein Herz einfach am Sammeln hängt und ich es nicht ertragen kann auch die letzte Illusion zu verlieren etwas zu besitzen. Aber Netflix & Co. zeigen halt leider, dass diese Zukunft aus meiner Sicht nicht wirklich rosig ist. Das betrifft zum einen die Verfügbarkeit (Fragmentierung, Lizenzprobleme) des Angebots an sich. Zum anderen jedoch auch die Produktion. Wie viele eigentlich gute Serien hat Netflix schon nach der ersten “Staffel” (12 Folgen sind für mich keine Staffel) getötet nur, weil irgendeine Metrik nicht gepasst hat? Unter der Schirmherrschaft von Netflix gäbe es vermutlich nur sechs Folgen von Star Trek: The Next Generation… Im Spielebereiche wäre die Konsequenz dann vermutlich auch wieder, dass es nur Call of Duty gibt und sonst nix.
Doch soweit sind wir zum Glück noch nicht. Noch gibt es in allen Bereichen der Unterhaltungsmedien mehr zu konsumieren, als jemals ein Mensch alleine konsumieren könnte. Ja, man kann dadurch nicht überall mitreden und das Gemeinschaftserlebnis geht hier und da verloren. Aber das ist nichts Neues und hat zumindest bislang noch nicht zum Aussterben der Menschheit geführt. Insofern: Passt scho‘!