Sicarius

Bunte Tänze

Shen Yun Performing Arts (Herstellerbild)

Letzte Woche waren Lysanda und ich mal wieder im Staatstheater Darmstadt. Unser letzter Besuch lag schon sehr, sehr weit zurück. Kam dann irgendwie zu viel anderes im Leben dazwischen plus natürlich Corona. Letzteres betraf auch für Vorführung von Shen Yun, die wir nun besucht haben. Da hatte ich meiner angebeteten Ehefrau eigentlich schon für die 2020er Vorstellung in der Jahrhunderthalle in Frankfurt Karten geschenkt. Aber die fiel bekanntlich wie so vieles damals aus und auch keine der geplanten Ersatzvorstellungen konnte stattfinden, weshalb ich am Ende nach der gesetzlichen verordneten Schonfrist (Januar 2022) einfach mein Geld wieder auf dem Konto hatte. Anfang des Jahres habe ich dann zufällig auf einer Hausfassade im Ort Werbung gesehen, dass sie mal wieder in der Gegend sind – ja, die gute alte Werbewand funktioniert immer noch. Also Karten gekauft und den Anzug abgestaubt.

Ganz viel Tanzen

Bei Shen Yun dreht sich alles um den “klassischen chinesischen Tanz” – wie es dem Zuschauer von den beiden Moderatoren (auf Deutsch und Chinesisch) auch mehrfach am Abend deutlich gemacht wird. Allerdings sind unter den rund 15 Vorstellungen des Abends ebenfalls Tänze chinesischer Minderheiten und chinesische Volkstänze. Zwei Gesangseinlagen und ein kleines Musikintermezzo mit einer Erhu gab es ebenfalls.

Selbsternanntes Ziel der Truppe aus New York ist es die 5000-jährige chinesische Kultur neu zu beleben, die durch die Kommunistische Partei Chinas unter Mao Zedong während der Kulturrevolution 1966-1976 vollständig zerstört worden war. Entsprechend wenig verwunderlich, dass die Gruppe in China selbst nicht auftreten darf. Dass der ein oder andere Tanz faustdicke Regierungskritik enthält, dürfte die Annäherung zusätzlich erschweren. Aber die Tänzerinnen und Tänzer sind dennoch fast durchweg chinesischer Abstammung. Entsprechend stark stachen die eine Dame und der eine Herr (auch noch ein Rotschopf) aus dem Ensemble heraus, die nach der Pause mittanzten.

Shen Yun Performing Arts (Promobild)

Zwei Stunden dauert die Vorführung, durch die es aber leider abseits von “hat irgendwas mit China zu tun” keinen wirklich zusammenhängenden Faden gibt. Okay, das stimmt nicht ganz. Technisch gesehen geht es irgendwie um göttliche Wesen, die vom Himmel herabkommen und vor einem Tanzen. Aber das ist eine sehr, sehr lose Verknüpfungen. Stattdessen wird mal ein klassischer oder traditioneller Tanz vorgeführt. Ein anderes Mal eine Geschichte aus der chinesischen Historie, Mythologie und sogar Moderne (ja, Corona ist ein Thema) erzählt. Ein bisschen “den eigenen Glauben aufdrücken” ist leider ebenfalls dabei. Zumindest fanden Lysanda und ich die Texte der Gesangseinlagen durchaus fragwürdig. So wurde beispielsweise die Evolutionstheorie als Blödsinn abgetan. Wenn der Gesang wenigstens gut gewesen wäre. Leider war es gefühlt ein reines “Ich schau wie hoch ich mit meiner Stimme komme”-Geplärre. Definitiv kein Highlight des Abends. Zum Glück waren es nur zwei Einlagen (ein Herr und eine Dame).

Alte Tradition und moderne Technik

Immerhin konnten die Tänze selbst größtenteils überzeugen. Vor allem, wenn sie traditionelle, bunte und wallende Gewänder trugen war es sehr beeindruckend und mitreißend. Da ist die ganze Bühne so richtig in Bewegung und das Können der Damen und Herren kommt sehr schön zur Geltung. Außerdem nutzt die Truppe gekonnt digitale Bühnenbilder. Im ersten Moment wirken sie nur wie eine leicht animierte 3D-Landschaft auf dem grafischen Niveau von 2010, die einem helfen soll in die richtige Stimmung für den aktuellen Tanz zu kommen. Ziemlich schnell entpuppen sie sich jedoch als wichtiger Teil der Vorstellung. Nicht nur wird dort ein Teil der Geschichte erzählt – die Tänzer interagieren auch fleißig mit ihr. Beispielsweise schreibt der (reale) Gelehrte in einer Szene etwas und es erscheint passend zu seinen Bewegungen Schrift auf einem Felsen. Oder der Revoluzzer hängt eine Schriftrolle auf einen Baum, die dort dann bleibt. Das allein wäre schon eine coole Sache. Will gar nicht wissen, wie oft die das richtige Timing dafür üben mussten.

Shen Yun Performing Arts (Promobild)

Richtig genial wird es dann, wenn die Tänzer aus dem Bildschirm heraus- und hineinspringen. Das hat nicht nur beim ersten Mal dem ganzen Zuschauerraum ein erstauntes “Wow” entlockt, so perfekt und nahtlos passiert das. Mein persönlicher Höhepunkt – und das ist technisch gesehen ein Spoiler – war der Tanz der göttlichen Feen (oder sowas in der Art). Die ganze Bühne war nach Heben des Vorhangs vollgepumpt mit weißem Rauch (=Wolken) und im Hintergrund befanden wir uns ebenfalls über den Wolken. Dann kamen von dort die Feen angeflogen und tauchten anschließend überraschend aus dem Nebel auf der Bühne auf. Ein echt genialer Moment gefolgt von einem wunderschönen Tanz. Die Musiker unten im Orchestergraben habe ich in dem Moment jedoch nicht beneidet. Die wurden faktisch ertränkt vom Nebel, der von der Bühne herunterwallte :smile: .

Übrigens ein gutes Stichwort: Begleitet wird die Vorführung von einem eigenen, klassischen Orchester. Neben den üblichen Streich- und Blasinstrumenten, war natürlich auch dort der ein oder andere asiatische Klang versteckt. Für meinen Geschmack aber tatsächlich zu wenig. Hatte bei dem ganzen Fokus auf “chinesische Kultur” irgendwie mehr in der Richtung erwartet. Vielleicht will man die Zuschauer nicht mit zu viel fremden Klängen verschrecken. Aber gut: Die Musik konnte sich alles in allem hören lassen und passt perfekt zur Vorstellung. Wirklich beeindruckend diese Harmonie zwischen allen Bestandteilen.

Mittlerweile sind wohl acht Truppen gleichzeitig auf der ganzen Welt unterwegs und geben Aufführungen. Außerdem wechselt jährlich die Zusammenstellung des Programms. Ein gutes Beispiel dafür war vermutlich die Corona-Szene.

Fazit

Mit 143€ pro Person war der Besuch bei Shen Yun nicht gerade billig und wir hatten trotz des hohen Preises nicht die optimalsten Sitze (Lysanda konnte die linke Seite der Bühne nur schlecht sehen). Aber trotz der Gesangseinlagen war es unterm Strich ein sehr schöner und unterhaltsamer Abend. Viele beeindruckende Tänze, schöne Musik, tolle Kostüme und coole Ideen. Absolut zu empfehlen, wenn sie mal in eurer Nähe sind. Und sollten sie mal wieder in Darmstadt sein, stehen die Chancen gut, dass wir ebenfalls erneut hingehen. Im September geht es aber erstmal ins Staatstheater zu Badesalz und ihrem aktuellen Programm “Kaksi Dudes”. Ist auch schon wieder eine Ewigkeit her, seit ich die das letzte Mal live gesehen habe.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

:smile: :sad: :wink: :tongue: :-x :roll: mehr »