Letzte Woche bin ich mal wieder meine Crowdfunding-Übersicht durchgegangen. Ab und zu muss man ja mal schauen, was bei den noch offenen Projekten so der Stand der Dinge ist – und mitunter feststellen, dass es mittlerweile schon so lange kein Update mehr gab, dass ich es endlich einfach abhaken sollte (=auf “Produktion eingestellt” setzen).
Das Rollenspiel aus deutschen Landen, Realms Beyond: Ashes of the Fallen, beispielsweise, ein Projekt aus 2018. Ja, die Steamseite existiert noch aber die Firma nicht mehr und die Backer haben auch seit 2020 keine neuen Infos erhalten. Insofern: Das wird höchstwahrscheinlich nichts mehr. The 90’s Arcade Racer ist ein noch extremeres Beispiel. Die Kampagne war 2013. Seit 2015 gab es keine Neuigkeiten mehr. Zwischenzeitlich tauchte der Titel zwar auf der Webseite des Publishers Nicalis auf aber selbst daraus ist nie was geworden. Andere Fälle sind weniger extrem insofern, dass zumindest das Werk tatsächlich auf den Markt kam aber die Backer nie alle versprochenen Belohnungen (meist physischer Art) erhalten haben – und das Spiel meist relativ zügig keinen Support mehr erfahren hat. Paper Sorcerer ist so ein Beispiel.
Viele Backer (und grundsätzlich Gamer) sind dann immer schnell dabei “SCAM/BETRUG” zu schreien. Ein Verhalten, das mir ehrlich gesagt gegen den Strich geht. Zum einen haben sie offensichtlich immer noch nicht verstanden, was eine Crowdfunding-Kampagne ist (=Spende, kein Kauf). Zum anderen glaube ich in den meisten Fällen nicht an Absicht. Gibt es echte Scams auf Kickstarter & Co.? Keine Frage. Aber in den von mir unterstützten Projekten sieht es eher nach Überforderung, plötzlich geänderten Lebensumständen und dergleichen aus. Und so scheiße es für die Backer ist den tatsächlichen Status nicht zu kennen, ich kann ein Stück weit nachvollziehen, dass man in so einer Situation mit dem Kapitel dann einfach abschließen möchte und lieber den Mund hält.
Das Jahr 2020
Kommen wir zu meinem Crowdfunding-Jahr 2020. Da ist passenderweise auch eine Sache dabei, die ich jetzt auf “Produktion eingestellt” gesetzt habe. Und zwar die Retro-Dokumentation The 8-Bit Wars von Andy Remic. Der Grund ist simpel: Andy ist 2022 verstorben. Anfangs klang es zwar so, als wäre seine Frau in der Lage sein Werk zu vollenden. Aber sie scheint (völlig verständlich) ziemlich überfordert mit der Situation zu sein. Entsprechend habe ich das Thema für mich abgehakt.
Insgesamt habe ich in dem Jahr 33 Projekten mein Geld angeboten – eins mehr als 2019. Und es hatten auch alle ihr Finanzierungsziel erreicht. Die 33 Projekte teilen sich auf in zwölf Videospiele, elf Bücher (alle über Videospiele oder -Hardware), drei Comics, zwei Dokumentarfilme, zwei Pen & Paper-Rollenspiele, ein Brettspiel, ein Musikprojekt und ein Fitnessgerät. 26 davon sind mittlerweile sogar bereits vollständig abgeschlossen (*yay*) und abseits der erwähnten Dokumentation, sind die anderen mehr oder weniger auf der Zielgeraden.
So sind Sea of Stars und Pathfinder: Wrath of the Righteous schon länger erhältlich, es fehlen nur noch die physikalischen Extras. Und ich bin positiver Dinge, dass sie noch vor meiner Haustür landen werden. Eiyuden Chronicle: Hundred Heroes soll hingegen am 23. April 2024 veröffentlicht werden. Übrigens mal wieder so ein Beispiel dafür, dass japanische Firmen einfach keine Ahnung von Community-Management haben. Mighty No. 9 war ja schon schrecklich, aber da war zumindest ein Hauch von Individualität spürbar. Hier wird für die Backer einfach nur stur ein vom Marketingdirektor abgesegnetes Programm nach einem festgelegten Zeitplan abgespielt. Selbst, wenn dabei Probleme entstehen (aktuell finden einige Umfragen statt) – es wird nicht von dieser Kommunikation abgewichen und mal zwischendurch ein Satz geschrieben. Echt schrecklich. Immerhin scheint das Spiel an sich auf einem sehr guten Weg zu sein.
Supercade: A Visual History of the Videogame Age 1985-2001*, das Nachfolgebuch zu Supercade: A Visual History of the Videogame Age 1971-1984, ist hingegen fertig und wartet auf den Versand. Das ist insofern paradox, da es schon einige Zeit bei Amazon erhältlich ist und ich es entsprechend längst haben könnte. Aber es ist mal wieder so ein Fall von “Unerfahrener hat sich übernommen in Bezug auf den Versandaufwand”. Habe es entsprechend noch nicht abgeschrieben, zumal sie versucht transparent und kommunikativ zu sein. Monte Cook hingegen hätte es besser wissen müssen, schließlich haben sie schon so einige Crowdfunding-Kampagnen für ihre Pen & Paper-Rollenspiele hinter sich. Aber warum auch immer haben sie bei der Neuauflage von Diamond Throne gemeint eine externe Firma zu beauftragen. Das Ergebnis ist etwas viel Chaos vor allem in Bezug auf den Versand (Monte Cook macht einen Teil doch selbst, das andere Here Be Dragons Games) aber es wird .
Das letzte zum Verfassungszeitpunkt noch offene Projekt auf der Liste aus dem Jahr 2020 ist hingegen das Buch From Vultures to Vampires* von David John Pleasance und Trevor Dickinson. Es erzählt die Geschichte was mit der Marke Commodore nach der Insolvenz anno 1994 passiert ist aus Sicht eines hochrangigen Managers (David), der damals live mit dabei war. Das was davor geschah, hatte er schon in Commodore: The Inside Story* niedergeschrieben. Geplant war ursprünglich nur ein Buch zu drucken. Am Ende hat sich herausgestellt, dass es zu viel zu erzählen gibt und eine Trilogie entstand. Teil 2* ist Mitte des Jahres erschienen, jetzt warte ich noch auf den letzten Band. Die ganze Kampagne läuft ebenfalls etwas sehr chaotisch ab, weil Hr. Pleasance trotz seiner jahrelangen Unternehmenserfahrung irgendwie ziemlich unorganisiert und planlos erscheint. Aber wie gesagt: Zwei Bände sind schon bei mir im Regal, also wird es der dritte auch noch dahin schaffen!
Die Erfolgsgeschichten
Werfen wir jetzt noch einen kleinen Blick auf die erfolgreichen Sachen. Ihr fragt euch beispielsweise bestimmt, was es mit dem “Fitnessgerät” auf sich hat. Nun, es handelt sich um das NOVA Gym* von OYO Fitness. Mich hat daran die Flexibilität und Kompaktheit gereizt. Meine Arme sind grundsätzlich ein Schwachpunkt und dieses (vergleichsweise) kleine Plastikding mit seinen Zugbändern und der “NASA-Technologie” (wer lässt sich von sowas beeindrucken?) erlaubt es einem eine Vielzahl an Übungen zu machen – und das flexibel mit bis zu 18kg Widerstand. Freilich ist da keine Übung dabei, die man nicht auch mit z.B. einer Hantel (haben wir ebenfalls verschiedene im Haus) machen könnte. Aber es ist doch irgendwie komfortabler und in der Ausführung sauberer (=die Kabel führen die Bewegung) damit auf der Rüttelplatte oder dem Trampolin zu stehen als mit anderem Gerät. Entsprechend nehme ich es häufiger in die Hand als eine Hantel. Ein nicht zu verachtender Punkt, wenn man eine grundsätzliche Abneigung gegenüber Sport hat . Muss man es haben? Definitiv nicht. Aber sein Geld war es zumindest für unseren Haushalt definitiv wert.
Bei den Videospielen waren neben den bereits erwähnten z.B. noch das Cyberpunk-Detektiv-Rollenspiel Gamedec*, das rundenbasierte Taktik-Rollenspiel King Arthur: Knight’s Tale von den Machern von The Incredible Adventures of Van Helsing, der Superhero-Visual-Novel Henchman Story und der Remaster des ungewöhnlichen Actiontitels The Wonderful 101* aus dem Hause Platinum Games (u.a. Bayonetta) mit dabei. Aus meiner Sicht kein einziger Rohrkrepierer, sondern soweit ich das sehe allesamt gute bis sehr gute Titel. Muss nämlich (wieder einmal) zugeben, dass ich außer vielleicht ne Stunde Gamedec noch keines davon wirklich gespielt habe. Wie war das nochmal mit der Rente? Ist noch mindestens 26 Jahre hin? Mist… Bis dahin ist vermutlich mindestens die Hälfte von dem Kram nicht mehr spielbar. Außerdem muss ich auch noch die ganzen Bücher lesen, die ich unterstützt habe.
In der Hinsicht habe ich nämlich von den 2020er Kampagnen erst eines geschafft: Shareware Heroes. Die restlichen wie z.B. die Geschichte von Street Fighter II* oder die Werke über die Dreamcast und PlayStation Vita warten noch darauf verschlungen zu werden. Nur die Comics – die habe ich alle relativ zügig gelesen. Namentlich handelte es sich um die zweite Sammlung des Webcomics Let’s Play*, die dritte Sammlung von OGLAF (Achtung: Absolut nicht jugendfrei!) und das (großartige) Finale von Sam & Fuzzy. Sind halt einfacher und zügiger zu konsumieren als so ein trockenes, wenn auch interessantes Fachbuch.
Fazit
Es ist schon traurig. Da hat man als erwachsener Mensch so viel Geld, um sich haufenweise Kram zu kaufen aber am Ende keine Zeit ihn tatsächlich zu konsumieren/zu benutzen. Immerhin kann ich mit dem guten Gewissen schlafen gehen, dass sich dank meines Geldes der ein oder andere Traum erfüllt hat und (in den meisten Fällen) andere Käufer mit dem Ergebnis Spaß hatten. Insofern war mein Crowdfunding-Jahr 2020 unterm Strich ein voller Erfolg. Nur ein gescheitertes Projekt – aber das aus einem nachvollziehbaren Grund und ansonsten viele tolle Sachen. Die einzige Kampagne, die ich im Nachhinein bereue, ist Neurocracy. Daran bin ich aber ganz alleine schuld. Ich habe den Pitch dieses Free-to-Play-Projekts offensichtlich absolut nicht verstanden. Rausgekommen ist nämlich ein auf einer fiktiven Wikipedia-Seite basierendes Detektivspiel. Und das ist jetzt nicht ganz so mein Ding. Oder ich bin einfach nur zu blöd für sowas. Sucht es euch aus .