Sicarius

Eine Runde Shooter-Nostalgie

Half-Life (Herstellerbild)

Der Ego-Shooter-Meilenstein Half-Life feierte am gestrigen Sonntag seinen 25. Geburtstag. Auch, wenn auf Steam als Veröffentlichungsdatum der 9. November 1998 steht: Der offizielle Verkaufsstart war Donnerstag der 19. November 1998 – zumindest in Nordamerika. In Europa dauerte es noch ein paar Tage bis zum 27. November. In Deutschland wurde es dann im Dezember 1998 prompt indiziert und wir bekamen stattdessen im Laufe des Jahres 1999 die “tolle” Version mit den Robotern und den kopfschüttelnden Wissenschaftlern. Ja, wir sind alt. Ich weiß. Und pünktlich zum Geburtstag hat Valve ein dickes Update sowie eine einstündige Dokumentation rausgehauen. Das Update hat übrigens viele andere Titel, die auf der Gold-Source-Engine basieren (wie z.B. Counter-Strike oder Day of Defeat) und das dazugehörige Engine-Paket auf Steam nutzen, geschrottet. Da hat mal wieder jemand nicht mitgedacht. Immerhin ist die Lösung simpel: Einfach bei Half-Life im Reiter “Beta-Versionen” die Legacy-Fassung aktivieren. Dann ist zwar das Half-Life-Update nicht mehr da aber die Spiele laufen wenigstens.

Och ne…

Passenderweise habe ich letzte Woche eine andere Dokumentation geschaut, in der Half-Life ebenfalls eine etwas größere Rolle spielt. Und zwar: First Person Shooter: The Definitive FPS Documentary. Das ist einer dieser über Kickstarter-finanzierte Retro-Dokumentarfilme, über die ich bislang noch nichts wirklich Positives zu sagen hatte. Spoiler: Auch hier hätte ich mich wieder vom Hype nicht mitreißen und mir das Geld lieber sparen sollen.

(Cover)

Die Versprechen sind vollmundig. Schon der Titel lehnt sich ja sehr weit aus dem Fenster. Und auf dem Papier hat sie auch einiges zu bieten. Angefangen beim allerersten FPS, Maze War, erwartet euch eine 4 1/2 Stunden andauernde Reise durch die Geschichte des First Person Shooters von damals bis in die “Neuzeit”. In Anführungszeichen, weil faktisch der letzte halbwegs groß Block die Halo-Trilogie ist. Es kommt dann noch ein bisschen was zu den frühen 2000er und ein Mini-Blick auf den heutigen Boomer Shooter-Trend. Aber das ist nicht viel mehr als ein Nebensatz. Von “Definitive” kann also absolut nicht die Rede sein.

Geworben wird mit “über 50 Spiele” und “mehr als 40 Interviewpartner”. Das bedeutet rein rechnerisch wäre für jeden Titel 5 1/2 Minuten Zeit. Das ist schon an sich ziemlich knapp bemessen aber erwartungsgemäß erfolgt eine gewisse Gewichtung. Von Minute 15 bis 51 geht es beispielsweise nur um den Aufstieg von id Software von Hovertank bis DOOM. GoldenEye 007 kommt auf 18 Minuten, über Half-Life wird elf Minuten berichtet und die Halo-Trilogie ist in acht Minuten abgefrühstückt. Dass man da bei vielen Titeln nicht wirklich ins Detail gehen kann, ist absehbar. Und das ist erst einmal okay. Nicht jedes Spiel ist eine tiefgründige Analyse wert.

Wir nehmen, was wir haben

Leider fehlte den Machern der Mut noch mehr Titel weg zu lassen und stattdessen anderen mehr Raum zu geben. Neben dem Versuch dem völlig übertriebenen Titel gerecht zu werden, lag das vermutlich auch an der Auswahl der Interviewpartner. So haben sie beispielsweise Tramell Isaac vor das Mikrofon gezerrt. Keine Angst, wenn euch der Name nichts sagt. Er hat zwar unter anderem bei Interplay als Grafiker an vielen ihrer erfolgreichen isometrischen Rollenspiele mitgearbeitet aber insgesamt – so hart es klingt – ist er ein kleines, unbedeutendes Licht. Aber man hatte ihn halt und deswegen musste man unbedingt auch noch ein 1-2 Minuten über die beiden PlanetSide-Titel einbauen, bei dem er der Art Director war. Infogehalt? Kleiner gleich Null.

Und von der Art sind ein paar Kandidaten zu sehen, wo ich mich ehrlich fragte, was die hier suchen. Der australische YouTuber G-Man Lives ist für mich beispielsweise keine wirkliche Autorität im Bereich der Ego-Shooter und Lauren Bleszinski ist garantiert auch nur mit reingerutscht, weil die Filmemacher sowieso wegen ihrem Ehemann Cliff im Haus waren und sie früher mal ein bisschen professionell Counter-Strike gespielt hat (konnte leider keine nennenswerten Erfolge von ihr finden). Das wiederum kommt aber nicht zur Geltung, weil trotz mehreren eSportlern als Interviewpartnern das Thema in fünf Minuten durch ist. Und tut mir leid aber John St. John (die Stimme von Duke Nukem) hatte ebenfalls überhaupt nichts Interessantes zu irgendwas beizutragen. Randy Pitchford hingegen hat zwar einiges zu erzählen, aber die vier Minuten Marketing für Borderlands sind faktisch nur deshalb noch mit reingerutscht. Ja, ich nenne es Marketing. Denn eine tiefgründige Besprechung oder gar Einordnung findet nicht statt.

FPS: The Definitive FPS Documentary (Promobild)

Die tatsächlich wichtigen Personen sind dagegen entweder erst gar nicht dabei (z.B. von Valve ein Gabe Newell) oder haben einen sehr geringen Redeanteil. So steht John Carmack in der Liste zwar ganz weit oben. Tatsächlich zu sehen ist er nicht einmal eine Minute. Andere werden hingegen gefühlt gezwungen irgendetwas zu einem Titel zu sagen mit dem sie nichts zu tun hatten – somit erneut ohne einen echten Mehrwert. Ja, ne so nicht.

Beim Christoph meint: Von mir gibt’s 2 von 5 Sics. Und den zweiten Sic auch nur, weil die erste Stunde durchaus vielversprechend anfängt. Hier nimmt sich der Film noch die Zeit die Meilensteine halbwegs ausführlich zu besprechen und die richtigen Leute zu Wort kommen zu lassen (die alte id-Garde ist fast vollständig vertreten). Aber ab dann geht es relativ steil bergab. Es erwarten euch oft nur äußerst oberflächliche Betrachtungen der einzelnen Titel und mitunter nicht einmal eine richtige Einordnung, warum gerade dieses Spiel so wichtig/einflussreich war. Stattdessen viel belangloser Kram mit O-Tönen von Leuten, die dazu eigentlich nichts zu sagen haben. Wenn wenigstens auf der Blu-ray die vollständigen Interviews enthalten wären. Aber nein, die bleiben euch vorenthalten.

Am Ende blieb ich durchaus wütend ob der verschwendeten Zeit zurück. Inhaltlich bietet die Dokumentation einfach nur einen sehr geringen Mehrwert und ist weder spannend erzählt noch optisch ansprechend (es werden sogar Spielszenen häufig wiederholt…). Weder für Genre-Veteranen und aus meiner Sicht noch nicht einmal für Neueinsteiger geeignet. Dafür wird gefühlt zu viel Vorwissen vorausgesetzt. Daraus speist sich vermutlich auch der Hype der Retro-Community. Von wegen “geil, mein Lieblingsspiel/mein Lieblingsentwickler ist dabei”. Dass da am Ende nicht viel hinter ist, scheint bei dieser Art von Dokumentation irgendwie aus ihrer Sicht nicht wichtig zu sein. Insofern kann ich nur sagen: Finger weg von diesem Machwerk.

Wollt ihr euch wirklich ernsthaft mit der Geschichte der Ego-Shooter befassen, gibt es weit bessere und fokussiertere Sachen. RetroAhoys fantastisches (wobei alle seine Videos genial sind) Werk zu DOOM beispielsweise oder eben Valves neue Dokumentation zur Entwicklung von Half-Life. Und wenn es Wörter auf toten Bäumen sein sollen, dann wäre beispielsweise die Pflichtlektüre Masters of Doom* von David Kushner oder auch Rocket Jump: Quake and the Golden Age of First-Person-Shooters* zu nennen. Letzteres ist paradoxerweise vom Hauptautor der Dokumentation, David L. Craddock. Er weiß es also theoretisch besser :smile: .

Ein wenig Nostalgie

25 Jahre Half-Life also. Ich habe es damals tatsächlich auch relativ früh nach Release gespielt. Fragt mich nicht, woher ich die Raubkopie hatte. Möglicherweise war Maverick der Urheber. Mittlerweile steht selbstverständlich die alte Eurobox im Regal. Und obwohl unser damals schon zwei Jahre alter Intel Pentium 133 Mhz massiv mit dem Titel zu kämpfen hatte (Half-Life: Opposing Force lief dann überhaupt nicht mehr), habe ich ihn trotz durchgängig weniger als 30fps zügig durchgespielt und mich sogar so einige Dutzend Stunden im (Deathmatch-)Multiplayer unter anderem mit Maverick & Co. vergnügt. Noch mehr dann mit den populären Mods wie Counter-Strike oder Day of Defeat. Allerdings nicht Team Fortress Classic. Das ist mir damals wie heute zu kompliziert :tongue: .

Half-Life (Herstellerbild)

Und seitdem habe ich es ebenfalls noch ein paar durchgespielt. Zuletzt meines Wissens 2012, als mich Max Payne 3 ziemlich enttäuscht zurückgelassen hat und ich auf der Suche nach was Anständigem war. Und ja, Valves Meisterwerk ist – zumindest bis es nach Xen geht – bis heute ein richtig guter Shooter. Für mich sogar besser als der “ich schieße mit Plastikknarren”-Nachfolger Half-Life 2. Mittlerweile kann ihn trotzdem nicht mehr sehen :smile: . Zu oft gespielt, zu viel drüber gesehen und gelesen und sowieso schon alles verschlungen, was es an offiziell Spielbarem dazu gibt. Entsprechend habe ich es zwar dank des Updates nochmal kurz installiert und mal wieder Half-Life: Uplink (die Demo) sowie eine halbe Stunde Deathmatch (so chaotisch wie eh und je) gespielt. Aber das war dann auch schon wieder genug Nostalgie für mich. Das ist wohl der Nachteil eines story-lastigen Spiels. Da ist irgendwann einfach mal die Luft raus, wenn man die Geschichte schon so oft erlebt hat und fast schon im Schlaf durch die Level geht. Wobei ich Lands of Lore: The Throne of Chaos immer noch gerne zocke. Liegt also vielleicht doch nur an Half-Life

Aber wenn ihr es bis heute nicht gespielt habt: Unbedingt nachholen! Und wenn ihr es tatsächlich noch nicht besitzt: Es ist anlässlich des Geburtstags mal wieder kostenlos zu haben. Und da es seit 2017 nicht mehr indiziert ist, bekommt ihr sogar die ungeschnittene Version. Zum Verfassungszeitpunkt spielen es mehr als 33.000 Leute auf Steam. Ihr wärt also keineswegs alleine!

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