Wenn wir schon beim Thema Brettspiele sind: Ich erwähne ja hin und wieder, dass die Erinnerungen an meine Kindheit und Jugend aus diversen Gründen nur sehr undeutlich, bis gar nicht vorhanden sind. Aber vereinzelte Sachen sind mir dann doch vergleichsweise gut im Gedächtnis geblieben. Darunter das Brettspiel Quips* von Ravensburger – allerdings nicht in dieser neumodischen Packung mit den komischen Bildern, die ihr aktuell kaufen könnt. Stattdessen die Originalausgabe von 1972 mit der Frau am Marktstand auf dem Cover (siehe Bild).
Warum mir das im Gedächtnis geblieben ist, ist relativ einfach: Ich habe es immer mit meiner Oma (väterlicherseits) gespielt. Sie wohnte im Erdgeschoss meines Elternhauses und war sowas wie meine Zuflucht vor den Leuten im 1. Stock (“Na, hast du wieder was angestellt?!”). Sie starb 1990 an einem Herzinfarkt. Da war ich sechs Jahre alt. Auch eine Nacht bzw. eine Woche, die mir bis heute ein wenig in Erinnerung geblieben ist und ziemlich surreal erscheint. Ich habe als kleiner Pimpf faktisch überhaupt nicht verstanden, was da alles ablief. Und nein, ich weiß nicht, ob ein Kind in diesem Alter das überhaupt kann.
Damals habe ich häufig bei ihr im großen Bett geschlafen (ihr Mann war schon länger verstorben) und in besagter Nacht hat sie mich aufgeweckt mit der Bitte meine Eltern zu holen. Sie hätte Schwierigkeiten zu atmen. Klein-Sicarius hat sich dabei nicht viel gedacht, hat den Auftrag erfüllt und wollte sich wieder zurück ins Bett legen. Frau Mama hat ihn aber stattdessen (wohlweislich) in sein Zimmer geschickt. Vom Rest der Nacht habe ich absolut nichts mehr mitbekommen (obwohl sicherlich viel Trubel im Haus war). Am nächsten Morgen erwartete mich dann ziemlich viel Hektik, die ich erneut nicht einmal ansatzweise verstanden habe. Es hieß nur irgendwann “Opa (mütterlicherseits) holt dich ab. Da gibt’s heute Mittag Schnitzel!”. Freudige Aussichten also für den lieben Sicarius. Das mit dem Schnitzel stellte sich allerdings als totale Lüge heraus! Keine Ahnung mehr, was es tatsächlich gab, aber Schnitzel war es nicht. Eine unglaubliche Sauerei, für die ich alle Beteiligten selbstverständlich bis heute abgrundtief hasse!
Bei der Beerdigung ein paar Tage später war der Sicarius weiterhin völlig ahnungslos. Ich glaube nicht, dass ich damals realisiert hatte, wer da beerdigt wird (oder was überhaupt eine Beerdigung ist – dürfte meine erste gewesen sein). Ich kann mich nur erinnern, dass ich Frau Mama während der Zeremonie auf dem Friedhof zweimal ahnungslos fragte, warum sie denn weine. Ich weiß nicht einmal, ob mir jemals jemand erklärt hat, dass Oma gestorben war. Schlimmer noch: Selbst ob ich sie damals in irgendeiner Art und Weise vermisst habe, ist für mich ein ungeklärtes Rätsel. Wie gesagt: Rückblickend eine extrem surreale Sache. Sollte vermutlich mal mit Frau Mama drüber sprechen.
Das Spiel
Doch zurück zu Quips mit dem ich wie gesagt durchaus viele emotionale Erinnerung verknüpfe. Hat immer viel Spaß gemacht das mit Oma zu spielen. Möglicherweise, weil sie mich häufig hat gewinnen lassen. Aber das ist eine reine Unterstellung, die ich nicht mehr belegen kann . Die Originalkopie hat irgendwann das Elternhaus verlassen und vermutlich ihren Weg in andere Kinderhände gefunden. Erst sehr viel später kam mir das Spiel und seine Bedeutung für mich wieder so richtig in den Sinn. Einmal erzählte ich Lysanda davon. Liebevoller Partner, der sie ist, hat sie mir dann völlig überraschend zum nächsten Geburtstag eine Ausgabe von 1978 geschenkt (immer noch mit der kultigen Dame auf dem Cover – das war mir immens wichtig). Ich würde selbstverständlich niemals öffentlich zugeben, dass mich diese Geste emotional völlig zerstörte und sich schon allein beim Gedanken daran bei mir wieder die Schleusen öffnen. Also behauptet nicht solche komischen Sachen!
Einen Erwachsenen lockt Quips allerdings nicht hinter dem Ofen hervor. Soll es auch nicht. Es richtet sich an Kinder im Alter von 3-8 Jahren und soll vor allem dabei helfen Verständnis für Farben und Zahlen zu entwickeln/zu verbessern. Ja, es ist ein Lernspiel. Aber ich finde selbst heute, dass es ein ziemlich cooles Lernspiel ist. Schon allein, weil es die Möglichkeit bietet den Schwierigkeitsgrad anzuziehen. Man kauft es also nicht einfach, wenn das Kind drei Jahre alt und lässt es dann im Schrank versauern, sobald es zu klug dafür geworden ist. Kenne mich aber aus nachvollziehbaren Gründen auf dem Gebiet exakt Nullkomma gar nicht aus.
Der Ablauf
In der Packung enthalten sind (damals wie heute) vier Spielbretter (=bis zu vier Spieler) mit verschiedenen Motiven. In der Originalversion ein Kind mit Puppe und Schaf vor einem Baum, die Dame am Obststand vom Cover (mein absolutes Lieblingsspielbrett), zwei Indianerkinder mit einem Tipi (politische Korrektheit war damals noch nicht so “in”) und ein ziemlich eingepackter Junge in einer Winterlandschaft mit Schlitten und Schneemann. In die Spielbretter sind Löcher gestanzt (=fallen die Steine nicht gleich runter!). Ziel ist es diese mit gleichfarbigen Spielsteinen zu füllen. Gewonnen hat in allen Spielvarianten entsprechend derjenige, der das als erstes für sein Spielbrett schafft. Spielsteine gab es damals 84 Stück in 6 Farben für alle Spielbretter zusammen, heute sind 90 Stück in der Packung. Der Schwierigkeitsgrad wurde also etwas angezogen.
- In der klassischen Spielvariante ist die für alle im Einsatz befindlichen Spielbretter benötigte Anzahl an Spielsteine in einer undurchsichtigen Tüte verborgen. Nun gilt es einen Würfel zu werfen, der 1-3 Punkte anzeigt. Je nach Wurf darf man sich so viele Steine aus dem Beutel nehmen und – die richtige Farbe vorausgesetzt – auf seinem Spielbrett einsetzen. Steine, die man nicht verwenden kann, kommen wieder zurück in den Beutel (Alternativ: Weiterverschenken). Das Kind lernt hier also von eins bis drei zu zählen, genau diese Menge aus dem Beutel blind herauszunehmen und eine farbliche Zuordnung zwischen Spielstein und Spielbrett zu treffen – und hoffentlich die Spielsteine nicht in den Mund zu nehmen…
- Für eine andere Spielvariante ist noch ein Würfel mit farbigen Seiten in der Packung enthalten. Hier werden die Spielsteine nicht in den Beutel gepackt, sondern liegen offen auf dem Tisch. Jetzt würfelt jeder sowohl den Farben- als auch den Zahlenwürfel und nimmt dann entsprechend so viele Steine von der gewürfelten Farbe für sein Spielbrett vom Haufen.
- Die Variante für Fortgeschrittene ist hingegen die Spielbretter zufällig mit Spielsteinen vorzubestücken (=kein Stein liegt an seinem richtigen Platz). Dann kommen wieder Farben- und Zahlenwürfel zum Einsatz. Würfele ich z.B. “Gelb” und “1” darf ich einen gelben Spielstein an seinen richtigen Platz setzen. Der Stein, der dort vorher saß, kommt hingegen in die nun entstandene Lücke. Da kommt also noch eine Prise logisches Vorausdenken hinzu.
Wie gesagt: Echt coole Sache, die Autor Theora sich da ausgedacht hat. Und die Spielzeit ist ebenfalls übersichtlich. Dürfte durchschnittlich bei maximal 10-15 Minuten pro Runde liegen – je nachdem wie pfiffig der/die Kleine ist und wie häufig man ihm die hölzernen Spielsteine aus dem Mund nehmen muss . Bitte? Ob ich da aus Erfahrung rede? Keine Ahnung, was ihr meint…
Epilog
Ich vermute mal nicht, dass jetzt irgendeiner von euch in den nächsten Laden stürmt und Quips kauft. Aber da wir es gerade von Brettspielen hatten, ist es mir halt mal wieder in den Sinn gekommen. Es ist eben ein Titel, der mir sehr viel bedeutet. Vermutlich sogar mehr als die Videospiele, die ich danach kennen lernen durfte. 1990 – vermutlich nach Omas Tod – bekamen wir nämlich unseren ersten Computer ins Haus (ein 486er). Aber dazu vielleicht irgendwann mal in einem anderen Eintrag mehr.
Das gilt auch für weitere Brettspiele. Unsere Sammlung ist zwar nicht mega-groß aber es sind ein paar und davon auch noch ein paar weitere coole Titel, die unter anderem mit meinem Geld über Kickstarter finanziert wurden und entsprechend vermutlich (noch) nicht so den großen Bekanntheitsgrad haben. Lasst euch also überraschen!
Witzig, das war bei uns auch so hoch im Kurs, dass es (zusammen mit der Fisherprice Kasse) bis heute in meinem alten Kinderzimmer lebt und über die Jahrzehnte schon viele Besuchskinder erfreut hat.
Ich mochte auch die Marktfrau.
War auch genau die Version auf dem Bild, dürfte also Mitte der 80er noch genauso ausgesehen haben (außer ich hatte das schon gebraucht bekommen, wüsste aber nicht woher – von euch kann eigentlich nicht sein, wir waren ja ziemlich gleichzeitig in dem Alter, ich ja sogar noch etwas früher).
@gewinnen lassen: sagen wir mal so, wenn du nicht gewonnen hast, hat dir das spielen wohl gar nicht mal mehr so Spaß gemacht über du hast das mitunter recht impulsiv zum Ausdruck gebracht
Es hieß auch immer “ja die Oma lässt ihn immer gewinnen” – ich will aber nicht beurteilen, was da Ursache und was Wirkung war
Krass auch, wie sich manchmal so einzelne Details ins Gedächtnis einprägen (Schnitzel), während alles andere irgendwann verschwimmt. War ja wahrscheinlich nicht mal eine absichtliche Täuschung, für einen Erwachsenen wahrscheinlich auch eher “naja, schade, egal”, aber für den kleinen Christoph scheinbar schon prägend..
Die Marktfrau-Version dürfte bis Ende der 80iger die einzige gewesen sein, soweit das meine kurzen Recherchen ergeben haben. Es hat sich nur mit jeder Fassung die Anleitung ein wenig verändert. Erst dann kam eine Version im Querformat mit einer langweiligen Familienidylle auf dem Cover, die dann ebenfalls nochmal neu aufgelegt wurde mit einem (potthässlichen) 3D-Schriftzug. Irgendwann im neuen Jahrtausend wechselte Ravensburger zu dem komischen Typen aus Spielsteinen.
Soso, ich war also ein schlechter Verlierer. Ich nehme die Information mal einfach so hin *geht in die nächste Ecke eine Runde heulen*.