Ich bin dem Journalisten Jason Schreier (noch) nie begegnet. Er ist erst 2010 in die Videospielebranche eingestiegen und selbst danach bezweifle ich, dass er jemals auf einer gamescom war. Auf Basis seiner Internetpräsenzen (allein dieses Schwarz/Weiß-Profilfoto…) und seines Schreibstils halte ich ihn jedoch für einen äußerst unsympathischen, extrem arroganten und eingebildeten Fatzke, dem sein Erfolg ganz klar zu Kopf gestiegen ist. Möglicherweise ist er persönlich anders drauf. Aber so ist zumindest aktuell mein Bild von ihm.
Allerdings lässt sich nicht leugnen, dass er sich über die Jahre einen gewissen Ruf als Investigativjournalist und damit ein ganz schön großes Netzwerk im Bereich der Videospieleindustrie aufgebaut hat. Er kommt entsprechend an Geschichten ran, die nicht unbedingt jeder zu Tage fördern könnte. Und da ich abseits des Lesens seiner Texte mit ihm nicht interagieren muss, ist es auch ziemlich egal was ich persönlich von ihm halte .
In der Zwischenzeit ist er aber nicht mehr nur in der digitalen Welt unterwegs, sondern hat sogar drei Bücher zum Thema auf den Markt gebracht (und darf sich nun als “Bestsellerautor” bezeichnen). Das Allererste habe ich nun endlich geschafft mal zu lesen:
Blood, Sweat, and Pixels: The Triumphant, Turbulent Stories Behind How Video Games Are Made* (2017, 277 Seiten) – Schreier erzählt basierend auf eigenen Interviews, Vorträgen der Entwickler und anderen Quellen grob die Entwicklungsgeschichten von 10 Spielen wie Obsidians Pillars of Eternity, Ensamble Studios Halo Wars und Bungies Destiny bzw. im Falle von Diablo III geht es explizit nur um die Zeit nach der Veröffentlichung bis hin zum großen Umsturz mit Patch 2.0 und Diablo III: Reaper of Souls (immer noch ein bescheuerter Name). Das große Kaufargument für das Buch ist jedoch vermutlich – wie in jedem guten YouTube-Video – ganz am Ende versteckt: Star Wars 1313. Es ist nicht viel, was Schreier dazu zu Tage fördern oder zumindest auf ca. 20 Seiten unterbringen konnte. Aber es gibt doch einen kleinen Einblick in die letzten Jahre des alten LucasArts vor dem Aufkauf durch Disney und die anschließende Schließung.
Als Leser erfährt man mehr darüber wie viele Probleme Bioware mit DICEs Frostbite-Engine hatte und wie die Resonanz auf Dragon Age II den radikalen Shift zur riesigen, offenen Welt in Dragon Age: Inquisition bedingte. Wie sehr Bungie eigentlich keinen Bock mehr auf Halo und Shooter hatte und am Ende trotzdem Destiny rauskam (wieder ein SciFi-Shooter). Und wie sehr sie Ensamble Studio dafür hassten, dass diese an Halo Wars arbeiteten. Wie konnten diese Fuzzies nur “ihre” Marke missbrauchen (weil beide sowie Halo zu Microsoft gehörten…). Auch von Indieentwicklern, die ihre Karriere, ihre Gesundheit und ihr Privatleben für ihre Vision aufs Spiel setzten wird erzählt (Stardew Valley & Shovel Knight).
Der Stil ist normaler, gut geschriebener und nicht sonderlich komplizierter Fließtext mit ein paar Fußnoten und zahlreichen, eingearbeiteten Zitaten in zeitlicher Reihenfolge der Ereignisse. Als Veteran der Spieleindustrie fühlte ich mich hier und zwar etwas zu sehr an die Hand genommen. Aber vermutlich sollte die Zielgruppe des Buchs etwas breiter sein. Wobei ich ehrlich gesagt nicht wüsste, wer außerhalb von Spieleinteressierten damit wirklich etwas anfangen kann. Es ist schließlich extrem spezifisch und vermutlich gleichzeitig doch zu oberflächlich, um daraus irgendwelche Lehren zu ziehen. Zumal zumindest eine gewisse Grundkenntnis von den erwähnten Spielen definitiv zum Verständnis nicht verkehrt ist.
Beim Christoph meint: Von mir gibt es . Es ist insgesamt ein informatives und kurzweiliges Werk aber tatsächlich ist es mir hier und da viel zu kurz. Maximal 30 Seiten pro Titel werden bei einigen der gesamten Entwicklungsgeschichte nicht wirklich gerecht. Zu viele Informationen, die Schreier entweder nicht kannte (unwahrscheinlich) oder aufgrund von Platzmangel nicht unterbringen konnte (wahrscheinlicher). Da hätte ich mir gewünscht, dass er lieber dedizierte Bücher zu den einzelnen Werken gemacht hätte. Aber ungeachtet dessen ist das Buch für alle, die sich etwas mehr dafür interessieren wie die “Wurst” hergestellt wird, eine klare Leseempfehlung. Eine deutsche Übersetzung fehlt allerdings und wird vermutlich auch nicht mehr kommen nach all der Zeit.