Half-Life²: Episode One

 

Review

Diskussion - Screenshots

 

Auch heute noch ist die Shareware-Szene sehr groß, wird aber im kommerziellen Bereich meist nur von normaler Anwendungssoftware als Verkaufssparte genutzt. Vor einem Jahrzehnt war dies noch anders. Commander Keen, Doom, Quake - von allen wurde die erste Episode kostenlos veröffentlicht. Der interessierte Spieler hatte so ausreichend Material, das ihn über Tage beschäftigen konnte und wusste, dass dort draußen gegen etwas Bares weitere Episoden mit noch mehr Inhalt warteten. Nachdem man einige Zeit dachte, dass Shareware-Versionen und die damit verbundene Unterteilung der Spiele in Episoden, nur noch im Hobbyentwicklerbereich zu finden wären, springen nun immer mehr große Entwickler wieder auf diesen Zug auf - allerdings fährt dieser nun genau in die andere Richtung. Die erste Episode des eher mäßigen Bone-Adventures von Telltale Games hat es vorgemacht, Ritual konterte mit dem eher durchschnittlichen SiN Episodes: Emergence und nun hat Valve mit Half-Life²: Episode One einen potentziellen Blockbuster auf die Spielergemeinde losgelassen. Alle Spiele haben eines gemeinsam: Eine sehr kurze Spielzeit, einen entsprechend niedrigen Preis auf Addon-Niveau und die Option auf Fortsetzung der Geschichte in einer zukünftigen Episode. Wo man früher kostenlos eine Art Demo bekam, die mehr zu bieten hatte als so manches Vollpreisspiel heutzutage, bekommt man nun für rund 20-25€ einen kleinen Teil eines großen Spiels. Hier stellt sich natürlich die Frage ob eine neue Abzocke ist oder es sich wirklich auch für den Spieler lohnt. Aus diesem Grund widme ich mich heute Half-Life²: Episode One.

Alyx und Du

Episode One beginnt dort, wo Half-Life² aufgehört hat. Gordon Freeman hat Breen besiegt und steht mit Alyx am höchsten Punkt der Zitadelle, während selbige explodiert. Der ominöse G-Man hält die Zeit an und plötzlich tauchen Vorigaunts auf, die eine Art Ritual durchführen. Sie befreien unsere Helden aus dieser misslichen Lage und transportieren sie an den Fuß der Zitadelle. Dort werden sie von Dog gefunden und kontaktieren dann umgehend Dr. Kleiner um auf den aktuellen Stand der Dinge gebracht zu werden. Dieser teilt ihnen mit, dass in der Stadt ein Chaos herrscht und dass der Reaktor der Zitadelle instabil ist und bald hochgehen wird. Damit noch mehr Leute aus City 17 evakuiert werden können bevor dies geschieht, gibt Dr. Kleiner Gordon und Alyx den Auftrag den Reaktor zu stabilisieren. Danach folgt eine Hatz durch City 17 in dem verzweifelten Versuch, rechtzeitig aus der Explosionsreichweite zu gelangen. Außerdem findet Alyx in der Zitadelle etwas sehr beunruhigendes, was den Spieler noch in den weiteren Episoden beschäftigen wird. Aber kommen wir zum eigentlichen Spiel, bevor ich euch die ganze Story verrate.

Du und Alyx

Selbst unerfahrene Spieler dürften in rund 5-6 Spielstunden das Ende von Episode One erreichen, aber während dieser Zeit wird es einem nie wirklich langweilig. Dies ist vor allem der Verdienst von Alyx. Man schlüpft zwar nie in ihre Haut, jedoch weicht sie nur an wenigen Stellen von Gordons Seite. Dementsprechend viel Arbeit hat Valve in die 'neue' Alyx gesteckt. Sie kann jetzt nicht nur besser kämpfen und sieht - graphisch und animationstechnisch - wesentlich besser aus, sie interagiert auch besser mit dem Spieler. Als beliebtes Beispiel wird hier gerne die Reaktion auf Gordons Taschenlampe genannt. Wenn Gordon Alyx anleuchtet, kneift sie die Augen zu und hält sich die Hand vors Gesicht. Wenn Gordon in dunklen Räumen seine Taschenlampe aber deaktiviert lässt, dann bittet sie ihn höflich das Licht anzumachen. Auch in anderen Situationen zeigt sie wesentlich mehr Emotionen als noch im Hauptspiel. Als Gordon und Alyx in der Zitadelle auf einen Raum stoßen, in der ein wichtiger Gegner aus Episode Two vorgestellt wird, sieht man richtig wie sich Alyx erst einmal von diesem Schreck erholen muss. Sie wirkt dabei so menschlich, dass man sich einfach nur noch mitleidig daneben stellt, sie betrachtet und sich wieder einmal ärgert, dass Gordon der schweigsame Typ ist. Episode One zieht viel seines Reizes aus Alyx.

Muss es auch, denn der Rest des kurzen Spiels ist jedem bekannt, der Half-Life² gespielt hat. Zwar hat sich nicht nur das Innere der Zitadelle, sondern auch teilweise komplett City 17 verändert, aber dennoch hat man ständig irgendwie das Gefühl alles schon einmal erlebt zu haben. Dadurch, dass es auch nur eine neue Gegnerart - den Zombine, eine Kombination aus Headcrab und Combine - gibt, ergeben sich immer wieder die bereits bekannten Kampfsituationen. Ein weiteres Problem ist, dass man lange Zeit nur mit der Gravity Gun herumläuft. Zwar wird sie zwischendurch wieder zu der bekannten Combineschleudermaschine, aber es fühlt sich nach einiger Zeit doch etwas langweilig an. Valve hat hier aber zum Glück auf sinnlose Physikrätsel verzichtet, wie es sie in Half-Life² teilweise gab. Als Beispiel sei hier nur die Waschmaschine auf dem Baugerüst zu nennen. In der Zitadelle nutzt man die Waffe hingegen um beispielsweise herabfliegende Trümmer wegzustoßen, während Gordon und Alyx mit einem Aufzug hinunter fahren. Oder man muss Kraftfeldbrücken reaktivieren, indem man Energiekugeln in Sockel schießt, die teilweise hinter einer Glasscheibe versteckt liegen und nur durch einen Billiardstoß erreichbar sind. Aber der Spieler ist trotzdem froh, wenn er dann doch endlich die Shotgun in die Hand gedrückt bekommt und im zweiten Spielabschnitt Zombies metzelt - in einer stockdunklen Umgebung.

Licht an

Obwohl man nun eine Waffe in der Hand hat, erwischt man sich doch die ganze Zeit dabei, dass man Alyx nur hilft die Gegner im Dunkeln zu sehen. Dies hat zum einen den Vorteil, Munition zu sparen aber zum anderen macht es auch sehr viel Spaß Alyx zuzuschauen. Vor allem im Nahkampf hat sie einiges dazugelernt. Theoretisch kann sie zwar sterben, aber passieren wird einem das wohl nie. Sobald man allerdings ans Tageslicht kommt und endlich die richtigen Gegner in Form von Combine warten, ändert sich alles schlagartig und man kämpft wieder hauptsächlich selbst. Außerdem hat Valve Gordon noch 3 bekannte Bosse in den Weg gestellt. Vor allem der Kampf gegen das Luftschiff im hölzernen Dachstuhl ist einer derer, die graphisch am meisten zu bieten haben und gleichzeitig sehr herausfordernd ist.

Wenn man nach rund zwei Drittel des Spiels endlich an das Tageslicht kommt, trifft man auch wieder auf befreundete KI. Auch Barney ist wieder mit dabei und gibt Gordon sein Brecheisen zurück. Die Dialoge zwischen der KI sorgen hier auch für den ein oder anderen Lacher. Während Dr. Kleiner z.B. im Fernsehen darauf hinweist, dass man sich nun wieder ungezügelt fortpflanzen darf, findet man in einem anderen Gespräch eine Andeutung auf das erfolgreiche Half-Life²-Webcomic "Concerned". Die deutschen Stimmen sind leider, wie im Original, nicht besonders gut gelungen, während hier die englische Version eindeutig hoch punkten kann. In Anbetracht der Tatsache das Episode One der Anfang einer Trilogie ist, verwundert es natürlich nicht, dass das Ende wieder etwas unbefriedigend ausfällt. Aber es ist bei weitem nicht so frustrierend wie das Ende von Half-Life².

Techtelmechtel

Auf technischer Ebene hat sich gegenüber dem Hauptspiel nur wenig getan. Die Grafik ist weiterhin top und bietet nun auch moderne Features wie High Dynamic Range Rendering (HDRR). Auf der Soundseite hört man die gewohnten Geräusche, in die ab und zu, meist härtere, Musik eingespeist wird. Episode One hält hier das hohe Niveau von Half-Life² und schafft es sogar an einigen Punkten das Hauptprogramm zu übertreffen. Als wichtigster Pluspunkt bietet das Spiel nun einen Audiokommentar. Was mit Chronicles of Riddick erstmals bei PC-Spielen eingeführt und von Valve mit Half-Life²: Lost Coast übernommen wurde, ist nun vollständig ausgebaut in Episode One anzutreffen. Bis alleine das Intro abgelaufen ist, hat man (auf Wunsch) schon 3 Entwickler-Kommentare gehört und je nach Größe des Bereichs findet man bis zu 16 Sprechblasen in den Levels verteilt. Hier kommen verschiedene Entwickler aus allen Bereichen zu Wort, die Teilaspekte wie die Story, Spielmechanik oder die Technik genauer beschreiben. An manchen Punkten wird dem Spieler auch die Kontrolle entrissen und bestimmte Dinge gezeigt. Sehr früh z.B. zeigt einer der Entwickler, wie die Montiorszenen entstehen. Diese sind nämlich keine vorher aufgezeichneten Spielszenen. Das was auf dem Monitor dargestellt wird, passiert gerade in einem unzugänglichen Bereich des Levels und wird dann auf dem Monitor gezeigt. Die Kommentare lassen sich aber jederzeit durch einen Druck auf die "Benutzen"-Taste unterbrechen und sowieso muss man sich vor Spielbeginn entscheiden ob man lieber mit oder ohne Kommentare spielt.

Fazit

Alles im allem bietet Episode One mehr vom selben. Dies ist bei einem Blockbuster wie Half-Life² natürlich absolut nichts Negatives, aber man muss doch wieder auf die Anfangsfrage zurückkommen: Abzocke oder wirklich das bessere Vertriebssystem? Wenn man bedenkt, dass alle 3 Teile zusammen gut 60 Dollar im Internet bzw. 75€ im Laden kosten werden, muss man sich schon fragen ob sich das lohnt. Für rund 18 Spielstunden ist das gegenüber normalen 45€ schon ein stolzer Preis, auch wenn als Dreingabe noch Half-Life²: Deathmatch und die eher schlechte Umsetzung Half-Life: Deathmatch Source dabei sind. Am Spiel selbst gibt es auf jeden Fall nichts auszusetzen und der Audiokommentar ist eine große Bereicherung, die ich auch gerne in anderen Spielen sehen möchte. Wer Half-Life² mochte wird, Episode One auf keinen Fall bereuen. [CH]

4/5 Punkte

(Veröffentlicht am 27.06.2006)