Fast habt ihr es geschafft. Noch einen Tag, dann ist Weihnachten schon wieder rum und wir alle unsere nervigen Verwandten wieder los. Es hat schon seine Vorteile, dass man bestimmte Familienteile nur einmal im Jahr sieht, gell? Deswegen will ich euch heute auch gar nicht groß überfordern. Stattdessen erwartet euch der erste Eintrag aus der neuen Serie “Late To The PS3-Party” in der ich euch mit Berichten zu PlayStation-3-Spielen langweile, die mittlerweile total veraltetet sind und entsprechend keine Sau mehr interessieren .
Wie angekündigt, wurde meine Spielesammlung in den letzten Wochen mit PlayStation-3-Titeln erweitert (ein paar fehlen aber noch) und ich bin auch schon fleißig dabei den Backlog abzuarbeiten. Ganz vorne auf der “Will ich unbedingt endlich mal spielen”-Liste stand dabei dieser Titel:
HAZE (PS3) – 55% hat das Spiel derzeit bei Metacritic. Ein absoluter Blockbuster quasi. Auch mein Ersteindruck damals von der Games Convention 2007 war jetzt nicht großartig imposant. Speziell die Grafik hat mich damals absolut nicht umgehauen und tut es auch jetzt, sechs Jahre später, immer noch nicht. Da spielt der Titel schon größtenteils im Dschungel beziehungsweise in tropischen Umgebungen und muss sich entsprechend ganz klar mit Crysis (2007) messen und dann sieht er nur äußerst mittelmäßig aus. Immerhin: Das Entwicklerstudio Free Radical (TimeSplitters) heißt seit 2009 Crytek UK und arbeitet derzeit an Homefront 2. Irgendjemand hat also anscheinend doch das Potential gesehen.
Die erste Hälfte
Mich hat HAZE dennoch brennend interessiert. Das liegt zum einen daran das der (leider mit 15 Minuten sehr kurze) Soundtrack seit dem Release im Jahr 2008 immer mal wieder aus meinen Boxen ertönt (auch jetzt im Moment) egal ob daheim, im Auto oder auf der Arbeit. Sascha Dikicyian besser bekannt als Sonic Mayhem hat da mal wieder saubere Arbeit abgeliefert. Zum anderen klang die Geschichte sehr interessant. Und zwar befinden wir uns in der Zukunft. In der Rolle von Sergeant Shane Carpenter sind wir Teil der Privatarmee von Mantel welche nach Südamerika geschickt wird, um das Land von Rebellen zu säubern. Das Besondere an den Manteltruppen ist, dass sie Nektar einsetzen. Das ist eine Droge, welche Schmerzen lindert, die Wahrnehmung verstärkt und auch sonst so einige Vorteile im Kampf bietet.
Als Mantel-Soldat seid ihr entsprechend gut unterwegs. Dicke Rüstung, starke Waffen und dank Nektar quasi mit übermenschlichen Kräften ausgestattet braucht ihr an so Dinge wie in Deckung gehen oder vorsichtig vorgehen gar nicht zu denken. Eine Gefahr werden die Rebellen nur, wenn sie in der Überzahl sind oder einer mit dem Flammenwerfer rumrennt. Brennt ihr, müsst ihr den SixAxis schütteln, um die Flammen zu löschen. Irgendwie eine doofe Spielmechanik in einem chaotischen Shooter. Aber gut: Die PlayStation 3 war noch jung und Sony brauchte Spiele, die ihre tollen Technologien benutzen.
Die zweite Hälfte
Der wichtigste Vorteil des Nektars ist aber wohl, und das ist jetzt natürlich ein Spoiler, dass es die Schrecken des Krieges ausblendet und die Soldaten empfänglicher für Befehle macht. Ziemlich schnell wechselt ihr nämlich die Seiten und seht fortan die Welt, wie sie wirklich ist. Dreckig, blutig und voller Leichen. Zudem erfahrt ihr, dass Mantel das Land nicht von der Unterdrückung durch die Rebellen befreien will, sondern dort die Pflanzen wachsen, die zur Herstellung des Nektars benötigt werden. Also dreht ihr den Spieß rum und macht fortan Jagd auf eure alten Vorgesetzten.
Anders als die gut ausgerüsteten Mantel-Truppen, seid ihr als Rebell auf dem Papier eher hinterhältig unterwegs. So könnt ihr die Soldaten mit einem Fußtritt betäuben und ihnen den Waffen abnehmen, dürft Granaten vergraben und, ganz wichtig, euch tot stellen. Der Nektar blendet tote Feinde nämlich einfach aus und somit werdet ihr unsichtbar für die Truppen. Sehen euch die Soldaten beim Aufstehen, geben sie entsprechend auch ein “Der ist ja gar nicht tot?!” von sich.
Fazit
Das alles klingt auf dem Papier äußerst interessant, abwechslungsreich und taktisch anspruchsvoll. Allein aus der Geschichte hätte man so viel machen können. Auch der Twist ist, obwohl absolut vorhersehbar, eine nette Idee, da sich die Rebellen ganz anders spielen als Mantel. Und dann gibt es auch noch einen Koop-Modus für bis zu vier Spieler (alle Fahrzeuge im Spiel sind entsprechend auf vier Leute ausgelegt). Wenn das nicht Pflichtkauf ruft, was dann?
Nun, in der Praxis bleibt HAZE dann doch weit hinter den Erwartungen zurück. Insofern sind die schlechten Wertungen absolut gerechtfertigt. Egal ob ihr auf Seiten von Mantel oder den Rebellen unterwegs seid: Ihr ballert euch ohne viel taktischen Anspruch durch absolut lineare und, wie erwähnt, grafisch nicht wirklich überzeugende Levels, um zum nächsten Checkpoint zu gelangen. Auch die Geschichte motiviert nicht, da höchstens die Ansätze der interessanten Thematik vorhanden sind und auch alles viel zu schnell geht. Das Spiel hat noch gar nicht richtig angefangen, schon fängt euer Nektareinspritzer das Spinnen an.
Somit geht es am Ende ausschließlich um den Rachefeldzug Shanes gegen seinen ehemaligen Truppenleiter Duvall, weil der ein paar böse Dinge getan hat (typischer Klischee-Charakter). Die Auswirkungen des Nektars, die Gräueltaten von Mantel und die Sache mit der Propaganda werden eher nebenbei behandelt. Faktisch gab es bislang (bin im Kapitel 11 von 15) nur eine Szene, die sich tatsächlich so richtig damit beschäftigte. Es handelte sich dabei aber dann doch nicht um mehr als einen billigen Plotdumb, der euch als Spieler innerhalb von fünf Minuten auf die Seite der Rebellen ziehen soll. Schade.
Dadurch verpufft das gesamte Potential des Spiels in einer Wolke aus durchschnittlicher Konsolen-Shooterkost, die zu Recht schon damals niemanden interessant hat und heutzutage noch weniger. Wenn ihr das Spiel nicht gespielt habt, habt ihr somit nichts verpasst. Nur den Soundtrack, den kann ich euch wirklich nur empfehlen.
Eine Hoffnung
Ich hoffe allerdings, dass sich vielleicht doch noch einmal jemand die Idee schnappt und sie richtig umsetzt. Spec Ops: The Line hat ja bekanntlich eindrucksvoll gezeigt, wie man die Erwartungen des Spielers gekonnt ausnutzt. Für sowas wäre auch der Nektar richtig gut geeignet. Die erwähnten Szenen am Anfang, in denen euer Nektarzufluss anfängt Probleme zu haben, waren ein guter Ansatz. Aber damit das seine Wirkung richtig entfaltet, muss zum einen das Spiel so vermarktet werden, dass der Twist nicht schon im Trailer verraten wird. Und zum anderen muss ich als Spieler auch erst einmal die Gelegenheit haben mich wirklich in die Rolle des treudoofen Soldaten einzufinden. Wenn ich schon nach den ersten fünf Minuten weiß, dass Duvall ein Bösewicht ist und nach zehn Minuten klar wird, dass ich demnächst zu den Rebellen überwechsele, dann funktioniert das einfach nicht.
Es wird entsprechend spannend zu sehen, was am Ende aus Homefront 2 wird. Der erste Teil war ja bekanntlich auch etwas anderes und tiefgründigeres als nur der nächste patriotische Call of Duty-Klon. Das Potential für ein kritisches und interessantes Spiel ist also auch hier auf dem Papier vorhanden. Mein Vertrauen in Crytek im Allgemeinen und Herrn Cevat Yerli im Speziellen ist jedoch nicht sehr groß. Meine Befürchtung ist tatsächlich, dass der zweite Teil tatsächlich ein richtiger Battlefield– und Call of Duty-Klon wird. Aber warten wir es mal ab.
Bis Montag!