Es war mal wieder eine super Woche für das Internet. Mit The Witcher 3: Wild Hunt erblickt der wohl am sehnlichsten erwartete Titel nach Bloodborne das Licht der Händlerregale und auf den ersten Blick wird das Werk aus Polen seinem Hype absolut gerecht. Man könnte schon fast von einem Simultan-Orgasmus sprechen, so extrem viel wird seit dem Fallen des Review-Embargo in allen Ecken und Enden des Netzes darüber geredet, geschrieben und gezeigt.
Aber wir wissen ja alle: Wenn das Internet eines noch lieber mag als gehypte Spiele, welche die Erwartungen tatsächlich auch erfüllen, dann natürlich Kontroversen. Und die Kontroverse bei The Witcher 3: Wild Hunt lässt aktuell die schreiende Minderheit wieder mal absolut ihren Verstand verlieren. Ich rede selbstverständlich vom graphischen Downgrade im Vergleich zum ersten Trailer zum finalen Spiel. Eben die gleiche Diskussion, wie wir sie vor ziemlich genau einem Jahr schon einmal geführt hatten. Damals, am 27. Mai 2014, kam WATCH_DOGS auf den Markt und sah nicht “ganz” so gut aus wie in den E3-Trailern. Und wenige Monate zuvor traf Dark Souls II das gleiche Schicksal. Auch das sah in den anfänglichen Trailern wesentlich besser aus als das Endergebnis. Von Aliens: Colonial Marines im Jahr 2013 müssen wir erst gar nicht anfangen zu sprechen.
Kein neues Thema
Ist das jetzt quasi der neue Trend? Die Sterne versprechen und am Ende nur eine Pizza liefern? Natürlich nicht. Wie immer vergisst das Internet, dass wir diese Kontroversen schon früher hatten. Ich sag nur Peter Molyneux. Berühmtestes Beispiel ist aber wohl Command & Conquer: Tiberian Sun, dessen Screenshots nicht einmal ansatzweise das zeigten, was den Spieler beim Auspacken anno 1999 tatsächlich erwartete. Der Unterschied ist höchstens, dass in der heutigen Zeit die PR-Kampagne uns quasi täglich mit neuem Material überschüttet auf das jeder sofort und in höchster Qualität Zugriff hat, es noch wesentlich stärker auffällt und es sich dank des Internets wie ein Lauffeuer verbreitet. Wir sind einfach näher dran an der Spieleentwicklung, als wir es vor 20 Jahren waren.
Und genau das ist das Problem: Der normale Konsument hat immer noch nicht verstanden (und wird es wohl auch nie), dass sich Dinge verändern. Das ist besonders fatal bei Kickstarter-Backern, die noch einmal stärker mit ihrer vermeintlichen Investition (Es ist eine Spende, ihr Hornochsen!) verbunden sind. Ein Spiel ist während seiner Entwicklung im Wandel. Was man am Anfang sieht, ist die idealisierte Version der Entwickler. Das Spiel, das es in ihrem Kopf werden soll. Aber wie immer gilt: Selbst der beste Plan fällt beim ersten Feindkontakt in sich zusammen. Features, die auf dem Papier cool klangen, machen in der Realität keinen Spaß. Manches muss aus Zeitgründen gestrichen oder zumindest umgestaltet werden. Und, der relevanteste Punkt für die aktuelle Diskussion, die Performance stellt sich als unterirdisch schlecht heraus und lässt sich nicht soweit optimieren (zumindest im angepeilten Zeitraum), dass die total genialen Licht- und Schatteneffekte auf durchschnittlicher Hardware (also Konsole und Mittelklasse-PC) halbwegs flüssig laufen.
Die Realität
Das Ergebnis dieser ganzen Thematik ist ein Spiel, dass mit den Versprechungen am Anfang eben mitunter nicht mehr ganz so viel zu tun hat. Das ist eigentlich völlig normal und solange es am Ende trotzdem noch ein unterhaltsamer Titel ist, habe ich auch absolut kein Problem damit. Fatal und verwerflich ist es nur wenn, wie im Falle von Aliens: Colonial Marines oder eben Command & Conquer: Tiberian Sun eine bewusste Täuschung und damit faktisch Betrug am Kunden begangen wurde. Da reden wir dann über ein GANZ anderes Thema. Aber das sind die Ausnahmen und nicht die Regel. Die meisten “Downgrades” oder “entfernten Feature” sind schlicht aus der Notwendigkeit heraus geboren und keine Absicht.
Natürlich kann man sich fragen “hätte es mit diesem und jenem Feature nicht doch noch mehr Spaß gemacht?”. Aber jetzt so tun, als wäre man total verarscht geworden von der PR-Kampagne halte ich speziell bei The Witcher 3: Wild Hunt für mehr als nur übertrieben. Das Spiel sieht selbst mit der reduzierten Detailfülle einfach nur göttlich aus (und ist was die Hardwareanforderungen angeht das neue Crysis. Zwar frage ich mich schon, warum die Entwickler nicht zumindest auf dem PC die entsprechenden Grafikoptionen angeboten haben (sollen wohl ab einem der nächsten Patches über die *.ini zu bearbeiten sein).
Der Grund
Aber warum das Spiel eben nicht mehr ganz so gut wie bei der Ankündigung aussieht ist eindeutig: Die Power der aktuellen Konsolengeneration hat sich als geringer herausgestellt als erwartet. Zur Erinnerung: The Witcher 3: Wild Hunt wurde Anfang Februar 2013 angekündigt und war zu dem Zeitpunkt schon weit fortgeschritten während die PlayStation 4 erst Ende Februar überhaupt offiziell angekündigt wurde! Von daher wussten selbst die Entwickler noch nicht so wirklich, auf was sie sich da einlassen. Verständlich also, dass die anfängliche Vision nicht ganz gehalten werden konnte.
Doch noch einmal: Das ist zwar schade, aber vollkommen okay. Ich fühle mich dadurch absolut nicht getäuscht, weil das Endergebnis immer noch fantastisch und besser aussieht als alles, was ihr sonst so in den letzten Jahren hatten. Ich bin entsprechend definitiv bei Kirk Hamilton, der auf Kotaku schrieb: Hört auf Versprechen zu kaufen. Kauft Videospiele!
Bis Montag!
Ich halte die negativen Reaktionen auch für übertrieben. Allerdings bin ich auch nicht ganz zufrieden. Mir stören vor allem zwei Dinge (die man zudem durchaus recht einfach beheben könnte):
– das finale Spiel ist mir viel zu bunt. Hier sahen die Trailer deutlich besser aus
– Zumindest auf dem PC sollte es noch höhere Einstellungen geben (eben solche, die der Trailerqualität entsprechen). Und bitte auch ohne .ini-Fummeleien. Ob das dann flüssig läuft oder nicht, wäre mir erstmal wurscht. Es würde aber die ganzen Hater etwas beruhigen.
Ja, da kann ich CDPR auch nicht ganz verstehen. Ist ja nicht so, als wären sie nicht auf dem PC groß geworden und wüssten wie gerne wir unsere 20seitigen Grafikeinstellungsmenüs und unsere Crysis-Benchmarks haben.
Zu bunt finde ich das Spiel allerdings jetzt nicht. Sieht zumindest in den Videos Teil 2 sehr ähnlich.