Da Lysanda letzte Woche überraschenderweise einen Eintrag (selbst) geschrieben hatte, kommen wir heute nun ohne viel Umschweife zum eigentlich angekündigten Thema:
Agents of Mayhem (2017; PC, XONE, PS4) – “Warum hat dieses Spiel keinen Koop-Modus?!” dürfte wohl die häufigste Frage sein, die sowohl Kritiker als auch Spieler sich beim neusten Werk von Volition immer wieder gestellt haben. Und ja: Wenn nicht Agents of Mayhem, welches Spiel dann? Ähnlich wie im Puzzle-Titel Trine schlüpft ihr in drei Charaktere gleichzeitig zwischen denen ihr auf Knopfdruck wechselt und aus der Third-Person-Perspektive haufenweise L.E.G.I.O.N.-Soldaten (League of Evil Gentlemen Intent on Obliterating Nations) über den Haufen ballert. Euer Team stellt ihr aus insgesamt 15 Agenten (drei als DLC für je 5 Euro) zusammen, die jeweils völlig einzigartig sind beginnend von ihrem Aussehen und ihrer Hintergrundgeschichte bis hin zum Gameplay mit eigenen Fähigkeiten, Stärken und Schwächen.
Hollywood, einer euer ersten Agenten, ist zum Beispiel ein alter Filmschauspieler und liebt es im Rampenlicht zu stehen (und hat entsprechende Bonus-Moves, die ihn “cool” aussehen lassen). Er trägt ein Maschinengewehr bei sich, verschießt Granaten und seine “Mayhem”-Fähigkeit (eine Art “Ultimate”) versetzt ihn in seinen eigenen Michael-Bay-Film (passenderweise “Blockbuster” genannt). Rama hingegen schwingt (Energie-)Pfeil und Bogen, ist auf der Suche nach einem Heilmittel für eine Seuche in ihrem Heimatland und macht eher wiederwillig bei M.A.Y.H.E.M. (Multinational Agency Hunting Evil Masterminds) mit. Außerdem lassen sich alle Agenten noch grob in drei Kategorien einteilen, um euch ein Stück weit dazu zu zwingen ein homogenes Team zusammenzustellen. So ist Hardtrack dank seiner Schrotflinte gut gegen gepanzerte Feinde während Fortune dank ihrer schnell schießenden Pistolen zügig feindliche Schilde herunter bekommt.
Ja, Agents of Mayhem nimmt sich nicht ganz so ernst wie ihr anhand der Beschreibung von Hollywood vielleicht schon vermutet. Kein Wunder: Technisch gesehen ist es Teil des Saints Row-Universums. Ihr wisst schon: Dem GTA-Klon, der sich mit jedem Teil tiefer in die Absurdität stürzte und seine eigene Nische fand (und dem Webmaster unter anderem deswegen tausendmal besser gefällt als alle GTA zusammen). Vorsicht Spoiler! Am Ende von Saints Row IV sind die bösen Aliens zwar besiegt, die Erde aber zerstört. In Saints Row: Gat out of Hell werdet ihr im Finale dann vor die Wahl gestellt. Eine davon ist es die alte Erde wiederherzustellen. Damit werden zwar die Ereignisse der gesamten Saints Row-Reihe ausgelöscht aber sie und alle Menschen existieren wieder. Spoiler Ende Agents of Mayhem setzt auf diesem Ende auf. So gibt es zwar viele Andeutungen auf Saints Row (mit den DLC-Agenten Johnny Gat und Kinzie Kensington sogar zwei Charaktere) aber es ist eben nicht Saints Row V. Dennoch ist es zumindest spielerisch in gewisser Art und Weise die logische Fortsetzung nachdem im vierten Teil bereits Superkräfte ihren Einzug in das Universum gehalten haben – und im Prinzip sind die Fähigkeiten eurer Agenten nicht viel anders.
Die Spieltwelt
Die Handlung rund um Persephone Brimstone und ihr Kampf mit M.A.Y.H.E.M. gegen die bösen Welteroberer von L.E.G.I.O.N. spielt in einer Zukunftsversion von Seoul, in der ihr euch wie gewohnt frei bewegen dürft, um neben den zahlreichen Missionen auch noch anderen Tätigkeiten nachzugehen. Erfreulicherweise ist das Spiel in der Hinsicht nicht einmal ansatzweise so überladen wie manch ein anderer, aktueller Open-World-Titel. Zu sammeln gibt es sogar nur zwei Sachen: Kristalle mit denen ihr eure Agenten signifikant verbessern könnt sowie Kisten, in denen neben Baumaterial auch hin und wieder mal eine Autoblaupause versteckt ist. Ja, Fahren spielt anders als in Saints Row IV wieder eine größere Rolle. Statt euch aber zu zwingend die lahmen Zivilistenkarren zu benutzen, dürft ihr auf Knopfdruck euer sprechendes Agentenauto rufen und – wenn ihr an der richtigen Stelle steht – sogar stylisch einsteigen.
Dass es nur so wenig zu sammeln gibt, ist allerdings gleichzeitig ein Negativpunkt, denn außerhalb der Missionen habt ihr relativ wenig zu tun. Es gibt ein paar Arten von Nebenevents wie z.B. das Erobern von feindlichen Stützpunkten oder das Befreien von Geiseln aber die macht man einmal und dann wiederholen sie sich immer und immer wieder – und zwar nicht nur im Inhalt, sondern sogar im Levelaufbau. Dragon Age II lässt grüßen. Das ist auf der einen Seite schade, auf der anderen könnt ihr euch so voll und ganz auf die Highlights des Titels konzentrieren (die Charaktere und ihre Geschichten) und seid trotzdem mindestens 20 Spielstunden voll beschäftigt (ich hab’ aktuell circa sieben Stunden hinter mir und erst fünf Agenten freigeschaltet).
Neben den Storymissionen gibt es Episoden in denen ihr mehr über die Agenten erfahrt (vor allem, wie sie überhaupt bei Mayhem gelandet sind) und sie so überhaupt erst freischaltet. Vorangetrieben wird die Geschichte dabei vor allem mit schicken Zeichentrick-Filmchen, die zusammen mit dem Episodenaufbau, dem sehr bunten und übertrieben Look sowie dem bekannten Saints Row-Humor bewusst eine Art “Samstags-Morgen-Cartoon”-Feeling erzeugen. Leider geht das Erzählniveau mit seinen überzeichneten Klischeecharakteren gleichzeitig nicht über besagten Samstag-Morgen-Cartoon hinaus. Banausen werden zwar behaupten, dass die Saints Row-Spiele genauso wenig Tiefgang hatten aber diese Leute haben offensichtlich die Serie nie richtig gespielt und damit keine Ahnung. Es reicht zwar, um bei der Stange zu halten aber vor allem wenn man den Vergleich hat, dann schmerzt es doch sehr zu sehen wie wenig Volition mit seinem großen Kader an toll ausgearbeiteten Charakteren anfängt.
Das Gameplay
Neben der Hauptstadt Seoul gibt es noch eure Ark. Das ist die Schaltzentrale, in die ihr auf Knopfdruck zurückkehrt. Hier stellt ihr euer Team zusammen und verbessert es (neben den Kristallen, gibt es z.B. pro Levelaufstieg auch ganz normal Punkte zu verteilen), stellt Agenten für globale Missionen (nach x-Minuten gibt es eine Belohnung) ab, erforscht/kauft Gadgets wie riesige rollende Energiekugeln, konfiguriert euer Standardauto, ändert den Schwierigkeitsgrad in mehr als einem Dutzend Abstufungen (je höher, desto mehr Cash und Erfahrungspunkte gibt es für erfüllte Missionen – im Gegenzug sind die Gegner um einiges mächtiger) und so weiter und so fort.
Die meiste Zeit verbringt ihr aber in Seoul und ballert was das Zeug hält. Die Kämpfe gehen wie von Saints Row gewohnt gut von der Hand, wenngleich die Masse an unterschiedlichen Fähigkeiten am Anfang etwas erschlägt und manche Agenten sogar erst mit einem höheren Level wirklich nützlich werden. Aber man gewöhnt sich dran, lernt in welcher Situation man zu welchem Charakter wechseln sollte und macht es schon bald ganz intuitiv und flüssig. Zwischendurch scannt ihr viel (ein Tastendruck), um die verstreuten Kisten mit Belohnungen sowie Nebenevents zu finden und betreibt einiges an Parkour, da der Titel ist sehr vertikal angelegt ist dank zahlreicher Hochhäuser, um besagte Kisten und Kristalle einzusammeln. Wie gut, dass jeder Agent von Haus aus einen Dreifachsprung hat.
Beim Christoph meint: Auch wenn ich den Koop-Modus sicherlich nie benutzt hätte, stimme ich doch zu, dass er Agents of Mayhem sehr gutgetan hätte. Könnte mir es absolut wie bei Trine vorstellen (alleine wechselt man zwischen den drei Charakteren – zusammen spielt jeder einen). Aber selbst ohne finde zumindest ich, dass Volition einen in vielfacher Hinsicht spaßigen Titel produziert hat. Ja, es ist kein Saints Row V und es wurde sehr viel Potential verschenkt. Es ist zudem definitiv nicht auf dem gleichen Niveau (vielleicht aufgrund von Zeit- und Budgetbegrenzungen?). Das gilt sowohl für die wenig mitreißende Geschichte (sie lebt einzig allein vom bunten Agentenkader), als auch beim Gameplay (der Großteil des Spiels besteht aus Kämpfen gegen austauschbare Feinde). Zusätzlich trübt die Liebe Technik das Bild, da doch so einige Bugs (inkl. Plotstoppern, die sich nur durch mehrmaliges Neustarten des Spiels umgehen lassen) selbst jetzt noch existieren und die PC-Performance trotz des eher durchschnittlichen Grafikniveau nicht wirklich gut ist.
Und doch: Dank der wirklich extrem unterschiedlichen Agenten und der vielfältigen Möglichkeiten wie selbst ein einziger Agent zusammengesetzt werden kann, sind die Kämpfe nie langweilig. Gleichzeitig ist die Verpackung trotz mangelndem Tiefgang bei der Geschichte stimmig und lädt zum Weiterspielen ein. Entsprechend habe ich den Kauf bislang nicht bereut. Als Budgettitel ganz klar einen Blick wert – nicht nur aber besonders für Fans des Saints Row-Universums. Wer allerdings immer noch nicht zumindest Saints Row III und Saints Row IV (da die Geschichte zusammenhängt, macht es keinen Sinn nur Teil 4 zu spielen) erlebt habt, sollte dies endlich mal nachholen und dann lieber erst einmal auf Agents of Mayhem verzichten.