Sicarius

Unternehmensgründer und ihre Verpackungen

Der Zettel ist schnell ausgefüllt.

“Deutschland. Gründerland.” sagen die einen. Die anderen jammern, dass wir kein Silicon Valley hätten und kein Hort für Start-ups wären. Fakt ist: Allein 2020 wurden 660.863 Gewerbe neu angemeldet. Klingt erstmal nach viel bis man die zweite Statistik dazu holt: Im gleichen Zeitraum wurden 541.738 Gewerbe abgemeldet. Natürlich handelt es sich in den meisten Fällen nicht um die gleichen Unternehmen. Es zeigt aber schon, dass nur ein Bruchteil tatsächlich überlebt.

Nach den Erfahrungen, die Lysanda bislang gemacht hat (ist schon ein paar Jahre dabei), wenig verwunderlich. Der erste Schritt ist in Deutschland tatsächlich mega-einfach. Gewerbeantrag ausfüllen, zur Stadt/Gemeinde tingeln, etwas Geld dalassen (in ihrem Fall 33€) und schon steht das Unternehmen. Das Problem ist der Rattenschwanz dahinter. Der Begriff “Selbstständigkeit” bekommt da eine ganz neue Bedeutung, denn man muss sich entweder alles selbst zusammenreimen oder irgendwelche Berater für teuer Geld beauftragen – und selbst dann kann man sich nicht darauf verlassen, dass es rechtlich passt. Standardisierung? Äußerst beschränkt. Unterstützung von staatlichen Stellen? Kaum und wenn dann kostet das auch erstmal wieder Geld. Und nein, selbst die Kammern (z.B. IHK, HWK) sind für Kleinunternehmer keine wirkliche Hilfe, sondern nur ein weiterer Kostenfaktor in der Bilanz.

Ein Dschungel voller Tiger

Selbstverständlich ist die Erwartungshaltung nicht, dass mir einer eine Gelddruckmaschine hinstellt und ich gar nichts mehr tun muss (wäre ja zu einfach). Es ist aber echt frustrierend mit welchem Mist man sich herumschlägt statt sich auf das zu konzentrieren, um das es geht: Ein Produkt/Dienstleistung/etc. anbieten und verkaufen. Weil Gesetze schwurbelig verfasst sind. Weil einem das Finanzamt keine Fragen beantworten darf. Weil es im Verbraucherrecht wenig Standardisierung gibt. Warum “darf” sich beispielsweise jeder seine AGBs komplett selbst aus den Fingern saugen? Warum gibt es da nicht von staatlicher Seite aus zumindest ein rechtssicheres Muster? Ach ja: Weil ansonsten einfach das BGB gilt und das hat so seinen ganz eigenen Charme. Verstanden… Datenschutz, Widerrufsrecht und was weiß ich noch alles: Tausende von Arbeitsplätzen existieren nur, um sich für die Unternehmen damit zu beschäftigen. Es fehlt an echten Standards und gleichzeitig ist man irgendwie niemals rechtssicher. Was der eine Anwalt so sieht, klingt für den anderen komplett anders. Und was am Ende das Gericht macht? Weiß vermutlich nicht einmal der liebe Gott und kann sich jeden Tag ändern. Andererseits: Irgendwie muss sich die Abmahnindustrie ja auch finanzieren. Vom “Verbraucherschutz” will ich gar nicht erst anfangen (kommt weiter unten…).

Wieso verweist mich beispielsweise das Finanzamt, wenn es etwas von MIR will, bei einer Rückfrage an einen Steuerberater? Ihr habt mir doch einen Brief geschrieben und gefordert, dass ich das und das mache. Aber Fragen dazu beantworten um sicherzustellen, dass ich es richtig mache? Ne, bloß ned. „Schicken Sie es einfach ein und wir stimmen dann zu oder lehnen ab und sie können Widerspruch einreichen“. So kann man auch Bürokratie unnötig am Leben halten. Ja, dieses Telefonat hat mich echt aufgeregt. Lag vermutlich auch daran, dass der Beamte am Telefon gefühlt irgendwie so gar keinen Bock hatte sich grundsätzlich mit mir zu unterhalten. Warum ich telefoniert habe statt meine Frau? Als Ehemann hafte ich automatisch bei Lysandas Gewerbe mit also habe ich durchaus ein Interesse an ihrem Erfolg (und bin unabhängig davon natürlich grundsätzlich ein netter und unterstützender Partner :wink: ).

Ein Hort von Gesetzeslosen

Lysandas Kreativmarktstand

Je mehr man sich mit dem ganzen Kram beschäftigt, desto mehr fällt einem auf, dass es eigentlich alle falsch machen. Das fängt schon im Kleinen an. Besucht beispielsweise mal einen von diesen “Kreativ-” oder “Hobby”märkten. Mal abgesehen von den absoluten Schleuderpreisen, die da verlangt werden und die allerhöchstens die Materialkosten decken dürften (wenn überhaupt) von der Arbeitszeit und dem administrativen Aufwand gar nicht erst zu reden. Da hat vermutlich so gut wie niemand überhaupt ein Gewerbe angemeldet. Und nein, es gibt kein “Kleingewerbe”. Alle müssen sich an die gleichen Regeln halten. Es gibt nur den steuerlichen Unterschied in Bezug auf “Kleinunternehmer”.

Und dann haufenweise Markenrechtsverletzungen – zumindest gehe ich nicht davon aus, dass die nette alte Dame eine Lizenz von Disney gekauft hat für das Tischtuch mit Mickey Mouse drauf. Und wenn doch, dann dürfte der Verlust bei einem Verkaufspreis von 5€ ziemlich gigantisch sein. Oder fehlende/falsche Produktangaben. Bei Textilien ist sogar die Reihenfolge vorgegeben wie es auf dem mitunter ungewollten Etikett zu stehen hat! Ja, ihr könnt abgemahnt werden, wenn die Schurwolle 10% nicht vor der Schafswolle 9% steht… selbst, wenn die Prozentangaben richtig sind! Das ist der absolute Wahnsinn speziell beim sogenannten “Verbraucherschutz”. Der Kunde wird für absolut unfähig gehalten (okay, manchmal ist er das auch) und man muss ihm alles zehnmal vorkauen. Ob dem Kunden das überhaupt hilft und Spaß macht? Interessiert niemanden. Stichwort Cookie-Banner-Wahnsinn.

Online wird es noch viel schlimmer mit AGBs, Widerrufsbelehrung und Einwilligungserklärungen die alle an bestimmten Punkten des Verkaufsprozesses vorliegen und gewisse Inhalte haben müssen (natürlich oft keine standardisierten Vorgaben, sondern nur schwammige Andeutungen in den Gesetzen), andernfalls kann dir jemand an den Karren fahren. Bestenfalls der Kunde, der sich dann auf das BGB berufen kann (hat sehr, sehr großzügige Fristen). Worst Case irgendein Mitbewerber, der euch wegen eines Schreibfehlers eine Abmahnung vorbeischickt und euch so in den Ruin treibt. Oder eben der Verbraucherschutz, der am liebsten möchte, dass man beim Kunden auf dem Schoß sitzt und ihm wie beim Notar alles ganz genau vorliest. Will das wirklich jemand? Ja, natürlich möchte ich als Kunde vor miesen Praktiken geschützt werden und wissen was los ist bevor ich irgendjemandem mein Geld überweise. Aber irgendwo gehört der gesunde Menschenverstand doch mal eingeschaltet, wenn ich schon mit Formularen zugeschüttet werde, nur weil ich mich für eine Dienstleistung überhaupt interessiere. Andererseits: Während ich diese Zeilen schreibe fällt mir der “Nutri-Score” ein. Der wurde ja böse gesagt auch nur deshalb eingeführt, weil die Leute heutzutage nicht mehr in der der Lage sind die Packung rumzudrehen und die Inhaltsstoffe zu lesen und zu verstehen. Insofern hat der Verbraucherschutz wohl doch recht: Menschen sind dumm. Und nein, ich nehme mich davon selbstverständlich nicht aus – immerhin kann ich Inhaltsstoffe lesen jnd verstehen.

Die Sache mit dem Karton

Eine Ladung Versandmaterial

Jetzt habe ich mich aber glaube ich erstmal genug über den aus meiner Sicht unnötig hohen administrativen Aufwand aufgeregt. Der eigentliche Grund des heutigen Eintrags war eins von Lysandas jährlichen Ritualen: die Verpackungslizenz. Grundsätzlich eine coole Sache. Unternehmen, die Verpackungen in den Umlauf bringen tragen ihren Anteil an den Entsorgungskosten bei. Die Lizenzgebühren gehen angeblich direkt rein ins Duale System und sorgen u.a. dafür, dass Papier- und Plastiktonnen größtenteils noch “kostenlos” sind. In Anführungszeichen, weil die Verkäufer selbstverständlich die Lizenzkosten auf die Produkte aufschlagen. Verständlich. Insofern bezahlen wie so oft wir als Kunden am Ende für die Gebühren aber ohne die dazugehörige Transparenz.

Übrigens: Nicht der Hersteller des Kartons muss die Lizenz haben. Für den ist es ja noch keine Verpackung, sondern seine Ware. Und soweit ich §3 des Verpackungsgesetz verstehe ist auch der Versand unter Unternehmen nicht lizenzpflichtig, denn dort steht “[…]die nach Gebrauch typischerweise beim privaten Endverbraucher[…]”. Oder um es Neudeutsch auszudrücken: “Business to Customer” und nicht “Business to Business”. Wenig verwunderlich, da auch in vielen anderen Bereichen B2B etwas unkomplizierter ist. Der Verbraucherschutz ist eben nur genau das: Ein Schutz des Verbrauchers. Sonst würde es ja Unternehmens- und Verbraucherschutz heißen :smile: .

Erfreulich unkompliziert

Der Kauf einer Lizenz geht ganz einfach. Gibt in Deutschland derzeit 11 Anbieter wie z.B. Reclay, Veolia oder DSD (der grüne Punkte) dafür und alles läuft komplett online ab. Ihr gebt einfach an wie viel von welcher Art von Verpackung ihr im nächsten Jahr voraussichtlich versendet und bezahlt die Gebühr dafür. Der Anbieter ist dann dafür verantwortlich, dass sie dahin kommt wo sie hinsoll (abzüglich einer Provision versteht sich…). Anschließend erfolgt durch euch noch ein Eintrag ins bundesweite Register namens LUCID. Ja, wir sind in Deutschland noch nicht so modern, dass das automatisch mit dem Kauf der Lizenz passiert. Ein paar Anbieter bieten das allerdings als zusätzlichen Service an. Doch egal wer es macht: Jetzt seid ihr rechtssicher. Am Ende des Jahres muss dann noch im Register eine Endabrechnung vorgenommen werden. Sprich habt ihr so viel Material verschickt wie ihr erwartet habt oder nicht. Ist der Wert höher, müsst ihr logischerweise entsprechend nachzahlen.

Und ja, diese Lizenz muss wirklich jedes Unternehmen haben, die Sachen an Privatkunden verschickt. Und nein: Es ist nicht nur der Karton und sein Füllmaterial betroffen. So ist zwar eine Rechnung in einem Brief noch erlaubt aber ihr packt eine Broschüre dazu? Dann wird der Umschlag sofort lizenzpflichtig! Also unbedingt das nächste Mal dran denken, wenn man mal wieder ein bisschen Werbung mit reinstecken möchte. Ihr könnt euch ja mal einen Spaß draus machen und bei eurem Erhalt einer Werbesendung im Register nachschlagen. Das ist nämlich öffentlich einsehbar – allerdings ohne Mengenangaben. Also ihr seht nur, dass das Unternehmen eine Lizenz hat.

Der Rechner von Reclay

Ihr seid übrigens nicht vor dem Kauf einer Lizenz gefeit, wenn ihr Verpackungsmaterial wieder verwendet. Das ist so ein kleiner Widerspruch im System. Zwar gibt es die offizielle Stelle aber trotzdem kann keiner nachweisen, dass für den Karton tatsächlich bereits eine Lizenzgebühr entrichtet wurde. Wenn ihr also das alte Amazon-Paket nehmt in dem euer privater Toaster gekommen ist, um Ware an euren Kunden zu verschicken wird dafür trotzdem noch einmal eine Lizenz notwendig. Fördert nicht gerade den Recycling-Gedanken wie ich finde aber wie oben geschrieben: Am Ende des Tages bezahlen sowieso die Endkunden dafür und vermutlich ist auch dies ein Grund (=viele in der Kette bezahlen für den gleichen Karton), warum eine Lizenz vergleichsweise billig ist. Bei Reclay (ein guter Anbieter, wenn es um kleinere Mengen geht) bezahlt ihr beispielsweise 6€ Grundgebühr und dann pro kg Karton 45ct. Glas sogar nur 9ct. Da kann man schon einiges verschicken bevor es weh tut.

Zusammenfassung

Wenn ihr ein Gewerbe anmeldet müsst ihr euch also auch über das Thema Verpackungslizenz zwingend Gedanken machen – selbst, wenn ihr z.B. nur ein Coaching aufbaut und gar keine Waren/Gegenstände verkaufen wollt. Die Grenzen ab wann etwas zu einer Verpackung wird sind relativ niedrig. Wie oben geschrieben: Selbst die Broschüre bei der Rechnung macht aus dem Umschlag bereits eine Verpackung. Auch, wenn ihr ein Zertifikat per Post verschickt: Verpackungslizenz, da es als “Ware” angesehen wird. Oder ihr verkauft im Rahmen eures Zeichenkurses ein paar Stifte und schickt sie jemandem zu -> Lizenz. Wenn hingegen ein Kursteilnehmer etwas bei euch liegen lässt und ihr es ihm zuschickt, dann ist dafür keine Lizenz notwendig.

Immerhin ist es ziemlich einfach das Thema für relativ wenig Geld rechtssicher zu machen. Bei Reclay sogar je früher desto billiger (geben Rabatte bis 25%). Ist bei vielen anderen Themen rund ums Gewerbe leider nicht so. Und keine Angst, wenn ihr es mal vergessen solltet: Nachmelden geht bis zum 15. Mai des Folgejahres. Macht ihr es allerdings nicht kann es Strafen von bis zu 200.000€ hageln.

Ihr seht: Ein zwar relativ übersichtliches und grundsätzlich sinnvolles Thema aber im Grunde genommen wesentlich komplizierter aufgesetzt als es sein müsste. Warum z.B. nicht einfach über die Müllgebühren statt diesem ganzen Bürokratiekonstrukt. Am Ende bezahlen wie geschrieben sowie wir Kunden die Zeche – aktuell sogar mehr aufgrund des ganzen zusätzlichen administrativen Aufwands in der ganzen Lizenzkette.

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