Sicarius

Fünf für die Ohren, Band-Edition #2

Vor mehr als fünf Jahren hatte ich euch an dieser Stelle fünf Bands vorgestellt. Diese Bands hatten alle gemein, dass ich sie erst durch Lysanda kennen gelernt habe und eine Frau als Lead Singer hatten. Vor ein paar Tagen bin ich nun mal wieder meinen mp3-Ordner durchgegangen. Das mache ich ab und zu, um zu schauen ob es mal wieder ein neues Album von den Jungs und Mädels gibt. Bekomme das meist anders nicht mit. Dabei ist mir eingefallen, dass ich schon lange vor der Zeit vor Lysanda einige Bands mit weiblichen Stimmen entdeckt und für gut befunden hatte. Also habe ich mir gedacht: Tu‘ doch mal wieder etwas für die Bildung deiner Leser und stelle ihnen fünf davon vor.

(Cover)

Alanis Morissette (seit 1986 aktiv)

Genre: Alternativer Rock (meistens)
(ausgewählte) Studioalben: Jagged Little Pill* (1995), Flavors of Entaglement* (2008), Havoc and Bright Lights* (2012)

Okay, die Kanadierin ist bereits 36 Jahre im Geschäft und definitiv keine Unbekannte. Insofern dürften die meisten unter euch schon von ihr gehört haben. Nicht nur ihr Megahit Ironic vom Erfolgsalbum Jagged Little Pill ist selbst heute noch regelmäßig im Radio zu hören – ihre Alben schaffen es auch immer noch bis fast ganz oben in den Charts.

Völlig verdient wie ich finde. Bei jeder neuen Veröffentlichung weiß man nicht so recht, was einen musikalisch erwartet (Alternative Rock, Post-Grunge, Elektronik, Indie Pop – gibt so einiges, was sie schon ausprobiert hat). Ihr neustes Werk, the storm before the calm*, ist sogar einfach nur ein Meditationsalbum. Worauf man sich aber verlassen kann ist, dass man Lieder zu hören bekommt, die von Herzen kommen. Ehrlich, unverblümt und mit einer emotional starken Stimme, nimmt sie mich jedes Mal mit auf eine sehr besondere musikalische Reise an deren Ende ich mich fühle, als hätte ich wieder ein bisschen mehr über mich selbst erfahren. Klingt total abgehoben aber ich wüsste nicht, wie ich es sonst beschreiben könnte. Definitiv eine besondere Sängerin/Songwriterin.

Persönliches Lieblingslied Such Pretty Forks In The Road – Track 01 – Smiling [04:17] (Anhören)

Keine Frage: Fast jedes Lied von Jagged Little Pill haut selbst heute noch rein. Kein Wunder also, dass diese noch so oft im Radio gespielt werden. Aber mir geht ihre mittlerweile erfahrenere und auch irgendwie rauere Stimme mit den dazugehörigen eher melancholischen Texten und der zurückhaltenden Begleitmusik viel mehr unter die Haut. Und Smiling ist für mich das beste Beispiel dafür. Langsam, nachdenklich und wehklagend besingt sie hier ihre innere Resignation, die sie nach außen niemals zeigen kann. Ein Gemütszustand mit dem sicherlich so einige unter uns mitfühlen können (leider).

 

(Cover)

Cœur de Pirate (seit 2007 aktiv)

Genre: Indie-Pop
(ausgewählte) Studioalben: Cœur de Pirate (2008), Blonde (2011), En cas de tempête, ce jardin sera fermé (2018)

Child of Light hat mich bekannt gemacht mit dieser – ebenfalls kanadischen – Künstlerin. Ihre Stimme ist auf dem Soundtrack nur im finalen Track (Off To Sleep) zu hören. Aber in ihren Bann gezogen hatte sie mich bereits bei den ersten (Klavier-)Tönen des Titelsongs Pilgrims On A Long Journey. Einer dieser Tracks, die mich immer wieder fast zum Heulen bringen.

Doch es geht an dieser Stelle nicht um den Gewinner von drei Bagdadsoftware NOCAs (2014), sondern um das Piratenherz (=Übersetzung ihres Namens) selbst. Ein Multitalent (Pianistin, Sängerin, Songwriterin) mit einer herzerweichenden süßen Stimme. Sie singt aus Überzeugung hauptsächlich auf Französisch und das liegt ihr auch definitiv am besten. Die englischen Lieder auf ihrem Album Roses* gefallen mir nicht einmal ansatzweise so gut.

Indie-Pop/Folk-Pop ist ihre Musikrichtung und ein Klavier, auf dem sie selbst in die Tasten greift, muss immer irgendwie dabei sein. Ihre Texte sind sehr lyrisch, teilweise schon poetisch und passen perfekt zu diesem (vermeintlich) zarten Stimmchen. Sie lullt einen beim Zuhören quasi mit ihrem Singsang ein. Ihr Repertoire besteht zwar bei weitem nicht nur aus langsamem “Geklimpere” (Adieu ist z.B. durchaus fetzig) aber ich muss ehrlich zugeben, dass mir genau diese Lieder am besten gefallen. Ihre Stimme unterstützt von einem Klavier und ich bin im siebten Himmel.

Persönliches Lieblingslied Blonde – Track 08 – Place De La République [04:11] (Anhören)

Eins dieser besagten “hauptsächlich ihre Stimme mit einem Klavier“-Lieder. Das Klagelied einer unglücklich Verliebten. Die Erinnerung an einen unvergesslichen Abend in Paris (auf dem Platz der Republik), die Bitterkeit der Trennung am nächsten Morgen und der schmerzliche Gedanke nach dem Überqueren der Seine (der Fluss mitten durch Paris), dass der andere sich sowieso nicht an sie erinnern wird. Langsam, eindringlich und doch irgendwie hoffnungsvoll gesungen. Ein sehr schöner Song.

 

(Cover)

Heather Nova (seit 1990 aktiv)

Genre: Alternativer Rock
(ausgewählte) Studioalben: South* (2001), Redbird* (2005), 300 Days at Sea* (2011)

Nein, nicht noch eine Kanadierin. Sie kommt stattdessen aus Bermuda. Passend dazu kann ich absolut nicht mehr daran erinnern wo ich die Dame ursprünglich entdeckt habe. Und wer diesen Witz jetzt nicht verstanden hat, dem kann ich nicht weiterhelfen. Ich weiß nur, dass das Zünglein an der Waage weg von “ganz nett zum ab und zu mal reinhören“ hin zu “läuft tagelang hoch und runter“ für mich erst ihr sechstes Album Redbird (2005) war. Es vereint die Stärken all ihrer vorherigen Alben und ist von vorne bis hinten ein vorzüglicher und abwechslungsreicher Hörgenuss.

“Abwechslungsreich“ ist aber auch sonst bei ihr ein gutes Stichwort. Ist das eine Album klassisch rockig, singt sie auf einem anderen nur alleine mit ihrer Akustikgitarre. Und selbst in den Liedern erwarten den Zuhörer viele Überraschungen. Während andere eher auf Gleichförmigkeit setzen, ist für sie die Musik genauso wie ihr Gesang flexibel, formbar und der Erzählung klar untergeordnet. Häufige Tempi- und Tonhöhenwechsel, klassische Instrumente vermischt mit E-Gitarren, Bass und Schlagzeug sowie den Mut eben wie erwähnt auch einfach mal nur mit der Akustikgitarre da zu sitzen. Jedes Mittel ist recht, um jedes Lied zu einer emotionalen Geschichte mit einem Spannungsbogen aus Traurigkeit und Hoffnung zu formen. Und ja: Ihre Stimme macht das alles problemlos mit. Ob hoch oder tief, melancholisch oder freudig, eindringlich oder zurückhaltend – sie ist die perfekte Erzählerin. In einem Rollenspiel wäre sie vermutlich der Barde in der Taverne.

Persönliches Lieblingslied: Redbird – Track 01 – Welcome [4:18] (Anhören)

Der Name des Lieds passt wie die Faust auf das Auge. Was für ein fulminanter Einstieg in ein Album. Es ist als würde Nova uns, den Zuhörer, freudig strahlend zu sich einladen. Ihr Angebot: 51 Minuten lang in ihre Welt abzutauchen, ein Gefühl von Freiheit zu erleben und etwas von ihr zu lernen. Und wer kann diesem Angebot bei diesem fetzigen Rhythmus und dem eindringlichen aber liebevollen Gesang widerstehen? Ich zumindest nicht. Wenn ich „Heather Nova“ in meine Winamp-Suche (ja, ich benutze es immer noch) eingebe, lande ich quasi immer zuerst bei diesem Track. So eingängig und genial.

 

(Cover)

K’s Choice (seit 1994 mit Pause aktiv)

Genre: Alternativer Rock / Post-Grunge
(ausgewählte) Studioalben: Paradise in Me* (1996), Almost Happy* (2000), Love = Music* (2018)

Gleich vorweg: Bei der Recherche für diesen Eintrag habe ich gelernt, dass Sänger Sam Bettens 2019 sein Coming-out hatte. Die Band hat also keine Frontfrau. Aber gute Musik ist gute Musik egal wer am Mikrofon steht, insofern passt das schon.

Mit diesem Punkt aus dem Weg: Eine dieser Bands mit denen ich dank Don Quichotte in meiner Kindheit/Jugend Bekanntschaft geschlossen habe. Und wie es sich für viele der Bands gehört, die DQ früher gehört hat (zumindest aus meiner Sicht), sind auch die Belgier klanglich ein wenig „komisch“ (Post-Grunge halt – verzerrte Gitarren und sowas) und ich habe sie erst später wirklich zu schätzen gelernt. Vermutlich ist es Sams leichte „Raucher“-Stimme, die mich am Ende überzeugt hat gepaart mit den eher nachdenklicheren und oftmals sehr melancholischen Texten – die aber auf häufig eine sehr gegensätzliche Art und Weise erzählt werden. Da kriegt man als Zuhörer mitunter ein ganz schönes Schleudertrauma. Etwas gewöhnungsbedürftig aber sobald man sich darauf eingelassen hat eine wirklich geniale Band mit einem überraschend breiten musikalischen Repertoire.

Persönliches Lieblingslied Paradise in Me – Track 13 – Old Woman [01:55] (Anhören)

Was für ein Kontrast. Ein schneller und fröhlicher Sound von dem man sich sofort mitreißen lässt. Und dann stellt man im dritten Vers fest, dass es um den Suizid-Versuch einer alten Frau geht, die wieder mit ihrem Mann vereint werden möchte. Viel zu kurz kurz aber ein starker Text mit einem nachdenklich stimmenden Ende und ein richtig gutes Hörerlebnis.

 

(Cover)

The Naked and Famous (seit 2007 aktiv)

Genre: Elektropop
(ausgewählte) Studioalben: Passive Me, Aggressive You* (2010), Simple Forms* (2016), Recover* (2020)

Ich bin zwar schon ein alter Sack aber ihre Hymne an die Jugendliebe Young Blood hat mich sofort mitgerissen als ich sie in SSX (2012) erstmals gehört habe. Mir gefiel der Song so gut (und er passt so perfekt zum Spielgefühl), dass ich die Rennen immer solange neu gestartet habe bis er abgespielt wurde. Also blieb mir nichts anderes übrig als mir die Band mal genauer anzuschauen. Und was soll ich sagen? Ich habe eine sehr interessantes Hörerlebnis entdeckt, das Frontfrau Alisa Xayalith (mit häufiger Unterstützung von Thom Powers) und ihre Band bieten.

“Sphärisch”, “Verträumt”, “in die Leere hinausrufen” – das wären ein paar Wörter mit denen ich die Werke von The Naked and Famous umschreiben würde (wobei die Tracks auf dem neusten Album, Recover, überraschend “normal” sind). Der eingängige Gesang ist häufig so gemixt, dass er wie aus der Ferne kommend klingt und zusammen mit den (teils sehr hart) verzerrten (Elektronik-)Klänge eine fast schon außerweltliche Erfahrung erzeugt. Auch inhaltlich weichen die Lieder eher von der Norm ab und brauchen mitunter etwas mehr Gehirnschmalz, um den Sinn dahinter zu verstehen. Das tut dem Hörgenuss freilich keinen Abbruch. Stattdessen habe ich relativ schnell das Bedürfnis mich irgendwie zum Rhythmus bewegen zu müssen.

Persönliches Lieblingslied Passive Me, Aggressive You – Track 02 – Punching In A Dream [03:58] (Anhören)

Ein sehr rockiger und poppiger Sound, der trotz seiner starken elektronischen Verzerrung eher Fröhlichkeit und Aufschwung vermittelt. Dabei singt Alisa (mit Unterstützung von Thom) keine freudige Ballade über das Leben, sondern von den vielen Widerständen gegen die man scheinbar nicht ankommt (=wie Boxen in einem Traum). Ein cooler Gegensatz der extrem gut klingt und meinen Körper sofort in Bewegung bringt.

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