29. November 2002. Ein Tag, der in die Geschichte eingehen sollte. Denn an diesem Freitag wurde Dragon Ball Z: Budokai für die PlayStation 2 veröffentlicht. Ein Kampfspiel basierend auf der gleichnamigen TV-Serie. Der Metacritic-Score liegt nur bei 67 aber wir wissen ja alle, dass diese doofen Spielejournalisten keine Ahnung von echter Qualität haben. Goku for Life!
Mmh?! An diesem Tag ist noch ein anderes Spiel erschienen? Höchstwahrscheinlich. Freitags war damals in Europa der Standardreleasetag. Aber was auch immer da veröffentlicht wurde, war bestimmt nicht wichtiger als Gokus Reise von der Saiyan in die Call Games Saga. Doch? Was soll das denn für ein mega-über-tolles Spiel gewesen sein? Gotik Zwei? Ich hab’s nicht so mit Architektur und Kunst, doch was hat das mit Videospielen zu tun? Ach Gothic II. Okay, du hast gewonnen lieber imaginärer Besucher in meinem Kopf. Wie konnte ich nur vergessen , dass vor genau 20 Jahren das beste* Einzelheldrollenspiel aller Zeiten in Deutschland in die Händlerregale gekommen ist. Warum ein “*”? Na, weil in einigen wenigen Fällen es tatsächlich vorkommen kann, dass Perfektion noch perfekter werden kann. Und im Falle von Gothic II hat das Erscheinen des Addins (integriert Inhalte in das Hauptspiel statt nur etwas anzuhängen/separat bereitzustellen) Gothic II: Die Nacht des Raben ein Jahr später (21.08.2003) nochmal einen drauf gesetzt.
Ein bisschen Geschichte
Nach der Veröffentlichung von Gothic und dessen einschlagendem Erfolg begannen bei Piranha Bytes direkt die Arbeiten an einem Addon. Bei ihrem Publisher, Egmont Interactive, gingen jedoch am 30. September 2001 die Lichter aus. Danach fanden sie zwar mit JoWooD Entertainment AG relativ zügig einen Ersatz aber die Österreicher hatten keinen Bock auf ein Erweiterungspaket und wollten stattdessen einen vollwertigen Nachfolger – der schon Ende 2002 fertig sein sollte. Ein ganz schön anspruchsvolles Ziel auch, wenn die Entwicklungszeiten damals noch kürzer waren. Andererseits hatten sie ja nun eine funktionsfähige Engine. Entsprechend lag die “Hauptarbeit” darin Inhalte zu produzieren und das halbe Jahr, das sie bereits in das Addon gesteckt hatten, musste nicht komplett weggeworfen werden.
Mehr Details zum geplanten Inhalt des Addons gibt es (meines Wissens) nicht. Meine persönliche Vermutung ist jedoch, dass der zweite Besuch im Minental teilweise aus den Addon-Plänen entstanden ist. Man hält sich doch verdächtig lange dort auf und nach dem Fall der Barriere dort eine Ork-Invasion stattfinden zu lassen ist jetzt nicht ganz so abwegig . Aber wie gesagt: Ich weiß es nicht und auch in den letztjährigen Retrospektiven kamen von den Entwicklern dahingehend keine Informationen.
Das Spiel
Der Schläfer ist tot, die Barriere um das Minental zerstört und die ehemaligen Gefangenen haben sich in alle Winde verstreut. Blöd nur, dass sich das Königreich immer noch im Krieg mit den Orks befindet und der König dingend Erz benötigt. Also schickt er seine Paladine auf die Insel Khorinis (das Minental liegt dort), die sogleich ihr Lager in der gleichnamigen Hafenstadt aufschlagen und die Kacke fängt so richtig an zu Dampfen. Mittendrin wieder ihr, der weiterhin namenlose Held (hat immer noch keiner nachgefragt). Jetzt unter den Fittichen des mysteriösen Zauberers Xardas macht ihr euch auf die Insel vor der Orkinvasion zu retten. Dass Xardas das Wohl der Menschheit nur zweitrangig ist… das kommt erst später zu Tage.
Spielerisch hat sich im Vergleich zu Teil 1 nicht viel getan, aber warum auch etwas reparieren, was nicht kaputt war? Okay, die Entwickler haben als Zugeständnis an die n00bs eine veränderte Steuerung eingebaut (alte kann auf Wunsch wieder aktiviert werden). Aber ansonsten steht Gothic II ganz klar unter dem Motto: Schöner, größer, weiter. Die Engine erlaubt nun eine höhere Sichtweite, alle 3D-Objekte haben mehr Polygone spendiert bekommen und die Texturen sind höher aufgelöst als noch in Teil 1. Ja, die grafischen Sprünge waren damals definitiv noch größer. Die Ladezeiten waren hingegen damals immer noch lang, dafür konntet ihr erneut die Spielwelt fast ohne Unterbrechungen erkunden – und die Insel Khorinis ist weitaus größer als das Minental. Fans haben die Engine-Verbesserungen übrigens schon vor langer Zeit auch nach Gothic portiert.
Euer Weg in die Welt von Gothic II beginnt wieder ohne Fähigkeiten, denn ihr wurdet ja nach dem Sieg über den Schläfer unter Gestein begraben und seid nun total geschwächt. Die übliche Ausrede halt. Immerhin bekommt ihr keinen Schlag ins Gesicht, sondern steht einfach vor Xardas Turm in der Nähe der Hafenstadt. Was ihr ab jetzt tut? Nun, ich würde gerne schreiben, dass euch die Welt zu Füßen liegt. Tatsächlich kommt ihr erst einmal um einen Besuch in der Hafenstadt nicht herum. Erst danach dürft ihr die gesamte Insel erkunden mit den üblichen natürlichen Beschränkungen (=starke Monster, die euch den Poppo versohlen). Wie in allen Piranha Bytes-Titel – wir wussten es nur damals noch nicht – gibt es drei Lager (jetzt Gilden) hier in Form der Paladine, Söldner und Feuermagier und eins der ersten Ziele ist es sich einer dieser komischen Katze anzuschließen, um die Geschichte voranzutreiben. Auch die Ausprägungen eures Charakters sind entsprechend wieder Kämpfer, Fernkämpfer oder eben Magier. Flora und Fauna sind ebenfalls zu einem Großteil bereits aus dem Vorgänger bekannt. Aber Khorinis ist dennoch detaillierter, umfangreicher, abwechslungsreicher (viel mehr Berge und viel Wald) und schöner gestaltet als das Minental.
Meinung
Aber warum sitze ich hier und erkläre euch das Spiel. Ist doch schließlich wie gesagt im Kern nichts Neues. Im Prinzip kann ich schlicht und einfach auf meinen letztjährigen Text zu Gothic verweisen. Alles dort Gesagte trifft auch auf den Nachfolger zu, nur eben in schöner, besser, ausgefeilter und noch spaßiger. Und wer mir nicht glaubt, liest noch einmal die Worte von unserem Azzkickr zu diesem Titel. Schließlich mussten wir ihn damals fast schon mit vorgehaltener Pistole zwingen sich damit zu befassen – und er war (wie erwartet) begeistert.
Ich für meinen Teil habe zwar keine Anekdoten wie zu Gothic – Rondrer und ich haben es halt zum Release gekauft und uns fleißig via ICQ über unsere Abenteuer ausgetauscht -, es ist jedoch für mich trotzdem bis heute eines der besten Rollenspiele aller Zeiten (allerdings in der Variante mit Die Nacht des Raben). Piranha Bytes hat die vergleichsweise kurze Zeit intensiv genutzt, um an den richtigen Ecken und Enden anzusetzen und das ursprüngliche Spielprinzip sinnvoll zu verbessern und zu erweitern. Die Stärken (u.a. viel Freiheit, eine große, aber nicht überfordernde Spielwelt, raue Charaktere) wurden dabei weiter ausgebaut (nur ein In Extremo-Konzert fehlt). Herausgekommen ist schlicht und einfach ein Meisterwerk, an dem sich nicht nur für mich bis heute sowohl andere europäische als auch internationale Rollenspiele messen müssen.
Während ich also letztes Jahr bei Teil 1 gemeint hatte, dass es schwierig ist das Spiel heute noch zu empfehlen, habe ich bei Teil 2 absolut keine Hemmungen: Pflichtspiel! Kaufen und zocken – und zwar sofort! Die Gold Edition kostet bei GOG und Steam derzeit sogar nur 2,49€. Und Mods, um es etwas zugänglicher und hübscher zu machen gibt es bei World of Gothic.