Meine Motivation noch Crowdfunding-Kampagnen zu unterstützen ist mittlerweile nicht mehr ganz so hoch. Liegt vermutlich an einer Mischung aus “nichts mehr interessantes dabei”, “hab’ dazu gelernt die Finger von dieser oder jener Art von Inhalt zu lassen” (z.B. Indie-Dokumentation zu Retro-Themen) und “die Versandkosten aus den USA sind sowas von abartig hoch”. Trotzdem elf Kampagnen in 2022 Geld gegeben – so ist es nicht . Aber auch diejenigen, die mit Kickstarter & Co. ihre Erfolge hatten lassen nach und nach die Plattform hinter sich. Sie gehen entweder zurück zu traditionelleren Veröffentlichungswegen – jetzt, wo sie am Markt etabliert sind – oder machen irgendwelche FOMO (Fear of Missing Out)-Aktionen auf ihren eigenen Seiten.
Der ganze FOMO-Kram geht mir persönlich massiv auf den Geist. Alles wird gefühlt nur noch künstlich verknappt und als potentielle Wertanlage verkauft. Was für eine absolute Ressourcenverschwendung. Dass viele aber dem Crowdfunding den Rücken zukehren, finde ich super. Schließlich ist es – wie der Name “Kickstarter” schon sagt – ja eigentlich nur als Sprungbrett gedacht. Und jedes Jahr mehrere Crowdfundingprojekte aufzusetzen ist aus meiner Sicht gelinde gesagt eher ein Zeichen für schlechtes Management und/oder Abzocke als wirklich ein Vertrauen in den Erfolg des eigenen Geschäftsmodells. Ja, ich schaue in deine Richtung Wyrmwood Gaming, die wegen einer erfolglosen Kampagne zu Weihnachten gerade fast zwei Dutzend Mitarbeiter entlassen mussten. Immerhin sind sie sehr transparent. Kann ihren YouTube-Kanal nur wärmstens empfehlen.
Das Jahr 2019
Doch genug geschimpft. Werfen wir stattdessen mal wieder einen Blick zurück und zwar auf das Jahr 2019. 32 Projekte habe ich damals unterstützt – drei mehr als noch 2018. Und nur eins, die Dokumentation Heart of Neon über das Kultentwicklerstudios LLAMASOFT, konnte sein Ziel nicht erreichen. Keine Ahnung, ob sie tatsächlich was geworden wäre. Deswegen bin ich ganz froh, dass die Finanzierung nicht geklappt hat. Meine bisherige Erfahrung mit solchen Indie-Dokumentation ist nämlich leider nicht so gut. Viele Retro-Fans scheinen sich sehr daran aufzugeilen möglichst viel Laufzeit zu bekommen statt guter Qualität. Entsprechend dürftig ist das Ergebnis.
Aber das wusste ich zu der Zeit noch nicht. Stattdessen habe ich ein paar Monate später Memoirs of a Spectrum Addict: Director’s Cut unterstützt. Die war dann auch erfolgreich und die Blu-ray steht schon einige Zeit hier im Regal. Gesehen habe ich sie zwar noch nicht aber die (vereinzelten) Reviews sind immerhin positiv. Ich werde berichten, wenn ich dann irgendwann mal dazu komme .
Was gab’s zum Zocken?
Filme unterstütze ich sowieso irgendwie ungern. Da ist mir die Gefahr zu groß, dass am Ende nur Mist rauskommt. Gilt natürlich auch für Spiele, weshalb ich in dem Bereich ebenfalls nur noch in absoluten Ausnahmefällen Geld in den Ring werfe. Dass es meist gar keine physikalische Version mehr als Extra gibt, macht es noch einfacher davon Abstand zu nehmen. Technisch gesehen habe ich 2019 aber tatsächlich noch 18 Titel unterstützt. Technisch gesehen, weil drei der Crowdfunding-Kampagnen sich nur um besagte physikalische Extras drehten.
Und zwar bringt der britische Publisher Huey Games (noch so ein Urgestein der Videospieleindustrie) seit einigen Jahren Indie-Titel auf einem USB-Stick auf den Markt. Und zwar DRM-frei, in Form einer C64-Kassette und finanziert über Kickstarter. Mit Droid Assault nahm es damals seinen Anfang. Gefolgt von Ultratron und The Mystery of Woolley Mountain. Insgesamt zehn Kassetten habe ich bislang unterstützt. Leider hat die Qualität abgenommen. Die neunte Kassette musste ich einmal umtauschen, bei der zehnten war selbst beim zweiten Umtausch der USB-Stick im Eimer. Zwar gibt es die Inhalte auch zum digitalen Download – war also kein Totalschaden. Aber unter den Bedingungen habe ich dann doch entschieden, dass es mir das nicht mehr wert ist. Scheinen auch andere so zu sehen, denn sie tun sich immer schwerer überhaupt noch ihr Initialziel zu erreichen. Irgendwelche Stretch Goals sind da reine Utopie geworden.
Von den restlichen 15 Videospielen sind in der Zwischenzeit tatsächlich schon acht Stück erschienen:
- Prodeus – Ein sogenannter Boom-Shooter (ein blöder Name) mit einem (auf Wunsch) sehr eigenartigen Look. Macht aber definitiv Laune und ist zu empfehlen.
- Alwa’s Legacy – Ein Metroidvania mit einem SNES-Grafikstil. Selbst noch nicht gespielt, hat aber gute Bewertungen.
- Justin Wack and the Big Time Hack – Sagen wir, wie es ist: Dieses Point & Click-Adventure habe ich nur unterstützt, weil es sehr viel Inspiration von Day of the Tentacle nimmt. Das Ergebnis scheint aber gelungen zu sein.
- Solasta: Crown of the Magister – Das andere CRPG-Schwergewicht neben Pathfinder: Wrath of the Righteous aber mit offizieller Dungeons & Dragons-Lizenz und einem größeren Fokus auf die rundenbasierten Kämpfe.
- Nox Archaist – Das Hardcore-Rollenspiel inspiriert und entwickelt für den Apple II. Ich hab’ es ehrlich gesagt nach fünf Minuten wieder abschalten müssen. Mir taten tatsächlich von diesem leicht verschwommenen Text die Augen weh. Keine Ahnung, wie das in den 80igern jemand ausgehalten hat. Aber irgendwann werde ich es mal wieder probieren.
- Radio Commander – Ein Echtzeitstrategiespiel bei dem ihr nicht direkt eure Truppen kontrolliert, sondern am Fernsprecher Befehle erteilt – mit entsprechender Verzögerung bei der Ausführung. Eine richtig coole Idee und die Umsetzung ist ebenfalls größtenteils gelungen und überraschend emotional eben, weil ihr so weit vom Schlachtfeld entfernt seid.
- 112 Operator – Ihr seid an der Notfallhotline. Eure Aufgabe? Die Anrufe entgegennehmen und die Einsatzfahrzeuge (Polizei, Feuerwehr, Krankenwagen, etc.) entsprechend zuweisen. Absolut nervenaufreibend, weil irgendwie nie genug Ressourcen da sind, um allen zu helfen.
- Chernobylite – Die Polen von The Farm 51 haben einen Großteil der Zone gescannt und waren mehrfach vor Ort um Tonaufnahmen und Fotos anzufertigen. Dürfte somit vermutlich die bislang realistischste Darstellung vom Kernkraftwerk und seiner Umgebung sein. Spielerisch würde ich es als Hardcore-S.T.A.L.K.E.R.: Shadow of Chernobyl bezeichnen. Zwar fehlt die offene Welt aber dafür sind die Survival-Elemente auf Stufe 10 hochgedreht und ein stärkerer Fokus auf die Geschichte gelegt. Definitiv nicht für jeden Spielertyp geeignet.
Und die folgenden vier Stück werden es 2023 auf jeden Fall über die Ziellinie schaffen:
- Summer Daze: Tilly’s Tale – Die Familie Cole hat es echt nicht leicht. Damals bei Sierra verantwortlich für so einige Hits, schaffen sie es seitdem irgendwie nicht mehr an die Glanzzeiten anzuknüpfen. Wird sich mit diesem eher seichten Adventure/Visual Novel-Verschnitt (ein Spin-off zu Hero-U: Rogue to Redemption) leider auch nicht ändern. Ich wollte sie einfach unterstützen.
- Homeworld 3 – Grafisch eine absolute Augenweide. Das Design der Schiffe ist wie schon bei den Vorgängern der absolute Wahnsinn. Hoffentlich kann es auch spielerisch mithalten.
- 3 Minutes to Midnight – Irgendwie scheine ich ein Faible dafür zu haben Point & Click-Adventure zu unterstützen, die auch nur ein bisschen an die glorreichen Titel von LucasArts erinnern :smile. .
- EVERSPACE 2 – Ich bin bei Titeln aus deutschen Landen mittlerweile ja eher skeptisch aber Teil 1 (eine rogue-like Weltraumsimulation) war überraschend gut und Teil 2 legt da echt nochmal eine Schippe drauf. Unbedingt im Auge behalten!
Die restlichen drei Titel sind Stray Gods: The Roleplaying Musical (hieß mal Chorus), Firmament (der neue Titel der Myst-Macher) und Subverse (das Mass Effect-Pornospielchen). Alle noch ohne Termin aber keiner dabei, wo ich die Befürchtung habe, dass da nichts mehr kommt. Subverse kann ich sogar schon seit bald zwei Jahren die Early-Access-Version spielen. Vergesse nur immer wieder, dass ich es besitze. Steam blockiert mittlerweile ja ausnahmslos alle anstößigen Inhalte in Deutschland. Entsprechend kriege ich nicht einmal die Developer-Updates dafür angezeigt. Echt ein absoluter Mist dieses Verhalten von Seiten Valve. Man kann sich dadurch nicht mal DLCs für die Spiele holen, die man besitzt. Und viele Uncut-Patches für solche Spiele werden nun einmal als (kostenlose) DLCs bereitgestellt. Aber gut: Thema für einen anderen Eintrag.
Viel zu lesen
Kein Video- aber ein Brettspiel: Divinity Original Sin the Board Game. Ja, dafür habe ich ebenfalls Geld ausgegeben. Und das, obwohl der eigentliche Hersteller des Brettspiel nicht gerade den besten Ruf hat und ich faktisch niemanden habe mit dem ich es spielen könnte. Aber dem Larian-Studios-Hype konnte ich nicht wiederstehen und zumindest auf dem Papier klingt es durchaus nach einem coolen Titel. Mal schauen. Dieses Jahr soll es angeblich endlich was werden mit der Fertigstellung, nachdem sie gefühlt das komplette Konzept einmal über den Haufen geworfen hatten.
Und auch Numenéra: Liminal Shores habe ich unterstützt, obwohl ich mit hoher Wahrscheinlichkeit nie eine Rollenspielgruppe dafür finden werde. Aber wie ich schon vor zwei Jahren geschrieben hatte: Mir gefällt die Spielwelt und ich finde es super mehr darüber zu erfahren. Insofern passt das schon . Müsste nur endlich mal Zeit dafür finden. So viel zu lesen aber man kommt irgendwie nie dazu. Dabei handelte es sich bei den restlichen zehn Projekten des Jahres 2019 ebenfalls um Sachen zum Lesen!
Schlimmer noch: Beim Kickstarter für Boss Fight Books Werk* zum Spieleklassiker Breakout habe ich mir (wegen den Versandkosten) sogar den gesamten Katalog des Verlags gegönnt. Das waren damals 23 Bücher. Sie hatten mich nämlich vergessen, deshalb bekam ich auch noch die zwei in der Zwischenzeit erschienen Titel dazu. Daneben landeten in meinem “Unterstützungskorb” You Died: The Dark Souls Companion*, The Sierra Adventure: The Story of Sierra On-Line*, Through the Moongate, Part II* sowie die englischen Ausgaben von Third Editions The Rise of the Witcher und The Legend of Kingdom Hears Volume 1: Creation. Trotzdem, dass ich von ihrem Werk zu Dead Cells sehr enttäuscht war, unterstütze ich die Franzosen immer noch blind. So hoch ist die grundsätzliche Qualität ihrer Werke.
Der Rest
Was bleibt noch? Nun City Builder: A Guide to Designing Communities war der einzige Fehlkauf des Jahres 2019 würde ich sagen. Es klang auf dem Papier interessanter als das Ergebnis ist und man merkt zudem einfach, dass dahinter ein Indie-Verlag ohne viel Personal und Geld steckt. Dann habe ich mir noch die zweite Ausgabe des Spielemagazins A Profound Waste of Time gegönnt. Bin ja nicht mehr wirklich der Magazine-Leser aber das Werk hat echt was zu bieten und kommt eher einem Buch gleich als einem überteuerten Heftchen, das man nach einmaligem Lesen in den Müll wirft. Gleichzeitig hat es nicht diese ekligen Pseudo-Eliten-Stil, den man von deutschen Machwerken dieser Art kennt. Sprich es besteht nicht einfach nur aus beklopptem philosophischem Gelabber, sondern hat tatsächlich Inhalt und Mehrwert.
Die letzten zwei Titel hingegen waren die Webcomicsammlungen He is a Good Boy: The Collected Crange und Junior Scientist Power Hour: Volume 2. Keine Ahung was mich bei ersterem zur Unterstützung geritten hat. Die Geschichte dreht sich um eine Eichel mit einem extrem versauten Mundwerk, das von seinem Mutterbaum abgestoßen wird und nun gezwungenermaßen hinaus in die Welt reist. Gewöhnungsbedürftig aber insgesamt überraschend gut muss ich sagen. Junior Scientist Power Hour ist hingegen eine Art autobiographisches Werk der Künstlerin Abby Howard in dem sie ihre teils abstrusen Gedanken humorvoll aufs Papier bringt. Nett aber nicht überragend.
Epilog
So viel also zu meinem Crowdfunding-Jahr 2019. Ich habe damals wieder ein relativ breites Spektrum an Sachen unterstützt und von den 31 erfolgreichen Projekten sind tatsächlich mittlerweile bereits 23 abgeschlossen und der Rest auf einem guten Weg. Kein schlechter Schnitt. Allerdings dauert es bei Büchern eh meist nicht so lange. Sind eher die Filme und Videospiele auf die man ewig wartet. Wirklich bereut habe ich kein einziges Projekt. So viel kann ich schon jetzt sagen, obwohl ich mir noch nicht alles im Detail angeschaut habe. Und wie immer bin ich ein wenig stolz darauf zu sehen, was für coole Sachen dank meinem Geld (und X weiterer Unterstützter) ihren Weg auf den Markt gefunden haben. Vor allem bei den Spielen war die Ausbeute denke ich überraschend hochwertig. Und wehe, es widerspricht mir wieder jemand in den Kommentaren!