Star Trek: Deep Space Nine (Paramount-Promobild)
Von einem Raumschiff, das unterwegs ist, um neue Welten zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen zu finden, hin zu einem (die meiste Zeit) stationären Objekt. Wenn das kein krasser Unterschied ist, dann weiß ich auch nicht. Und das ist nur das Offensichtlichste (abseits des erstmals in Deutschland nicht übersetzten Titels), was Star Trek: Deep Space Nine* von Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert* unterscheidet. Wir haben außerdem eine größere Anzahl an Personal, mehr “Aliens” nicht nur unter den Hauptcrew, sondern grundsätzlich auf dem Bildschirm, mehr episoden-übergreifende Geschichten und generell eine wesentlich düstere Atmosphäre als es wir bislang bei den Abenteuern der immer sauber polierten Enterprise gewohnt waren. Ja, der Kontrast zwischen beiden Serien ist bewusst sehr groß. Verwechslungsgefahr faktisch ausgeschlossen auch, wenn Chief Miles O’Brien mit seiner Familie umziehen durfte (er hatte auf der Enterprise eh nichts zu tun) und Worf später ebenfalls den Einsatzort wechselt, um weitere TNG-Fans zum Einschalten zu bewegen.
Das bringt uns dann auch schon zum nächsten Gegensatz: Star Trek: Deep Space Nine konnte weder während noch nach ihrer Laufzeit an den Erfolg der Crew von Picard & Co. anknüpfen. Ich könnte jetzt mega-böse sein und einen Verdacht in den Raum werfen, der irgendwas mit der Farbe “weiß” zu tun hat. Aber das Thema lassen wir hier mal beiseite und schieben es stattdessen darauf, dass der Unterschied zwischen dem eher positiven Ausblick auf die Zukunft in den vorherigen Star-Trek-Serien und diesem stark religiös-behafteten und nicht so rosigen Teil der Galaxis für viele Zuschauer und selbst Trekkies zu groß war. Plus der Fokus auf zusammenhängende Handlungsstränge – wer nicht dran blieb, wurde quasi zurückgelassen.
Die andere Raumstation
Ach, und ein weiterer Faktor für die vergleichsweise schlechten Zuschauerzahlen könnte gewesen sein, dass gerade mal drei Monate später bei der Konkurrenz eine andere Science-Fiction-Serie startete – inkl. einem damals sehr bekannten Schauspieler in der Hauptrolle (Bruce Boxleitner). Die spielte ebenfalls auf einer Raumstation und bot einen genauso wenig auf Hochglanz polierten Blick auf das Universum: J. Michael Straczynskis Babylon 5.
J. Michael Straczynski (ja, man muss ihn immer vollständig ausschreiben!) warf Paramount übrigens vor seine Idee gestohlen zu haben. Er hätte schon 1989 seine Serie an Paramount gepitcht, die aber damals ablehnten. Da jedoch kein Gerichtsverfahren folgte (angeblich, um beide Serien zu schonen), werden wir wohl nie erfahren, was an den Anschuldigungen wirklich dran ist. Aus meiner Sicht halten sich die Ähnlichkeiten zwischen beiden sehr in Grenzen abseits der grundsätzlichen Prämisse und der Tatsache, dass beide erstmals stark auf CGI setzten für ihre Außenaufnahmen. Die waren billiger als das Produzieren und Filmen von Modellen wie es bis zum Ende drüben bei Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert praktiziert wurde. Aber auf Babylon 5 gehen wir vielleicht in Zukunft nochmal genauer ein. Hab‘ sie zwar vor einigen Jahren mal gesehen aber noch nicht alle Filme und die Spin-Off-Serie.
Die Entstehung
Doch zurück zu Star Trek: Deep Space Nine. Captain Picard ließ damals die Kassen bei Paramount ordentlich klingeln. Entsprechend ist es wenig verwunderlich, dass sie die Cashcow “Star Trek” weiter melken wollten. Gleichzeitig waren sie sich bewusst (ein seltener Weitblick im Vorstand!), dass sie nicht ewig mit den Abenteuern der Enterprise-D weiter machen konnten. Zum einen wegen steigender Schauspielergehälter und zum anderen wegen möglichem Burnout bei den Autoren. Also wurden Rick Berman und Michael Piller beauftragt eine weitere Live-Action-Serie zu entwickeln.
Ideen gab es dafür einige. George Takei wünschte sich beispielsweise eine mit seinem Charakter Hikaru Sulu in der Hauptrolle. Das wurde jedoch abgelehnt, weil Paramount im Zeitraum von Picard & Co. bleiben wollte. Ein anderer Gedanke war es sie im klingonischen Imperium anzusiedeln (sehr coole Idee!). Oder auf einem frisch kolonisierten Planeten, quasi “New Frontier”-Style. Beides wurde jedoch aus Budgetgründen verworfen (wie so oft). Stattdessen rückte die Idee sie auf einer der Raumstationen spielen zu lassen in den Fokus, die wir schon öfters in den Filmen und Serien gesehen hatten.
Brandon Tartikoff, damaliger Vorstand bei Paramount, soll schlussendlich auf das finale Konzept gekommen sein. Es war aber keine komplett neuer Einfall, sondern er war inspiriert von den Western aus den 50iger und 60igern. Ganz konkret wohl von Westlich von Santa Fé*, die in einem Ort am Rande zum Wilden Westen spielte. Jetzt war es halt eine Raumstation am Rande der Galaxie (stimmt technisch gesehen nicht, aber passt scho’). Diese Inspirationsquelle kam allerdings nicht von ungefähr, denn Gene Roddenberry hatte bereits Raumschiff Enterprise als “Western im All” an Paramount gepitcht.
Staffel 1
(Cover)
Und damit kommen wir endlich zur 1. Staffel* von Star Trek: Deep Space Nine. Die Erstausstrahlung erfolgte am 30. Dezember 1992 – mitten in der Weihnachtspause von Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert. Picard hatte gerade seine Folterung (Staffel 6, Folge 11) überstanden und konnte entsprechend einen kurzen Abstecher machen, um den neuen zu begrüßen: Captain Benjamin Sisko. Der hatte frisch das Kommando über eine ehemalige Raumstation der Cardassianer übertragen bekommen. Blöd nur, dass der seine Frau bei der Schlacht mit den Borg bei Wolf 359 verloren hatte und entsprechend auf unseren lieben Captain Picard nicht so gut zu sprechen ist. Nein, wirklich gelöst wird dieser Konflikt zwischen den beiden nie. Aber in der Heldenreise gehört so ein tragisches Erlebnis und die Konfrontation damit halt dazu . Am Ende des Pilotfilms haben wir auf jeden Fall den neuen Status Quo: Es gibt ein Wurmloch in den Gamma-Quadranten, Deep Space Nine ist direkt daneben und Sisko ist der Auserwählte – allerdings noch ohne Bart.
Der Pilotfilm, Der Abgesandte, ging damals in die Geschichte ein. Jedoch nicht wegen seiner inhaltlichen Qualitäten, sondern weil er 12 Millionen Dollar gekostet hat – das bis dato höchste Budget in dieser Kategorie. Für die gesamte erste Staffel standen hingegen 32-40 Millionen Dollar zu Verfügung (keiner weiß wohl mehr die genaue Zahl). Wenig verwunderlich also, dass sie nur 20 Folgen á 45 Minuten hat im Gegensatz zu den üblichen 26. Wobei Star Trek: Deep Space Nine wohl unterm Strich vergleichsweise sparsam unterwegs war. Zum einen eben durch den Einsatz von CGI (inkl. dem ein oder anderen Szenenrecycling – macht bloß nicht aus “Runabout fliegt ins Wurmloch” ein Trinkspiel). Die Sets waren zwar sehr groß aber dafür ihre Anzahl übersichtlich und sie wurden entsprechend häufig verwendet. Operations, Quarks Bar, ein Abschnitt auf dem Habitatring mit Odos Büro und der Krankenstation sowie ein Korridor mit Luftschleuse, Jefferies-Röhre und einem Quartier – das wars im Großen und Ganzen in Bezug auf Deep Space Nine selbst. Als Zuschauer fällt einem das aber nicht wirklich auf. Zum einen, weil es schlicht und ergreifend Sinn macht. Warum sollte schließlich jeder Korridor anders aussehen. Bei TNG haben wir in den sieben Staffeln die eine Kreuzung auch immer und wieder zu Gesicht bekommen. Zum anderen, weil viel mit Setdesign und unterschiedlichen Kameraperspektiven gearbeitet wird.
Der Inhalt
Fragt ihr einen eingefleischten Trekkie nach seiner Meinung, wird er vermutlich mal wieder sagen, dass die erste Staffel von Star Trek: Deep Space Nine absoluter Mist wäre und ihr sie einfach überspringen solltet. Keine Ahnung, wo dieser Schwachsinn immer herkommt. Fakt ist: Wie schon bei Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert ist sie bei weitem nicht so schlecht, wie sie gerne geredet wird. Im Gegenteil fand ich sie sogar im direkten Vergleich wesentlich besser und unterhaltsamer.
Ja, Schauspieler wie Autoren mussten erst mit den neuen Charakteren und dem neuen Setting warm werden. Das ist doch völlig verständlich und damals hatte man noch die Zeit. Bei den heutigen 6-Episoden-“Staffeln” muss natürlich gleich alles sitzen. Apropos: Odos Makeup ist ebenfalls noch nicht ganz gelungen und variiert beim genaueren Hinsehen teils von Szene zu Szene. Und obwohl die Grundlage für einen roten Faden gelegt wird (die Propheten), sind es doch größtenteils nur “Was kommt heute komisches aus dem Wurmloch?”-Episoden. Diese machen aber unabhängig der sonstigen, inhaltlichen Qualität immerhin fast alle ihren Job: die Hauptcharaktere vorstellen und uns näherbringen. Dazu kommt, dass es a) kein übermäßiges “was haben wir noch an alten Drehbüchern im Schrank” wie Anfangs bei TNG gab, die nicht zur neuen Crew passen und b) die Autoren größtenteils keine Trek-Unerfahrenen waren. Neben Michael Piller hat auch der spätere Showrunner Ira Steven Behr bereits in der 1. Staffel viel mitgemischt.
Eine Auswahl
Star Trek: Deep Space Nine (Promobild)
Die wohl schlechteste Episode der 1. Staffel von Star Trek: Deep Space Nine (und vielleicht der gesamten Serie) dürfte Macht der Phantasie sein. Keine Ahnung, was sich die Autoren dabei gedacht haben. Bescheuerte Charaktere, keinerlei echte Spannung und eine komische Handlung. Die Legende von Dal’Rok ist ebenfalls nichts Herausragendes, wird aber immerhin durch die Kombination aus O’Brien und Bashir gerettet. Die B-Story mit den Kindern hingegen… naja, ihr wisst was meine Meinung zu Kindern in Film und Fernsehen ist. Jake, Nog & Co. bilden da leider keine wirkliche Ausnahme. Und Chula – Das Spiel ist mit das Dümmste, was ich seit Gefährliche Spielsucht (TNG Staffel 5, Folge 6) erleben durfte. Und nein, es hat nicht geholfen, dass der Abstand zwischen beiden Folgen nicht sonderlich groß war .
Im mittleren Qualitätsbereich sehe ich z.B. Der Fall Dax. Die Folge soll Erinnerungen an die famose TNG-Episode Wem gehört Data? (Staffel 2, Folge 9) wecken, sie fällt aber irgendwie ziemlich auf die Nase. Das Verhalten von Dax ist selbst unter Betrachtung der Auflösung fragwürdig und die Verhandlung nicht sonderlich spannend in Szene gesetzt. Dabei ist die Fragestellung an sich äußerst interessant (“Ist der aktuelle Trill-Wirt für die Taten seines Symbionten in einem vorherigen Leben verantwortlich?”). Unter Verdacht zeigt hingegen erstmals Odos Rolle auf der Station und wie schnell die Bewohner bereit sind einen wütenden Mob zu bilden. Aber das Ende ist so dermaßen bescheuert, dass es mir den Rest schon ein wenig versauert. Und Die Khon-Ma lebt für mich hauptsächlich von Garak – der beste Star-Trek-Charakter aller Zeiten(tm). Der Rest der Geschichte ist hingegen nur okay.
Absolute Highlights sind hingegen Episoden wie Mulliboks Mond, in der Major Kira mit ihrem Gewissen kämpft (und mit einem herausragendem Brian Keith als Mullibok). Die Meuterei ist zum einen wieder eine gelungene Detektivfolge, sie macht aber auch sehr deutlich wie fragil die Allianz zwischen der Sternenflotte und den Bajoranern ist. Ein Thema, das noch öfters für Konflikte sorgen wird. In Der undurchschaubare Marritza wird dann noch mehr als in den anderen Folgen der 1. Staffel gezeigt, wie viel Hass die Bajoraner gegen über den Cardassianern hegen (durchaus berechtigt). Die Charakterentwicklung von Kira in dieser Episode ist (von “tötet alle sofort und jetzt” hin zu “vielleicht habe ich doch ein paar zu viele Vorurteile”) extrem stark dargestellt und der Schlagabtausch zwischen ihr und Marritza spannend mit anzusehen. Die Nachfolge zeigt hingegen, dass bei allem “am Rande des Universums ist alles Scheiße”-Getue, der Humor nicht auf der Strecke bleiben muss. Die Ferengi-Folgen sind nicht jedermanns Sache, ich weiß. Aber ich finde die Abenteuer von Quark & Co. fast durchweg einfach nur amüsant und irgendwie auf ihre Art und Weise genial.
Und das Wiedersehen mit Q (Q – unerwünscht) und Lwaxana Troi (Persönlichkeiten) soll ebenfalls nicht unerwähnt bleiben. Beide Folgen bieten vorzügliche Unterhaltung. So stellt Q ziemlich schnell fest, dass Sisko komplett anders ist als Picard und vor allem Lwaxanas Auftritt ist überraschend emotional.
Fazit
Wie geschrieben: Unterm Strich fand ich den Einstieg in die Welt von Star Trek: Deep Space Nine durchaus gelungen. Die Anzahl der Rohrkrepierer ist übersichtlich, stattdessen doch viele gute bis sehr gute Folgen, die mir die Station und ihre interessanten Bewohner näherbringen. Dabei sind die Charaktere natürlich noch nicht alle wirklich gefestigt. Jungspund Dr. Julian Bashier ist beispielsweise hier noch ziemlich hibbelig und unausgewogen unterwegs. Aber auch das hat seinen Charme. Genauso wie die größtenteils noch ungeklärten Verhältnisse zwischen allen, die aber gerade deshalb noch interessanter sind, weil wir die Entwicklung eben als Zuschauer miterleben. Man bekommt nicht einfach nur ein “ist halt so” vorgesetzt, wie damals auf der Enterprise.
Abschließend noch ein Wort zur Technik: Die Serie gibt es bislang (und vermutlich auf absehbare Zeit) nicht auf Blu-ray. Der Grund ist genau die Kosteneinsparung von damals. Die CGI-Sequenzen sind nämlich von so niedriger Qualität, dass sie für eine Neuauflage komplett neu gemacht werden müssten, was sehr viel Zeit und Geld kosten würde. Und da sich die überarbeiteten Blu-ray-Fassungen von Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert wohl schon nicht gerechnet haben, hat Paramount das Thema nicht weiter verfolgt. Wir schauen entsprechend meine alten DVDs in den schicken Hartschalenboxen, die ich mir vor rund 20 Jahren bei der Erstveröffentlichung geholt habe (100 EUR pro Staffel…). Und ja: Es liegen in Bezug auf die audiovisuelle Qualität definitiv Welten zwischen beiden Serien. Aber stören tut es mich ehrlich gesagt überhaupt nicht. Auch nicht beim direkten Wechsel. Schon allein, weil Deep Space Nine sowieso etwas rauer und dreckiger ist. Lysanda sagt hingegen immer “ich seh‘ weiße Punkte” (eine Sehstörung), wenn ich sie auf die schlechte Qualität irgendeines Films oder Serie hinweise. Insofern, passt das schon .