Sicarius

Aus der Playlist: VikingEchoes – Sturm und Schatten

Neue Bands zu entdecken ist in der heutigen Zeit gefühlt gefährlich geworden. Entweder man geht irgendwelchem Generative-AI-Mist auf den Leim, der mittlerweile Spotify & Co. überschwemmt. Oder es stellt sich nach etwas Recherche heraus, dass der/die Künstler*in fragwürdige Ansichten/Angewohnheiten hat und der vermeintlich tiefgründige Text zum toll klingenden Beat nicht ganz so in Ordnung ist. Zugegeben: Letzteres kann auch im Nachhinein noch bei älteren Bands passieren. Aber die Wahrscheinlichkeit ist bei neuen, noch unbekannten Sachen halt doch höher.

Der Erstkontakt

Ganz aktuell ist Lysanda bei TikTok über ein Lied gestolpert, das ihr gefallen hat. Also kam schnell die Frage auf, wer dahintersteckt und ob es mehr gibt. Viel finden konnte ich zur fast schon brandneuen Band namens VikingEchoes allerdings nicht. Faktisch nur ihre diversen Social-Media-Kanäle mit den Liedern sowie eine Baukasten-Webseite. Viel Inhalt ist dort jedoch ebenfalls nicht hinterlegt – selbst ihr bislang einziges Album ist nicht gelistet.

Die Webseite von VikingEchoes

Ein paar Informationen gibt die Seite allerdings doch her. Und zwar handelt es sich um eine Solo-Künstlerin namens Stephanie Lenk-Feldmeth aus Karlsruhe. Was direkt auffällt: Sie greift für ihre Tätigkeit intensiv auf maschinelle Unterstützung zurück. Damit sind nicht nur die offensichtlich generierten Bilder von muskulösen Wikingern sowie die nach Chatbot klingenden Blogeinträge gemeint. Sondern tatsächlich ist die Stimme in den Liedern ebenfalls nicht die Ihre. Das gibt sie auch offen zu, was schon einmal ein großer Pluspunkt ist. Und wenn man den ganzen “KI”-Kram als Unterstützung (=Werkzeug) – statt Ersatz im künstlerischen Schaffungsprozess versteht, ist das für mich (noch) nicht ganz so schlimm. Schließlich bauen wir alle auf irgendeiner Weise auf dem auf, was vor uns war. Einfach alles zusammenklauen und dann daraus ohne eigene kreative Leistung ein Derivat zu erzeugen sehe ich allerdings auch nicht als okay an. Nur damit wir uns verstehen. Da ist es egal ob ich dafür Tools nutze oder es händisch mache.

Die andere Seite

Lysanda ist da definitiv deutlicher in ihrer Meinung. Für sie ist die KI-Nutzung ein Schlag ins Gesicht echter Künstler, die sich ihre Fähigkeiten hart erarbeitet haben. Zwar sieht sie den Nutzen einer solchen Technik, wenn man niemanden hat, der einen nicht oder nicht gut unterstützt. Aber es ist einfach nicht dasselbe. Vielleicht für den ahnungslosen Hörer, aber es ist im Schaffungsprozess etwas anders. Das gilt auch, wenn ich eine Software benutze um die Geige spielen zu lassen anstatt eines echten Geigenspielers. Der echte Geigenspieler wird immer noch irgendwas von eigener Energie mit reinbringen. Allerdings ist die Definition von “Kunst” an sich schon schwierig. Ist das Benutzen einer Tastatur Kunst? Das Benutzen einer Geige? Das Einstellen des Weckers? Oder ist das Ergebnis die eigentliche Kunst? Also der Text, die Geräusche der Tastatur, das Lied, das Weckerklingeln? Das ist genauso schwierig wie “Perfektion” oder “Schönheit” zu definieren.

Doch zurück zu VikingEchoes: Böse Zungen könnten jetzt sagen, dass der Name Programm ist. Von wegen “die Lieder sind ein Echo von etwas echtem” oder so. Für uns entscheidend war aber wie gesagt, dass bei der Stichprobe die Lieder zumindest ganz gut klangen. Zu wissen, dass sie mit Hilfe von KI erschaffen wurden, hat zumindest für uns auf den Genuss des Werkes keinen Einfluss. Die Emotion bringen wir ins Werk rein bzw. es ist wichtig wie es in einem widerklingt. Die Intention des Autors ist eher zweitrangig. Somit haben wir uns am Ende entschieden ihr Album zu kaufen:

(Cover)

Sturm und Schatten (2025)

Band: VikingEchoes
Umfang: 00:37:03 (10 Lieder)
Mögliche Bezugsquellen: Amazon* (9,99€)

Kommen wir gleich zum Wichtigsten: Nein, es ist für mich im ersten Moment tatsächlich nicht erkennbar, dass hier KI-Stimmen zum Einsatz kommen. Das Album hat zu keinem Zeitpunkt einen Roboter-Flair und es gibt keine unsinnige/falsche Aussprache, unmögliche Tonlagen oder komische Atempausen. Im Gegenteil: Es gibt sogar “Einatmen”-Geräusche! Und ja, es sind mehrere sogenannte Voice-Modelle. Mindestens zwei männliche und zwei weibliche kann ich identifizieren. In einem Lied sogar beide zusammen. Allerdings finde ich die männlichen Parts einfach nur schrecklich. Speziell die eine Stimme, die so nach typisch schreiendem 08/15-Metalhead klingen soll. Die stößt mir irgendwie sauer auf. Dass die Texte der dazugehörigen Lieder dann auch noch absolut nicht zu gebrauchen sind, macht es nicht besser. In Ein Schwur beispielsweise wird gefühlt vier Minuten lang nur “EIN SCHWUR!” in moderat unterschiedlichen Tonstufen “gesungen”“. Und der darauffolgende Track Scheiß auf dich… nun der Titel sagt schon alles. Dabei sind die Texte angeblich handgeschrieben.

Insgesamt sind fünf der zehn Lieder auf dem Album mit männlicher Stimme, die damit für mich bereits rausgefallen sind. Für Lysanda ebenfalls, weil sie grundsätzlich keine männlichen Sänger mag :smile: . Die weiblichen Stimmen sind hingegen soweit okay und auf dem Niveau einer mittelmäßigen Sängerin würde ich sagen. Das macht sich für mich vor allem darin bemerkbar, dass es an echter Dynamik und – ja, vielleicht tatsächlich Herz in der Stimme fehlt. Die Tonlage ändert sich nur marginal und es fehlt an echter, ungefilterter Intensität. So bleiben eigentlich intensive Passagen wie der Refrain in Freyja weint hinter ihrem eigentlichem “Fuck Yeah!”-Potential zurück. Gemischt mit der doch eher generischen und gleichförmigen Musikuntermalung ergibt sich im Gesamtbild ein balladenartiger, unauffälliger Singsang.

Allerdings habe ich diesen Singsang bereits häufiger gehört, als ich vielleicht zugeben sollte. Ich verbuche es einfach mal unter “Recherche” :wink: . Die Lieder mit weiblicher Stimme sind unterm Strich definitiv passabel und hörbar. Nichts, was in irgendeiner Form wirklich heraussticht. Also eher so 08/15-Kuschelrock mit etwas düsterem Inhalt. Aber doch gut und unterhaltsam genug für meine Ohren, um ins Viben zu kommen und auf “repeat” zu drücken. Dass das mittlerweile mit KI möglich ist, ist sowohl beeindruckend als auch irgendwie erschreckend.

Insofern bekommt das Album zwar keine Hörempfehlung von mir. Ich bin jedoch tatsächlich gespannt, was VikingEchoes in Zukunft noch produziert.

Persönliches Lieblingslied: Track 04 – Die Wölfe Heulen [03:25]

Scheinbar mag ich Lieder, in denen es um Wölfe geht? Bei Glasperlenspiel ist mein Lieblingslied ja auch Wölfe / Interlude Tag X. Spaß beiseite: Das Lied fühlt sich einfach stimmig an. Nach dem Intro entstanden in meinem Kopf quasi sofort die Bilder eines Rudels Wölfe, das in der Dämmerung durch eine schneebedeckte und mit Bäumen gesäumte Landschaft in Richtung eines Wikingerdorfs rennt. Es hat passend zum Text ein angenehm treibendes Tempo. Und zwar nicht nur in Bezug auf die Musik, sondern auch beim Gesang. Die nach dem Intro einsetzenden, harten Trommeln, die im völligen Kontrast zu den ruhigeren Versen stehen und dann der fast schon gehetzt klingende Refrain. Beim Anhören spüre ich das Lied als wohlige Anspannung in meinem Körper. Also das ist die Emotion, die ich da reininterpretiere bzw. die Resonanz, die es in mir hervorruft. Da ist es mir ziemlich egal, wie das Lied entstand oder wie inhaltlich oder technisch anspruchsvoll es ist.

PS: Meine Texte stammen weiterhin 100% aus meiner Hand – mit mehr oder weniger Unterstützung von Lysanda je nach Thema. ChatGPT lasse ich sie aber tatsächlich mittlerweile am Ende mal drüberlesen. Zum einen für Schreib- und Grammatikfehler. Ein Punkt, bei dem er überraschend schlecht ist. Da findet Lysanda mehr :smile: . Zum anderen auch durchaus als “ey, das wäre vielleicht noch interessant zu ergänzen”-Spielball, um den Eintrag noch einen Tick besser zu machen.

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