Nachdem an World of WarCraft also erst einmal ein Haken ist, kann ich mich nun logischerweise wieder anderen Titeln widmen. Bevor wir aber dazu kommen, bin ich euch noch ein paar Zeilen zu Die Gilde 3* – pardon, The Guild 3 “schuldig”. Das hatte ich seit November auch wie angekündigt noch so einige Stunden gespielt. Es gab sogar überraschenderweise Mitte Dezember noch einmal einen kleinen Patch auf Version 1.0.5, der unter anderem ein paar grafische Verbesserungen mit sich brachte. Hatte ich nicht erwartet.
Die ungeduldige Jugend
Zuerst die positive Seite: Aus technischer Sicht hatte ich keine Probleme. Ja, es sieht aus wie ein Titel von 2016 statt 2022 aber es ist in sich alles sehr (mittelalter-)stimmig und der Wuselfaktor ist ansprechend hoch. Kein Die Siedler-Niveau aber ausreichend, um halbwegs lebendige Städte zu erschaffen. Die Ohren erwartet ebenfalls nichts Überragendes aber zum in Ruhe vor sich hin wirtschaften – und das ist, was ihr 80% der Zeit tut – ist es völlig okay was sowohl an Musik als auch Soundeffekten aus den Boxen dringt. Von Bugs im eigentlichen Sinne kann ich bislang ebenfalls nichts berichten – zumindest sind die unten genannten KI-Probleme aus meiner Sicht keine Bugs, sondern grundlegende Designfehler. Insofern in dieser Hinsicht alles im grünen Bereich. Spielerisch hingegen… nun, da ist meine Begeisterung nicht ganz so groß.
Ich bin jetzt mal so nett und schiebe das nur zum Teil dem Spiel in die Schuhe. Es liegt sicherlich ein Stück weit schlicht auch daran, dass ich mittlerweile vermutlich nicht mehr ganz so die Geduld für so einen vollgepackten Titel habe in den man sich erstmal mehrere dutzend Stunden reinspielen muss bevor man ihn wirklich verstanden hat. Vor allem, wenn das Lernen so trocken verpackt ist. Das Tutorial ist extrem rudimentär, geht über viele Aspekte zu schnell drüber und ist gleichzeitig trotzdem extrem langweilig gestaltet. Stattdessen verlangen die Entwickler im Prinzip von euch die äußerst umfangreiche Hilfe im Spiel durchzuarbeiten. Da wünscht man sich definitiv ein gedrucktes Handbuch zurück. Denn ja, die Bedienung ist selbst nach mehreren Spielstunden immer noch umständlich und kompliziert. Auf der einen Seite zu viele verschachtelte Menüs mit wenig intuitiven Buttons in denen man sich zurechtfinden muss. Auf der anderen Seite ist bei fast jedem Aspekt viel Micromanagement und vor allem Händchenhalten nötig.
Die Wirtschaftssimulation
Ja, Händchen halten müsst ihr extrem viel. Das fängt mit euren Produktionsketten an, die sich zwar theoretisch an vielen Punkten automatisieren lassen (mit leichten Abstrichen bei der Effizienz im Vergleich zum selbst jeden Befehl selbst geben) aber die KI ist teilweise so dermaßen dämlich, dass sie euch ohne Beaufsichtigung völlig in den Ruin treiben kann. Das ist mir direkt im Tutorial passiert wo meine Ressourcen von meinen Leuten zwar ins Lagerhaus gepackt aber dann nicht an meine Produktionsstätten ausgeliefert wurden. Bis ich raus hatte wie ich diesen Engpass lösen kann (manuelle Routenerstellung für eure Fuhrwerke) hat es einige Zeit gedauert.
Aber hat man mal seine Produktion am Laufen und ein paar Standardeinstellung vorgenommen, dann funktioniert es alles in allem ganz gut. Es gibt eine (simple) Marktsimulation, die eigenen Mitarbeiter sind ebenfalls Individuen mit ihren eigenen Stärken und Schwächen, die sich mit der Zeit und mit eurer Hilfe weiterentwickeln und man hat vergleichsweise viele Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass die Kohle in die Kassen gespült wird mit entsprechenden Notwendigkeiten sich zu spezialisieren (z.B. Heilberufe oder Schmiedehandwerk). Wobei das Geld verdienen dann auch schon wieder fast zu gut funktioniert, wenn man mal die richtige Kombination von Betrieben gefunden hat.
Denn ja, das Warenkreislaufsystem hat irgendwie auch einen leichten Knacks und favorisiert gefühlt Dienstleistungs- und Ressourcen-sammel-Gewerbe viel zu stark. Wohingegen es weiterverarbeitende Betriebe mitunter schwer haben Profit zu schlagen. Gleichzeitig ist die Preisentwicklung ebenfalls nicht bis zu Ende durchdacht. So erhöht sich zwar der Preis von Waren, wenn ihr diese in großen Mengen einkauft. Aber die Rohstoffe zur Herstellung derselben? Joa, deren Preis ändert sich dadurch nicht. Da fehlt quasi irgendwo eine Verbindung.
Und doch ist es tatsächlich (erwarteterweise?) der Wirtschaftsteil zuammen mit der politischen Komponente (eure Möglichkeiten sind bestimmt von eurem Rang), der mir am meisten Spaß macht.
Die nervige Verwandtschaft
Was mir hingegen den Spielspaß völlig versaut ist das Familienmanagment. Ich weiß nicht mehr, ob es in Teil 2 auch schon so schlimm war aber ich muss jedem einzelnen Familienmitglied ständig hinterherrennen. Sie machen so gut wie nichts selbstständig, stattdessen stehen sie nach dem Abarbeiten eines Befehls einfach nur dumm in der Gegend herum. Gleichzeitig kann ich aber auch keine Aufträge aneinanderreihen. Beispielsweise “bewerbe alle diese Betriebe nacheinander”. Nein, ich muss jedes Mal manuell eingreifen – und, dass bei jedem Mitglied (!) meiner Dynastie (bis zu 20 Personen). Dazu kommt, dass ich nur drei Stück gleichzeitig in euer “Team” aufnehmen könnt. Alle anderen könnt ihr nur umständlich aus einem Untermenü heraus aktivieren. Das ist so nervig.
Und Gott bewahre, wenn ein Familienmitglied einen Dialog führen muss. Seht ihr nicht rechtzeitig das kleine Symbol am oberen Bildschirmrand, könnt ihr nicht schnell genug reagieren und das Gespräch ist schon vorüber. Statt mir als Spieler die Möglichkeit zu geben direkt beim Erteilen des Befehls zu sagen, was zu tun ist, muss ich umständlich abwarten bis mein Manne vor Ort ist. Und selbst, wenn es einen Button gibt, ist teilweise trotzdem noch ein Dialog zu führen. So kann ich direkt sagen “Lass uns in einer Kirche heiraten” und einer der zukünftigen Eheleute rennt dann fleißig zur Kirche. Aber dort muss ich mit dem Pfarrer reden und erneut “Ich möchte heiraten” auswählen. Für was?! Für den Fall, dass ich mich in den letzten zwanzig Sekunden umentschieden habe? Und dann muss ich nach dem Bestätigen auch noch warten bis mein zukünftiger Partner zur Kirche gelaufen ist. Denn der ist in der Zwischenzeit wieder seinem Tagewerk nachgegangen. Nene… Und jetzt multipliziert das Ganze auf fast mehr zwei Dutzend Familienmitglieder. Da hat man teilweise gar keine Zeit mehr nach seinen Geschäften zu schauen.
Dabei ist es grundsätzlich schon sehr cool wie viele Möglichkeiten man hat auch im kleine einzugreifen. Welche Person der anderen Dynastie bezirzt man? Wen besteche ich? Wie bringe ich die Leute suf mekne Seite? Und spästens sobald man das erste Amt inne hat geht es so richtig los mit den politischen Intrigen. Wem tut man was Gutes, um am Ende selbst davon zu profitieren? Und so weiter. Nur wäre mir es echt lieber gewesen das in schicken Menüs zu erledigen statt umständlich meine Mannen einzeln durch die Gegend zu schicken und ständig neue Befehle erteilen zu müssen. Ich kann nur erneut betonen wie viel Zeit man mit diesem langwierigen Mikromanagment verbringt statt Spaß zu haben…
Beim Christoph meint: Ja, Die Gilde 3 hat definitiv viele Problemecken. Das lässt sich nicht leugnen. Es wäre allerdings unfair von mir nicht zu erwähnen, dass mir die Stunden beim Spielen trotzdem irgendwie durch die Finger geronnen sind (bin ich immer noch mit meiner allerersten Dynastie beschäftigt). So sehr mir das Familienmanagement auf den Geist geht – das Setting, der Wuselfaktor und die Wirtschaftssimulation lassen mich weitermachen. Diese funktioniert im Großen und Ganzen und bereitet einige Stunden Laune. Es ist unbestreitbar ein cooles Gefühl sich von einem kleinen Ein-Mann-Betrieb zu einem Wirtschaftsimperium hochzuarbeiten und den perfekten Produktionskreislauf aufzubauen. Zu sehen, wie sich die Kassen füllen und sich noch weiter auszubreiten inkl. dem politischen Geschacher, das dazu mitunter notwendig ist. Der grundsätzliche Reiz der Serie ist also auch im dritten Teil wieder vorhanden. Leider ist es verpackt in eine Bedienung, die fast schon einem Paradox-Strategietitel würdig ist und trotz dieser vermeintlichen Komplexität: Je länger man sich mit dem Titel beschäftigt, desto deutlicher werden die Unzulänglichkeiten der Simulation sichtbar.
Insofern ist es schwierig den Titel zu empfehlen. Mir ist nicht wirklich etwas vergleichbares auf dem Markt bekannt gleichzeitig ist das Produkt definitiv eher Mittelmaß. Es ist vieles (Wirtschaftssimulation, Aufbauspiel, Rollenspiel), macht aber nichts davon richtig gut und doch triggert es irgendwo in meinem deutschen Gehirn erfolgreich ein paar Punkte. Wie viele andere Tester würde ich entsprechend sagen, dass es hauptsächlich für Fans der Serie interessant ist. Und selbst die haben haufenweise zu meckern .
Ich persönlich hingegen? Nun, ich habe Die Gilde 3 noch nicht ganz den Rücken zugekehrt. Zumindest einmal möchte ich schließlich nach all der Arbeit dann doch mal auf dem Thron sitzen (das ist die Siegbedingung meines Spiels). Aber aktuell glaube ich nicht, dass ich mehr als diese Runde bis zum Ende durchziehen werde. Dafür warten zu viele andere, bessere Spiele auf mich.