Sollte es mich eigentlich deprimieren, dass Balu besser im Abnehmen ist als ich? Jahrelange war der Kerl mit Abstand der schwerste im Bunde und jetzt? Liegt er gleichauf mit den anderen Jungs (Pichu und Jules). Oder um es in Zahlen auszudrücken: In den ersten fünf Jahren bei uns hat er sich von anfangs 6,2kg (2016) bis auf 8,3kg (2021) hochgefuttert. Zum Wiegen benutzen wir übrigens ganz einfach eine digitale Babywaage*, das ist wesentlich genauer als die Katzen mit auf die Menschenwaage zu nehmen. In den letzten zwei Jahren hat er hingegen stetig abgenommen und ist aktuell bei 5,7kg (lt. Tierarzt-Waage sogar 5,4kg). Und diese Kilos hat er ganz allein verloren! Wir haben keine Diät mit ihm gemacht. Es gab keine Futterumstellung. Wir haben nichts geändert. Er hat nur im Juli 2023 bis auf seine kleinen Frontzähnchen das komplette Gebiss geräumt bekommen. Das hat seine Begeisterung für Futter jedoch nicht beeinflusst.
“Viel Gewicht verloren” könnte freilich auch ein Warnzeichen für irgendwas sein. Und mit mittlerweile über 13 Jahren auf dem Buckel ist er zudem nicht mehr der Jüngste. Entsprechend waren wir letzte Woche mal beim Tierarzt mit ihm für einen kleinen Checkup inkl. großem Blutbild. Das Ergebnis war – wenn man davon absieht, dass er aus Angst sein Geschäft im Katzentragekorb verrichtete – erfreulich: Obwohl er manchmal so tut, als wäre er so alt wie Methusalem, ist Balu körperlich absolut topfit. Alle seine Werte sind voll im grünen Bereich, sein Fell wurde sogar gelobt und sein Herz war zwar aufgeregt, klang aber ebenfalls einwandfrei. Die Kosten… nun mit fast 300€ war die Sache nicht ganz billig. Aber so ist das halt mit Tieren. Man muss sie sich durchaus leisten können.
Okay, “topfit” ist technisch gesehen gelogen. Eine chronische Krankheit hat er sich mittlerweile doch eingefangen.
Die alte Leute-Krankheit
Bemerkt haben wir erstmalig, dass Balu was hat, als er mal wieder Jules auf der Terrasse nachgejagt ist. Er ist dabei Jules hinterher den Grill hoch- und – logischerweise – danach wieder runtergesprungen. Anschließend hat er gehumpelt. Das gefiel uns gar nicht, weshalb wir ihn eingesackt und zum Tierarzt gebracht haben. Aufgrund seines Alters brachte Lysanda relativ zügig das Thema Arthrose ins Spiel. Entsprechend haben wir ihn röntgen gelassen. Selbst erkenne ich es auf dem Röntgenbild nicht, aber die Diagnose war für den Tierarzt eindeutig.
Als Akutmaßnahme bekam er erstmal eine Spritze Melosolute. Das ist anscheinend ein Schmerzmittel, das man normalerweise nach einer Weichteiloperation zur Schmerzminderung verabreicht. Für Zuhause gab es hingegen das übliche: Metacam. Damit ging es ihm logischerweise erstmal besser. Das Problem an sich war nicht behoben. Bei Arthrose ist es bei den Tieren jedoch scheinbar wie mit den Menschen: Viel kann man nicht tun außer die Beschwerden lindern. Sprich: das Immunsystem stärken, die Entzündung lindern und den Knochenaufbau unterstützen.
Übrigens: Obwohl Arthrose gerne mit älteren Generationen in Verbindung gebracht wird, kann die Krankheit prinzipiell in jedem Alter auftauchen. Es steigt nur die Wahrscheinlichkeit je älter man wird, da es sich im Grundsatz um eine Abnutzungserscheinung der Gelenke handelt. Diese Tierarztpraxis aus der Schweiz behauptet, dass 90% der Katzen über 12 Jahre arthrotische Veränderungen im Röntgenbild zeigen. Das heißt nicht, dass sie unbedingt schon Schmerzen und so haben. Aber man kann zumindest die Anfänge sehen.
Die tierärztliche Behandlung
Der Arthrose ist man also hilflos ausgeliefert. Es geht nur noch darum das Leben so angenehm wie möglich zu gestalten. Die “einfachste” Variante in dieser Hinsicht ist es wohl monatlich zum Tierarzt zu gehen und der Katze Solensia zu spritzen.
Das ist ein Schmerzmittel explizit für den Einsatz bei Osteoarthritis. Es blockiert die Bildung des Proteins Nervenwachstumsfaktor, was bei der Schmerzweiterleitung beteiligt ist. Sprich man hat zwar technisch gesehen Schmerzen, spürt sie aber einfach nicht. Zwei Ampullen kosten rund 115€ – je nach Gewicht muss man entweder eine (bis 7kg) oder beide spritzen. Also nicht ganz billig die Sache. Und die Nebenwirkungen können wohl ebenfalls nicht ohne sein, wenn man sich so die Erfahrungsberichte anderer Katzenbesitzer u.a. bei Facebook durchliest. In den klinischen Studien wurden hingegen nur Hautreaktionen wie Juckreiz oder Haarausfall festgestellt. Außerdem gibt es einige Situationen, in denen das Medikament absolut nicht gegeben werden sollte. Beispielsweise bei schwangeren, nierenerkrankten oder gegen den Wirkstoff Frunevetmab allergischen Tieren. Während der Tierarzt Solensia also als erstes Mittel der Wahl sah, rät die Facebook-Gruppe dazu erst alle anderen Möglichkeiten auszuschöpfen.
Es gibt aber durchaus Katzen, die Solensia gut vertragen. Aber, wenn ihr Solensia nutzt und irgendwelche Nebenwirkungen feststellt, könnt (und solltet) ihr diese an die Firma Zoetis melden. Die ist zuständig für das Medikament und kann dann ggf. weitere Forschung betreiben.
Was wir tun
Wir haben uns vorerst gegen Solensia entschieden. Stattdessen hat Lysanda das gemacht, was sie immer macht: Recherchiert. Das Ergebnis ist, dass Balu jetzt morgens Methylsulfonylmethan (MSM), Kollagen und Palmitoylethanolamid (PEA) bekommt. MSM und Kollagen haben wir auch in unserem täglichen Nahrungsergänzungsmittel-Cocktail.
- MSM wird auch als organischer Schwefel bezeichnet. Schwefel wird für zahlreiche Prozesse in unserem und dem tierischen Körper benötigt. Er ist ein natürliches Antioxidans, wird zur Insulinproduktion benötigt, stärkt das Immunsystem und ist essentiell für die Entgiftung. Im Fall von Arthrose ist jedoch seine Funktion als “Gelenk-Futter” am relevantesten. Er hilft beim Aufbau von neuem Knorpelgewebe, wird zur Bildung von Kollagen und Glucosamin benötigt und wirkt Entzündungshemmend.
- Kollagene sind hingegen eine Gruppe von Proteinen. Sie machen wohl rund 25% der Gesamteiweißmenge in unserem Körper aus. Kein Wunder: Sie sind überall vorhanden. Haut, Knochen, Sehnen, Knorpel, Blutgefäße, Zähne. Keine Stelle, wo es kein Kollagen zu finden gibt. Entsprechend wichtig ist es, dass wir welches haben bzw. herstellen können. MSM hilft wie erwähnt bei dieser Produktion. Aber da es so eine wichtige Rolle im Körper spielt, ist eine externe Zufuhr nicht verkehrt. In Bezug auf die Gelenke hilft es bei der Mobilität und gegen die Schmerzen.
- PEA wird grundsätzlich ebenfalls vom Körper selbst produziert. Es wirkt entzündungshemmend und schmerzlindernd und wird u.a. im Endocannabinoid-System gebraucht. Ja, das hat tatsächlich mit Cannabis zu tun. Genauer gesagt ist es der Teil unseres Nervensystems, der auf THC reagiert. Körperlicher und emotionaler Stress fördern wohl die Produktion dieses Lipids. Die separate Beigabe macht man wohl vor allem dann, wenn das Tier nicht aus diesem Stresszustand rauskommt. Also eigentlich sind alle Stressoren weg, aber Nerven- und Immunsystem reagieren aufgrund einer erhöhten Reizempfindlichkeit immer noch. Hier soll PEA dann bei der Regulierung helfen.
Oder zusammengefasst: Sachen, die Entzündungen hemmen und Schmerzen reduzieren, körperlichen Stress abbauen und speziell im Knochengerüst wirken.
Das Ergebnis
Mittlerweile geben wir Balu die Mixtur schon ein paar Monate (die Diagnose war im Februar) und es geht ihm gut. Die Arthrose ist logischerweise nicht weg und hier und da sieht man, dass er Schwierigkeiten hat. Da trippelt er so ein bisschen rum, bevor er auf die Fensterbank springt. Aber Beeinträchtigungen oder gar Schmerzen können wir nicht feststellen. Im Gegenteil geht es ihm scheinbar mittlerweile manchmal sogar zu gut. Beispielsweise ist er vor kurzem mal unseren Kratzbaum nach ganz oben geklettert. Wie oft er das in den bald zehn Jahren bei uns schon gemacht hat, kann man an einer Hand abzählen. Balu ist schon immer eher eine Bodenkatze. Vermutlich hätte für ihn auch ein einfacher Zaun gereicht, um zu verhindern, dass er das Grundstück verlässt.
Wer jetzt meckert, dass wir ohne Sinn und Verstand einfach NEMs auf unsere Katze schmeißen würden: Ich hatte den Cocktail nach 2-3 Wochen mal weggelassen. So von wegen “ihm geht’s jetzt ja besser, also braucht er das doch bestimmt nicht mehr”. Das Ergebnis war, dass er am nächsten Tag nur noch im Schneckentempo herumlief, nichts mehr fraß und sich unter unseren Rosmarin legte. Und wenn der Balu sich unter den Rosmarin legt, dann geht es ihm echt beschissen. Noch so eine Erkenntnis aus dem letzten Jahrzehnt. Also wieder ab zum Tierarzt (wegen dem nicht fressen), erneut eine Metacam-Therapie, und anschließend die NEMs wieder ins Futter gemischt. Insofern mag das vielleicht nur ein klinisch unbewiesener anekdotischer Einzelfall sein. Aber solange es unserem großen Tiger gut geht, ist mir das doch völlig egal! *hmpf*
Den Cocktail bekommt er immer morgens. Da unter anderem Jules seine Blutdrucktablette braucht, haben wir schon lange ein Ritual mit unseren fünf etabliert. Es gibt quasi einen Aperitif bevor ich die All-you-can-Eat-Platte hinstelle. Und diese Vorspeise enthält dann ggf. halt den Zusatz, den die jeweilige Katze haben soll. Je nach Tagesform benötigt es zugebenermaßen auch mal Unterstützung durch z.B. eine Prise Bierhefe, bevor sie an ihrem Schälchen andocken und futtern. Funktioniert grundsätzlich ganz gut und wird zukünftig neue Katzen im Haus sicherlich erstmal verwirren. Das Vorgehen macht freilich Arbeit bei uns mit dem täglichen Schälchen richten. Aber falls doch mal jemand von den anderen Katzen was an Medikamenten bräuchte, kennen sie das Vorgehen bereits und sind vermutlich nicht von Haus aus skeptisch.