Sicarius

Ein Spiel um Leben und Tod?

Was passiert, wenn wir sterben? Eine Frage, die wir uns vermutlich stellen, seit wir denken können. Selbst Wissenschaftler sind davon fasziniert. Aber eine Antwort darauf wurde (bislang) nicht gefunden. Das hält freilich keinen davon ab darüber zu spekulieren. Unzählige Künstler, Autoren, Filmemacher, etc. haben sich bereits damit beschäftigt und die verschiedensten Werke und Interpretationen auf Basis dieses Gedankens produziert.

Lysanda und ich haben vor Kurzem dahingehend einen Anime von Yuzuru Tachikawa angeschaut. Dieser beantwortet die Frage was schlussendlich passiert zwar relativ einfach: Entweder man wird wiedergeboren oder muss in der ewigen Leere vor sich hinsiechen. Doch bei der Entscheidung, wo man landet, werden die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele hervorgekehrt.

(Cover)

Death Parade* (2015; 12 Episoden, DV) – Die Prämisse klingt äußerst simpel: Wer stirbt und sich dessen (noch) nicht bewusst ist, landet in einer Art Zwischenwelt. Dort erwartet euch ein Schiedsrichter, der am Ende entscheidet was mit eurer Seele passiert. Doch statt euer vergangenes Leben zu beurteilen, lässt er euch in einem Spiel gegen eine andere kürzlich verstorbene Person antreten. Die Schiedsrichter bekommen nämlich nur eine kleine Zusammenfassung eurer Erinnerungen. Das Spiel dient dazu euch an eure Grenzen zu bringen und so eure wahre Natur zu zeigen. Wer jetzt allerdings an sowas kompliziertes wie Squid Game denkt, der liegt falsch. Stattdessen stehen “normale” Unterhaltung wie Darts, Air Hockey, Bowling oder ein Arcadespiel auf dem Programm. Wir befinden uns schließlich in einer (noblen) Bar.

Okay, ganz ohne Twist geht die Sache natürlich nicht vonstatten. Beim Dart werft ihr auf die Körperteile eures Gegners, beim Bowling ist das Herz des anderen im Ball eingeschlossen und die Combos im Arcadespiel greifen auf euer Leben zurück. Eben Sachen, die euch triggern, Angst einjagen und schlicht und einfach mental fertig machen sollen.

Die Protagonisten

Dieses Reich der Toten wird Totem genannt und ist aufgeteilt in Stockwerke. Auf jeder Ebene existiert ein anderer Ort und damit ein anderer Schiedsrichter, der dort auf seine Gäste wartet. In der Serie verfolgen wir hauptsächlich die Geschehnisse auf der 15. Ebene: Dem Quindecim. Dort verrichtet Decim seine Arbeit. Eine menschlich aussehendes Wesen, das nie gelebt hat und entsprechend auch nie gestorben ist. Wie ein emotionsloser Butler begrüßt er seine Gäste hinter der Bar und führt sie durch die Ereignisse. An seiner Seite ist eine schwarzhaarige Frau namens Chiyuki. Kleiner Spoiler: Sie ist eigentlich eine von Decims Kund*innen. Sie wusste jedoch, dass sie tot war und ließ sich deshalb nicht auf das Spiel ein. Eine ungewöhnliche Situation im Totem. Als Zwischenlösung wurden ihre Erinnerungen gelöscht und sie darf Decim assistieren, bis dieser seine Entscheidung treffen kann, wie es mit ihr weitergeht. Und ja, der Anime ist abgeschlossen. Wir erfahren also tatsächlich am Ende der 12. Episode was passiert. Allerdings ist auch Decim dann nicht mehr ganz der Alte, so viel sei verraten.

Death Parade (Madhouse-Promobild)

Es gibt außerdem noch folgende Charaktere, die wir im Lauf der Serie ein wenig kennen lernen:

  • Nona ist sowas wie die oberste Schiedsrichterin im Totem.
  • Über Nona steht Oculus, ein Greis, der von sich sagt “Gott am nächsten” zu sein.
  • Quin, die in der Informationsabteilung für die Schiedsrichter die Erinnerungspakete vorbereitet und vor Decim im 15. Stock arbeitete (deswegen Quindecim).
  • Clavis, der Herr über die Fahrstühle im Totem.
  • Ginti, Schiedsrichter im 20. Stock, der mit Menschen überhaupt nichts anfangen kann.
  • Und Castra, die in der Beurteilungsstelle sitzt und die Toten den jeweiligen Schiedsrichtern zuweist.

Diese Figuren spielen jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Sie helfen die Welt ein wenig auszuweiten, aber der zentrale Fokus liegt ganz klar auf Decim, Chiyuki und ihrer Geschichte. Mit ihnen verbringen wir als Zuschauer die meiste Zeit. Decim, der anfangs in einer fast schon kaltblütigen Effizienz seiner Arbeit nachgeht. Chiyuki, der das Ganze nicht so wirklich geheuer ist und beginnt das Prozedere zu hinterfragen – und damit auch Einfluss auf Decim nimmt.

Dazu selbstverständlich die Gäste, die unterschiedlicher nicht sein könnten und eine große Bandbreite an menschlichem Verhalten offenbaren. Das sind tatsächlich nicht nur tiefschwarze Abgründe, obwohl der Anime ganz klar in die Kategorie “Psychologischer Thriller” gehört. Es gibt auch die ein oder andere etwas lockere Folge – inkl. einer reinen Comedy-Episode in der Mitte. Aber den Reiz machen natürlich die Extremsituationen aus und wie Decim bzw. Chiyuki damit umgehen. Dabei ist erfreulicherweise nicht alles nur schwarz oder weiß. Als Zuschauer denkt man am Anfang vielleicht, dass Person A ganz klar wiedergeboren wird und Person B in die Verdammnis kommt. Doch im Verlauf einer Episode kommen so viele Schichten und Nuancen dazu, dass es eben nicht mehr so eindeutig ist. Und selbst als Decim schlussendlich seine Entscheidung getroffen hat, habe ich mit Lysanda mitunter drüber diskutiert, warum seine Wahl so ausfiel.

Entstehung

Die Serie basiert auf einem Kurzfilm namens Death Billards aus dem Jahr 2013. Er ist quasi die inoffizielle 13. Episode und zeitlich irgendwo zwischen der 5. und 8. Folge angesiedelt. Viele Elemente aus der Serie sind hier bereits enthalten, wenn auch mitunter nicht voll ausgearbeitet. Er wurde vom Studio Madhouse für das japanische Film-Festival Anime Mirai produziert, das Nachwuchstalente im Animebereich fördert. Der Kurzfilm kam dort so gut an, dass sich das Studio ein Jahr später entschied daraus eine komplette Serie zu machen. Leider wurde der Kurzfilm nie synchronisiert. Auf der Blu-ray ist er nur mit deutschen Untertiteln enthalten – aber immerhin!

Death Parade (Madhouse-Promobild)

Als Basis nutzt der Anime 3D-Umgebungen, die aber optisch nicht aus dem Rahmen fallen. Ist ja häufig so, dass die 3D-Effekte in Animes extrem auffallen. Stattdessen haben die Macher es geschafft einen wirklich gelungen, gestochen scharfen 2D-Look zu erschaffen – allerdings dank des 3D-Sets mit dynamischen und durchaus coolen Kamerafahrten. Die Enthüllung des Spiels ist beispielsweise immer ein ziemliches Spektakel im Quindecim :smile: .

Der Soundtrack hingegen ist abseits des poppigen Introsongs eher klassisch, melancholischer Natur – mit einem Schuss Jazz hier und da. Sprich sehr viel Piano, ein paar Streichinstrumente (Gitarre, Geige) und ein insgesamt gemächlicheres Tempo. Hab’ ihn mir auch gleich geholt. Der Introsong sowie der Introfilm passen übrigens aus meiner Sicht überhaupt nicht zur Serie und vermitteln einen völlig falschen Eindruck. Zum einen ist beides viel zu fröhlich. Zum anderen wird eine zu große Betonung auf die Nebencharaktere gelegt, die wie geschrieben in den 12 Folgen nur sehr wenig vorkommen.

Beim Christoph meint: Von mir gibt es volle und kompromisslose 5 von 5 Sics. Lysanda hatte mir Death Parade zum Geburtstag geschenkt und damit definitiv ins Schwarze getroffen. Ich gehe sogar soweit und bezeichne ihn als den bislang besten Anime, den ich gesehen habe.

Es klingt bescheuert es auszusprechen, aber ich finde ihn intellektuell auf mehreren Ebenen anspruchsvoll und fesselnd. Beispielsweise die Kernfrage, der sich auch Decim im Verlauf der Serie stellt, ob das alles wirklich ausreicht, um einen Menschen zu beurteilen. Das ist ein interessanter Konflikt zwischen Decim und Chiyuki, der sie beide an ihre Grenzen führt.

Dann die Reaktionen der Gäste auf diese Ausnahmesituation – quasi die psychologische Komponente mit einer Prise makabrer Neugierde. Dazu passend das gemeinsame Rätseln darüber, wer von ihnen am Ende wo landen wird und die Diskussion auch im realen Leben, ob das wirklich passend war. Dabei hilft die teils fast schon perfide Inszenierung. Kamerawinkel, Szenenauswahl sollen quasi nicht nur Decim in die Irre führen, sondern auch den Zuschauer. Entsprechend fand ich die typischen Anime-Situationen schon fast unpassend, die es trotzdem gibt. Vor allem die Comedy-Episode hat mich eher rausgerissen als noch tiefer in die Welt eintauchen lassen.

Zusammengefasst ist Death Parade definitiv ein Anime, der zum mehrfachen Anschauen einlädt, um noch mehr Feinheiten zu erkennen. Und ich kann ihn nur uneingeschränkt empfehlen. Allerdings ist er auf Deutsch nur schwer zu bekommen. Auf den üblichen Streaming-Diensten scheint er aktuell nicht verfügbar zu sein und auf DVD/Blu-ray ist Teil 1 von 3 quasi gar nicht und die weiteren Teile nur für teuer Geld zu haben. Von der Komplettbox gar nicht erst zu reden.

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