Sicarius

Unterwegs auf Schienen

Sagen wir es wie es ist: Ich traue mich irgendwie weiterhin nicht was “Richtiges” anzufangen in Sachen Videospiele. Ich schaffe es aus diversen Gründen meist nicht einmal eine Stunde unterbrechungsfrei am Rechner mit spielen zu verbringen, wie soll ich mich da z.B. auf ein großes Rollenspiel einlassen – schlimmstenfalls sogar noch ohne pausierbare Zwischensequenzen? Zum Glück gibt es auf dem schier endlosen Markt auch einfachere Kost. Beispielsweise das Genre der Lightgun-Shooter/On-Rails-Shooter/Schießbudenspiele – wie auch immer sie offiziell heißen mögen. Inhaltlich meist nicht wirklich anspruchsvoll oder gar umfangreich und auch Qualitativ eher im Bereich 50-70% angesiedelt, machen sie mir doch immer wieder Laune und sind perfekt für die kleine Runde Zwischendurch. Und in letzter Zeit habe ich mich dahingehend mit den folgenden Werken beschäftigt:

IS Defense (Herstellerbild)

IS Defense (2016; PC) – Destructive Creations stecken hinter diesem Titel. Den Namen habt ihr vielleicht schonmal gehört, denn ihren Anfang haben sie 2015 mit einem Werk namens Hatred gemacht. Ihr wisst schon, diese “Massenmördersimulation”, die gar nicht gut ankam. Mittlerweile haben sie sich von diesem Image allerdings verabschiedet und machen “normale” Sachen wie zuletzt War Mongrels oder Ancestors: Legacy – beides gute squad-basierte Echtzeittaktikspiele.

IS Defense war hingegen ihre zweite Veröffentlichung. Aus Sicht bestimmter Gruppierungen vermutlich ebenfalls etwas “Edgy” aber das ist als würde ich mich als Deutscher darüber beschweren, dass in so vielen Spielen Nazis abgeschossen werden. Wie der Name des Spiels nämlich schon andeutet, kämpft ihr gegen den Islamischen Staat. Der hat laut Spiel im März 2020 Nordafrika erobert und versucht nun von dort nach Europa vorzudringen. Und ihr seid der Einzige (wie so oft), der das verhindern kann. Gut, “verhindern” ist etwas großzügig ausgedrückt. Faktisch zögert ihr es nur ein paar Minuten länger hinaus aber gut :smile: .

Allein auf der Sandbank

Das Spiel beginnt an der sizilianischen Küste in Italien wo ihr einsam und verlassen in einem 360°-drehbaren Geschützturm sitzt. Denkt an den D-Day. Vor euch das weite Meer von wo die Schlauchboote und Schiffe gefüllt mit IS-Kämpfern (zu Fuß oder in Fahrzeugen) unablässig auf euch zukommen. Eure Aufgabe? Alles abschießen, was sich bewegt und so lange wie möglich überleben. Ausgestattet seid ihr nur mit einem Maschinengewehr und einem Raketenwerfer. Jeder erfolgreiche Abschuss gibt dabei nicht nur Erfahrungs-, sondern auch Supportpunkte. Damit füllt ihr eine Anzeige auf, die es euch erlaubt Unterstützung zu rufen. Zum Beispiel kommt auf Stufe 1 ein Versorgungsflugzeug vorbei und schmeißt zwei Kisten entweder mit Lebensenergie oder Raketennachschub ab während euch auf Stufe 5 für eine halbe Minute ein Helikopter unterstützt. Aber Achtung: Nutzt ihr eine Supportstufe, verbraucht ihr damit auch einen Teil eurer gesammelten Punkte. Entsprechend müsst ihr erst wieder die Leiste auffüllen, bevor ihr was anderes benutzen könnt. Das bringt Taktik ins Spiel. Und natürlich gilt: Je länger ihr überlebt, desto härter und zahlreicher werden die Angriffe der Gegner. Die Vielfalt ist allerdings überschaubar. Nach drei Minuten habt ihr bereits alle Varianten gesehen, die es gibt. Stattdessen ist es schlicht und einfach die schiere Masse, die am Ende euer Untergang sein wird.

IS Defense (Herstellerbild)

Ein Ass habt ihr aber noch im Ärmel: Genug Erfahrungspunkte gesammelt, steigt ihr im Level auf und bekommt einen Punkt, den ihr in einen von vier Fähigkeitenbäume investieren könnt. Darüber schaltet ihr dann so Sachen frei wie “Kein Nachladen mehr notwendig” oder der herbeigerufene Luftangriff dauert ein paar Sekunden länger. Der Clou: Diese Upgrades sind von Dauer. Sprich, wenn ihr unausweichlich das Zeitliche segnet, behaltet ihr die Upgrades und könnt so beim nächsten Mal vielleicht etwas länger überleben. Insgesamt gibt es vier Level, die ihr nach und nach freischaltet. Neben dem Strand kämpft ihr an einem Flughafen irgendwo in einer Wüste, verteidigt einen spanischen Hafen und die letzte Lokation ist ein Geheimnis, das ich nicht verrate. An sich nicht sonderlich viel, aber bis ihr die alle geschafft habt (müsst jeweils kumuliert eine bestimmte Anzahl an Terroristen und Fahrzeuge zerstören), dauert es doch einige Stunden.

Beim Christoph meint: Von mir gibt es 4 von 5. Klingt im ersten Moment für so einen simplen, stationären Shooter nach einer viel zu hohen Wertung. Aber ich hab‘ mittlerweile neun Stunden investiert (noch drei Achievements fehlen) und kann nur sagen: Es macht richtig Laune und ist spielerisch überraschend anspruchsvoll.

Welches Upgrade schalte ich als nächstes frei? Spare ich lieber auf den Helikopter oder hole ich mir doch zuerst ein paar Truppen zur Verstärkung? Priorisiere ich den Angriff auf meine linke Flanke oder fege ich doch lieber erst die herannahenden Humvees vom Schlachtfeld? Das Chaos ist bereits nach wenigen Minuten perfekt und es ist so viel auf dem Bildschirm los, dass man schon einen wirklich kühlen Kopf bewahren muss. Gleichzeitig nimmt sich der Titel trotz der Thematik nicht all zu ernst. Wie könnte er auch? Ihr seid schließlich nur ein Geschützturm gegen einen ganzen Kontinent von Terroristen, der auf euch zufährt/rennt.

Grafisch macht es ebenfalls einiges her und sieht selbst sieben Jahre später noch erstaunlich gut aus. Vieles ist zerstörbar und das Schlachtfeld ist nach 5 Minuten definitiv ganz als nach 10 – was die Herausforderung noch weiter erhöht, wenn überall Fahrzeugwracks eure Sicht versperren. Für die 1,28 EUR, die es mich gekostet hat (zum Verfassungszeitpunkt 5,24 EUR), habe ich definitiv mehr bekommen als ich erwartet habe. Klare Empfehlung für die kleine Ballerei Zwischendurch.

Drei weitere Werke

Die nächsten drei Titel haben gemeinsam, dass sie alle aus dem Hause Mastiff Games (Publisher) stammen und schon ein Jahrzehnt auf dem Buckel haben:

RELOAD (Herstellerbild)

RELOAD (2010; PC, Wii) – “Ein realistischer Waffen- und Taktik-Trainer” steht auf der Packung. Die Realität sieht etwas anders aus – aber immerhin gibt es einen kooperativen Multiplayermodus für bis zu vier Spieler. Inhaltlich erwartet euch ein klassischer Schießstand. Ihr feuert mit den unterschiedlichsten Waffen von Pistolen bis zum Scharfschützengewehr in verschiedenen Umgebungen auf Dosen, Pappfiguren und Zielscheiben. Ziel ist es nicht nur alles zu treffen, sondern auch die richtige Stelle zu treffen, um eine möglichst hohe Punktzahl zu erhalten. Zum einen, um das nächste Level freizuschalten. Zum anderen, um eine möglichst hohe Highscore zu bekommen. Das wars im Prinzip schon. Es gibt noch das ein oder andere Szenario wie z.B. das klassische Geiselhaus, durch das ihr euch durchschießen müsst oder olympische Sportarten. Aber im Kern steht ihr einfach nur rum und schießt auf Pappscheiben *gähn*.

Beim Christoph meint: Von mir gibt es grad noch so 1 von 5 und bislang habe ich es auch erst 30 Minuten damit ausgehalten. Es sieht scheiße aus (selbst für 2010) und macht irgendwie überhaupt keinen Spaß. Vielleicht kommt daher das “realistisch” in der Tagline. Aber als Aim-Trainer ist es vermutlich ebenfalls nur bedingt geeignet. Den Waffen fehlt irgendwie der Bumms und auf Pappscheiben schießen ist schon an sich eher *meh* – mit diesen Knarren noch weniger. Hätte ich mir nie gekauft, war jedoch mit den zwei nachfolgenden Titeln mit im Paket.

Heavy Fire: Afghanistan (Herstellerbild)

Heavy Fire: Afghanistan (2011-2014; PC, PS3, Wii) – Der dritte Teil in Teyons Railshooter-Reihe, die ihren Anfang 2010 auf der Wii hatte. Wie der Name schon andeutet, seid ihr in Afghanistan unterwegs. Ihr schlüpft in die Rolle des Soldaten Will und die Reise beginnt am 14. Juni 2011. Rebellen haben den amerikanischen Armeestützpunkt bei Mazar-e Sharif angegriffen und nun gilt es den Flughafen der Air Force zu sichern. In den kommenden 12 Level (es wird mit 24 geworben, aber ihr schaltet einfach nur schwerere aber inhaltlich identische Varianten frei) besucht ihr unterschiedlichste Lokationen in Afghanistan, um am Ende den Drahtziehern des Angriffs das Handwerk zu legen. Keine tiefgreifende Geschichte aber sie hält das Geschehen ganz gut zusammen und es ist immer irgendwas los inkl. der ein oder anderen Überraschung oder spannenden Situation.

Dazu gehört auch, dass ihr zwischendurch auch mal ans Steuer eines Panzers, eines Helikopters oder eines stationären Geschützes dürft. Aber in jeder Situation gilt: Das Spiel läuft von alleine ab. Eure Aufgabe ist schlicht alle Feinde in Sichtweite abzuschießen, bevor sie es tun. Ausgerüstet seid ihr dafür mit einer Desert Eagle mit unendlich viel Munition sowie einer Hauptwaffe. Das ist zu Beginn eine M16 aber mit jedem Achievement, das ihr freischaltet, dürft ihr euren Charakter verbessern – darunter eben auch stärkere Waffen. Außerdem könnt ihr Granaten sammeln und je nach Aufbau der aktuellen Szene in Deckung gehen.

In technischer Hinsicht ist es zwar Reload weit überlegen, aber am Ende des Tages ist es doch ein Titel, der ursprünglich für die Nintendo Wii entwickelt wurde. Entsprechend darf man nicht all zu viel. Aber die Entwickler haben spürbar versucht aus den Limitationen das Beste zu machen und immerhin ist der Sound okay.

Beim Christoph meint: Solide 3 von 5. Ist es der beste Railshooter aller Zeiten? Definitiv nicht. Es sieht nur mittelmäßig aus, die Herausforderung hält sich in Grenzen und es ist extrem kurz (keine sieben Stunden für 100% gebraucht). Aber es wird einiges an Action geboten, entsprechend wird einem nicht langweilig und was es macht, macht es grundsätzlich gut. Insofern hat es mich am Ende des Tages unterhalten und war seine 1,49 EUR (im Dreier-Paket – einzeln aktuell 2,49 EUR) wert.

Heavy Fire: Shattered Spear (Herstellerbild)

Heavy Fire: Shattered Spear (2013-2014; PC, PS3, X360) – Die direkte Fortsetzung zu Heavy Fire: Afghanistan. Erneut schlüpft ihr in die Schuhe des amerikanischen Soldaten Will als Teil des 75. Ranger Regiment. Doch dieses Mal droht eine viel größere Gefahr: Ein Atomkrieg! Wir befinden uns im Iran, der kurz davor ist eine nukleare ICBM anzuschießen. Der finale Showdown findet selbstverständlich stilecht im Raketensilo statt.

Wer den Vorgänger gespielt hat, der fühlt sich sofort wieder heimisch. Es ist grafisch etwas hübscher und natürlich unterscheiden sich die Umgebungen etwas – wir sind ja nun im Iran unterwegs. Aber im Kern erwartet euch erneut über 12 Level hinweg ein solides Railshooter-Erlebnis mit viel Action, Abwechslung und haufenweise Terroristen zum Abschießen. Nicht mehr und nicht weniger.

Beim Christoph meint: Von mir gibt es erneut 3 von 5. Es macht nicht viel anders als der Vorgänger aber das ist vollkommen okay. Es ist stattdessen genau das, was ich gesucht habe und ich hatte erneut rund sieben Stunden meinen Spaß damit. Kann ich definitiv nicht meckern – schon gar nicht für den unschlagbaren Preis. Wer also ebenfalls auf der Suche nach ein paar soliden Railshootern ist: Klare Empfehlung.

Shen Yun Performing Arts (Herstellerbild)

Letzte Woche waren Lysanda und ich mal wieder im Staatstheater Darmstadt. Unser letzter Besuch lag schon sehr, sehr weit zurück. Kam dann irgendwie zu viel anderes im Leben dazwischen plus natürlich Corona. Letzteres betraf auch für Vorführung von Shen Yun, die wir nun besucht haben. Da hatte ich meiner angebeteten Ehefrau eigentlich schon für die 2020er Vorstellung in der Jahrhunderthalle in Frankfurt Karten geschenkt. Aber die fiel bekanntlich wie so vieles damals aus und auch keine der geplanten Ersatzvorstellungen konnte stattfinden, weshalb ich am Ende nach der gesetzlichen verordneten Schonfrist (Januar 2022) einfach mein Geld wieder auf dem Konto hatte. Anfang des Jahres habe ich dann zufällig auf einer Hausfassade im Ort Werbung gesehen, dass sie mal wieder in der Gegend sind – ja, die gute alte Werbewand funktioniert immer noch. Also Karten gekauft und den Anzug abgestaubt.

Ganz viel Tanzen

Bei Shen Yun dreht sich alles um den “klassischen chinesischen Tanz” – wie es dem Zuschauer von den beiden Moderatoren (auf Deutsch und Chinesisch) auch mehrfach am Abend deutlich gemacht wird. Allerdings sind unter den rund 15 Vorstellungen des Abends ebenfalls Tänze chinesischer Minderheiten und chinesische Volkstänze. Zwei Gesangseinlagen und ein kleines Musikintermezzo mit einer Erhu gab es ebenfalls.

Selbsternanntes Ziel der Truppe aus New York ist es die 5000-jährige chinesische Kultur neu zu beleben, die durch die Kommunistische Partei Chinas unter Mao Zedong während der Kulturrevolution 1966-1976 vollständig zerstört worden war. Entsprechend wenig verwunderlich, dass die Gruppe in China selbst nicht auftreten darf. Dass der ein oder andere Tanz faustdicke Regierungskritik enthält, dürfte die Annäherung zusätzlich erschweren. Aber die Tänzerinnen und Tänzer sind dennoch fast durchweg chinesischer Abstammung. Entsprechend stark stachen die eine Dame und der eine Herr (auch noch ein Rotschopf) aus dem Ensemble heraus, die nach der Pause mittanzten.

Shen Yun Performing Arts (Promobild)

Zwei Stunden dauert die Vorführung, durch die es aber leider abseits von “hat irgendwas mit China zu tun” keinen wirklich zusammenhängenden Faden gibt. Okay, das stimmt nicht ganz. Technisch gesehen geht es irgendwie um göttliche Wesen, die vom Himmel herabkommen und vor einem Tanzen. Aber das ist eine sehr, sehr lose Verknüpfungen. Stattdessen wird mal ein klassischer oder traditioneller Tanz vorgeführt. Ein anderes Mal eine Geschichte aus der chinesischen Historie, Mythologie und sogar Moderne (ja, Corona ist ein Thema) erzählt. Ein bisschen “den eigenen Glauben aufdrücken” ist leider ebenfalls dabei. Zumindest fanden Lysanda und ich die Texte der Gesangseinlagen durchaus fragwürdig. So wurde beispielsweise die Evolutionstheorie als Blödsinn abgetan. Wenn der Gesang wenigstens gut gewesen wäre. Leider war es gefühlt ein reines “Ich schau wie hoch ich mit meiner Stimme komme”-Geplärre. Definitiv kein Highlight des Abends. Zum Glück waren es nur zwei Einlagen (ein Herr und eine Dame).

Alte Tradition und moderne Technik

Immerhin konnten die Tänze selbst größtenteils überzeugen. Vor allem, wenn sie traditionelle, bunte und wallende Gewänder trugen war es sehr beeindruckend und mitreißend. Da ist die ganze Bühne so richtig in Bewegung und das Können der Damen und Herren kommt sehr schön zur Geltung. Außerdem nutzt die Truppe gekonnt digitale Bühnenbilder. Im ersten Moment wirken sie nur wie eine leicht animierte 3D-Landschaft auf dem grafischen Niveau von 2010, die einem helfen soll in die richtige Stimmung für den aktuellen Tanz zu kommen. Ziemlich schnell entpuppen sie sich jedoch als wichtiger Teil der Vorstellung. Nicht nur wird dort ein Teil der Geschichte erzählt – die Tänzer interagieren auch fleißig mit ihr. Beispielsweise schreibt der (reale) Gelehrte in einer Szene etwas und es erscheint passend zu seinen Bewegungen Schrift auf einem Felsen. Oder der Revoluzzer hängt eine Schriftrolle auf einen Baum, die dort dann bleibt. Das allein wäre schon eine coole Sache. Will gar nicht wissen, wie oft die das richtige Timing dafür üben mussten.

Shen Yun Performing Arts (Promobild)

Richtig genial wird es dann, wenn die Tänzer aus dem Bildschirm heraus- und hineinspringen. Das hat nicht nur beim ersten Mal dem ganzen Zuschauerraum ein erstauntes “Wow” entlockt, so perfekt und nahtlos passiert das. Mein persönlicher Höhepunkt – und das ist technisch gesehen ein Spoiler – war der Tanz der göttlichen Feen (oder sowas in der Art). Die ganze Bühne war nach Heben des Vorhangs vollgepumpt mit weißem Rauch (=Wolken) und im Hintergrund befanden wir uns ebenfalls über den Wolken. Dann kamen von dort die Feen angeflogen und tauchten anschließend überraschend aus dem Nebel auf der Bühne auf. Ein echt genialer Moment gefolgt von einem wunderschönen Tanz. Die Musiker unten im Orchestergraben habe ich in dem Moment jedoch nicht beneidet. Die wurden faktisch ertränkt vom Nebel, der von der Bühne herunterwallte :smile: .

Übrigens ein gutes Stichwort: Begleitet wird die Vorführung von einem eigenen, klassischen Orchester. Neben den üblichen Streich- und Blasinstrumenten, war natürlich auch dort der ein oder andere asiatische Klang versteckt. Für meinen Geschmack aber tatsächlich zu wenig. Hatte bei dem ganzen Fokus auf “chinesische Kultur” irgendwie mehr in der Richtung erwartet. Vielleicht will man die Zuschauer nicht mit zu viel fremden Klängen verschrecken. Aber gut: Die Musik konnte sich alles in allem hören lassen und passt perfekt zur Vorstellung. Wirklich beeindruckend diese Harmonie zwischen allen Bestandteilen.

Mittlerweile sind wohl acht Truppen gleichzeitig auf der ganzen Welt unterwegs und geben Aufführungen. Außerdem wechselt jährlich die Zusammenstellung des Programms. Ein gutes Beispiel dafür war vermutlich die Corona-Szene.

Fazit

Mit 143€ pro Person war der Besuch bei Shen Yun nicht gerade billig und wir hatten trotz des hohen Preises nicht die optimalsten Sitze (Lysanda konnte die linke Seite der Bühne nur schlecht sehen). Aber trotz der Gesangseinlagen war es unterm Strich ein sehr schöner und unterhaltsamer Abend. Viele beeindruckende Tänze, schöne Musik, tolle Kostüme und coole Ideen. Absolut zu empfehlen, wenn sie mal in eurer Nähe sind. Und sollten sie mal wieder in Darmstadt sein, stehen die Chancen gut, dass wir ebenfalls erneut hingehen. Im September geht es aber erstmal ins Staatstheater zu Badesalz und ihrem aktuellen Programm “Kaksi Dudes”. Ist auch schon wieder eine Ewigkeit her, seit ich die das letzte Mal live gesehen habe.

Sicarius

Faule Jugend!

Jules verdingt sich als Steineverkäufer

Schon wieder der 1. Mai. Der Tag der Arbeit, der paradoxerweise ein Feiertag ist. Passend dazu haben die Medien mal wieder ein paar Vertreter von Arbeitsgeberverbänden ans Mikrofon gelassen, die ich nicht namentlich erwähnen werde. Was da im Moment dabei rumkommt, könnt ihr euch denken. “Kein Bock auf Arbeit!” war beispielsweise wieder so ein Zitat, das bei mir immer die Hutschnur hochgehen lässt. Fachkräftemangel, Leerstellen und Co. liegen schließlich nicht daran, dass die Arbeitsbedingungen schlecht sind. Schließlich gibt es doch sogar einen Obstkorb und eine Wasserflatrate! Nein, es liegt ganz klar daran, dass die heutige Generation von Arbeitsnehmern verzogene Rotzgören sind, die keine Lust auf das Arbeiten haben! Stattdessen bestehen sie auf ihre bekloppte Work-Life-Balance und wollen so neumodischen Kram wie die Vier-Tage-Woche und Home Office! Wie unsozial!

Würden sie einfach NOCH mehr Arbeiten, dann wären wir schon lange über den Berg und unser (=Geschäftsführer) Wohlstand gesichert. Rentenalter erhöhen, Wochenarbeitszeit erhöhen, flexiblere Arbeitszeiten (=ich kann meinen Mitarbeiter Sonntagnacht um 3 Uhr anrufen und zur Sau machen), flexiblere Beschäftigung (=jeden Moment ohne Begründung rausschmeißen) – DAS sind die Lösungen, die uns voranbringen. Mittlerweile gerne auch vermischt mit dem Hinweis auf das Klima. Hat zwar rein gar nichts mit dem Thema nicht zu tun, aber es ist wie mit dem Argument “Denkt denn keiner an die Kinder?!”. Da kann man ja nur verlieren.

Ein kollektiver Knall

Ich Chef, du nix!

Der Hintergedanke ist – neben der Gewinnmaximierung – immer, dass ja alle nur faul auf der Couch sitzen und sich berieseln lassen würden, wenn sie könnten. Ein Bild, das leider auch von den Medien befeuert wird. Ja, es mag die Ausnahmen geben, die tatsächlich einfach nur den Sozialstaat “abschröpfen”, um sich den ganzen Tag zu besaufen (und selbst da steckt immer eine Geschichte dahinter). Andererseits: Wofür haben wir dann überhaupt einen Sozialstaat? Aber das ist eine andere Diskussion. Fakt ist: Die meisten Menschen wollen etwas tun. Sie schämen sich arbeitslos zu sein. Schämen sich, wenn sie krank sind und gehen deswegen mitunter die Kollegen anstecken bzw. völlig über ihre körperlichen Grenzen. Und machen sich einen (ungesunden) Haufen Stress, weil ihnen etwas an ihrer Arbeit liegt, egal ob es die Kloputzfrau auf der Autobahnraststätte oder der CEO im Weltkonzern ist. Das beste Beispiel ist die Einführung von Home Office während Corona. Einige Manager behaupten zwar etwas anders, aber ein Abfallen der Produktivität im Home Office fand nicht statt.

Im Gegenteil arbeiten die Leute noch mehr als im Büro, weil sie kein Ende finden. Selbst der Erholungsurlaub ist gefühlt bei vielen mittlerweile nur noch ein Ärgernis statt ein Grund zur Freude. Man ist zwar nicht im Dienst, arbeitet aber trotzdem (illegal) weiter für die Firma. Warum? Keine Ahnung. Falsches Loyalitätsverständnis oder so. Man will ja die Kollegen nicht im Stich lassen. Lohnt es sich? Selten. Anerkennung gibt es dafür meist nur in Form von “Gut gemacht, hier ist noch mehr Arbeit.”. Entsprechend schaden sie sich damit sogar eher. Warum schließlich noch jemanden einstellen? Die Ampel ist doch grün. Dass mein Mitarbeiter demnächst vielleicht einen Burnout haben wird ziehe ich gar nicht in Betracht. Stattdessen glaube ich, dass er einfach Spaß an seiner Arbeit hat.

“Wir haben zwar während Corona gut gearbeitet, aber nicht die Firma weiterentwickelt!” war übrigens eine Aussage, die in unserem Unternehmen gefallen ist und mit der die Rückkehr ins Büro begründet werden sollte. Gleichzeitig aber den Anlegern Rekordgewinne präsentieren und die eigene Gehaltserhöhung abnicken lassen. Dass sich unter diesen Umständen ein Arbeitnehmer nicht ernst genommen fühlt, dürfte klar sein.

Spaß bringt kein Essen auf den Tisch

“Du musst doch nur Spaß an der Arbeit haben, dann ist die Arbeitszeit doch egal” ist sowieso so ein blödes Totschlagargument. Besonders schlimm, wenn es auch noch von Kollegen kommt. Das muss nicht einmal ein Speichellecker sein, der auf dem Schoß des Chefs sitzt. Uns wurde doch ein Leben lang eingetrichtert, dass Arbeit Spaß machen muss. Wenn es das nicht tut, dann liegt das offensichtlich an einem selbst. Dabei ist das ein Märchen und die Realität eine ganz andere: Ich tausche meine Zeit und meine Fähigkeiten gegen das Geld, das mir mein Leben finanziert. Die dazu notwendige Tätigkeit kann durchaus mal langweilig und öde sein. Sie muss nicht immer aufregend und interessant sein. Wenn ich gleichzeitig glücklich bin und gerne auf die Arbeit gehe ist das natürlich super. Es ist aber nicht der Zweck der Arbeit. Es wird nur versucht uns das so zu verkaufen, damit wir uns besser ausbeuten lassen.

Lyssi sorgt dafür, dass Lysanda ihre Arbeitspausen einhält!

Und ja, das gilt genauso für Selbstständige. Ich habe keinerlei Respekt für jemanden, der prahlt “Ich arbeite 80 Stunden in der Woche!”. “Selbst” und “ständig” ist nur eine andere Form der Ausbeutung (nämlich Selbstausbeutung). Wieso sollte man da stolz drauf sein? Viel eher würde ich die Selbstorganisation in Frage stellen. Denn was will ich mit einem Gewerbe, in dem ich mehr arbeiten muss als in einer Anstellung? Und bevor jetzt jemand “Geld” ins Spiel bringt: Was bringt es mir mit 40 Jahren in meiner goldenen Villa einen Herzinfarkt zu bekommen? Nichts. Also lasst euch nichts einreden: “Dienst nach Vorschrift” ist keine negative Sache, sondern zeugt von einer guten Disziplin und einem Verständnis dafür, was für einen selbst gut und wichtig ist. Die Menge an Motivation muss reichen, um seinen Arbeitsvertrag zu erfüllen – mehr nicht.

Mein Leben

Wie schaut die Sache bei mir aus? Nun, fast 22 Jahre lang arbeite ich bereits in einem großen Konzern. Und ja, trotz aller Widrigkeiten (komische Prozesse, Personalmangel, Zeitdruck) mag ich meine Arbeit immer noch. Würde ich weiter hingehen, wenn ich morgen 10 Millionen Euro im Lotto gewinnen würde? Nein. Und mittlerweile bin ich auch definitiv etwas ruhiger geworden als noch am Anfang. Urlaub war zwar schon immer Urlaub aber meine Gedanken kreisten früher doch noch mehr um die Arbeit und ich habe mich mehr darüber definiert, was ich geleistet habe und was die Kollegen von mir dachten.

Mittlerweile weiß ich – auch dank Lysanda -, dass das alles ziemlicher Blödsinn ist. Ich bin nur ein Zahnrad im Getriebe. Wenn ich mal nicht da bin, läuft der Laden trotzdem irgendwie weiter. Aber, wenn ich da bin möchte ich auch etwas tun und das soll natürlich gut sein. Wer will schon Sachen machen, die nicht gut werden? Von “Kein Bock auf Arbeit” kann also gar nicht die Rede sein. Nur das mit der Ausbeutung durch den Arbeitgeber lassen wir mal lieber.

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