(Cover)

Es ist erstmal nicht ungewöhnlich, dass in unserem Haus unerwartet Lieferungen eintreffen. Nicht jede Crowdfunding-Kampagne ist leider so kommunikativ und kündigt an, wenn etwas verschickt wurde. Und selbst wenn: Lieferungen z.B. aus den USA verschwinden gefühlt kurz nach dem Versand in einem schwarzen Loch und kommen dann (meistens) irgendwann wieder in Deutschland vor meiner Haustür zum Vorschein – wo Deutsche Post oder DHL dann die Zollgebühren mit einem saftigen 6€-Zuschlag kassieren möchte. Und zwar auf den Cent genau, weil der Bote nicht wechseln kann. Leute, lasst mich verdammt nochmal selbst entscheiden, ob ich zum Zollamt fahren möchte oder nicht! Das ist doch für alle Beteiligten scheiße!!!1111elf

Naja, egal. Heute kam auf jeden Fall mal wieder so eine unerwartete Lieferung. Allerdings nicht zu einer Crowdfunding-Kampagne, sondern ein kleines Andenken an meinen Bildungsurlaub 2022. Zur Erinnerung: Wir waren dort künstlerisch sehr aktiv und haben zu verschiedenen Themen und unterschiedlichstem Material einige Bilder produziert. Die Kursleiterin hat im Anschluss (soweit wir als Teilnehmer ihr das erlaubt haben) ein paar dieser Fotos hergenommen, sie auf verschiedene Arten und Weisen bearbeitet und daraus ein kleines Fotobuch gebastelt. Und genau dieses Fotobuch lag heute im Briefkasten.

Bei 17 Teilnehmern und mehr als ein Dutzend Fotos pro Person konnte sie zwar nicht alle verwenden, aber sie hat sich Mühe gegeben. Entsprechend haben auch von mir ein paar ihren Weg ins Buch gefunden und ich muss ehrlich zugeben: Das ist eine richtig coole Sache und tolle Idee. Passt natürlich nicht zu jeder Art von Bildungsurlaub aber, wenn dann ist es nicht nur eine schönere Erinnerung daran. Es verleiht dem eigenen Tun auch irgendwie etwas mehr „Gewicht”.

Ja, das ist selbstverständlich eine Illusion. Meine Hautabdrücke werden jetzt nicht morgen im Louvre ausgestellt nur, weil sie in einem selbstgemachten Fotobuch drin sind. Aber das Gefühl ist schon irgendwie da, dass meine Werke was Besonderes sind :smile: . Abgedruckt auf hochwertigem Papier und in einem einzigartigen Buch (gibt es ja nur 18 Mal) wirkt das definitiv nochmal ganz anders als in Form eines digitalen Fotos auf unserem NAS (und bei deviantART). Also an alle Kursleiter dort draußen: Gerne ein Beispiel daran nehmen!

Ein Ergebnis meiner Sandspielereien

Das war vielleicht ein Krampf dieses Jahr mit meinem Bildungsurlaub. Ursprünglich hatte ich mir für 2021 einen PHP-Lehrgang rausgesucht, da Rondrer nur noch bedingt eine Hilfe für die Webseite ist (schon zu lange raus aus dem Geschäft). Der fand aber am Ende nicht statt. Doof aber soweit (noch) nicht schlimm, schließlich kann man einmalig ins nächste Jahr verschieben (Wichtig: Vorgesetzten schriftlich und aktiv darüber informieren, dass ihr den Bildungsurlaub mitnehmt!). Also für 2022 entsprechend zwei Bildungsurlaube geplant… und kein einziger davon fand stand. Egal was ich machen wollte (z.B. einen zu Adobe Photoshop, einen zu Fotos machen und bearbeiten und sowas in der Richtung) – erst wurden sie verschoben, dann aus diversen Gründen (zu wenige Teilnehmer, Trainer krank) mehr oder weniger kurzfristig abgesagt. Galt auch für die Ersatzkurse, die ich mir raussuchte. Was ein Mist. Und nein, zwei Wochen nach 2023 zu verschieben geht nicht. Mindestens einen musste ich heuer noch machen, um den Anspruch nicht verfallen zu lassen.

Mein letzter Versuch (Adobe Creative Suite Kombo-Kurs) sollte Anfang November stattfinden, bevor er abgesagt wurde. Entsprechend waren nicht mehr viele Möglichkeiten übrig, um noch irgendwie zumindest eine Woche unterzubringen (vor allem Arbeitstechnisch). In Folge musste ich mein Netz etwas weiter spannen. Sowohl in Bezug auf die Lokation als auch die Art des Angebots. Zum Glück gibt es mittlerweile dank Corona immer mehr Bildungsurlaube, die Online stattfinden und trotzdem von den Ländern anerkannt werden. So bin ich am Ende beim Freien Bildungswerk Bochum gelandet und dem Kurs Nach Hause kommen ….zu mir – Kraftquellen im Ungewissen! unter der Leitung von Cornelia Budde.

Überhaupt nicht die Richtung, die ich eigentlich gehen wollte aber klang immerhin halbwegs interessant und sinnvoller als z.B. Linux für Ein- und Umsteiger, der vermutlich ebenfalls am Ende mangels Teilnehmer nicht stattgefunden hat. Scheinbar sind nur die Gesundheits- und Sprachkurse wirklich gut besucht. Keine Ahnung warum. Hoffentlich klappt es 2023 besser. Habe mich bereits für zwei Schreib- und Rhetorikkurse angemeldet.

Materialschlacht

Zwei Wochen vor Beginn des Kurses ein Schock: Die Kursleiterin schickte eine lange Liste an notwendiger Ausstattung (Computer, Kamera, Mikro, etc.) und bereit zu haltendem Material. Da hat selbst Lysanda mit den Ohren geschlackert und wir haben uns gefragt, was das werden soll. Unsere Bereitschaft so viel für einen Bildungsurlaub einzukaufen mit der hohen Wahrscheinlichkeit, dass am Ende haufenweise davon übrigbleiben wird, war eher gering. Ein Beispiel: Je ein Esslöffel helles (z.B. Ölivenöl) und dunkles Speiseöl (Kürbiskernöl). Olivenöl ist unser “Daily Driver” aber was anderes haben und brauchen wir nicht im Haus. Wegen einem Esslöffel kaufe ich also bestimmt nicht noch eine Flasche anderes Öl (egal wie groß), nur damit es dann rumsteht.

Gab auch ohne dunkles Öl tolle Bilder

Wir waren zwar doch mal kurz im Bastelladen und haben 2-3 Sachen gekauft aber nur Dinge, die Lysanda auch gebrauchen kann. Für alles andere haben wir Lösungen aus unserem bestehenden Fundus genommen. Beispielsweise für die vier Bögen schwarzes DIN A2 Tonpapier: Das gab es nicht einmal im Laden. Stattdessen hatten wir noch einen Stapel DIN A4 hier herumliegen, den wir im Zweifel zu DIN A2 zusammengeklebt hätten. Mussten wir am Ende nicht tun, denn – Spoiler – es kam nur ein Bruchteil des geforderten Materials tatsächlich zum Einsatz. Zum einen, weil die Zeit nicht ausreichte, um alle geplanten Gestaltungsaufgaben (so nannte sie die Kreativpausen) durchzuführen und zum anderen, weil für die Übungen nicht zwingend das geforderte Material notwendig war. Schwarzes Tonpapier habe ich z.B. am Ende ein einziges verbraucht – in DIN A3. Und von der Rolle 1mx5m Packpapier, die wir extra gekauft haben? Maximal ein Meter… Der angeforderte Ton? Nicht mal drüber gesprochen.

Und ja, den anderen Teilnehmern erging es ähnlich (dürfte keiner alles gekauft haben) mit entsprechenden, unschönen Diskussionen mit der Kursleiterin. Nene. Sowas ist schon in der Schule scheiße. Wie viel Kram wird am Anfang des Jahres gekauft, den das Kind dann gar nicht oder nur einmal braucht (ich schaue in deine Richtung, lieber Kunstunterricht!). Da sollte ich mir bei einer Erwachsenenbildung noch mehr Gedanken in Bezug auf Nachhaltigkeit und die Machbarkeit bei den Teilnehmern machen. Oder, wenn ich zwingend etwas an Material voraussetze, ein Paket für jeden schnüren. Ich bezahle lieber 20€ mehr, wenn ich dafür das Material gestellt und zugesandt bekomme als diesen ganzen Stress mit dem Beschaffen zu haben. Der ein oder andere meinte auch, dass er sich definitiv gegen den Bildungsurlaub entschieden hätte, wäre in der Beschreibung die Materialliste bereits mit dabei gewesen.

Aber gut: Als Kind habe ich keine andere Wahl. Erwachsenenbildung ist zum Glück anders – vor allem, wenn er online stattfindet. Kann mich keiner zwingen irgendwas zu tun und die Kontrolle über die Webcam liegt bei mir, nicht beim Kursleiter :smile: .

Moderne Technik

Webcam-Kontrolle ist aber tatsächlich ein sehr großer Vorteil eines Onlinekurses vor allem für die Schüchternen unter uns (=ich). Es gab viele Bewegungseinheiten mit Musik dazu – man könnte es auch als “Ungezwungenes Tanzen” bezeichnen. Vor Ort wäre ich vermutlich vor Scham im Boden versunken da mitzumachen. Hier konnte ich mich hingegen entweder außerhalb des Sichtbereichs bewegen oder eben die Webcam mal ganz ausschalten. Zu wissen, dass die restlichen 17 Teilnehmer (war eine relativ große Runde) einen nicht sehen können, erleichtert doch ungemein das Loslassen und die geforderte Leichtigkeit und Unbekümmertheit in die Bewegung zu bringen. Und, wenn ich mal keinen Bock hatte, konnte ich auch einfach nicht mitmachen.

Darstellung von Komfort, Überforderung und Herausforderung

Aus technischer Sicht kam zoom zum Einsatz und hat echt wunderbar funktioniert. Die Kursleiterin war jetzt nicht die versierteste was Technik angeht aber sie hat es trotzdem wunderbar hinbekommen uns auf Knopfdruck für Gruppenarbeiten in separate Räume zu schicken und wieder zurückholen, auf einem Whiteboard zusammenarbeiten zu lassen, ein paar Bilder/Folien zu zeigen – wirklich alles überraschend super gelaufen und eine geniale Sache. Fast schon besser als in der Realität wo man sich immer erst zusammenfinden und das Material zusammensuchen muss.

Zu sich finden

Ziel des Kurses war es somatische Achtsamkeit und ihre Bedeutung zu vermitteln auf Basis der Body-Mind Centering-Methode von Bonnie Bainbridge Cohen. Ich würde es im Prinzip so zusammenfassen: Es geht darum zu lernen seinen Körper auf psychischer und physischer Ebene zu verstehen und ihm zuzuhören. Der Bildungsurlaub war dazu thematisch aufgeteilt in einzelne Bereiche wie das Atemsystem, der Herzkreislauf oder die Haut. Zu jedem Themengebiet gab es dann drei Schwerpunkte: Theorie, Bewegung und Gestaltung.

In den Theorieanteilen wurden Zusammenhänge und biologische Grundlagen über die einzelnen Körperregionen vermittelt. Logischerweise viel Bekanntes dabei aber auch der ein oder andere neue Denkansatz. In den Bewegungseinheiten und Meditationen ging es dann darum ein besseres Gefühl für die jeweilige Region zu bekommen. Beim Atmen beispielsweise das, was alle Asthmatiker kennen, die schonmal auf Reha waren: “Bring den Sauerstoff bewusst an bestimmte Stellen im Körper”. Insgesamt aber einfach viel ungezwungenes Bewegen zu bestimmter Musik. Für mich waren die Theorie und die Bewegung ehrlich gesagt aber nicht so der Brüller. Das lag nur bedingt am Thema auch, wenn gefühlt in jedem Gesundheitskurs das Gleiche erzählt wird. Sondern eher an meiner eigenen Unfähigkeit mich trotz ausgeschalteter Webcam richtig darauf einzulassen. Bin einfach (noch) nicht so gut darin los zu lassen.

Hautabdrücke mit Tesafilm auf Papier übertragen

Aber es gab noch einen dritten Part und dieser war der Grund für die lange Materialliste: Kreativ sein und dabei neue Erfahrungen machen. Insgesamt waren es leider nur ein paar Einheiten in den fünf Tagen. Die zudem teilweise viel zu kurz waren. In diesem Sinne war es sogar von Vorteil, dass ich keine DIN A2 Blätter hatte – die hätte ich in 20 Minuten sowieso nicht voll bekommen. Am ersten Tag haben wir uns mit Sand und einem Blasrohr beschäftigt und damit Bilder erzeugt. Es ging schließlich um das Thema Atmen. Bei den Körperflüssigkeiten hingegen kamen am nächsten Tag die Öle, Wasser und Spüli zum Einsatz. Wir sollten damit spielen und schauen wie sie sich verhalten und so kleine Kunstwerke auf einem Teller/in einer Schüssel erschaffen. Wir haben außerdem noch das Herzkreislaufsystem sowie unseren Darm auf verschiedene Arten von Papier gebracht, uns mit Farbe vollgemalt und mit Hilfe von Tesafilm dann die Hautstruktur auf ein Blatt geklebt und mit drei Paar Socken sowie Häkelgarn den Zusammenhang zwischen Kopf, Herz und Bauch dargestellt. Und so weiter. Nicht jede Einheit hat mir gefallen oder war wirklich Neu für mich in Bezug auf das “Materialexperiment” aber dennoch muss ich rückblickend sagen, waren sie meine Highlights der Woche. Dank Lysanda male ich zwar mittlerweile mehr als noch vor 10 Jahren. Doch so viel Abwechslung in Sachen Kreativität habe ich im Alltag definitiv nicht. Entsprechend ist es schön dahingehend wieder etwas gemacht zu haben.

Fazit

Sagen wir, wie es ist: Der Kurs war nicht meine erste Wahl und ich werde ihn nicht noch einmal machen. Das lag hauptsächlich an mir würde ich sagen (weil die Bewegungseinheiten und die Theorie mich nicht so angemacht haben) und weniger am Kurs an sich. Es war definitiv nicht der schlechteste Gesundheitskurs, den ich bislang in sieben Jahren Bildungsurlaub mitgemacht habe. Es war aber mein erster Onlinekurs und ich bin definitiv positiv überrascht, wie gut das geklappt hat und wie angenehm es insgesamt war. Natürlich hat Präsenz auch seine Vorteile. Manchmal ist es gut und hilfreich aus seiner gewohnten Umgebung herausgerissen zu werden. Aber für z.B. die ursprünglich geplanten Programmier- und Softwarekurse bräuchte ich jetzt nicht zwingend durch die Gegend tingeln. Das ginge auch online und hätte sogar den Vorteil, dass ich direkt auf meinem System arbeiten kann.

“Ich atme Freiheit”, “Ich folge dem Glitzer”, “Bärenzeit ist meine Zeit”, “Der nächste Baumstamm ist meiner” – was klingt wie schlechte Sprüche von Motivationspostern sind in der Realität Mottos, die bei der Nutzung des Züricher Ressourcenmodells (ZRM) entstanden sind. Sie sollen demjenigen, der sie nutzt, über den Rubikon helfen und ihn in eine bestimmte Haltung bringen. Und wie man zu so einem Motto kommt und es verinnerlicht haben wir vorletzte Woche in einem Bildungsurlaub gelernt. Logischerweise kann ich fünf Tage nicht in einen einzigen Eintrag verpacken aber die Grundzüge der Methode will ich euch natürlich nicht vorenthalten.

Die Idee

Die fünf Schritte des ZRM-Prozess

Hinter dem ZRM steckt ein Prozess aus fünf Phasen. In den ersten Teilen geht es darum den Verstand (Rational) mit dem Unterbewusstsein (Emotional) zusammen zu bringen. Ein einfaches Beispiel ist der Satz “Ich möchte mehr Sport treiben”. Ein einfaches Ziel, dem in der Praxis normalerweise nur wenig im Weg steht. Aber doch finden wir im Alltag immer sehr viele Ausreden (“keine Zeit”, “zu viel Stress”, “zu anstrengend” – ich kenne sie alle :wink: ), um eben nicht einmal die zehn Minuten für ein paar Kniebeugen zu investieren. Dafür ist das Unterbewusstsein verantwortlich, dessen Meinung gerne vom Verstand abweicht.

Sobald aber die beiden zusammenarbeiten, dann “flutscht” es. Im ZRM spricht man dabei vom Überqueren des Rubikon, benannt nach einem berühmten Fluss in Italien. Da stand nämlich 49 v. Chr. ein gewisser Gaius Julius Caesar und haderte mit der Frage, ob er ihn mit seinem Heer überqueren soll oder nicht. Vom römischen Senat hatte er technisch gesehen die Order sein Heer und seine Herrschaftsgebiete (u.a. Gallien) aufzugeben, wenn er für das Konsulat kandidieren wolle. Das passte dem lieben Julius nicht, also sprach er (angeblich) die Worte “alea iacta est” (die Würfel sind gefallen), überquerte den Rubikon und entfachte so einen Bürgerkrieg. Was total heroisch und super toll klingt, war laut einigen Historikern wohl mitverantwortlich für den Fall des römischen Reiches. Ja, die Schuld wird gerne den Barbaren zugeschoben aber mit seiner Missachtung des Gesetzes legte Caesar wohl den Grundstein für einen Verfall von Innen heraus, der besagten Barbaren ihr Werk überhaupt erst ermöglichte. Doch jetzt genug mit der Geschichtsstunde.

Den Rubikon zu überqueren ist im ZRM quasi die Motivation zu haben endlich zu handeln. Danach geht es darum eine konkrete Planung aufzustellen und… abschließend danach zu handeln.

Der erste Schritt

Bleiben wir bei unserem Wunsch mehr Sport zu treiben. Das ZRM sieht diese Aussage als den “Ich möchte”-Schritt, also das “bewusste Motiv”. Das kommt aber erst in Phase 2 zum Zuge, deswegen gilt es damit erst einmal einen Schritt zurück zu machen und das Unterbewusstsein abzuholen. Sprich auf Basis des Themas “Ich möchte mehr Sport treiben” sich zu fragen, was ich dabei spüre bzw. welche Bedürfnisse dahinterstecken. Das ZRM arbeitet dabei mit einer speziellen Auswahl an Bildern, die von einer Horde von Studenten der Uni Zürich ausgewählt wurden, weil sie allgmein als positiv angesehen werden. Stichwort Motivationsposter quasi. Ein majestätischer Löwe, ein glückliches Kind, schöne Blumen und derlei Kram.

Positivität ist dabei ganz wichtig, denn das komplette ZRM ist auf Positives ausgelegt. Negatives hat hier keinen Platz. Ist ja auch logisch: Es ist ein Selbstmanagement-System und ihr wollt euch (hoffentlich) aufbauen und nicht niederreißen. Zumindest brauchen wir dazu keine Methode, das machen wir meistens schon von ganz alleine den ganz gut.

Ihr schaut euch also die Auswahl an Bildern an und entscheidet rein nach Bauchgefühl. Welches Bild spricht euch an? Welches zeichnet allein schon beim Anblick ein Grinsen auf euer Gesicht? Das ist dann euer Bild bzw. das Bild mit dem euch euer Unterbewusstsein zu diesem Thema bzw. zu dem was dahinter steht etwas sagen möchte. Wichtig ist nicht weiter darüber nachzudenken. Das Bild zieht euch an? Dann nehmt es.

Die Analyse

Meine Affektbilanz für Schokolade

Jetzt haben wir ein “komisches” Bild. Super. Blöd nur, dass wir erst einmal keine Ahnung haben warum das Unterbewusstsein genau dieses Bild ausgewählt hat. Also gilt es im nächsten Schritt (am besten zusammen mit anderen, unbeteiligten Personen) einen sogenannten Ideenkorb zu füllen. Ziel ist es positive Aussagen zu dem zu finden, was auf dem Bild sichtbar ist. Zeigt es beispielsweise einen schlafenden Bären könnten so Begriffe fallen wie “genießend”, “flauschig”, “bewusster Einsatz von Energie”, “fühlt sich sicher” oder “gute Nase”. Die nächste Aufgabe ist dann für jeden Begriff die sogenannte Affektbilanz zu ziehen.

Diese Affektbilanz besteht aus einer Negativen und einer Positiven Skala jeweils von 0 bis 100. Sinn und Zweck dieser Skala ist es das eigene Bauchgefühl einzuordnen. Quasi zu schauen wie stark positiv oder negativ besetzt ein Wort wie “aufmerksam” ist. Fühlt es sich uneingeschränkt gut an oder ist doch irgendwie ein fader Beigeschmack dabei. Natürlich lässt sich zu allem eine negative Assoziation finden. Aber der Name sagt es ja schon: Es geht um die Wirkung im Affekt und nicht, ob euch 10 Minuten später doch noch einfällt, dass sich hinter “aufmerksam” auch der nörgelnde Nachbar stehen könnte. Und gesucht werden Begriffe, Ideen, Assoziationen aus dem Ideenkorb, die auf der negativen Seite bei “0” liegen und auf der positiven Seite mindestens bei “70” oder höher. Ein gutes Beispiel ist „Schokolade“. Die hat zwar einen hohen Ausschlag auf der Positivseite, es kommen einem aber auch gleich negative Gefühle hoch („Fett werden“).

Erst wenn dieser Schritt abgeschlossen ist, fängt der Verstand kurz an zu arbeiten. In einer Selbstreflexion gilt es zu eruieren, warum das Bild und die dazugehörigen Begriffe so eine positive Wirkung auf mich haben. Aus diesem Paket wird dann ein Wunsch formuliert. Das Ergebnis ist das aus dem ursprünglichen Thema “Ich möchte mehr Sport treiben” z.B. ein “Ich wünsche mir meine Energie bewusster auch für mich einzusetzen und nicht nur für alle anderen” wird. So wurde aus dem rationalen Thema das dahinterstehende Bedürfnis extrahiert.

Das Motto

Für den Verstand ist dieser Satz natürlich noch extrem unhandlich und sperrig – und damit kommen wir nun endlich zurück zur Einleitung: Wir müssen unser Motto-Ziel finden. Das funktioniert erneut mit einem Ideenkorb. Auf Basis des Bildes, der dazugehörigen Lieblingsideen und dem formulierten Wunsch versucht die Gruppe assoziierte und positiv klingende Sätze zu bilden. Dabei kommt für den Verstand mehr oder weniger großer Blödsinn raus wie z.B. “Knuddelig und liebevoll gönne ich mir meine kraftvolle Stärke”, “Mein innerer Bär leitet mich” oder “Ich erschnüffle was mir wichtig ist”. Aber der Verstand hat hier erneut Pause. Stattdessen gilt es auch diese Sätze über die Affektbilanz zu prüfen. Zaubert er mir einer uneingeschränkt ein Lächeln auf die Lippen? Machen mich ein paar an aber passen noch nicht ganz? Wie ist es, wenn ich z.B. dieses Wort tausche oder jenes entferne?

Das Motto-Ziel muss zudem vollständig in eurer Hand liegen (kein “Meine Frau krault mir den Bauch”) und als sogenanntes Annäherungsziel formuliert sein. Das sind positive Ziele, die wir glauben erreichen zu können. Das Gegenteil sind Vermeidungsziele. Die sind eher negativ belegt, weil wir sie für anstrengend halten. Die Folge sind entsprechend große Probleme den inneren Schweinehund (=Rubikon) zu überwinden. Sie helfen uns also überhaupt nicht dabei in eine positive Haltung zu kommen, sondern hindern uns eher noch dran.

Ein Ideenkorb voller Motto-Ziele

Was das Motto-Ziel jedoch auf keinen Fall muss: Für Außenstehende Sinn ergeben. Es muss für euch passen und es muss euch helfen über den Rubikon zu kommen. Alles andere ist irrelevant. Für uns mag “Ich folge dem Glitzern” völliger Blödsinn sein, aber wenn der Satz demjenigen hilft seine Ziele zu verwirklichen, was haben wir dann für ein Recht ihm das madig zu machen?

Das Verinnerlichen

Mit der Formulierung des Motto-Ziels ist der Rubikon endlich überquert. Wir haben damit eine positive, innere Haltung gefunden, die uns hilft etwaige Widerstände zu überwinden. Blöd nur, dass wir im Alltag so vergesslich sind. Frisch nach dem Bildungsurlaub denkt man vielleicht noch dran sich den Satz hin und wieder zu sagen. Aber wir wissen alle wie lange sowas nachhält. Deswegen gibt es beim ZRM einen sogenannten Ressourcenpool. Neben dem Bild und dem Motto-Ziel enthält er noch Erinnerungshilfen, Embodiments und soziale Ressourcen.

Erinnerungshilfen sind Dinge, die wir bei uns tragen, sehen oder hören und die wir mit unserem Motto-Ziel in Verbindung bringen. So wie wir es auch aus der Werbung kennen (gelbes M, magenta T, irgendwelche Jingles und so). Bei mir sind das gerne Edelsteine, die ich in der Hosentasche trage. Es kann aber auch der Spitzer auf dem Schreibtisch sein, die Fußmatte vor der Haustür oder der Klingelton, wenn die Schwiegermutter anruft. Je mehr desto besser. Wichtig ist einfach nur: Es muss euch an euer Motto-Ziel erinnern, damit ihr sofort in die gewünschte Haltung kommt.

Hier kommen dann auch die sozialen Ressourcen ins Spiel, die das ZRM in drei Typen einteilt: Stille, eingeweihte und strategische. Die stillen und strategischen Ressourcen wissen nichts von ihrem Glück. Die stille beispielsweise kann ein bärtiger Typ in einer Konferenz sein, der euch so an euren Bären erinnert. Die strategische hingegen bittet ihr beispielsweise darum euch vor Beginn eurer Präsentation eine SMS zu schicken, sie weiß aber nicht warum. Eingeweihte kennen hingegen ganz genau euer Motto und unterstützen euch direkt und bewusst bei euren Vorhaben. Zum Beispiel die Freundin mit der ihr in die Mittagspause verschwindet, wenn euch gerade mal wieder was aus der Balance wirft.

Die Bewegung

Fehlen noch die Embodiments. Das sind Bewegungen, die ihr mit eurem Motto-Ziel verbindet bzw. es damit verinnerlicht. Zwei Varianten gibt es: Einmal die Makroversion, die ihr vermutlich nicht in der Öffentlichkeit zeigt und der Micro-Move, den ihr heimlich oder unauffällig machen könnt. Auch wieder geboren aus einem Ideenkorb, kann man sich die Makroversion quasi als kleinen Tanz vorstellen, der euch in die richtige Stimmung versetzt. Dazu wird das Motto-Ziel in seine Bestandteile zerlegt und geschaut welche Wort/Wortkombinationen durch welche Bewegung symbolisiert werden könnte. “Ich atme Freiheit” könnte z.B. aus “Hände aufs Herz, tief Durchatmen, großzügige Armbewegung nach außen” bestehen. Je intensiver und ausladender desto besser – solange es sich gut anfühlt. Der Micro-Move ist hingegen z.B. ein Schulterklopfen oder eine Fußbewegung, die quasi eine Kurzfassung eures Motto-Ziels darstellt.

All das soll dafür sorgen, dass ihr zu jedem Zeitpunkt und an jedem Ort einfach und schnell in eure gewünschte (positive) Haltung schlüpft. Das bedeutet nicht zwingend, dass ihr dann am Ende mehr Sport treibt. Aber es gibt euch die Gelegenheit äußere Einflüsse (bis zu einem gewissen Grad) abzuwerfen und stattdessen zu tun, was euer Verstand und euer Unterbewusstsein gemeinsam entschieden haben. Dank der neuen Haltung seid ihr quasi mit euch im reinen – mit der Folge, dass möglicherweise auch im Außen Veränderungen eintreten. Wir kennen das schließlich alle: Der nach vorne gebeugte, vor sich hin schlurfende Typ strahlt eine ganz andere Aura aus als der aufgerichtete, selbstsichere Typ daneben.

Die Übung

Dass das nicht von einen Tag auf den anderen geht ist auch den Erfindern des ZRM klar. Deshalb sortieren sie den Alltag in A, B und C-Situationen. In A-Situationen ist es einfach in die gewünschte Haltung zu kommen, weil die Widerstände gering sind. Wenn z.B. die Wäsche mal wieder in die Waschmaschine muss. B-Situationen sind hingegen Ereignisse, die wesentlich mehr Überwindung kosten aber dafür planbar sind wie z.B. ein “am Dienstag gehe ich Sport machen”. In C-Situationen werdet ihr hingegen komplett überrumpelt und meist sprachlos zurückgelassen oder reagiert sehr emotional. Sie überfordern euch also.

Solche Situationen lassen sich logischerweise nie komplett vermeiden. Aber es geht darum euren Umgang damit zu verbessern. Damit die nächste, ähnliche C-Situation eben nicht mehr eine C-Situation ist, sondern vielleicht nur noch eine B- oder irgendwann sogar mal eine A-Situation. Und dazu nehmt ihr euren Ressourcenpool plus etwas Selbstreflexion („Warum war das eine C-Situation?“, “Was hinderte mich daran meine Haltung einzunehmen?”) her.

Die Praxis

Screenshot vom ZRM-Onlinetool

Das klingt logischerweise alles viel einfacher als es in der Realität ist. Nur weil man ein Motto-Ziel aufschreibt, sind die damit verbundenen Hindernisse ja nicht automatisch weg. Aber es hilft sicherlich in solchen Situationen diese Hindernisse besser wahr zu nehmen und zu überwinden. Und ja: Mein Motto habe ich trotz eines umfangreichen Ressourcenpools definitiv noch nicht wirklich verinnerlicht. Aber meine eingeweihte Ressource, Lysanda, erinnert mich immerhin regelmäßig daran :smile: . Wird also sicherlich mit der Zeit noch was.

Unterm Strich fand Lysanda den Bildungsurlaub auch interessanter und spannender als ich. Grundsätzlich finde ich die Idee hinter dem ZRM aber definitiv gut. Den inneren Schweinehund kennen wir alle und das System ist das erste mir bekannte, dass tatsächlich versucht mir praktische Hilfsmittel für den Alltag an die Hand zu geben. Andere Methoden setzen irgendwie viel zu sehr auf Selbstreflexion und Selbsterkenntnis und dadurch ggf. eintretende Verhaltensänderungen. Aber den Rubikon konnte ich damit bislang irgendwie noch nicht überqueren. Das ZRM zeigt hingegen, dass deine Haltung deine eigene Entscheidung ist und du dem nicht hilflos ausgeliefert bist. Es zielt dabei auf die Lösung und nicht das Problem ab.

Wenn ihr genaueres zum ZRM wissen wollt, dann ist logischerweise die offizielle Webseite eine gute Anlaufstelle. Die haben sogar ein Online-Tool mit dem ihr Zuhause am Rechner zu einem Motto-Ziel kommen könnt. Aber vorher zumindest ein paar Videos anschauen. Ohne ein paar (besser erklärte) Grundkenntnisse funktioniert das nicht so gut :smile: .

Gewaltfreie Kommunikation (Cover)

Vorletzte Woche war es wieder soweit: Bildungsurlaub! Heuer verschlug es mich nicht nur erneut an die Volkshochschule Darmstadt, es war sogar die gleiche Dozentin und im Kern das gleiche Thema wie 2018 (sowie der gleiche Schulungsraum :smile: ). Ich hatte mich direkt angemeldet nachdem sie letztes Jahr dafür Werbung gemacht hatte. Damals hieß der Kurs Erfolgreich und gelassen in Beruf und Alltag – Stressbewältigung und Kommunikation und hatte – wie der Name schon andeutet – einen zusätzlichen Fokus auf das Thema Stress. Dieses Jahr fand er hingegen unter dem Begriff Kraft durch Klarheit statt. Selbstanalyse war hier das zusätzliche Stichwort zum Hauptthema.

Das Hauptthema beider Bildungsurlaube ist jedoch die Vermittlung des Konzepts der gewaltfreien Kommunikation (GFK) nach Dr. Marshall B. Rosenberg (ein 2015 verstorbener, amerikanischer Psychologe). Ich muss an dieser Stelle allerdings darauf hinweisen, dass dieser Name ein wenig in der Kritik steht, da man mit dem Begriff “Gewalt” quasi dem anderen unterstellt einen anzugreifen. Ich persönlich finde das tatsächlich gar nicht so von der Wahrheit entfernt in vielen Situationen (Stichwort Mobbing). Die Dozentin beispielsweise spricht aber lieber von wertschätzender Kommunikation. Es gibt aber auch den Begriff der “durchsetzungsstarken Kommunikation” dafür.

Doch egal wie man es nennt: Die Methodik dahinter bleibt natürlich immer gleich. Und da ich die durchaus spannend und interessant finde – sonst hätte ich nicht gleich zwei Bildungsurlaube zum Thema gemacht -, möchte ich versuchen sie euch heute ein wenig vorzustellen. Die Betonung liegt dabei eindeutig auf “wenig”, denn nur weil ich zwei Kurse besucht habe bin ich noch weit davon entfernt ein Experte zu sein. Schlimmer noch: Im Alltag kann ich sie noch gar nicht anwenden, dazu fehlt mir noch viel Übung. Seht den heutigen Eintrag also mehr als Einstieg in die Materie.

Die Grundlagen

Iss den Teller auf, sonst darfst du nicht zum Spielen! oder Wenn du das machst, wird Mama traurig. – Diese oder ähnliche Sätzen kennen viele unter uns aus ihrer Kindheit. Kein Wunder, dass wir im Erwachsenenleben in der Kommunikation ebenfalls sehr konfrontativ unterwegs sind. Wir haben es ja nicht anders gelernt. Stattdessen dominieren Mach’ was ich will und zwar sofort! und Du bist schuld daran, dass es mir schlecht geht! unseren Sprachgebrauch. Problem dabei ist – und das weiß jeder -, dass uns das selten wirklich weiterbringt. Ja, einer der Dialogpartner fühlt sich als Gewinner, weil er dem anderen seinen Willen aufgezwungen hat. Aber tatsächlich sind beide nur Verlierer.

Natürlich ist es äußerst angenehm und praktisch sich von aller Schuld freisprechen zu können. Mit diesem Konzept hausiert schließlich speziell die katholische Kirche bereits seit Jahrtausenden und verdient immer noch verdammt viel Geld damit. Warum soll ich auch etwas an meinem Leben ändern, wenn ich einfach jemand anderen die Verantwortungen für meine Problemen geben kann? Die Bedürfnisse des anderen? Will ich unbedingt befriedigen, damit er mich gern hat. Wie es mir dabei geht ist doch egal.

Rosenberg fand das nicht gut und “erfand” deshalb Anfang der 70iger die GFK. Sein Ziel: Die Verbesserung des zwischenmenschlichen Miteinanders durch echten empathischen Kontakt. Statt uns durch Sprache zu trennen (auch als Wolfssprache bezeichnet), sollten wir lieber wieder verbindend (Giraffensprache) reden. Das bedeutet natürlich nicht, dass wir uns am Ende alle in den Armen liegen und uns lieb’ haben sollen. Mit Rosenbergs Methodik seid ihr immer noch ergebnisorientiert unterwegs aber – und das ist das Wichtige – gleichzeitig lösungsoffen. Oder besser ausgedrückt: Ich will mit Dir eine Lösung finden, mit der es uns beiden gut geht. Man soll sie quasi nicht strategisch verwenden, um den gegenüber zu manipulieren, sondern auf Augenhöhe einen produktiven Dialog miteinander führen.

Übrigens ein weiterer Punkt aus Sicht der Kritiker gegen diese Methode, da eben genau das (GFK als Machtinstrument) vor allem in der Wirtschaft sehr häufig zu passieren scheint. Das ist natürlich unschön aber eine Gabel kann ich auch entweder zum Essen oder als Waffe missbrauchen. Insofern ist das für mich ein eher schwaches Gegenargument.

Die Funktionsweise

Der Giraffentanz

Auf dem ersten Blick ist die Umsetzung der Methode relativ simpel. Rosenberg spricht von einem Giraffentanz, der sich auf zwei Seiten mit jeweils vier Schritten aufteilt. Die eine Seite ist das “Ich” (Aufrichtigkeit) und die andere das “Du” (Empathie). Die vier Schritte sind hingegen die Wahrnehmung/Beobachtung, das Gefühl, das Bedürfnis und abschließend die Bitte/der Dank.

Ihr macht also zuerst eine objektive (!) Beobachtung, drückt aus wie ihr euch deshalb fühlt, warum ihr so fühlt und macht zum Schluss einen Vorschlag wie die Lösung aussehen könnte. Erhaltet ihr Widerspruch, gebt ihr das so als erneut komplett objektive Beobachtung wieder, versucht zu verstehen wie sich der andere fühlt und warum und versucht seinen Wunsch auszuformulieren.

Die Umsetzung ist allerdings extrem schwierig. Das fängt schon mit der objektiven Beobachtung an. Die Dozentin sprach hier immer von der Kamera. Eine Beobachtung ist nur, was sie sehen kann. Sie kann z.B. sehen, dass Hr. Maus um 09:10 ins Büro gekommen ist. Sie kann nicht sehen, dass er zu spät gekommen ist.

  • Wolfssprache: Hr. Maus, sie sind zu spät!
  • Giraffensprache: Hr. Maus, es ist 09:10. Unser Meeting war für 09:00 Uhr angesetzt.

Durch die Objektivität schafft ihr zum einen unbestreitbare Fakten von denen der gegenüber sich erst einmal nicht angegriffen fühlen kann – es sind ja Tatsachen. Ist tatsächlich gar nicht so einfach eine neutrale Sicht einzunehmen. Wir sind da sehr schnell darin direkt in die Beobachtung irgendwelche Vorwürfe unterzubringen. Anschließend vermittelt ihr wie es euch damit geht und warum.

  • Wolfssprache: Sie haben mich im Stich gelassen. Ich musste die Präsentation alleine machen!
  • Giraffensprache: Ich bin ärgerlich, weil mir Zuverlässigkeit wichtig ist.

Das ist der wohl schwierigste Teil der GFK. Ich habe in 90% der Fälle keine Ahnung wie ich mich tatsächlich fühle und schon gar nicht welches tiefere Bedürfnis sich dahinter verbirgt. Stattdessen verfallen wir hier dann irgendwie automatisch in den Schuldzuweisungsmodus. Rosenberg spricht hier von Pseudogefühlen wie z.B. “niedergemacht”, “ignoriert”, “enttäuscht” oder “fallengelassen” statt echten Gefühlen (“aufgeregt, wütend, ärgerlich, optimistisch, sauer, etc.). Der Unterschied ist, dass Gefühle von innen also von uns kommen. Bei Pseudogefühlen ist immer der andere Schuld an unserem Gefühl: “Ich fühle mich ignoriert von dir!” oder “Ich bin enttäuscht von dir!” im Gegensatz zu “Ich bin aufgewühlt.” oder “Ich bin sauer.”.

Das Gleiche gilt im Prinzip für die Bedürfnisse. Sie sind unabhängig von einer anderen Person, einer Zeit oder einem Ort und können auf verschiedene Art erfüllt werden. Also statt “Ich kann nur mit dir glücklich sein” einfach “Ich möchte glücklich sein”. Und nur damit kein falscher Eindruck entsteht: Die GFK ist nicht nur für negative Situationen gedacht. Auch in positiven Situationen möchte Rosenberg, dass wir wertschätzend miteinander kommunizieren. Lob ist für ihn z.B. eine Form der trennenden Sprache, weil es aus seiner Sicht nur von einer erhöhten Position nach unten gegeben werden kann. Die Teilnehmer beider Kurse waren darüber geteilter Meinung :smile: . Außerdem ist noch wichtig zu beachten, dass nicht die Beobachtung ein Gefühl auslöst, sondern euer Bedürfnis. Also nicht “Weil du das gemacht hast, bin ich jetzt…”, sondern “Du hast das gemacht. Ich fühle mich doof, weil es mir um was anderes geht.”.

Pseudogefühle

Der letzte Schritt ist dann die Bitte oder der Dank. Im Fall der Bitte ist wichtig, dass diese möglichst konkret sein muss und nur mit “Ja” oder “Nein” beantwortet werden kann. Und es soll natürlich nicht wie eine Forderung klingen.

  • Wolfssprache: Hr. Maus, sehen Sie gefälligst zu, dass Sie das nächste Mal pünktlich sind oder Sie sind gefeuert.
  • Giraffensprache: Ich bitte Sie, Hr. Maus, bei unserem nächsten Meeting am kommenden Montag pünktlich um 9 Uhr da zu sein. Können Sie das sicherstellen?

Klingt im ersten Moment relativ umständlich und gestelzt. Deshalb muss man das wirklich erst einmal intensiv üben, bevor man damit in die Realität kann. Dann lernt man auch je nach Situation bestimmte Schritte zu überspringen (inkl. z.B. vom Ich-Gefühl direkt in die Du-Beobachtung zu wechseln). Aber es funktioniert prinzipiell. Selbst im Übungssetting fühlt man sich gleich ganz anders, wenn man auf diese Art und Weise angesprochen wird. Der Grund ist klar: Dadurch, dass man dem Gegenüber Verständnis entgegenbringt und ihn quasi abholt, kommt man aus der Eskalationsspirale heraus. Rosenberg sagte dazu, dass bei der trennenden Sprache nicht die Erwachsenen miteinander reden, sondern die Kinder innendrin. Und durch seine Methode kommt man wieder dahin zurück als Erwachsene zu kommunizieren.

Ein weiteres Beispiel

Situation: Ihr steht beim Bäcker in der Schlange und jemand drängelt sich vor.

  • Wolfssprache: Ey, Sie eingebildetes Arschloch. Stellen Sie sich gefälligst wie alle anderen hinten an!
  • Giraffensprache: Ich sehe, dass sie sich vor mich stellen [Beobachtung]. Ich bin irritiert [Gefühl], weil es mir um Fairness [Bedürfnis] geht. Ich habe es auch eilig und warte schon einige Zeit. Ich bitte Sie sich wie alle anderen hinten anzustellen [Bitte].

Darauf würde dann natürlich der Gegenüber antworten. Er sagt z.B. “Ich habe es eilig!”. Darauf könnte man dann antworten:

  • Wolfssprache: Ich hab’s auch eilig, du Vollhonk. Seh’ zu, dass du nach hinten kommst!

Oder ihm nach Rosenberg ein bisschen Empathie geben:

  • Giraffensprache: Sie sagen, dass sie es eilig haben [Beobachtung]. Sind Sie unter Druck [Gefühl], weil Sie pünktlich [Bedürfnis] auf der Arbeit sein wollen? Möchten Sie, dass ich Sie vorlasse [Bitte]?

Natürlich würde er jetzt sagen “Ja!” und dann kann man das entweder akzeptieren oder wieder in die Ich-Schleife gehen und z.B. ausdrücken, dass wir in der Schlange es hier alle eilig haben oder als Kompromiss anbieten ihn hinter sich zu lassen.

Die Erkenntnisse

Das war jetzt logischerweise ein extrem oberflächlicher Abriss über die GFK. Selbst nach zwei mal fünf Tagen Bildungsurlaub weiß noch nicht alles, was dazugehört. Vom aktiven Umsetzen ganz zu schweigen. Aber selbst, wenn man es am Ende nicht nutzt, gibt es doch ein paar grundlegende Erkenntnisse daraus, die ich gar nicht so verkehrt finde. Darunter folgende:

  • Unser Gefühl zeigt an, ob ein Bedürfnis erfüllt ist oder nicht.
  • Wir sind selbst für unsere Gefühle verantwortlich (Eigenverantwortung). Dass du dich angegriffen “fühlst” (=Pseudogefühl) liegt nicht an deinem Gegenüber, sondern an dir selbst (Spiegel/Resonanz). Er bringt es nur hervor.
  • Meine eigenen Bedürfnisse sind genauso wichtig wie die anderer Menschen (Selbstwert/Selbstakzeptanz).
  • Ich habe immer die Wahl. Ich kann und darf wählen.
  • Empathie bedeutet sich auf Augenhöhe zu begegnen.
  • Bei Empathie geht es nicht darum etwas zu tun (z.B. Ratschläge geben, trösten, analysieren, etc.), sondern um das da sein (Mitgefühl, Verständnis, aktiv zuhören, etc.).

Übung zum Thema Beobachtung

Ich glaube, dass wir Menschen nicht wirklich gut darin sind zu verstehen was in uns innen drin passiert. Damit umgehen können wir erst recht nicht. Vielleicht haben wir sogar Angst davor und verschließen uns deshalb davor. Wie gesagt: Es ist einfacher die Schuld bei jemanden anderen zu suchen als sich mit uns selbst zu beschäftigen. Aber am Ende des Tages – und das ist keine Erkenntnis nur aus der GFK – müssen wir uns selbst um unser Wohl kümmern. Das nimmt uns niemand ab. Unser Glück hängt nicht von jemand anderem ab. Wir “produzieren” unsere Gefühle schließlich selbst. Entsprechend fand ich nicht nur die beiden Bildungsurlaube sehr interessant, sondern möchte auch weiter versuchen die Methode in die Praxis umzusetzen. Und dazu gehört zuerst meine eigenen Gefühle und Bedürfnisse kennen zu lernen und zu akzeptieren, dass sie da sind. Im “Mich selbst niedermachen” bin ich schließlich immer noch sehr gut :smile: .

Und wenn ihr euch jetzt tiefer in die Thematik einlesen wollt: Ihr müsst nicht gleich einen Kurs dafür besuchen (obwohl es hilft mit echten Personen üben zu können), es gibt auch ein ins deutsche übersetztes Buch von Hr. Rosenberg dazu.

Sicarius

Freigestellte Bildung

Meine Abschrift eines japanischen Gedichts

Im Gedächtnis bleibt einem meist eher das, was man nicht darf und darüber wird auch häufiger gesprochen. Von den guten Sachen hört man hingegen eher weniger oft. Das gilt ebenso für die Bildungsfreistellung, umgangssprachlich auch als Bildungsurlaub bezeichnet. Gut: In Bayern (und Sachsen) gibt es das nicht. Also war es für mich bislang nicht relevant. Ohne Lysanda hätte ich aber wohl genausowenig in Hessen davon erfahren (die Arbeitgeber wollen natürlich die Zahl der Nutzer klein halten), dabei gibt es das dazugehörige Gesetz schon seit 1974. Mittlerweile habe ich ihn schon zwei Mal mitgemacht und kann wirklich nur empfehlen sich dahingehend mal zu informieren.

Wos des?

Wie der Name schon sagt, geht es grundsätzlich um berufliche oder politische Weiterbildung. Wobei der Bildungsurlaub erst einmal überhaupt nichts mit eurer täglichen Arbeit zu tun haben muss. Es geht einzig und allein darum, ob das jeweilige Land in dem ihr arbeitet (nicht wohnt!) den entsprechenden Kurs genehmigt hat oder nicht. Entsprechend vielfältig ist das Angebot, das vor allem die Volkshochschulen bundesweit (wie gesagt mit Ausnahme von Bayern und Sachsen) so anbieten. Programmieren, Gesundheitsthemen, Fortbildungen, Soft Skills – es gibt prinzipiell alles.

Das Seminar darf auch prinzipiell in einem anderen Land stattfinden (Bundesland sowie außerhalb von Deutschland). Allerdings müsst ihr dann zwingend schauen, ob euer Bundesland den entsprechend Kurs anerkannt hat. Da jedes Bundesland ein eigenes Gesetz mit anderen Anforderungen an die Kurse abgeschlossen hat, kann man nicht einfach davon ausgehen, dass beispielsweise ein Seminar in Nordrheinwestfalen auch den Ansprüchen der hessischen Gesetzgebung genügt. Immerhin ist es möglich beim jeweiligen Land nachzufragen, ob der gewünschte Kurs von ihnen erlaubt wird und sich so eine Bestätigung zu holen. Manche Kurse (vor allem in Grenznähe) haben das bereits für euch gemacht und schreiben explizit rein, ob das Nachbarbundesland den Kurs abgesegnet hat oder nicht.

Die Kernpunkte

Mein Versuch eines japanischen Gemäldes

Grundsätzlich gilt in fast allen Bundesländern, dass ihr bei der Bildungsfreistellung für fünf Tage von der Arbeit freigestellt und in dieser Zeit ganz normal von eurem Chef weiterbezahlt werdet. Manchmal darf ein Arbeitgeber allerdings auch betriebseigene Schulungen anrechnen lassen, die euren Anspruch reduzieren. Außerdem gilt quasi in allen Bundesländern eine bestimmte Grenze ab wann (wie lange ist man schon im Unternehmen) und wie viele Arbeitnehmer eines Betriebes überhaupt einen Bildungsurlaub in Anspruch nehmen dürfen. Sprich in Kleinstbetrieben (oft <10 Mitarbeiter) habt ihr Pech gehabt, wenn euer Chef nicht gutmütig ist. Und wenn schon ein paar Prozent (meist 10-20%) aller Mitarbeiter eines Unternehmens eine Freistellung beantragt und genehmigt bekommen haben, kann der Arbeitgeber euren Antrag ablehnen. Ist also doch wieder von Vorteil, wenn eure Kollegen nichts von diesem Anspruch wissen :smile: . Eine gute Übersicht über die einzelnen Voraussetzungen und Einschränkungen in den Bundesländern könnt ihr hier einsehen.

Die Seite Bildungsurlaub.de ist auch ein guter, erster Anlaufpunkt um sich grundsätzlich darüber zu informieren wo und welche Bildungsurlaube so angeboten werden und in welchem Preisrahmen sie sich bewegen. Ihr solltet aber dann immer noch manuell recherchieren. Zum einen, weil die Datenbank nicht vollständig ist. Die Webseiten der nahegelegenen Volkshochschulen solltet ihr also unbedingt zusätzlich besuchen. Zum anderen, weil auch Sachen in der Datenbank stehen, die so komischerweise nicht existieren. Keine Ahnung warum das so ist.

Habt ihr euch einen Kurs herausgesucht und gebucht, müsst ihr das dann rechtzeitig bei eurem Arbeitgeber anmelden (wieder abhängig vom Bundesland wie viel Vorlauf er haben muss) und hoffen, dass die Bildungsfreistellung von ihm genehmigt wird. Ist vermutlich mitunter nicht ganz so einfach (vermutlich vor allem abhängig von der Größe des Betriebs) aber die Bedingungen, unter denen er euch die Teilnahme verwehren kann, sind vom Gesetz sehr begrenzt. Hält so manchen vermutlich trotzdem nicht davon ab unter Drohungen oder fadenscheinigen Ausreden doch abzulehnen. Aber so ist das ja leider immer und technisch gesehen könntet ihr ihn dann verklagen. Ob man es macht ist natürlich ein ganz anderes Thema.

Meine Erfahrungen

Kanji-Kalligrafie

Wie anfangs erwähnt, habe ich bislang zwei Bildungsurlaube mitgemacht. Letztes Jahr war es ein Gesundheitskurs (Gesundheit ganzheitlich fördern für 200 Euro) bei der VHS Groß-Gerau und letzte Woche bei der VHS in Mainz Japan: Kultur und Sprache für 273 Euro. Ja, ich habe endlich angefangen japanisch zu lernen! Im September geht es hoffentlich mit einem richtigen Sprachkurs auch wieder in Mainz an der VHS weiter. Beide Seminare waren sehr interessant wobei mir aus naheliegenden Gründen natürlich das Japan-Seminar noch viel besser gefallen hat als der Gesundheitskurs :smile: . Deswegen ist auch der Eintrag voll von Bildern, die ich da produziert habe (rechts unten seht ihr zum Beispiel das Kanji für “blauer Himmel” sowie meinen Namen auf Hiragana mit Kalligrafie geschrieben). Lysanda hingegen war letztes Jahr mit mir auf dem Gesundheitskurs, hat dieses Jahr Reiki gelernt (auch was japanische) und vorletztes Jahr ihr Englisch aufgebessert.

Insofern werden wir definitiv nächstes Jahr wieder unsere Woche Bildungsfreistellung in Anspruch nehmen. Es hat schließlich nur Vorteile:

  • Ihr könnt euch fünf Tage außerhalb der Arbeit aber doch innerhalb der Arbeitszeit (weil bezahlte Freistellung) weiterbilden und zwar egal ob es eure tägliche Arbeit unterstützt oder nicht, was es euch ermöglicht auch mal in etwas völlig anderes reinzuschnuppern.
  • Da die Seminare von morgens bis nachmittags durchgehen, könnt ihr sehr viel intensiver lernen als jede Woche nur einmal 1-2 Stunden zur VHS zu tingeln.
  • Ihr müsst euch nicht mehrere Wochen die Abende mit einem Termin zuballern.
  • Der Kurs kann von der Steuer abgesetzt werden

Als einziger Nachteil fällt mir nur ein, dass ihr für die Kurse bezahlen müsst. Erwachsenenbildung kostet halt ein wenig. Das gilt aber logischerweise auch für die normalen Abendkurse und dort werdet ihr nicht parallel noch vom Arbeitgeber bezahlt. Somit ist ein Bildungsurlaub zwar kein Nullsummenposten (je nachdem wie viel ihr verdient) aber immer noch billiger und weniger stressig als ein Abendkurs. Also nicht länger zögern: Bildungsurlaub beantragen (wenn ihr dazu berechtigt seid)!

« Vorherige Seite