KONSUMIERT! Die Inflation ist hoch. Die Preise dementsprechend auch. Dem Euro geht es schlecht. Die Gehälter steigen nicht. Und warum? Na, weil ihr nicht KONSUMIERT! Wir brauchen MEHR WACHSTUM. MEHR GELD in den Kassen der Unternehmen und Finanzämter. MEHR ARBEITSZEIT für weniger Bezahlung. Also kramt endlich euer Sparbuch raus und tut etwas für euer Land: KONSUMIERT VIEL UND OHNE VERSTAND! Bitte? Was ihr konsumieren sollt? Mir doch egal. Vermutlich habt ihr schon genug im (anlogen wie digitalen) Regal stehen. Nehmt also einfach irgendwas davon. Ich hingegen hab‘ mich mit den folgenden Unterhaltungsmedien beschäftigt:

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Das Vermächtnis der Spione* (A Legacy of Spies; 2017; 316 Seiten) – Ursprünglich sollte es der letzte Roman aus der Feder von John le Carré werden. Aber der Brexit und seine Angst davor, hatte ihn dann doch noch dazu getrieben mit Federball* 2019 einen weiteren Spionageroman zu veröffentlichen, bevor er Ende 2020 gestorben ist. Mit George Smiley hat der jedoch nichts zu tun. Das Vermächtnis der Spione ist stattdessen der neunte und letzte Band der George Smiley-Reihe. Wirklich zu Wort kommt er allerdings nur auf den letzten paar Seiten. Im Vordergrund steht stattdessen sein langjähriger Begleiter Peter Guillam.

2017 wird der britische Geheimdienst von Christoph Leamas, Karen Gold und Gustav Quinz verklagt. Wem die Namen irgendwie bekannt vorkommen hat Der Spion, der aus der Kälte kam* gelesen. Das Werk von 1963 dreht sich ganz um den britischen Spion Alex Leamas (und ein Buch, das ich extrem gut fand). Der Vorwurf der Kinder, vertreten durch eine NGO: Ohne Rücksicht auf Verluste hätte der Circus ihre Eltern in ihren Dienst gezwungen und im Rahmen der Operation Windfall sinnlos geopfert. Die namentlich Angeklagten? George Smiley und Peter Guillam.

Da Smiley warum auch immer nicht greifbar ist, schnappt sich der Circus Peter und zieht ihm die Daumenschrauben an. Erst wird er verhört und als er schließlich ein Versteck mit altem Beweismaterial verrät, gezwungen die Akten zu wälzen und daraus zu berichten. Immer in der Hoffnung etwas zu finden, was den Circus (und natürlich nur die Firma) aus dem Schneider hilft. Eingebettet in diese Rahmenhandlung erzählt entsprechend entweder Peter was damals vorgeblich geschah (und dem Leser, was ggf. wirklich passierte) oder es werden die damaligen Einsatzberichte und Korrespondenzen 1:1 abgedruckt. Dazwischen gibt es immer mal wieder eine Pause in der Gegenwart in denen Peter rastlos durch London und die Umgebung streift, auf der Suche nach seinen ganz eigenen Antworten.

Es ist also sowohl die Vorgeschichte zu Der Spion, der aus der Kälte kam als auch eine Auseinandersetzung mit den Konsequenzen der Handlungen, die damals im Namen des Königreichs durchgeführt wurden. Und ja: Es empfiehlt sich dringend zumindest den dritten Band vorher gelesen zu haben. Eigentlich sogar im Minimum Band 3, Band 5 (Dame, König, As, Spion*) und Band 7 (Agent in eigener Sache*). Zum einen werden die Ereignisse aus Band 3 nur rudimentär wiederholt, zum anderen fehlt einem einiges an Bindung zu den Hauptpersonen sowohl aus Band 3 als auch Peter und George selbst. Auf sich alleine gestellt funktioniert Das Vermächtnis der Spione aus meiner Sicht überhaupt nicht.

Beim Christoph meint: 4 von 5 Sics. Nachdem ich mich durch Der heimliche Gefährte* ziemlich durchquälen musste, hatte ich bei Das Vermächtnis der Spione wieder mehr Spaß. Das lag weniger an der belanglosen Rahmenhandlung (deswegen keine fünf Sics), sondern mehr am Kern des Buchs: Spionagemissionen gegen die Sowjetunion in den 60igern. John le Carré quasi zurück in seinem Element und dann auch noch als sinnvolle Ergänzung zu einem seiner besten Bücher.

Obwohl ich den grundsätzlichen Ausgang der finalen Mission bereits kannte, trotzdem ein extrem spannendes Leseerlebnis mit einigen überraschenden Wendungen. Und natürlich ist es schön einen letzten, kleinen Einblick ins Leben der noch übrig gebliebenen Protagonisten der Karla-Jahre zu bekommen. Das Ende ist nicht so befriedigend wie ich es mir erhofft hätte (der Prozess ist plötzlich kein Thema mehr). Aber es ist ein würdiger und passender Abschied für zwei Personen, deren Leben ich über so viele Bücher hinweg begleitet habe. Für George Smiley-Fans eine Pflichtlektüre.

 

Spielen statt Lesen

Und wenn wir schon beim Stichwort „Alter Kram neu aufgewärmt” sind: 2007 hatte ich einen kleinen Test zur allerersten Version des Klomanagers (1995, Atari ST) veröffentlicht. Verdammt lange her. Das Remake dazu kam dann anno 2000 auf dem Markt (letztes Update 2006), zu dem ich aber tatsächlich nie was hier auf Beim Christoph geschrieben habe. Stattdessen hatte ich mich nur einer Handvoll von Fans angeschlossen, die auf Der Klomanager 2 gewartet haben. Dahingehend war ich sogar einige Zeit im offiziellen Forum (es existiert noch – inkl. den uralten Beiträgen) aktiv. Ja, die waren damals noch total hip.

Der zweite Teil des Klomanagers ist in der ursprünglich geplanten Version offensichtlich nie erschienen. Auch die deutsche Entwickler-Firma, Anvil-Soft, existiert nur noch auf dem Papier. Die Wege von Matthias Hofmann und Roland Wendt scheinen sich schon vor längerer Zeit getrennt zu haben. Roland hat stattdessen mit PHOBETOR ein neues (quasi Ein-Mann)Studio gegründet – und die Rechte am Klomanager mitgenommen. Nach zwei rundenbasierten Strategiespielen hat er sich anschließend tatsächlich wieder dem Klomanager gewidmet, wie ich vor kurzem überraschend festgestellt habe. Und da das Werk zu dem Zeitpunkt nur 0,99€ kostete (aktuell wieder 4,99€), habe ich natürlich sofort zugeschlagen und mich seit langem mal wieder in die Scheiße gestürzt.

(Cover)

Klomanager – Hochgewürgt (2021; PC, Mac) – Der Titel ist passender als es vermutlich beabsichtigt war, denn das Erste was einem auffällt ist die extrem schlechte Optik. Zugegeben: Die 2006er Version war jetzt auch nicht das hübscheste auf dem Markt, aber doch irgendwie zeitloser als diese hässlichen Mobiltelefon-Menüs und Gesichter, die scheinbar selbst zu tief ins Klo geschaut haben. Aber gut: Inhalt vor Schönheit. Also, worum geht’s? Nun für Veteranen nichts Neues: Bis zu vier Spieler (oder KI) bekämpfen sich rundenbasiert auf einer Handvoll unterschiedlicher Karten im Klogeschäft. Das Spielziel kann zu Beginn ausgewählt werden und enthält 08/15-Sachen wie „habe nach x Zügen das meiste Geld” oder „Erreiche im Forschungsbereich x die höchste Stufe”. Mit eurem mickrigen Startgehalt kauft ihr euch dann eure erste Parzelle, die je nach Lage ein paar Besonderheiten aufweist. Im Nobelviertel gibt es beispielsweise für verdreckte Toiletten besonders hohe Mali aber dafür sind sie für top-ausgestattete eher bereit mehr zu bezahlen. Im hippen Künstlerviertel finden sie hingegen Graffiti richtig geil und malen euch sogar die Wand kunstvoll an, wenn ihr es nicht wegmacht (=spart Reinigungskosten).

Jede Parzelle besteht aus bis zu sechs Ställen, die ihr abhängig von eurem Geldbeutel nach und nach freischaltet und dann entsprechend mit Toiletten ausstattet. Diese bestehen aus vier Bausteinen: Die Schüssel, der Sitz, die Spülung und das Klopapier. Fangt ihr mit einer billigen Keramikschüssel und einem unbequemen Plastiksitz an, könnt ihr im Laufe des Spiels durch Geldeinsatz bessere Bauteile erforschen bis ihr am Ende einen königlichen Diamantthron mit Ledersitz (inkl. Bierhalter) und Mink-Toilettenpapier dort stehen habt. Anschließend noch den Preis festlegen für jeden Stall und schon heißt es auf die Kundschaft warten, denn nur so kommt Geld in die Kassen. Problem: Kundschaft macht die Toiletten dreckig. Also heißt es zu Beginn der nächsten Runde erst einmal sauber machen – was ebenfalls Geld kostet.

Klomanager – Hochgewürgt (Herstellerbild)

Doch die Konkurrenz schläft logischerweise nicht und will ebenfalls ein Stück vom Scheißhaufen abhaben. Dabei geht es nicht immer gesittet zu. Zwar kann sie genauso wie ihr fleißig verschiedene Arten von Werbung schalten (ihr habt sogar eine Webseite!) und so die Leute anlocken. Aber manchmal reicht das nicht aus. Da ist es dann doch mal an der Zeit die Kollegen vom Gesundheitsamt zu bestechen, um einen unangekündigten Besuch zu veranlassen oder gleich Sabotageakte durchführen, die bestenfalls nur Dreck verursachen, schlimmstenfalls die Ausstattung zerstören (=muss neu gekauft werden). Das wird im späteren Spielverlauf ein ganz schönes Geldgrab. Nicht nur, weil die Bauteile und die Amtsstrafen teurer werden. Auch die KI scheint sich gefühlt komplett gegen euch zu verbünden, sobald ihr aus ihrer Sicht zu viel Erfolg habt. Dazu noch die Einflüsse der Jahreszeiten (gefrorene Toiletten im Winter, Überschwemmungen im Sommer)… ja, man kann sagen: Selbst auf dem einfachsten Schwierigkeitsgrad ist der Titel gegen die KI sauschwer und ich habe in meinen bisher zwei Stunden Spielzeit noch kein Match erfolgreich beenden können.

Und ja, das war’s: Parzellen säubern, forschen, Toiletten ersetzen/verbessern, werben, sich mit dem Gesundheitsamt gut stellen (zu viele Strafen führen zur Schließung der Parzelle) und Sabotageakte durchführen. Man hat schnell alles gesehen, wiederholt dann ständig nur noch die gleichen Schritte und hofft einfach darauf, dass das Geld für die nächste Forschung oder den nächsten Stall/Parzellenkauf reicht. Mehr ist es nicht – und dabei hat man nicht einmal was Schönes zum Anschauen, weil das Spiel schlicht und einfach potthässlich ist.

Beim Christoph meint: Es ist hart aber von mir gibt es für Klomanager – Hochgewürgt nur 1 von 5 Sics. Als ich diesen Absatz angefangen habe, waren es noch zwei Sics aber bei genauerer Überlegung wäre das nicht verdient. Ja, es ist im Kern immer noch der Klomanager mit nur wenigen (aber meist sinnvollen) Neuerungen und für ein paar Runden (vor allem mit menschlichen Spielern) macht es durchaus wieder Laune (hab‘ mir sogar alle Achievements geholt). Aber damals wie heute ist es nichts was langfristig Spaß bringt. Es geht über einen netten Gag nicht wirklich hinaus und hat mit einer richtigen Wirtschaftssimulation nur wenig zu tun.

Im Klomanager Deluxe könnt ihr sogar die Tür zumachen!

Leider hält die neue Version noch weniger bei der Stange. Weil sowohl die 3D-Objekte als auch die Menüs echt scheiße aussehen und sie zudem noch so einige Bugs hat, die teilweise sogar das Weiterspielen verhindern. Außerdem der Schwierigkeitsgrad gegen die KI, der gefühlt abartig hoch ist. In meinem letzten Spiel hatte ich mit meiner Parzelle zwar viel Erfolg (und fast alles erforscht), aber dann begann die KI mir jede Runde haufenweise Saboteure zu schicken und das Gesundheitsamt zu rufen. Die Folgen waren immens hohe Instandhaltungskosten, die ich schlicht nicht mehr reinholen konnte und mich in den Ruin trieben. Spätestens dann geht der letzte Rest von Spielspaß den Abfluss hinunter.

Da es auch nicht so aussieht als würden Roland und seine Kollegen noch weiter an dem Produkt arbeiten, kann ich vom Kauf also nur abraten. Selbst, wenn Klomanager – Hochgewürgt mal wieder auf 0,99€ runtergesetzt wird, solltet ihr stattdessen zum ebenfalls auf Steam verfügbaren Klomanager Deluxe (die 2006er Fassung) greifen. Inhaltlich erwartet euch das fast identische Spiel aber dafür ein schlicht und einfach runderes Spielerlebnis. Und euer Geld landet ebenfalls bei Roland – nur wahrscheinlich etwas weniger, weil sie für diese Fassung damals einen Deal mit einem externen Publisher gemacht hatten.

Vor mehr als drei Jahren hatte ich euch an dieser Stelle das Buch 500 Years Later: An Oral History of Final Fantasy VII* vorgestellt. Zur Erinnerung: Ich fand das Buch inhaltlich top aber die Aufmachung ließ zu wünschen übrig. Speziell die vielen Abschnitte, in denen der Text in übergroßer Schrift gedruckt wurde, gingen mir auf den Zeiger.

Mittlerweile ist das neuste Werk des britischen Verlags Read-Only Memory namens Like a Hurricane: An Unofficial Oral History of Street Fighter II* an die Kickstarter-Backer verschickt worden und ich kann nur sagen: Was soll der Mist?!

Das komplette Buch nutzt eine riesige Schriftgröße und die Texte des Autors selbst sind sogar NOCH einmal größer abgedruckt! Was für eine absolute Ressourcenverschwendung (480 Seiten; Hardcover; 195x255mm). Ich verstehe ja, dass sich das Werk vor allem an Retro-Fans richtet und die sind bekanntlich nicht mehr die Jüngsten. Aber trotzdem ist es der völlige Overkill und erschwert aus meiner Sicht sogar das Lesen. Nicht nur, weil die einzelnen Sätze entsprechend über mehrere Zeilen verteilt sind sondern auch, weil es dadurch ein dicker und schwerer Brecher (1,6kg) geworden ist. Hier mal zwei Beispiele aus dem Buch (links aus dem Mittelteil und rechts aus dem Vorwort):

Immer diese gelangweilten Designer, die sich unbedingt austoben müssen. Der Inhalt ist doch bei einem Fachbuch (“Coffe Table Book” sind aber auch eine blöde Erfindung) das Wichtigste und der hätte höchstwahrscheinlich bei normaler Schriftart auch auf 300 Seiten gepasst…

Vor mehr als fünf Jahren hatte ich euch an dieser Stelle fünf Bands vorgestellt. Diese Bands hatten alle gemein, dass ich sie erst durch Lysanda kennen gelernt habe und eine Frau als Lead Singer hatten. Vor ein paar Tagen bin ich nun mal wieder meinen mp3-Ordner durchgegangen. Das mache ich ab und zu, um zu schauen ob es mal wieder ein neues Album von den Jungs und Mädels gibt. Bekomme das meist anders nicht mit. Dabei ist mir eingefallen, dass ich schon lange vor der Zeit vor Lysanda einige Bands mit weiblichen Stimmen entdeckt und für gut befunden hatte. Also habe ich mir gedacht: Tu‘ doch mal wieder etwas für die Bildung deiner Leser und stelle ihnen fünf davon vor.

(Cover)

Alanis Morissette (seit 1986 aktiv)

Genre: Alternativer Rock (meistens)
(ausgewählte) Studioalben: Jagged Little Pill* (1995), Flavors of Entaglement* (2008), Havoc and Bright Lights* (2012)

Okay, die Kanadierin ist bereits 36 Jahre im Geschäft und definitiv keine Unbekannte. Insofern dürften die meisten unter euch schon von ihr gehört haben. Nicht nur ihr Megahit Ironic vom Erfolgsalbum Jagged Little Pill ist selbst heute noch regelmäßig im Radio zu hören – ihre Alben schaffen es auch immer noch bis fast ganz oben in den Charts.

Völlig verdient wie ich finde. Bei jeder neuen Veröffentlichung weiß man nicht so recht, was einen musikalisch erwartet (Alternative Rock, Post-Grunge, Elektronik, Indie Pop – gibt so einiges, was sie schon ausprobiert hat). Ihr neustes Werk, the storm before the calm*, ist sogar einfach nur ein Meditationsalbum. Worauf man sich aber verlassen kann ist, dass man Lieder zu hören bekommt, die von Herzen kommen. Ehrlich, unverblümt und mit einer emotional starken Stimme, nimmt sie mich jedes Mal mit auf eine sehr besondere musikalische Reise an deren Ende ich mich fühle, als hätte ich wieder ein bisschen mehr über mich selbst erfahren. Klingt total abgehoben aber ich wüsste nicht, wie ich es sonst beschreiben könnte. Definitiv eine besondere Sängerin/Songwriterin.

Persönliches Lieblingslied Such Pretty Forks In The Road – Track 01 – Smiling [04:17] (Anhören)

Keine Frage: Fast jedes Lied von Jagged Little Pill haut selbst heute noch rein. Kein Wunder also, dass diese noch so oft im Radio gespielt werden. Aber mir geht ihre mittlerweile erfahrenere und auch irgendwie rauere Stimme mit den dazugehörigen eher melancholischen Texten und der zurückhaltenden Begleitmusik viel mehr unter die Haut. Und Smiling ist für mich das beste Beispiel dafür. Langsam, nachdenklich und wehklagend besingt sie hier ihre innere Resignation, die sie nach außen niemals zeigen kann. Ein Gemütszustand mit dem sicherlich so einige unter uns mitfühlen können (leider).

 

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Cœur de Pirate (seit 2007 aktiv)

Genre: Indie-Pop
(ausgewählte) Studioalben: Cœur de Pirate (2008), Blonde (2011), En cas de tempête, ce jardin sera fermé (2018)

Child of Light hat mich bekannt gemacht mit dieser – ebenfalls kanadischen – Künstlerin. Ihre Stimme ist auf dem Soundtrack nur im finalen Track (Off To Sleep) zu hören. Aber in ihren Bann gezogen hatte sie mich bereits bei den ersten (Klavier-)Tönen des Titelsongs Pilgrims On A Long Journey. Einer dieser Tracks, die mich immer wieder fast zum Heulen bringen.

Doch es geht an dieser Stelle nicht um den Gewinner von drei Bagdadsoftware NOCAs (2014), sondern um das Piratenherz (=Übersetzung ihres Namens) selbst. Ein Multitalent (Pianistin, Sängerin, Songwriterin) mit einer herzerweichenden süßen Stimme. Sie singt aus Überzeugung hauptsächlich auf Französisch und das liegt ihr auch definitiv am besten. Die englischen Lieder auf ihrem Album Roses* gefallen mir nicht einmal ansatzweise so gut.

Indie-Pop/Folk-Pop ist ihre Musikrichtung und ein Klavier, auf dem sie selbst in die Tasten greift, muss immer irgendwie dabei sein. Ihre Texte sind sehr lyrisch, teilweise schon poetisch und passen perfekt zu diesem (vermeintlich) zarten Stimmchen. Sie lullt einen beim Zuhören quasi mit ihrem Singsang ein. Ihr Repertoire besteht zwar bei weitem nicht nur aus langsamem “Geklimpere” (Adieu ist z.B. durchaus fetzig) aber ich muss ehrlich zugeben, dass mir genau diese Lieder am besten gefallen. Ihre Stimme unterstützt von einem Klavier und ich bin im siebten Himmel.

Persönliches Lieblingslied Blonde – Track 08 – Place De La République [04:11] (Anhören)

Eins dieser besagten “hauptsächlich ihre Stimme mit einem Klavier“-Lieder. Das Klagelied einer unglücklich Verliebten. Die Erinnerung an einen unvergesslichen Abend in Paris (auf dem Platz der Republik), die Bitterkeit der Trennung am nächsten Morgen und der schmerzliche Gedanke nach dem Überqueren der Seine (der Fluss mitten durch Paris), dass der andere sich sowieso nicht an sie erinnern wird. Langsam, eindringlich und doch irgendwie hoffnungsvoll gesungen. Ein sehr schöner Song.

 

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Heather Nova (seit 1990 aktiv)

Genre: Alternativer Rock
(ausgewählte) Studioalben: South* (2001), Redbird* (2005), 300 Days at Sea* (2011)

Nein, nicht noch eine Kanadierin. Sie kommt stattdessen aus Bermuda. Passend dazu kann ich absolut nicht mehr daran erinnern wo ich die Dame ursprünglich entdeckt habe. Und wer diesen Witz jetzt nicht verstanden hat, dem kann ich nicht weiterhelfen. Ich weiß nur, dass das Zünglein an der Waage weg von “ganz nett zum ab und zu mal reinhören“ hin zu “läuft tagelang hoch und runter“ für mich erst ihr sechstes Album Redbird (2005) war. Es vereint die Stärken all ihrer vorherigen Alben und ist von vorne bis hinten ein vorzüglicher und abwechslungsreicher Hörgenuss.

“Abwechslungsreich“ ist aber auch sonst bei ihr ein gutes Stichwort. Ist das eine Album klassisch rockig, singt sie auf einem anderen nur alleine mit ihrer Akustikgitarre. Und selbst in den Liedern erwarten den Zuhörer viele Überraschungen. Während andere eher auf Gleichförmigkeit setzen, ist für sie die Musik genauso wie ihr Gesang flexibel, formbar und der Erzählung klar untergeordnet. Häufige Tempi- und Tonhöhenwechsel, klassische Instrumente vermischt mit E-Gitarren, Bass und Schlagzeug sowie den Mut eben wie erwähnt auch einfach mal nur mit der Akustikgitarre da zu sitzen. Jedes Mittel ist recht, um jedes Lied zu einer emotionalen Geschichte mit einem Spannungsbogen aus Traurigkeit und Hoffnung zu formen. Und ja: Ihre Stimme macht das alles problemlos mit. Ob hoch oder tief, melancholisch oder freudig, eindringlich oder zurückhaltend – sie ist die perfekte Erzählerin. In einem Rollenspiel wäre sie vermutlich der Barde in der Taverne.

Persönliches Lieblingslied: Redbird – Track 01 – Welcome [4:18] (Anhören)

Der Name des Lieds passt wie die Faust auf das Auge. Was für ein fulminanter Einstieg in ein Album. Es ist als würde Nova uns, den Zuhörer, freudig strahlend zu sich einladen. Ihr Angebot: 51 Minuten lang in ihre Welt abzutauchen, ein Gefühl von Freiheit zu erleben und etwas von ihr zu lernen. Und wer kann diesem Angebot bei diesem fetzigen Rhythmus und dem eindringlichen aber liebevollen Gesang widerstehen? Ich zumindest nicht. Wenn ich „Heather Nova“ in meine Winamp-Suche (ja, ich benutze es immer noch) eingebe, lande ich quasi immer zuerst bei diesem Track. So eingängig und genial.

 

(Cover)

K’s Choice (seit 1994 mit Pause aktiv)

Genre: Alternativer Rock / Post-Grunge
(ausgewählte) Studioalben: Paradise in Me* (1996), Almost Happy* (2000), Love = Music* (2018)

Gleich vorweg: Bei der Recherche für diesen Eintrag habe ich gelernt, dass Sänger Sam Bettens 2019 sein Coming-out hatte. Die Band hat also keine Frontfrau. Aber gute Musik ist gute Musik egal wer am Mikrofon steht, insofern passt das schon.

Mit diesem Punkt aus dem Weg: Eine dieser Bands mit denen ich dank Don Quichotte in meiner Kindheit/Jugend Bekanntschaft geschlossen habe. Und wie es sich für viele der Bands gehört, die DQ früher gehört hat (zumindest aus meiner Sicht), sind auch die Belgier klanglich ein wenig „komisch“ (Post-Grunge halt – verzerrte Gitarren und sowas) und ich habe sie erst später wirklich zu schätzen gelernt. Vermutlich ist es Sams leichte „Raucher“-Stimme, die mich am Ende überzeugt hat gepaart mit den eher nachdenklicheren und oftmals sehr melancholischen Texten – die aber auf häufig eine sehr gegensätzliche Art und Weise erzählt werden. Da kriegt man als Zuhörer mitunter ein ganz schönes Schleudertrauma. Etwas gewöhnungsbedürftig aber sobald man sich darauf eingelassen hat eine wirklich geniale Band mit einem überraschend breiten musikalischen Repertoire.

Persönliches Lieblingslied Paradise in Me – Track 13 – Old Woman [01:55] (Anhören)

Was für ein Kontrast. Ein schneller und fröhlicher Sound von dem man sich sofort mitreißen lässt. Und dann stellt man im dritten Vers fest, dass es um den Suizid-Versuch einer alten Frau geht, die wieder mit ihrem Mann vereint werden möchte. Viel zu kurz kurz aber ein starker Text mit einem nachdenklich stimmenden Ende und ein richtig gutes Hörerlebnis.

 

(Cover)

The Naked and Famous (seit 2007 aktiv)

Genre: Elektropop
(ausgewählte) Studioalben: Passive Me, Aggressive You* (2010), Simple Forms* (2016), Recover* (2020)

Ich bin zwar schon ein alter Sack aber ihre Hymne an die Jugendliebe Young Blood hat mich sofort mitgerissen als ich sie in SSX (2012) erstmals gehört habe. Mir gefiel der Song so gut (und er passt so perfekt zum Spielgefühl), dass ich die Rennen immer solange neu gestartet habe bis er abgespielt wurde. Also blieb mir nichts anderes übrig als mir die Band mal genauer anzuschauen. Und was soll ich sagen? Ich habe eine sehr interessantes Hörerlebnis entdeckt, das Frontfrau Alisa Xayalith (mit häufiger Unterstützung von Thom Powers) und ihre Band bieten.

“Sphärisch”, “Verträumt”, “in die Leere hinausrufen” – das wären ein paar Wörter mit denen ich die Werke von The Naked and Famous umschreiben würde (wobei die Tracks auf dem neusten Album, Recover, überraschend “normal” sind). Der eingängige Gesang ist häufig so gemixt, dass er wie aus der Ferne kommend klingt und zusammen mit den (teils sehr hart) verzerrten (Elektronik-)Klänge eine fast schon außerweltliche Erfahrung erzeugt. Auch inhaltlich weichen die Lieder eher von der Norm ab und brauchen mitunter etwas mehr Gehirnschmalz, um den Sinn dahinter zu verstehen. Das tut dem Hörgenuss freilich keinen Abbruch. Stattdessen habe ich relativ schnell das Bedürfnis mich irgendwie zum Rhythmus bewegen zu müssen.

Persönliches Lieblingslied Passive Me, Aggressive You – Track 02 – Punching In A Dream [03:58] (Anhören)

Ein sehr rockiger und poppiger Sound, der trotz seiner starken elektronischen Verzerrung eher Fröhlichkeit und Aufschwung vermittelt. Dabei singt Alisa (mit Unterstützung von Thom) keine freudige Ballade über das Leben, sondern von den vielen Widerständen gegen die man scheinbar nicht ankommt (=wie Boxen in einem Traum). Ein cooler Gegensatz der extrem gut klingt und meinen Körper sofort in Bewegung bringt.

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