Anfang September hatte ich erwähnt, dass ich aktuell das Fachbuch Shareware Heroes: The renegades who redefined gaming at the dawn of the internet* von Richard Moss (u.a. The Secret History of Mac Gaming*) lese.
Wie der Name schon andeutet, geht es um die Sharewareszene die sich nach dem großen Videospielecrash von 1983 entwickelte. Woher kommt der Name (Bob Wallace von Microsoft hat ihn geprägt)? Wer ist der Erfinder (gibt nicht den einen)? Welche Varianten von Shareware gab es über die Jahre (sehr viel mehr als mir bislang bekannt waren)? Wer hat damit wirklich Geld verdient (Anfangs vor allem die Shareware-Compilations-Macher)? Wie stark haben Schwergewichte wie Apogee (Commander Keen), id Software (Wolfenstein 3D) und Epic MegaGames (Duke Nukem 3D) den Markt in den 90igern aufgemischt (massiv)? Was kam danach (Wechsel zurück zum Retailmarkt)? Und noch sehr viel mehr Antworten auf Fragen, die ihr euch vermutlich bislang noch nicht einmal gestellt habt. Sehr interessantes Werk. Leider leidet das Buch streckenweise unter der “Aufzähleritis”. Der Autor möchte (nachvollziehbar) so viele Entwickler zusammen mit ihrer Geschichte wie möglich unterbringen aber hat faktisch dafür einfach keinen Platz (oder nicht allzu viel Neues zu sagen). Also passiert es hin und wieder, dass er zügig hintereinander Namen, Spiel und eine sehr kurze Zusammenfassung bringt. Das ist nett gemeint, bringt aber den Lesefluss durcheinander und hat – zumindest für mich – keinen wirklichen Mehrwert.
Kindheitserinnerungen
Der Autor hat mich durch seine Aufzählungen allerdings an einen geliebten Shareware-Titel aus meiner Jugend erinnert (und ihm sogar zwei Seiten spendiert). Ich glaube, ich hatte damals sogar die 25 DM an den deutschen Entwickler geschickt, um die registrierte Version zu erhalten. Weiß aber nicht wo die 3,5″-Diskette mittlerweile ist (vermutlich im Müll). Der Name des Spiels: Crime Fighter von Dr. Peter Steffen. Es handelt sich dabei um ein (inoffizielles) Remake des C64-Titels Mafia. Das ist aus dem Jahre 1986 und stammt ebenfalls aus deutschen Landen (Igelsoft). Ja, die Shareware-Szene hat es mit Copyright und dergleichen damals nicht so genau genommen (auch Thema im Buch).
Mittlerweile ist Crime Fighter keine Shareware mehr, sondern offiziell Freeware sowohl für DOS als auch Windows (Beta-Version). Der Download ist über die offizielle Webseite möglich. Außerdem gibt es eine Umsetzung auf iOS und Android – beide jedoch mit Einschränkungen (z.B. Werbung und keine Speichermöglichkeit) in der kostenlosen Variante. Alles freizuschalten schlägt mit 10€ zu Buche – die ich dem Autor aber gerne für die iOS-Version überwiesen habe, denn der Titel hat mich wieder in seinen Bann gezogen.
Worum geht’?
Wohlwollend könnte man Crime Fighter als Grand Theft Auto vier Jahre vor Grand Theft Auto bezeichnen. Aber da lehnt man sich schon sehr weit aus dem Fenster
. In einer unbenannten, deutschen Stadt herrscht die Anarchie. Niemand ist sicher vor der Gewalt. Bandenkriege werden ausgetragen und die Polizei ist machtlos bzw. Bestechungsgeldern gegenüber nicht abgeneigt. Ihr seid einer von bis zu vier (Hot-Seat-Multiplayer inkl. Bandenkriegen) frisch aus dem Gefängnis entlassenen Kriminellen. Euer Ziel: Euch an die Spitze der Unterwelt hochzuarbeiten (=eine vorher festgelegte Punktzahl erreichen).
Eure Laufbahn startet mit der Charaktergenerierung: Stärke, Intelligenz, Brutalität, (Lebens-)Energie und das Startkapital werden durch mehrere Mausklicks erzeugt und anschließend beginnt eure Reise – als Fußgänger vor dem Polizeipräsidium. Nur mit euren Fäusten bewaffnet und mit dem bisschen Startgeld in der Tasche steht euch nun die gesamte 2D-Stadt offen und ihr könnt tun und lassen, was ihr wollt – solange ihr mit den eventuellen Konsequenzen leben könnt. Also entweder, dass eure Aktion einfach nur nicht erfolgreich war oder ihr schlimmstenfalls für ein paar Monate im Knast landet.
Je nach Fortbewegungsmittel habt ihr pro Monat (=eine Runde) eine begrenzte Anzahl an Schritten zur Verfügung. Sowohl das Bewegen auf der Karte als auch die Interaktion mit Gebäuden kosten euch Schritte. Wenn ihr alleine zockt, hat das keine großen Auswirkungen. Im Mehrspielermodus kommt nach Verbrauch aller eurer Schritte hingegen der nächste dran. Gebäude gibt es z.B. Banken, Autohändler, Kaufhäuser, Waffenhändler, Flughafen, (U-)Bahnhöfe, normale Wohnhäuser, Kinderspielplätze und dergleichen. Ist eine vergleichsweise übersichtliche Liste, weshalb es von fast allem in der Stadt mehrere Ableger gibt. Auf der Stadtkarte selbst gibt es abseits von zufälligen Polizeikontrollen aber ansonsten nichts zu tun. Stattdessen sucht ihr euch euer nächstes Ziel aus, lauft/fahrt dort hin und interagiert dann mit dem jeweiligen Ort.
Interaktive Welt
Abhängig des besuchten Gebäudes gibt es verschiedene Möglichkeiten was ihr tun könnt. In der Bank z.B. dürfen wir einen klassischen Überfall durchzuführen, versuchen nachts (nur schriftlich, gibt keinen echten Tag-/Nachtwechsel) den Safe zu knacken (ein Minispiel) oder den Chef der Bank erpressen, wenn wir entsprechendes Material im Koffer haben. Beim Autohändler können wir hingegen ein Auto kaufen oder klauen (=mehr Schritte pro Monat zur Verfügung) oder ebenfalls den Besitzer erpressen. Und am Kinderspielplatz? Nun, da gilt es entweder den Eltern die Handtaschen durchzuwühlen oder ein Kind zu entführen und dafür dann Lösegeld zu verlangen oder es… politisch völlig unkorrekt im nächsten Pub als billige Arbeitskraft zu verkaufen. Hey, schaut nicht so komisch. Wir spielen schließlich den Bösewicht! Alle Aktionen sind mit einem Zufallsfaktor versehen. Ob ihr also erfolgreich etwas aus der Handtasche stehlt und wie wertvoll ist, hängt alles von einem unsichtbaren Würfelwurf ab, der nur ein wenig von euren Fähigkeiten beeinflusst wird. Selbst ein Charakter mit 99 Intelligenz (der Höchstwert) wird entsprechend hin und wieder versagen.
Für jedes erfolgreich durchgeführte Verbrechen gibt es einen Punkt. Je mehr Punkte ihr habt, desto höher steigt ihr im Rang auf. Das erlaubt es euch weitere Aktionen durchzuführen – so lacht euch der Ladenbesitzer am Anfang nur aus, wenn ihr versucht Schutzgeld zu erpressen – und sogar Mitglieder für eure Bande anzuheuern (die ihr dann trainieren und ausstatten müsst). Die sind besonders in den Kämpfen wichtig, denn wie erwähnt seid ihr nicht alleine in der Stadt. Es gibt andere Bandenmitglieder, die Polizei, krawallige Omas und aggressive Gärtner denen es gar nicht gefällt, was ihr so treibt. Bei einem Zusammentreffen wechselt das Spiel auf einen simplen gestalteten Kampfbildschirm mit euch auf der linken und den Feinden auf der rechten Seite. Abhängig von der jeweiligen Bewaffnung muss sich anschließend jeder erst in Reichweite bewegen, bevor fleißig solange geschossen wird, bis entweder ein (nicht sichtbares) Rundenlimit abgelaufen ist oder eine Seite keine Mannen mehr zur Verfügung hat. Nicht wirklich kompliziert aber selbst als hochleveliger Charakter mit der besten Waffe aufgrund des Zufallsfaktors nicht einfach.
Der Großteil der anderen durch Aktionen ausgelösten Minispiele versetzt euch hingegen in simple aber nicht zufallsgenerierte 2D-Labyrinthen mit verschiedenen Aufgaben. Um die Elektronik aus dem Kaufhaus zu stehlen, müsst ihr die Geräte beispielsweise unter Zeitdruck auf einen bestimmten Platz schieben. Den Koffer am Flughafenzoll schmuggelt ihr hingegen ins Flugzeug, indem ihr euch unbemerkt an den Wachen vorbeischleicht. Und der Postzug kommt nur zum Stehen, wenn genug Kisten auf den Gleisen stehen. Die meiste Zeit verbringt ihr aber tatsächlich auf dem Stadtbildschirm, bewegt euch von Gebäude zu Gebäude und führt relativ schnell die immer gleichen Aktionen aus.
Fazit
Also nein, den Vergleich zu Grand Theft Auto hält Crime Fighter absolut nicht stand. Ja, wir sind ein Krimineller in der frei begehbaren Stadt und können ein paar böse Dinge tun. Das war es aber auch schon an Gemeinsamkeiten. Wobei im Einzelspielermodus es tatsächlich die beste Methode ist einfach für 99 Monate einer legalen Arbeit nachzugehen, um einen Haufen Geld zu verdienen. Aber von der Action und Brutalität selbst des ersten Teils von Rockstars Erfolgsserie ist Crime Fighter sehr weit entfernt. Und seine fast schon 30 Jahre sieht und spürt man dem Titel mehr als deutlich an. Zumal selbst 1993 schon wesentlich hübscheres und tiefgründigeres auf dem Markt zu haben war.
Das ist nämlich das größte Problem von Crime Fighter: Es wird vergleichsweise schnell langweilig. Es gibt nur 18 unterschiedliche Orte mit vielen ähnlichen Interaktionsmöglichkeiten und nur eine Handvoll unterschiedlicher Labyrinthe – von den taktisch wenig anspruchsvollen Kämpfen gar nicht erst zu reden. Entsprechend hat der Spieler schon weit vor Erreichen der (variablen) Maximalpunktzahl alles gesehen und gemacht, was der Titel hergibt. Im Mehrspielermodus dürfte es etwas länger Spaß machen aufgrund der paar zusätzlichen Interaktionsmöglichkeiten und immerhin bekommt man nach dem Respawn nicht gleich wieder eine Atombombe von einem anderen Spieler auf den Kopf geworfen (GTA Online ist völlig bekloppt…). Aber trotzdem kein Titel für lange Abende.
Dennoch: Bis zu diesem Zeitpunkt (1-2 Spielstunden) hat Crime Fighter durchaus seinen Charme, das möchte ich definitiv positiv erwähnen. Es macht auch heute noch grundsätzlich Laune. Ich halte aber vermutlich ausschließlich nur aus Nostalgiegründen über den “alles gesehen, alles gemacht”-Punkt länger durch, weil ich halt in den 90igern live dabei war und zumindest ein paar schöne Erinnerungen daran habe. Insofern empfehle ich euch dann doch lieber die ersten beiden Grand Theft Auto-Titel, wenn es etwas in 2D sein soll. Die haben selbst heute noch viel mehr zu bieten, gibt es aber leider bislang nicht offiziell für Smartphones. Bleibt wohl doch nur Crime Fighter
.
Ungefähr vier Monate hat es dieses Mal nur gedauert bis meine Animal Crossing-Sucht tatsächlich schon wieder vorbei war. Technisch gesehen ging es sogar noch etwas schneller, weil ich bereits gegen Ende nur noch aus Pflichtbewusstsein die täglichen Aufgaben erledigt habe und nicht viel mehr auf meiner Insel machte.
Hauptgrund dürfte mein Erfolg auf dem Rübenmarkt gewesen sein – quasi dem ins Spiel integrierten Cheatcode. Als ich ein paar Mal so richtig abgesahnt hatte (“Großer Spike”), mit den gesammelten Millionen alle Kredite bei Tom Nook abbezahlen konnte und trotzdem noch genug Sternis im Bankkonto habe, um mir alles leisten zu können, war die Luft definitiv raus. Ja, ich könnte noch die Museums-Sammlung fertig stellen (bislang nur die Fossilien abgeschlossen) und meine Insel auf fünf Sterne (aktuell bei vier) aufmotzen. Aber als ich aufgrund unserer Dienstreise Mitte August zwei Tage nicht ins Spiel schauen konnte, entschied sich mein Gehirn anschließend, dass es nun genug mit dieser Arbeitsbeschäftigungsmaßnahme ist – und ich stimme ihm natürlich voll zu
.
Gleichzeitig hatte ich damit sogar mal für ein paar Wochen komplett mit dem Spielen aufgehört. Die Luft war schon die Wochen davor aus diversen Gründen irgendwie ziemlich raus. Nach dem Wegfall von Animal Crossing: New Horizons* blieb entsprechend nichts mehr übrig. Diese vollständige Abstinenz wurde tatsächlich erst vergangenen Montag durch 2-3 Level Super Mario 3D World + Bowser’s Fury* und am Samstag mit 1-2 Stunden Metro Exodus* (endlich Gebiet #1 erledigt) durchbrochen.
Mal schauen ob ich so langsam wieder zurück in den “Groove” finde. Wäre zwar grundsätzlich nicht schlimm, wenn nicht – gibt ja sonst noch genug zu tun (Lesen, Filme/Serien, am/im Haus arbeiten, etc.). Aber mit dem Kaufen von Spielen habe ich in der Zeit nicht aufgehört. Landete weiterhin (fast) jedes Bundle von Fanatical und Humble Bundle in meinem Warenkorb plus dem ein oder anderen zu verlockendem Angebot auf Steam (~60 neue Einträge seit 15.08.). Und damit muss ich doch mehr machen als nur einen Eintrag in einer ewig langen Excel-Tabelle vornehmen, oder? *verzweifelt* ODER?!
Bin wohl doch nur noch ein Hobby-Buchhalter…
Radikaler Themenwechsel
Apropos Filme/Serien: Nach dem (wahnsinnig traurigen) Finale von The Big C musste natürlich was Neues her für das (unregelmäßige) abendliche “auf der Couch herumlümmeln”. Und statt zum Ausgleich nach etwas Fröhlichem wie einem Anime oder einer Komödie zu greifen, habe ich Chernobyl* eingelegt – die fünfteilige Miniserie von 2019.
Das Unglück von 1986 fasziniert mich schon seit… ja, mittlerweile Jahrzehnten. Meine Vermutung ist, dass es mit der Lektüre von Gudrun Pausewangs Jugendroman-Klassiker Die Wolke* von 1987 begonnen hat. Sie hatte das Werk direkt als Reaktion auf das Desaster in Tschernobyl verfasst und ihn sogar in der Nähe meiner alten Heimat angesiedelt (ein Super-GAU im AKW Grafenrheinfeld). Auch wenn ich viele der darin enthaltenen Anti-AKW-Ansichten heute nicht mehr ganz so unterschreiben würde: Die Geschichte an sich ist immer noch krass. Aber nichts ist bekanntlicher krasser als die Realität und diese wird in Craig Mazins Serie so unverblümt dargestellt wie selten.
Eine beklemmendes Werk
Wie der Name Chernobyl schon andeutet, geht es um die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Die Serie erzählt relativ realitätsgetreu “Highlights” des Unglücks und seinen Folgen hauptsächlich aus der Perspektive von Walerie Legassow (Wissenschaftler und Mitglied der Tschernobyl-Kommission) und Boris Schtscherbina (Leiter der Tschernobyl-Kommission). Ein besonderer Fokus liegt logischerweise auf den Momenten direkt vor und nach der Reaktorexplosion. Die ganze letzte Folge ist beispielsweise nichts anderes als eine genaue Rekonstruktion der Ereignisse umrahmt von einer Gerichtsverhandlung (an der Legassow in der Realität nicht teilnahm). Aber auch andere wichtige Momente werden zumindest kurz gezeigt: Das Säubern der Zone durch die Liquidatoren (mit Fokus auf das Kraftwerkdach und der Tierwelt), der Einsatz der drei Taucher (retteten damals Eurasien vor der ultimativen Katastrophe), der Bau eines Schachts unter dem Kraftwerk durch Minenarbeiter und noch einiges mehr. Dazwischen haufenweise Lug und Betrug durch alle Beteiligten, nur um zu gefallen, nicht schlecht da zu stehen und/oder nicht erschossen zu werden. Mit der entsprechenden Konsequenz, dass am Ende alles nur schlimmer wurde. Wenn ich mir die Welt so anschaue, haben wir uns in der Hinsicht bis heute nicht geändert – im Kleinen wie im Großen…
Beim Christoph meint: Die Serie bekommt von mir uneingeschränkte
. Mein einziger echter Kritikpunkt ist, dass sie viel zu kurz ist. So viele interessante Ereignisse, die trotz fünf Stunden Zeit, wenn überhaupt nur gestreift werden. Ansonsten haben Drehbuchautor Craig Mazin und Regisseur Johan Renck wirklich fantastische Arbeit geleistet und das Unglück für den Zuschauer greifbar und verständlich auf den Bildschirm gebracht. Das führt zwar zu der ein oder anderen historisch nicht ganz so korrekten Situation (wie besagter Monolog von Legassow im Gericht), aber im Sinne der besseren Erzählung ist das absolut verschmerzbar. Im Ergebnis erwartet den Zuschauer ein bedrückendes aber bildgewaltiges Werk über ein einschneidendes Ereignis, das das Leben vieler Millionen Menschen dauerhaft verändert hat. Nicht nur eine klare Empfehlung, sondern aus meiner Sicht sogar ein absolutes Pflichtprogramm.
Weiterführende Lektüre
Wer sich nach dem Genuss der Serie noch tiefer in die Materie einarbeiten will, dem lege ich Chernobyl 01:23:40* von Andrew Leatherbarrow ans Herz. Es ist die – zumindest soweit mir bekannt – detaillierteste, akkurateste und selbst für “Normalos” verständliche Erklärung des Desasters und seinen Folgen. Und wenn ihr dann noch nicht genug habt, dann lest Voices of Chernobyl*. Wie der Name schon andeutet, kommen darin haufenweise Zeitzeugen zu Wort und erzählen ihre Sicht der Ereignisse. Beide Werke stehen soweit ich weiß nur auf Englisch zur Verfügung.










