Ich erinnere mich noch dran als wäre es gestern gewesen. Es war ein Tag im Februar 2005. Ich war gerade mit meiner Nachtelfendruidin (eine der wenigen, die es zu dem Zeitpunkt gab!) Sicarius im Sumpfland unterwegs Krokodile töte und traf auf einen Zwergenpaladin. Da wir gemeinsame Ziele hatten, schlossen wir uns kurzerhand zusammen, rotteten gefühlt das gesamte Wildleben in diesem Sumpfgebiet aus und hatten viel Spaß dabei. Am Ende meinte er zu mir: “Hast du Lust meiner Gilde beizutreten?” Ich sagte ja und das war das letzte Mal, dass ich über ein Videospiel eine Freundschaft geschlossen habe. Also nicht, weil ich mit der Dunklen Union Probleme gehabt hätte (das kam erst ein paar Jahre später). Ich meine damit, dass ich seitdem niemanden mehr innerhalb eines Multiplayertitels wirklich kennengelernt geschweige denn länger und auch außerhalb des Spiels dann mit ihm kommuniziert habe.
Das war vor 10-20 Jahren definitiv anders. Meine ICQ-Liste (kennt das die Jugend von heute überhaupt noch?) ist immer noch voll mit Leuten, mit denen ich zwar größtenteils schon Jahre nicht mehr gechattet habe oder die gar kein ICQ mehr benutzen (müsste wirklich mal aufräumen) aber die ich Online durch gemeinsames Spielen von beispielsweise Counter-Strike, Star Trek: Voyager – Elite Force oder Quake III Arena ursprünglich kennengelernt und viel Spaß mit ihnen hatte. Zugegeben: Ich habe früher sicherlich auch im Vergleich etwas mehr und vor allem länger am Stück online gespielt. Damals ging das ja noch. Da war auch neben der Arbeit noch etwas Zeit und Lust vorhanden. Als es noch in die Schule ging sowieso. Plus der Tatsache, dass das Internet noch relativ übersichtlich war und man eher immer den gleichen Leuten begegnet ist. Aber mir fiel es gleichzeitig einfacher so Freunde zu finden als im realen Leben.
Gemeinsam Asozial
Doch selbst wenn wir außen vor lassen, dass sich auch bei mir persönliche Veränderungen ergeben haben, sollte jedem das heutige Paradoxon auffallen: Ohne das Wort “Social” kommt heutzutage fast kein Entwickler mehr aus. Egal ob es nur die Integration mit Facebook ist, damit der jeweilige Spiel die Timeline eurer (Fake-)Freunde vollspammen kann, ein traditioneller Multiplayermodus oder der immer noch gefühlt extrem hohe Ausstoß an MMOs – auf dem Papier werdet ihr regelrecht gezwungen mit der Außenwelt zu kommunizieren. Man wird fast schon ausgelacht, wenn man jemanden erzählt, dass man Soloerlebnisse vorzieht. Und selbst die kommen bekanntlich nicht mehr ohne “Social-Media-Features” aus.
Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass wir “Gamer” tatsächlich immer weniger wirklich gemeinsam unserem Hobby frönen wollen. MMOs verkommen, dem Trend folgend (an dem ich zugebenermaßen mit Schuld habe), heutzutage mehr zu MSOGs: Massively Soloplayer Online Games. Und egal ob Call of Duty, The Last of Us oder League of Legends: Das Erste was man nach dem Spielstart macht, ist doch die anderen Mitspieler stumm schalten. Und zwar nicht, weil man keine Lust hat in der Gruppe zu agieren, sondern weil in 99% der Fälle ein…ja Arschloch dabei ist, das es für alle Beteiligten unmöglich macht den Voice-Chat oder gar normalen Chat zu benutzen. Das müssen nicht einmal gleich Hasstriaden sein. Schon der eine, der ständig lautstark Musik durchs Mikrofon jagt ist ein extremes Ärgernis.
Die Ich-Gesellschaft
Und selbst wenn man sie nicht mehr hören kann, ist das noch nicht Ende der Fahnenstange. Wehe es sieht so aus, als würde man verlieren. Dann scheint sich bei einigen auch wieder irgendein Schalter umzulegen. Dann werden Kickvotes eingestellt, der Server einfach verlassen oder schlicht “afk” gegangen. Unabhängig davon, ob nicht vielleicht doch noch ein Sieg möglich ist (vor allem in Counter-Strike: Global Offensive kann aus einem 12:2 schnell noch ein 12:16 werden). Da wird am Ende der Runde kein “gg” gewünscht, sondern nur die eigenen Teammitglieder in Grund und Boden gestampft. Jeder schaut nur noch, dass sein eigener Spaß stimmt und kümmert sich einen Dreck um die anderen Mitspieler. Kein Wunder, dass da keiner mehr Lust hat zu sagen: “Hey, ich hatte Spaß mit dir. ICQ?”. Übrigens: Meine Festnetznummer kenne ich nicht auswendig. Aber meine ICQ-Nummer kann ich euch immer noch aus dem Stehgreif sagen .
Von der quasi nicht mehr vorhandenen LAN-Kultur, dem wohl sozialsten Event im Videospielebereich überhaupt, brauchen wir erst gar nicht anfangen. Zumal daran maßgeblich die Spielentwickler selbst schuld sind weil sie LAN, Splitscreen und Hotseat-Modi einfach eingestampft haben. Wobei: Selbst auf der QuakeCon jammern die Veteranen, dass die heutige Generation nur noch ihren Rechner aufstellt und dann online über Steam & Co. mit der ganzen Welt spielt nur nicht mit dem Mann/Frau nebendran. Dafür brauch’ ich meinen Rechner doch nicht nach Texas schleppen?!
Fazit
Wir leben meiner Meinung nach in einer Zeit, in der wir über das Medium “Videospiele” mehr und vor allem substantiellere Kontakte als über Facebook & Co. knüpfen könnten als jemals zuvor uns aber mehr als offensichtlich genau und völlig bewusst für das Gegenteil entscheiden (Ausnahmen bestätigen die Regeln) und uns lieber zurückziehen. Vielleicht gerade weil uns die Entwickler so extrem zwingen wollen miteinander zu spielen obwohl sie genauso gut wie wir wissen wie viele Arschlöcher da draußen rumlaufen. Larian Studios musste beispielsweise einen Tag nach dem offiziellen Release von Divinity: Original Sin den globalen Chat ausmachen weil er nur noch voller Hass war! Während der Alpha- und Betaphase war der Chat hingegen vollkommen gesittet.
Angefangen hat entsprechend dieser Trend meiner Meinung nach mit dem Aufstieg von Videospielen zum absoluten Massenmarkt damals mit dem Erscheinen der letzten Konsolengeneration also der Xbox 360 und PlayStation 3. Damit begann der Online-Trend, der wiederrum brachte die Hassprediger mit sich (wenn etwas Erfolgreich ist, dann kommen halt auch Gestalten dazu, die wir nicht unbedingt haben wollen) und setzte so den Teufelskreis hin zum Verweigern jeglicher Kommunikation in Gang, den wir nun haben. Aber diese Erkenntnis ist nicht neu. Ich stehe weiterhin zu meiner Aussage von 2011, dass wir alle selbst schuld an der aktuellen Situation sind. Auch wenn viele sicherlich nicht aktiv an den Beschimpfungen teilgenommen haben, haben wir sie am Ende doch einfach über uns ergehen lassen statt dagegen anzukämpfen. Die Folge ist eine Spielergeneration, die gar nichts anderes kennt als die Mutter des Gegners zu beleidigen und dieses Geschwür wieder aus den Köpfen rauszubekommen wird genauso schwierig sein wie die Zahlenwertung in Spielemagazinen abzuschaffen.
Bis Donnerstag!