So, das war es nun also. Nach über zwei Jahren habe ich es endlich geschafft, alle 526 Episoden von TNG, DS9 und VOY zu schauen und damit eine – von mir jedenfalls als solche empfundene – schwere und insbesondere als Star Trek-Fan sehr peinliche Wissenslücke gänzlich zu schließen. “Gänzlich” deswegen, da ich natürlich schon während der 90er Star Trek im Allgemeinen und insbesondere TNG im Speziellen im Fernsehen verfolgt habe und bzgl. TNG sogar damit begonnen hatte, sündhaft teure VHS-Kassetten von – ich glaube – Time Life zu abonnieren. Hachja, eine schöne Zeit. Als noch nicht alles rund um die Uhr (für wenig bis gar kein Geld) verfügbar war und man sich daher noch wie irre auf die neueste Episode gefreut hat (wenngleich die Episoden zu der Zeit, als ich sie im TV auf SAT.1 geschaut habe auch schon täglich und nicht nur wöchentlich ausgestrahlt wurden). Während ich also von TNG (zumindest fast) alles schon einmal irgendwann im TV gesehen hatte, galt das in keiner Weise für DS9 und VOY. Diese beiden Serien hatte ich – ich kann gar nicht so recht erklären, weshalb – nur sporadisch verfolgt. Ein Grund dürfte aber sein, dass ich schon immer ein sehr leidenschaftlicher Fan von TNG war und ich “Star Trek” im Großen und Ganzen stets mit “TNG” gleichgesetzt habe.
Es ist also bereits vor diesem Hintergrund gar nicht so einfach, bei der Bewertung der drei Serien “objektiv” zu bleiben. Aber immerhin kann ich mich, was das angeht, dazu zwingen. Viel schwieriger, wenn nicht sogar unmöglich ist es aber, aus der Sicht von 2025 noch zu bewerten, wie die Serien bzw. die einzelnen Episoden zum Zeitpunkt ihrer Erstausstrahlung – also vor etwa 24 bis 37 Jahren – “gewirkt” haben. In der Zwischenzeit ist viel passiert. Nicht nur das Offensichtliche, wie z.B. Spezialeffekte, die sich gravierend weiterentwickelt haben. Auch die generelle Art, Serien zu produzieren, zu inszenieren und zu gestalten ist eine (teilweise sogar ganz) andere. Nicht alles hat sich zum Guten entwickelt, will ich betonen. Aber es ändert letztlich nichts daran, dass man diesen modernen Einfluss nicht mehr ganz ausschalten kann. TNG im Jahre 1987 erstmals (und nur wöchentlich!) erlebt zu haben, ist etwas ganz anderes, als es im Jahr 2025 erstmals zu sehen (im Rahmen eines Binge-Marathons).
Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert
Und insbesondere TNG ist leider ganz besonders schlecht gealtert. Im Vergleich zu modernen Produktionen, aber auch im Direktvergleich zu DS9 und VOY, wirkt die Inszenierung häufig viel “steifer”, “weniger dynamisch” und “staubig”. Und zwar nicht nur auf der Ebene der Spezialeffekte, sondern meinem Empfinden nach auch bei Kameraführung, Schnitt, Beleuchtung und Bühnenbild. TNG wirkt insbesondere in den ersten Staffeln manchmal mehr wie ein Theaterstück als eine TV-Serie. Ohne TOS gesehen zu haben, würde ich mal dreist behaupten, dass zumindest die ersten zwei Staffeln von TNG auch abseits der erzählten Geschichten noch näher an den 60ern ist als an den damals kurz bevorstehenden 90ern.
Apropos Geschichten: hier kann TNG meiner Meinung nach noch am besten glänzen. Im Laufe der sieben Staffeln hat TNG zweifelsfrei mehrere Episoden hervorgebracht, die mir auch noch Jahrzehnte später in Erinnerung geblieben sind (z.B. “Wem gehört Data“, “Die alte Enterprise“, “Darmok“, “Das zweite Leben“, “Déjà Vu“). Gleichwohl sei aber auch hier gesagt, dass Folgen wie “Deja Vu” oder die Cliffhanger-Episoden “In den Händen der Borg” und “Angriffsziel Erde“, die mich damals komplett an die Mattscheibe fesselten und sprachlos machten, aus heutiger Sicht längst nicht mehr so beeindruckend sind. Man hat halt in der Zwischenzeit zu viel gesehen. Und man ist natürlich auch älter geworden. Das darf man aber TNG nicht anlasten.
Was man aber damals wie heute bemängeln darf, ist die Qualität der noch stark von Gene Roddenberry beeinflussten Episoden der ersten beiden Staffeln. Bei aller Liebe zu seiner (auch nicht immer konsequent durchdachten) Utopie: so manche Folgen sind schon arg bizarr und absurd. Ganz abgesehen davon, dass sein Mantra, es gebe keine Konflikte mehr zwischen Menschen, die Serie natürlich auch unnötigerweise in ein sehr enges Korsett gepackt hat. Beinharte TOS-Fans werden das vielleicht anders sehen. Aber ich mochte diese allzu utopischen Folgen nie.
Und die Crew? Nun, insbesondere hier muss ich mich wirklich dazu zwingen, objektiv zu sein. Subjektiv – und daran wird sich niemals etwas ändern – waren Picard, Riker, Data, Worf, LaForge, Troi und die beiden Crushers immer meine Lieblingscrew. Insbesondere hob und hebe ich – wie viele andere Star Trek-Fans auch – Picard auf einen Thron, auf den er jedoch bei ehrlicher Betrachtung auch nicht immer gehört. Zweifelsohne ist er der philosophischste und in diesem Sinne der intelligenteste der drei Kapitäne. Das Bild, dass ich (man) von ihm im Kopf habe (hat), ist eines, das ihn als stets souveränen, ja fast makellosen Charakter zeigt. Tatsächlich aber stimmt das so gar nicht, wenn man mal genauer darauf achtet. Es kommt gar nicht so selten vor, dass Picard auch mal harsch und unreflektiert handelt und spricht. Ob dies von den Autoren beabsichtigt war, oder ob es auf unsaubere Arbeit zurückzuführen ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Jedenfalls ist Jean-Luc objektiv betrachtet nicht ganz der perfekte Captain, als der er oftmals dargestellt wird. Und dann bleiben da noch Troi und die beiden Crushers: ehrlicherweise muss man hier auch urteilen, dass diese drei Charaktere, vor allem Troi, teils grottenschlecht geschrieben wurden und/oder viel zu selten in der Serie etwas Nennenswertes beizutragen hatten. Auch Geordi könnte man mit Abstrichen in diese Aufzählung mit aufnehmen. Das machen DS9 und VOY erheblich besser.
Star Trek: Deep Space Nine
DS9 hat dann auch in vielerlei Hinsicht Fortschritte gemacht. Alles etwas moderner, alles etwas “realistischer” (im Sinne von: weniger utopisch und idealistisch, dafür auch mal etwas düsterer) und vor allem: mit folgenübergreifenden Storylines. Um Wiederholungen zu vermeiden, verweise ich für Details auf die Artikel von Sicarius.
Was mich jedoch an DS9 durchweg gestört hat war das ganze (bajoranische) Religionsthema rund um die Pah-Geister (und dessen Ende), die teilweise absurd albernen Ferengi-Folgen sowie (zeitweise) die schauspielerische Leistung von Avery Brooks (Stichwort “Overacting”). Auch dem am Ende überstrapazierten Spiegeluniversum sowie die ständigen Holo-Deck-Folgen mit der Holo-Figur Vic Fontaine konnte ich nicht viel abgewinnen. Insgesamt hätte DS9 – wie im Übrigen auch TNG – meiner Meinung nach sehr davon profitiert, wenn man (deutlich) weniger Folgen produziert hätte. Beide Serien leiden unter Folgen, bei denen man das Gefühl hat, sie seien nur (möglichst kostengünstig) zum “Auffüllen” produziert worden.
Die Darstellung der Crew ist bei DS9 – abseits der erwähnten schauspielerischen Leistung von Avery Brooks, unter der der Charakter Sisko leidet – insgesamt als deutlich besser zu bewerten als jene von TNG. Während ich Picard und Riker noch vor Sisko und Nerys sehe, sind es insbesondere die Charaktere aus der zweiten Reihe, die in DS9 erheblich mehr Aufmerksamkeit und Persönlichkeit bekommen und die auch signifikant besser geschrieben sind. Sowohl der Vergleich der Ärzte (Dr. Crusher vs. Dr. Bashir) als auch der Ingenieure (LaForge vs. O‘Brien) geht klar an DS9. Auch Jadzia Dax ist eine meilenweit besser dargestellte weibliche Figur als Deanna Troi und mit Quark zieht auch noch ein weiterer, sehr interessanter Charakter ein, zu welchem es in TNG keinen adäquaten Gegenspieler gibt (ich denke, Guinan darf man hier nicht heranziehen). Bei den “Kindern” – also Jake vs. Wesley – würde ich sagen, dass beide gleichermaßen nervig sind. Fehlen Data und Odo. Hier vermag ich kein Urteil zu treffen. Ich liebe beide. Oh, das gilt natürlich auch für Garak!
Obwohl ich mich im Durchschnitt sehr gut von DS9 unterhalten gefühlt habe – ich möchte hier insbesondere die Folgen, die den Maquis, das Dominion oder auch Sektion 31 zum Inhalt hatten, nennen – blieben mir aber insgesamt weniger Folgen von DS9 in konkreter Erinnerung als von TNG. Darunter fällt aber zweifelsohne die Episode “In fahlem Mondlicht”.
Star Trek: Voyager
Und das bringt uns nun zu VOY. Wie Sicarius schon geschrieben hat, werden hier in gewisser Weise Elemente von TNG und DS9 zusammengebracht. Wieder deutlich mehr “Alien-of-the-Week”, aber trotzdem ein übergeordneter Handlungsrahmen, in welchen es auch gelegentlich zu Rückgriffen auf bereits vergangene Episoden kommt. “The Best of Both Worlds” also? Nun ja. Theoretisch vielleicht. Praktisch ist es jedoch “kompliziert”.
Das große Problem, an dem VOY leidet ist – Sicarius und ich haben es bereits erwähnt -, dass Ereignisse viel zu häufig ohne Konsequenzen bleiben und der Reset-Knopf viel zu schnell gedrückt wird. Das ist insbesondere vor dem Hintergrund, dass die VOY ja unter Ressourcenknappheit leiden soll und eine lange, beschwerliche Heimreise zu bewältigen hat, auf der sie ständig angegriffen und teils heftig beschädigt wird, höchst unglaubwürdig. Wobei das Schlimmste sogar eher ist, dass erst gar nicht versucht wird, die ständigen “Wunderheilungen” zu erklären. Nicht einmal beiläufig im Rahmen von Nebensätzen. So endet man trotz des übergeordneten, folgenübergreifenden Themas der jahrelangen Heimreise doch wieder bei dem “einfachen” Prinzip von einzelnen, in sich abgeschlossenen Episoden. Bei TNG ist das verschmerzbar, weil es zur Prämisse passte. Bei VOY tut das einfach nur weh.
Apropos “ständig angegriffen”: der Actionanteil ist bei VOY gefühlt doppelt so hoch, wie in DS9 und vor allem wie in TNG. Generell merkt man VOY an, dass sie die jüngste der drei Serien ist. Das mag man zwar dem Bildformat nicht ansehen – erschreckenderweise wurde VOY weiter in dem damals schon veralteten 4:3-Format ausgestrahlt –, aber abgesehen davon, liegt der Fokus viel mehr auf kurzweiliger Unterhaltung, denn auf tiefgründiger Handlung. Ich vermute – Achtung, steile These –, dass das vielleicht schon damals der erste verzweifelte Versuch war, den Anschluss an den Massenmarkt nicht (gänzlich) zu verlieren. Etwas, was die Kelvin-Linie und nach allem, was ich gelesen habe auch DSC (leider ziemlich erfolgreich) dann auf die Spitze getrieben haben. Aber das liest sich jetzt schlechter als es ist: VOY ist trotzdem noch ganz klar “Old Trek”. Auch hier gibt es noch ruhigere, tiefsinnigere Folgen. Als Beispiel seien hier generell die Handlungsstränge rund um den Holo-Doc und Seven-of-Nine genannt. Und wo wir schon bei der Crew sind: hier kann VOY in meinen Augen auch ziemlich glänzen. Praktisch alle Hauptcharaktere sind interessant und gut geschrieben. Die besten sind für mich die bereits genannten: der Doc und Seven-of-Nine. Insgesamt ist das Charakter-Niveau dem von DS9 sehr ähnlich, entsprechend vermag ich hier keinen eindeutigen Sieger zu küren – gleichwohl geht die Tendenz aber leicht zu DS9.
Kommen wir also zum Ende. Aber erstmal zu jenem von VOY. Und ach, was soll ich sagen: ich war massiv enttäuscht. Ich hatte ja nicht erwartet, dass ich wie bei TNG minutenlang mit den Tränen in den Augen vor dem Fernseher sitze. Aber ich ging schon davon aus, dass ich – analog zu DS9 – wenigstens etwas ergriffen bin. Stattdessen war ich “baff” und “zornig”. Wie in Gottes Namen, kann man die Serie so derart abrupt und emotionslos enden lassen? Da fiebert man 171 Folgen lang der Heimkehr der VOY entgegen und dann wird dieses in gefühlt nicht einmal einer Minute abgefrühstückt. Die Crew steht kurz etwas ergriffen auf der Brücke, sagt “Hallo” zu den Kollegen und dann sieht man die VOY noch für einige Sekunden auf die Erde zufliegen. Ende.
Kein Gespräch zwischen den Crew-Mitgliedern mit einer Rückschau auf das gemeinsam Erlebte. Auch kein Ausblick auf das Kommende. Einfach nichts. Wo bei TNG die Crew noch zusammen Poker spielte und das Ganze noch philosophisch-emotional mit dem Satz “The sky is the limit” beendet wurde; wo bei DS9 wenigstens eine Rückschau auf ein paar besondere Momente stattfand (das war nun auch nicht besonders gut, aber immerhin war es etwas!) – bei VOY passiert einfach gar nichts. Und ich kann mir das nicht erklären. Außer damit, dass man irgendwie versucht hat, die Serie einfach schnellstmöglich abzuschließen. Das ist der Serie unwürdig und einfach nur traurig. Ich habe noch nicht recherchiert, wie Fans damals reagiert haben, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass das ohne Empörung hingenommen wurde. Von den vielen immensen Logiklücken und Inkonsistenzen in der letzten Doppelfolge fange ich jetzt mal gar nicht an – die können schnell recherchiert werden. Dass Janeway aber praktisch einen Völkermord (wenn auch “nur”) an den Borg in Kauf genommen hat, finde ich auch mindestens problematisch und nicht so recht in die Wertevorstellung der Föderation passend. Dass man plötzlich mit einem einzigen (!) Torpedo einen Borg-Kubus vernichten kann und über eine superkrasse Rüstung verfügt, denen selbst Beschuss von einem halben Dutzend Borg-Kuben nichts anhaben kann, ist nicht minder “merkwürdig”. Ich nehme mal an, dass man diese “Errungenschaften” in nachfolgenden Star-Trek-Produktionen (Nemesis, Picard) dann auch bewusst ignoriert hat.
Insgesamt sind die Verantwortlichen beim Ende ziemlich stümperhaft gewesen. Gleichwohl: unterhaltsam war es schon. Dem normalen Zuschauer, also jedem, der kein eingefleischter Star-Trek-Fans ist, wird das alles nicht aufgefallen sein bzw. wird es nicht gestört haben. Anders lässt sich auch die recht gute Bewertung bei IMDB für die Doppelfolge nicht erklären.
What We Left Behind
Aber gut. Kommen wir also auch zum Ende meines Artikels. Was bleibt für mich hängen von “90s Trek”? Nun, TNG ist und bleibt mein persönlicher Liebling. Viel zu sehr wurde ich von dieser Serie während meiner Jugendzeit geprägt. Zudem – das haben wir ja bislang komplett außer Acht gelassen – gibt es da ja auch noch vier Kinofilme, die in meinen Augen – trotz ihrer zweifelsfrei vorhandenen Schwächen – allesamt sehr gut bis hervorragend sind. Rein objektiv betrachtet und auf die TV-Serien beschränkt muss ich jedoch zugeben, dass TNG nicht besonders gut gealtert ist und ich mich teilweise echt durchquälen musste. Das mag aber auch dem Binge-Watching geschuldet sein. Ich denke, insbesondere TNG leidet besonders darunter, wenn man alle Folgen “durchprügelt”, anstatt sie, ganz wie damals wochenweise und mit mehrmonatiger Pause zwischen den Staffeln anschaut.
Auch bei DS9 war das noch stellenweise so – in der Regel dann, wenn es um die o.g. Themen Religion, Ferengi, Spiegeluniversum und Vic Fontaine ging. Das ist auch das Hauptproblem, dass ich mit DS9 habe: zu viele Themen haben mich nicht interessiert.
Ganz anders bei Voyager: nur äußerst selten fühlte ich mich gelangweilt, kein einziges Mal musste ich mich zwingen, eine weitere Episode zu schauen. Im Gegenteil: es war VOY, wo ich auch mal drei, vier Folgen am Stück gesehen habe. Das ist zweifelfrei eine Qualität, die man bei der Bewertung berücksichtigen muss.
Man könnte stark verkürzt sagen, dass sich Star Trek auf dem Weg von TNG zu VOY weg bewegt hat von “Philosophie” und eher “intellektuellem Niveau” hin zu “oberflächlicher Action-Unterhaltung”. Aber das würde einerseits TNG überhöhen und andererseits DS9 und VOY unrecht tun. Gleichwohl ist eine gewisse Tendenz schon erkennbar. Allen gemein sind teils heftige Logiklücken und Inkonsistenzen, was besonders ärgerlich ist, da sich viele davon bei nur etwas sorgfältigerer (Autoren- oder Produzenten-)Arbeit hätten vermeiden lassen können. Eigentlich alle Serien sind hinter ihrem Potential geblieben. Und dennoch: es waren und es sind großartige Serien, die eine ganze Generation geprägt haben. Und ich bin überglücklich, dass ich sie nun komplett gesehen habe. Und es wird mutmaßlich auch nicht bei diesem einen “Run” bleiben.
Aber nun stehe ich erstmal vor der schwierigen Frage, wie es jetzt weiter geht? Erst noch einmal ENT schauen, oder gleich zum (verschrienen) DSC übergehen? Ich werde es euch beizeiten verraten.